RedScorpion hat geschrieben:Ich behaupte auch gar nicht, dass die Bev. der Ehemaligen damals gar nix zum Fall der Mauer beigesteuert hat. Fakt ist aber doch wohl, dass ohne Gorbatschow und Kohl alle Demos zusammengeschossen worden wären, wie eben 1953 oder 1989 zeitgleich auf dem Platz des himmlischen Friedens.
Das ist tatsächlich eine schreckliche (theoretische) Vorstellung, denn dann würde es uns heute in der (vermutlich noch fester eingemauerten) DDR ungefähr so gehen, wie es den Menschen in Nordkorea heute geht.
RedScorpion hat geschrieben:Und danach hat man es Euch reingesteckt noch und nöcher (wobei N.B. ich es richtig fand und finde, dass es so kam, denn die Alternative wäre imho für alle furchtbar gewesen) und die ehemalige DDR hat davon profitiert wie noch niemals ein Land zuvor.
Nun ja, es mußte ja eine zeitgemäße Infrastruktur erst aufgebau werden. Andererseits haben zahlreiche private Investoren auch gut an der deutschen Einheit verdient.
RedScorpion hat geschrieben:So. Darum ging's mir aber gar nicht,
sondern darum, dass ich in meiner begrenzten Kleinheit nicht begreifen kann, woher denn dieser exklusive Nationalstolz von Ex-DDR-Bürgern (wie eben auch Merkel, z.B.) kommt, nachdem man nicht nur 40 Jahre lang nix zum Gedeihen der Bundesrepublik und Europas beigetragen hat (wohlgemerkt auch nicht beitragen konnte, sehr richtig), sondern der Feind war, den es zu vernichten galt (der also auch für Rüstungs- und Verteidigungskosten verantwortlich ist) bzw. mit dem man dann ab Brandt irgenwie - notgedrungen, aber ungern - sein Auskommen suchen musste, aber dem man die Pest an den Hals wünschte (und man war mitunter froh, dass es ihm schlechtging). Das war die Situation bis ungefähr 1985, um dann über Transferleistungen aus Bonn und Bxl zu verfügen, bei denen sich mancher die Augen gerieben hat. Ohne den Westen als Garant hättet Ihr heute nicht Arbeitslosigkeitszahlen von 70%, nicht von lächerlichen 10, über die aber immer noch rumgejammert wird. Oder Eure ohnehin schon relativ dünn besiedelte Pampa wär' halt menschenleer.
Sich jetzt heute dahinzustellen und sich als Zahlmeister aufzuspielen, immer von "uns" (sprich den tugendhaften) und "ihnen" (den Schmarotzern) zu sprechen, ist da zumindest erläuterungsbedürftig.
Das meinte ich.
Ok. Dann will ich dir gern einiges erklären.
Und dabei auch einige Richtigstellungen:
Es ist nicht richtig, zu behaupten, wir aus der DDR hätten "40 Jahre lang nix zum Gedeihen der Bundesrepublik und Europas beigetragen".
Wenn man sieht, wieviele Produkte aus der DDR in den Westen exportiert wurden, die dann auch gern gekauft wurden, weil sie besonders billig waren, dann ergibt sich ein ganz anderes Bild. Demnach war die DDR praktisch die "verlängerte Werkbank des Westens". Tausende Produkte (auch Lebensmittel) wurden in die Bundesrepublkik exportiert. Du kannst gern hier mal reinklicken: "
Ostprodukte im Westregal - Geschäfte mit der DDR"
Übrigens waren dabei auch Häftlinge als Zwangsarbeiter in der DDR fest mit eingebunden, siehe:
Zwangsarbeit in der DDR
Die Rechnung war ganz einfach: Egal, wie billig die DDR ihre eigenen Produkte im Westen zum Verkauf anbot, es lohnte sich immer. Denn während die eigene Bevölkerung für ihre Arbeit die nicht konvertierbare Ost-Mark als Lohn erhielt (bzw. Strafgefangene fast keinen Lohn erhielten und wir "PA"-Schüler ab der 7. Klasse in den Betrieben übrigens auch nicht, sondern nur Zensuren bekamen), kamen für den Staat für die im Westen verkauften Produkte Devisen herein.
Über die Vorteile, die uns das brachte, kann man streiten. Die begehrten Südfrüchte gab es nur zweimal im Jahr, andere Produkte, die ebenfalls auf dem Weltmarkt für Devisen eingekauft werden mußten - wie z. B. Kaffee - waren dagegen immer zu bekommen. Allerdings war Kaffee sehr teuer: Die 250 g Tüte "MOCCA Fix" kostete bspw. über 8 M.
Andererseits muß man auch sehen: Wer so viel für den Export produziert, kann der eigenen Bevölkerung dementsprechend weniger zum Kauf zur Verfügung stellen. Je mehr ich darüber nachdenke, um so mehr komme ich zu dem Schluss, daß auch dieser Umstand nicht unerheblich zu der Warenknappheit im eigenen Land beigetragen haben muß.
So gesehen war der Westen zwar
ideologisch irgendwie "der Feind",
wirtschaftlich war man aber eng mit dem "NSW" verzahnt. Die wenigsten wußten überhaupt, wie eng - und zwar hüben wie drüben.
Und noch eine Tatsache darf nicht außer Acht gelassen werden:
Bis 1961 gingen zahlreiche DDR-Bürger in West-Berlin arbeiten. Zudem flüchteten etwa 2,5 Mill. in den Westen und milderten so den bereits beginnenden Arbeitskräftemangel sicher nicht unerheblich. Auch das trug zum "Wirtschaftswunder" des Westens bei.
Damit relativiert sich dann aber auch der Umstand, daß die sog. "neuen Bundesländer" nach der Einheit von Geldern der sog. "alten Bundesländer" saniert werden mußten. Das hatte auch damit zu tun, daß es vor allem in den 80er Jahren wirtschaftlich steil bergab ging, so daß die Produktionsanlagen in der DDR fast nur noch auf Verschleiß gefahren wurden. Das bekam natürlich jeder mit, da ja jeder mit diesen zunehmend veralteten und verschlissenen Anlagen arbeiten mußte. So konnte das natürlich auch nicht geheim gehalten werden.
Die Bundesbürger auf der anderen Seite der Mauer profitierten dagegen 40 Jahre lang von den überaus günstigen Preisen der Produkte aus der DDR.
Aber der Haken war: Kaum jemand wußte überhaupt, wie viele DDR-Produkte er jemals gekauft hat und welche. Denn die Produkte, die in der DDR auf Lizenz hergestellt wurden, trugen eben nicht immer die Aufschrift "Made in GDR".
Nach der Einheit gab es dann eine hohe Arbeitslosigkeit - so hoch, wie sie sich wirklich keiner hätte vorstellen können - auch ich nicht. Und sie lag Anfang/Mitte der 90er Jahre auch nicht nur bei 10 %, sondern ging bis 25 % oder in manchen Gegenden gar bis auf über 30 % rauf. Zuvor war Arbeitslosigkeit gänzlich unbekannt. Jeder, der arbeiten wollte, hatte Arbeit - Arbeitsbummelanten oder sog. "Asoziale" wurden in der DDR sogar kriminalisiert.
Nach meiner persönlichen Schätzung mußten sich ca. 80 - 90 % aller DDR-Bürger nach der Einheit beruflich umorientieren und eine Umschulung auf sich nehmen - ein völliger beruflicher Neuanfang also (ich selbst übrigens auch).
Und nein, "gejammert" wird bei solchen Entwicklungen nicht nur im Osten. Gerade kürzlich gab es im Westen ein "großes Geschrei", wo ein Traditionsbetrieb geschlossen werden sollte. Ich weiß jetzt nur nicht mehr genau wo.
Zum Nationalstolz der DDR-Bürger:
Dieser war nach meinem Empfinden in der Zeit der Euphorie während der Friedlichen Revolution im Osten tatsächlich stärker ausgeprägt, als im Westen. Verwunderlich ist das für mich allerdings nicht, denn wir als "Normalbürger" haben uns immer schon vor allem am Westen orientiert. Wir schauten "Westfernsehen" und hörten "Westradio". Selbst unser Musikgeschmack war völlig gleich mit dem Westen. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, daß DDR-Bands von den Jugendlichen der 80er Jahre (also genau meine Generation) nicht mehr gehört wurden. Die Studie ergab konkret, daß in dieser Zeit bei 95 % der Jugendlichen auf deren persönlichen "Hitlisten" DDR-Bands (also selbst Rockbands) nicht mehr vorkamen. Ich kann das Ergebnis dieser Studie aus meiner eigenen Erfahrung heraus bestätigen.
Ein ähnliches Bild ergab sich (nur, um noch ein weiteres Beispiel zu nennen), was die Spiele der (bundes-) deutschen Fußball-Nationalmannschaft anging.
Aber auch politisch hofften wir vor der Wende immer auf Verbesserungen, die durch den jeweiligen Bundeskanzler mit der SED ausgehandelt wurden. Unsere Augen waren auch hier vor allem auf den Westen gerichtet. So war es kein Wunder, daß Rufe nach einer Einheit Deutschlands schon wenige Tage nach der Maueröffnung laut wurden. Eine innergesellschaftliche Diskussion begann und spätestens zu Weihnachten 1989 war eine klare Mehrheit im Osten für die schnelle Einheit.
Vergessen darf man dabei ja auch nicht, daß bei uns viele Westverwandtschaft hatten, die auch oft zu Besuch kam und Pakete schickte und so auch die persönlichen Bindungen die ganzen 40 Jahre lang aufrecht erhalten wurden.
Schon allein aus diesem Grund war diese sog. "ideologische Feindschaft" nichts als Propaganda der SED und wurde von uns einfachen Bürgern nur belächelt. Den Willen zu einer Einheit unserer Nation konnte die Teilung nur bei einem sehr geringen Prozentsatz der Bevölkerung brechen, bei einem überwältigenden Teil der Bevölkerung jedoch nicht. Man hat am 18. März 1990 gesehen, wie groß dieser Teil war, der die Einheit Deutschlands wollte. Die PDS, die gegen die deutsche Einheit stimmte, bekam nur 16,33 % der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 92 %. Ein eindrucksvolles Votum - oder?
Und natürlich hat diese
Identifikation als Deutscher mit genau dieser sehr speziellen Geschichte zu tun. Patriotismus hat mit Emotionen zu tun - sie sind meines Erachtens schwerlich rational zu erklären. Aber wenn man sich unsere Geschichte seit 1945 anschaut, dann hat das eben mit der Leidensgeschichte der DDR-Bürger und deren Hoffnungen in der Zeit bis 1990 zu tun und erklärt sich beim genauen hinschauen irgendwie von selbst. Das ist der Grund, warum gerade im Osten der nationalstaatliche Patriotismus so strark geblieben ist, während sich die Bundesbürger möglicherweise z. T. davon gelöst haben.
Übrigens: Deswegen kann ich auch die Südtiroler so gut verstehen, weil ich sie vermutlich irgendwie als "Leidensgenossen" ansehe. Auch über ihren Willen wurde aus politischen Erwägungen hinweg gegangen. Daß sie sich nun besonders über ihre Heimat identifizieren und sich noch heute zwar als Südtiroler sehen (und sich eher an Österreich orientieren), keinesfalls aber als Italiener, kann ich aufgrund eigener Erfahrungen gut verstehen. Das ist eben auch so eine "Teilungsgeschichte".
Damit ist dann auch das hier erklärt:
RedScorpion hat geschrieben:... Und überhaupt: Der Osten hat zuviel Gewicht. Und dann sind's eigentlich nichtmal Deutsche dort.
Bitte was?
RedScorpion hat geschrieben:Hör Dich doch einfach um im Westen, was man bisweilen über die Zone und ihre Einheimischen denkt.
Das ist ungefähr vom gleichen Kaliber dessen, was manche über die "PIGS" denken.
Meine Message, wenn ich auf der DDR rumhacke (welche eben ein schwacher Punkt in der Argumentation einer nationalen Rückbesinnung ist, gerade dann, wenn sie im Osten verfochten wird), ist, dass es niemanden weiterbringt, in diesen Schrott-Kategorien von vorgestern zu denken.
Es bringt niemanden weiter, wenn man aufgrund falscher Prämissen in dem Punkt "Euro" denkt wie Du, Dieter oder Schäuble, denn es führt in den Abgrund.
Alles klar?