Spartaner
Wo im kommunistischen Manifest steht zudem etwas von einer gewaltsamen Revolution?
Ich habe mir das Kommunistische Manifest noch einmal angesehen, welches Anfang 1848, also kurz vor Ausbruch der Revolution geschrieben wurde. Marx untersucht die Entwicklung des Bürgertums und kommt zu der Feststellung, dass die Geschichte eine Geschichte der Klassenkämpfe ist. In diesem Zusammen sieht er auch den zukünftigen Aufstand des Proletariats.
„Indem wir die allgemeinsten Phasen der Entwicklung des Proletariats zeichneten, verfolgten wir den mehr oder minder versteckten Bürgerkrieg innerhalb der bestehenden Gesellschaft bis zu dem Punkt, wo er in eine offene Revolution ausbricht und durch den gewaltsamen Sturz der Bourgeoisie das Proletariat seine Herrschaft begründet.“
http://www.mlwerke.de/me/me04/me04_459.htm
Das Revolutionen gewaltsam verlaufen, das war damals allgemeine Überzeugung. Schließlich waren auch die früheren Umwälzungen so verlaufen. Die englische Revolution im 17. Jahrhundert, der amerikanische Unabhängigkeitskrieg, die Französische Revolution, die Juli-Revolution 1830 und die 48er Revolution verliefen fast überall äußerst blutig. Marx skizziert die Entwicklung des Bürgertums und da dieses nahezu überall gewaltsam an die Macht gekommen war, schien es nur logisch zu sein, das es beim Proletariat nicht anders verlaufen würde.
Mitte des 19. Jahrhunderts war die Analyse von Marx, das der Staat das Organ der herrschenden Klasse ist, für Europa ja auch voll zutreffend. Fast überall auf dem Kontinent regierten noch die Aristokraten und auch dort, wo die Parlamente nicht nur dekoratives Beiwerk waren wie in England oder Belgien, war das Wahlrecht begrenzt auf die besitzenden Schichten, nur wenige Prozent der Bevölkerung. Nicht nur Marx, die meisten glaubten seinerzeit, dass dies nur durch Gewalt geändert werden kann. Das würde ich ihm jetzt 1848 auch nicht vorwerfen, damit folgte er dem Mainstream.
Das Ziel der Revolution war damals das Erkämpfen des allgemeinen Wahlrechts. Damals glaubte man, dass dann automatisch die besitzlosen Schichten an die Regierung kommen würden, denn die bilden die große Masse der Bevölkerung. Die Bourgeoisie ist zahlenmäßig nur klein und wird zwangsläufig verlieren.
„Wir sahen schon oben, dass der erste Schritt in der Arbeiterrevolution die Erhebung des Proletariats zur herrschenden Klasse, die Erkämpfung der Demokratie ist.
Das Proletariat wird seine politische Herrschaft dazu benutzen, der Bourgeoisie nach und nach alles Kapital zu entreißen, alle Produktionsinstrumente in den Händen des Staats, d.h. des als herrschende Klasse organisierten Proletariats, zu zentralisieren und die Masse der Produktionskräfte möglichst rasch zu vermehren.
Es kann dies natürlich zunächst nur geschehen vermittelst despotischer Eingriffe in das Eigentumsrecht und in die bürgerlichen Produktionsverhältnisse, durch Maßregeln also, die ökonomisch unzureichend und unhaltbar erscheinen, die aber im Lauf der Bewegung über sich selbst hinaustreiben und als Mittel zur Umwälzung der ganzen Produktionsweise unvermeidlich sind.“
http://www.mlwerke.de/me/me04/me04_459.htm
Erreicht werden soll dies unter anderem durch: 1. Expropriation des Grundeigentums und Verwendung der Grundrente zu Staatsausgaben.2. Starke Progressivsteuer.3. Abschaffung des Erbrechts.4. Konfiskation des Eigentums aller Emigranten und Rebellen. Und noch weitere Maßnahmen.
http://www.mlwerke.de/me/me04/me04_459.htm
Die Frage, ob durch Gewalt oder nicht Gewalt an die Macht zu kommen, finde ich auch nicht entscheidend. Viel bedenklicher finde ich den Begriff: Diktatur des Proletariats, den Marx ab etwa 1850 benutzt und anscheinend von Blanqui übernimmt. Es hatte sich nämlich gezeigt, dass allgemeines Wahlrecht keineswegs automatisch den Kommunisten hilft.
Die Revolution von 1848 machte dies deutlich. Das Volk gibt es nicht und es hat auch keinen einheitlichen Willen. In Paris führten Sozialisten den Arbeiteraufstand von1848 an, der blutig niedergeschlagen wurde. Doch anders als 1789 solidarisierten sich die Bauern diesmal nicht mit ihnen, sondern unterstützten die nachfolgende Diktatur von Napoleon III, der seinen Putsch anschließend durch eine Volksabstimmung legitimieren ließ. Die Arbeiten waren nur eine Minderheit, wie sollten sie ohne Bündnispartner an die Macht kommen?
Sind die Arbeiter zahlenmäßig nur klein, dann sind es die Kommunisten erst recht. Marx glaubte allerdings an den „Genossen Trend“. Der Kapitalismus würde dafür sorgen, dass es am Schluss immer weniger Kapitalisten gibt, dafür aber immer mehr Arbeiter und die würden dann die Kommunisten wählen. In einigen Ländern gab es später das allgemeine Wahlrecht, wenn auch nur für Männer und so sagte er später:
“ Eine Aufstand wäre dort eine Dummheit, wo man durch friedliche Agitation rascher und sicherer den Zweck erreicht“ ( MEW 17, 641) und anderer Stelle:
„ Der Arbeiter muss eines Tages die politische Gewalt ergreifen, um die neue Organisation der Arbeit aufzubauen… Aber wir haben nicht behauptet, dass die Wege, um zu diesem Ziele zu gelangen, überall dieselben seien. Wir wissen, da man die Institutionen, die Sitten und Traditionen der verschiedenen Länder berücksichtigen muss, und wir leugnen nicht, dass es Länder gibt, wie Amerika, England, und wenn mir eure Institutionen besser bekannt wären, würde ich vielleicht noch Holland hinzufügen, wo die Arbeiter auf friedlichem Weg zu ihrem Ziel gelangen können. "(Karl Marx, Rede über den Haager Kongress, MEW Bd.18, S.160)
Der späte Marx äußerte sich über die gewaltsame Revolution also anders als der frühe Marx. Ich finde aber, wie bereits gesagt, dies nicht so entscheidend, denn das Ziel, ob durch Gewalt oder durch Wahlen, das Ziel ist die Diktatur des Proletariats.
In seiner Kritik des Gothaer Programms kritisiert er die Forderung der Sozialdemokraten nach einem „freien Volksstaat“ und schreibt stattdessen:
„Zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Gesellschaft liegt die Periode der revolutionären Umwandlung der einen in die andre. Der entspricht auch eine politische Übergangsperiode, deren Staat nichts andres sein kann als die revolutionäre Diktatur des Proletariats.“
http://www.mlwerke.de/me/me19/me19_013.htm
Ihm ist offensichtlich klar, dass die Meinung der Kommunisten nicht von allen geteilt wird und deshalb können sie ihre Ziele nur durch eine Diktatur durchsetzen. Und genau hier liegt der springende Punkt.