Barbarossa hat geschrieben:RedScorpion hat geschrieben:Der Konflikt ist aber eben gerade - im Unterschied zu Südtirol - dadurch besonders konfliktgeladen, weil er nationale Traumata als Ausgangsbasis hat (womit ich nicht die Zerstörung des 2. Tempels meine), welche für einen Gutteil der heutigen Bev. bestenfalls schlimme familiäre Erinnerungen beinhalten.
Ohne den massiven Zuzug der Ashkenazim ab den 30ern (ja, auch wenn es schon vorher welche hatte, sehr richtig) wäre das Israel der 1940er, 50er und 60er undenkbar gewesen. Allein schon deswegen, weil ansonsten nicht genug Leute unter Waffen gestanden hätten.
Ich denke, es wäre erst gar nicht zu diesen heftigen Konflikten in Palästina gekommen, wenn die jüdischen Einwanderer keine Zionisten gewesen wären. Wie wir hier im Forum bereits festgestellt haben, ist der Zionismus eine Form des Nationalismus.
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Aha. Habt Ihr hier im Forum also bereits festgestellt.
Wie dem auch sei, der Nahostkonflikt (plus alle westlichen Stereotypen, die u.a. in Deutschland umhergeistern, wie z.B. hier
Barbarossa hat geschrieben:
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Eigentlich machten alle Seiten (auch die Briten) in Bezug auf Palästina so ziemlich alles falsch, was man nur falsch machen konnte.
) ist nicht auf dem Niveau des 2. Weltkriegs,
und die Südtirolproblematik nicht auf dem Niveau des Nahostkonflikts.
Barbarossa hat geschrieben:
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Nationalismus, egal in welcher Form, wirkt immer friedensgefährdend.
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Sagen wir 'mal so: Der Nationalismus des 19. Jh. (welcher aber wenig gemein hat schon mit jenem des angehenden 20.) ist wohl schwierig mit Pluralismus und modernem Recht in Einklang zu bringen, weil das Individuum in der Vormoderne eben nur als ganzheitliches Standardprodukt an der Gesellschaft teilnehmen konnte, +- jedenfalls.
Ist aber heute eigentlich kein Problem mehr. Ob man das Ding nu Nationalismus nennt, Patriotismus, Vaterlandsliebe oder Verfassungstreue.
Man kann heute sehr wohl guter Deutscher sein und gleichzeitig "trotzdem" Katholik oder Kommunist,
guter Amerikaner und auch Pole zugleich, z.B. Brzeziński.
Barbarossa hat geschrieben:
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RedScorpion hat geschrieben:Das kommt aber in erster Linie darauf an, was man unter "Autonomie" verstehen will. Wenn das heisst, dass es einen Nationalitätenschlüssel hat, entlang welchem öffentliche Posten u.ä. vergeben werden, und das voraussetzt, dass sich jeder für eine bestimmte Sprache oder "Ethnie" entscheiden muss...
Hab ich jetzt auch gelesen. Nun muß man aber sagen, daß das historisch gewachsen ist und eine solche Regelung notwendig erscheint, wenn es eine massive Benachteiligung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe gibt oder diese zumindest vermutet wird. Aus deinem Link:
Obwohl das Pariser Abkommen die Gleichbehandlung der deutschen Südtiroler forderte, waren noch 1972 über 90 % der staatlichen Ämter mit Italienern besetzt (nur 662 von 7131 Stellen waren von Deutschen besetzt). Bei den Landesämtern waren die deutschen Muttersprachler angemessener vertreten.
Auch bei der Vergabe von Sozialwohnungen waren italienische Muttersprachler bevorzugt. Im Jahr 1984, also über 10 Jahre nach Verabschiedung des Südtirol-Paketes, waren 68,4 % der 12.024 Wohnungen von Italienern bewohnt.
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Gutes Beispiel eben, um den Anachronismus dieses Proporzsystems zu veranschaulichen. Die Masse der Inanspruchnehmer von Sozialleistungen wird das nicht machen, weil es sich um Italienisch- oder Deutschsprachige handelt, sondern weil sie in Städten (i.e. mit höherer Wahrscheinlichkeit sozialer Missstände) wohnt und nicht auf dem Land. Ergo, da Italienischsprachige nur wenig auf dem Land leben, sondern in den Städten, sind sie überrepräsentiert in Sachen soziale Brennpunkte.
Ist in D nicht anders.
Barbarossa hat geschrieben:
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Hierzulande würde man "Proporz" mit "Quotenregelung" übersetzen, die hier ebenfalls diskutiert wird - und zwar bei der Besetzung von Arbeitsstellen mit Frauen (Frauenquote). Da sehe ich bei dessen Einführung ganz ähnliche Probleme.
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Auch das ist etwas völlig anderes.
Du hast es nicht so mit dem Differenzieren, dem Erkennen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden, oder?
Barbarossa hat geschrieben:
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Und wie ich schon vermutete und deswegen anmerkte, ist die Historie nicht aufgearbeitet und die Bevölkerungsgruppen deswegen noch lange nicht versöhnt:
Die letzte Volkszählung in Südtirol und damit einhergehende Erhebung des ethnischen Proporzes fand vom 9. Oktober bis zum 31. Dezember 2011 statt. Spannungen zwischen den Sprachgruppen blieben im Vorfeld der Befragung im Gegensatz zu den vorangegangenen Zählungen aus.
Keine schönen Zustände also, die sich aber aus der Historie erklären lassen.
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Du musst aber bedenken, dass deutschsprachige Seiten, entweder also von Deutschen, Oesterreichern, Schweizern oder dt-sprachigen Südtirolern verfasst, vllt nicht ganz "über den Parteien" steht, gerade dann, wenn Gefahr besteht, dass jene Oesterreicher, die von eigenen Problemen ablenken wollen bzw. ihre niederen Begehrlichkeiten nicht im Griff haben, ihre Fettgriffel drinhaben. Denn täten's gern ihre Wiener Löcher mit abgeschröpften Südtiroler Mitteln stopfen.
Abgsehen davon versteh' ich aber nicht, was Du am Satz "Spannungen zwischen den Sprachgruppen
blieben im Vorfeld der Befragung im Gegensatz zu den vorangegangenen Zählungen
aus." schon wieder nicht verstehst bzw. meinst, daraus ableiten zu können, "die Historie sei nicht aufgearbeitet" oder es gebe anderweitig massenweise Probleme wer weiss wie.
Kannst Dich ja 'mal fragen, warum man nix von Massendemos, Verletzten oder gar Toten aus dem von Bürgerkrieg gebeutelten Südtirol hört.
P.S. Wär' interessant zu wissen, zu welcher "Ethnie" sich z.B. Silvius Magnago, Lilli Gruber oder Reinhold Messner zählen täten.
LG