von Barbarossa » 11.02.2015, 00:12
Eine Zusammenfassung aller noch verfügbaren Beiträge:
Berner » 06.02.2015, 16:04
Ich habe gerade eine Doku gesehen, die ich sehr interessant und wesentlich informativer als andere deutsche Produktionen fand:
https://www.youtube.com/watch?v=ZQykroaMGx8
Spoiler:
Darin kommt zu Wort Erc Cline von der George Washington University und es geht um die Ausgrabungen von Krzysztof Nowicki auf Kreta und seine daraus gewonnenen Erkenntnisse. Nowicki hat eine große Zahl von Bergsiedlungen entdeckt, die zur Zeit des Seevölkersturms an den unwirtlichsten und verstecktesten Orten auf Kreta, auf felsigen Klippen und Gipfeln errichtet wurden, während zeitgleich zahlreiche Siedlungen an der Küste verlassen wurden. Ausserdem wurde eine Festung an der Küste entdeckt, die zu dieser Zeit nur von äußerst wehrhaften Kriegern hätte verteidigt werden können, von der man annimmt, dass sie Kriegern der Seevölker als Stützpunkt diente, um Kreta von dort aus zu kontrollieren oder um zu Kriegszügen aufzubrechen. Natürlich geht es daneben auch um andere weithin bekannte Quellen über die Seevölker.
Besonders interessant fand ich den Zusammenhang zwischen dem Friedensvertrag zwischen Ägypten und dem Hethiterreich und dem daraufhin ausbrechenden Seevölkersturm und Erkenntnisse über Veränderungen in der Kriegsführung, die mit dem Seevölkersturm einhergehen.
Daraus ergibt sich eine These. Mit dem Friedensvertrag verliert die große Zahl von Söldnern, hauptsächlich einfache Fußsoldaten aller Herren Länder, die vormals auf Seiten der Ägypter oder Hethiter kämpften, ihre Lebensgrundlage. Es ist ja allgmein bekannt, dass eine vielzahl ägyptischer oder hethitischer Söldner aus anderen Gegenden des Mittelmeers, etwa der Ägäis oder Lybien stammten. Es ist von daher nicht weiter abwegig, dass diese zahlreichen entlassenen Söldner, nun erhebliche Spannungen und Umwälzungen auslösten. Der Gegensatz der streitwagenbewährten Eliten und der einfachen Fußtruppen tritt nun offen zu Tage. Mit der Einführung einer neuen Waffe kippt die herausragende Stellung des Streitwagens in der Kriegsführung. Mit dem Seevölkersturm, erhält der Speer, der vormals vor allem bei der Jagd Verwendung fand, Einzug in die Kriegsführung und eine große Bedeutung, die er noch lange behalten sollte. Der Krieger der Seevölker ist leich gepanzert und trägt einen Speer, ein Hiebschwert und einen Rundschild. Ist das Pferd eines Streitwagens erstmal verwundet (z.B. durch einen Speerwurf) und das Gefährt kommt zum stehen, sind die schwergepanzerten, behäbigen Elitekrieger beinahe wehrlos den wendigen, ungepanzerten Fußsoldaten ausgeliefert. Die Einführung neuer Strategien in der Kriegsführung hätte damit auch soziale Umwälzungen zur Folge.
Cline vermutet, dass die gut vernetzten und über Informanten in vielen Ländern verfügenden Ägypter, bereits frühzeitig über die aufkommende Gefahr informiert waren. Die Entscheidung der Ägypter, die Seevölker bereits auf dem Meer in einer Seeschlacht zu stellen, erschiene damit als eine wohl überlegte, durchdachte Strategie, die darin besteht, das Anlanden der zu Lande überlegenden Fußkämpfer zu verhindern. Wenn auch schwer gebeutelt, verdankt das Ägyptische Reich dieser klugen Entscheidung und seinem fortschrittlichen Spionagenetzwerk möglicherweise sein Überleben.
Grundsätzlich führt der Versuch einen Erklärungsansatz gegen den anderen auszuspielen meiner Meinung nicht weit. Ich finde sogar das verschiedene Thesen sehr gut zueinander passen. Nimmt man etwa die Theorie, dass vom Balkan einwandernde Völker in der Ägäis zu weiteren Wanderbewegungen und Unruhen führten, so kann man sich gut vorstellen, das die Auswirkungen umso größer waren, je instabiler die Verhältnisse in den Reichen der Mykener oder Hethiter ohnehin schon waren. Auch die Veränderungen des Klimas oder die Erdbebenphase, der über Jahrzehnte viele Städte im ganzen Mittelmeerraum zum Opfer fielen, stellen keinen Widerspruch dar, sondern erscheinen eher als ein perfekter Närboden für soziale Unruhen, Völkerwanderungen und Konflikte. Die Theorie von ehemaligen Söldnern in prekären Verhältnissen, die sich vermutlich in großer Zahl auch der Seeräuberei betätigten, erklärt für mich besonders gut die Unklarheit, was die Heerkunft der Seevölker betrifft, bzw. die Nennung so vieler unterschiedlicher Völker, sie erklärt auch Widersprüche wie etwa - wenn man den trojanischen Krieg vor dem Hintergrund des Seevölkersturms betrachten möchte - dass Larisa sowohl als Herkunftsort des Achilles als auch als verbündete Stadt der Trojaner genannt wird.
Woher kamen die Seevölker? (siehe: 23:30)
Ich denke wie auch Professor Cline diese Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten, weil die Seevölker vermutlich auch unterschiedlicher Herkunft waren. Es stellen sich Fragen wie: Kamen die Serdana aus Sardinien oder gingen sie schließlich dort hin (schließlich wurden die ägyptischen Inschriften und Stelen ja vermutlich auch erst im Nachhinein angefertigt)? Man weiß es nicht. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Völker im nachhinein nach Völkern bennant wurden, in deren Gebiet sie einwanderten, wie auch Beispiele bekannt sind, wo der Name von Eroberern auf die von ihnen eroberten Gebiete übertragen wurden. Ich finde wie auch die Erklärung am plausibelsten, dass der Seevölkersturm sowohl aus den betroffenen Ländern selbst erwuchs (mykenische, karische, hethitische, ägyptische, lybische etc Söldner und Bevölkerungsgruppen), als auch durch einwandernde Völker und Stämme gespeist wurde. So kann ich mir gut vorstellen, dass örtliche Piraten oder Aufständische, sich mit äußeren Feinden/ einwandernden Völkern zusammen schlossen, um die eigene Anzahl und Schlagkraft gegenüber einer immer noch wehrhaften Elite und herrschenden Klasse der bronzezeitlichen Großreiche zu erhöhen. Sie wären damit naheliegende Verbündete, mit dem gemeinsamen Ziel, am Wohlstand und Reichtum der Eliten in den großen Reichen des Mittelmeerraums teilzuhaben. Vor dem Hintergrund klimatischer Umwälzungen, Naturkatastrophen und Dürren, erscheint dieses Anliegen nur noch dringlicher.
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Dietrich » 07.02.2015, 14:20
Berner hat geschrieben:I
Grundsätzlich führt der Versuch einen Erklärungsansatz gegen den anderen auszuspielen meiner Meinung nicht weit. Ich finde sogar das verschiedene Thesen sehr gut zueinander passen. Nimmt man etwa die Theorie, dass vom Balkan einwandernde Völker in der Ägäis zu weiteren Wanderbewegungen und Unruhen führten, so kann man sich gut vorstellen, das die Auswirkungen umso größer waren, je instabiler die Verhältnisse in den Reichen der Mykener oder Hethiter ohnehin schon waren. Auch die Veränderungen des Klimas oder die Erdbebenphase, der über Jahrzehnte viele Städte im ganzen Mittelmeerraum zum Opfer fielen, stellen keinen Widerspruch dar, sondern erscheinen eher als ein perfekter Närboden für soziale Unruhen, Völkerwanderungen und Konflikte. Die Theorie von ehemaligen Söldnern in prekären Verhältnissen, die sich vermutlich in großer Zahl auch der Seeräuberei betätigten, erklärt für mich besonders gut die Unklarheit, was die Heerkunft der Seevölker betrifft, bzw. die Nennung so vieler unterschiedlicher Völker, sie erklärt auch Widersprüche wie etwa - wenn man den trojanischen Krieg vor dem Hintergrund des Seevölkersturms betrachten möchte - dass Larisa sowohl als Herkunftsort des Achilles als auch als verbündete Stadt der Trojaner genannt wird.
Das Problem der Seevölker bleibt eine komplexe und ungelöste Frage. Im Verlauf der letzten Jahrzehnte sind immer wieder Hypothesen aufgetaucht, die eine zeitlang diskutiert, und dann von neuen Hypothesen abgelöst wurden. Am Anfang stand eine Invasion von Völkern aus dem Balkanraum, die in Griechenland einfielen. Diese Hypothese hielt sich viele Jahrzehnte, bis Archäologen erklärten, eine solche Invasion lasse sich nicht nachweisen. Es gäbe keine archäologisch feststellbare Spur von Norden nach Griechenland hinein, vor allem auch keine Waffen, die darauf hindeuten könnten. Alle in Griechenland gefundenen Schwerter, Dolche oder Schilde kämen aus dem ägäischen Raum. Später dann wurden zusätzlich genannt: Erdbeben, Dürreperioden, Klimaverschlechterung, Bürgerkrieg, Kampf der Kriegeraristokratie, Implosion des Systems.
Die heutige Forschung stellt die Sache so dar, wie sie ist. Sie sagt, dass der Seevölkersturm und der Untergang von Mykene und dem Hethiterreich komplexe Ursachen haben und nicht monokausal erklärbar sind. Allerdings ist man sich ziemlich sicher, dass durch den Untergang Mykenes und der Hethiter Bevölkerungsverschiebungen erfolgten und es zu Migrationen und Wanderungen von Bevölkerungsgruppen kam. Immerhin gab es in ganz Griechenland Zerstörungen und Brandkatastrophen, die Einwohnerzahl verminderte sich rapide und es entstanden siedlungsarme und sogar entvölkerte Gebiete. Man kann also einen Dominoeffekt vermuten: Die Implosion der ägäischen Staaten setzte eine Völkerlawine in Bewegung, die andere mitriss. Wenn wir auch nicht die eigentlichen Ursachen kennen, so kennen wir immerhin die Auswirkungen. Wanderzüge entlang der Südküste Kleinasiens und der Levante (Syrien, Palästina) bis hin zur historisch gut dokumentierten Seeschlacht im Nildelta zwischen Ägyptern und Kriegern der Seevölker.
Über die Identität und Herkunft der Seevölker ist man bis heute im unklaren. Ob nun die Sardana wirklich aus Sardinien kommen, die Turesch Etrusker sind oder die Sekelesh aus Sizilien stammen, ist fraglich. Die Lukka werden mit ziemlicher Gewissheit mit den Lykern gleichgesetzt, die an der Südküste Kleinasiens siedelten und die Peleset sind als einzige mit den Philistern zu identifizieren.
[u]Eine Zusammenfassung aller noch verfügbaren Beiträge:[/u]
Berner » 06.02.2015, 16:04
Ich habe gerade eine Doku gesehen, die ich sehr interessant und wesentlich informativer als andere deutsche Produktionen fand:
https://www.youtube.com/watch?v=ZQykroaMGx8
Spoiler:
Darin kommt zu Wort Erc Cline von der George Washington University und es geht um die Ausgrabungen von Krzysztof Nowicki auf Kreta und seine daraus gewonnenen Erkenntnisse. Nowicki hat eine große Zahl von Bergsiedlungen entdeckt, die zur Zeit des Seevölkersturms an den unwirtlichsten und verstecktesten Orten auf Kreta, auf felsigen Klippen und Gipfeln errichtet wurden, während zeitgleich zahlreiche Siedlungen an der Küste verlassen wurden. Ausserdem wurde eine Festung an der Küste entdeckt, die zu dieser Zeit nur von äußerst wehrhaften Kriegern hätte verteidigt werden können, von der man annimmt, dass sie Kriegern der Seevölker als Stützpunkt diente, um Kreta von dort aus zu kontrollieren oder um zu Kriegszügen aufzubrechen. Natürlich geht es daneben auch um andere weithin bekannte Quellen über die Seevölker.
Besonders interessant fand ich den Zusammenhang zwischen dem Friedensvertrag zwischen Ägypten und dem Hethiterreich und dem daraufhin ausbrechenden Seevölkersturm und Erkenntnisse über Veränderungen in der Kriegsführung, die mit dem Seevölkersturm einhergehen.
Daraus ergibt sich eine These. Mit dem Friedensvertrag verliert die große Zahl von Söldnern, hauptsächlich einfache Fußsoldaten aller Herren Länder, die vormals auf Seiten der Ägypter oder Hethiter kämpften, ihre Lebensgrundlage. Es ist ja allgmein bekannt, dass eine vielzahl ägyptischer oder hethitischer Söldner aus anderen Gegenden des Mittelmeers, etwa der Ägäis oder Lybien stammten. Es ist von daher nicht weiter abwegig, dass diese zahlreichen entlassenen Söldner, nun erhebliche Spannungen und Umwälzungen auslösten. Der Gegensatz der streitwagenbewährten Eliten und der einfachen Fußtruppen tritt nun offen zu Tage. Mit der Einführung einer neuen Waffe kippt die herausragende Stellung des Streitwagens in der Kriegsführung. Mit dem Seevölkersturm, erhält der Speer, der vormals vor allem bei der Jagd Verwendung fand, Einzug in die Kriegsführung und eine große Bedeutung, die er noch lange behalten sollte. Der Krieger der Seevölker ist leich gepanzert und trägt einen Speer, ein Hiebschwert und einen Rundschild. Ist das Pferd eines Streitwagens erstmal verwundet (z.B. durch einen Speerwurf) und das Gefährt kommt zum stehen, sind die schwergepanzerten, behäbigen Elitekrieger beinahe wehrlos den wendigen, ungepanzerten Fußsoldaten ausgeliefert. Die Einführung neuer Strategien in der Kriegsführung hätte damit auch soziale Umwälzungen zur Folge.
Cline vermutet, dass die gut vernetzten und über Informanten in vielen Ländern verfügenden Ägypter, bereits frühzeitig über die aufkommende Gefahr informiert waren. Die Entscheidung der Ägypter, die Seevölker bereits auf dem Meer in einer Seeschlacht zu stellen, erschiene damit als eine wohl überlegte, durchdachte Strategie, die darin besteht, das Anlanden der zu Lande überlegenden Fußkämpfer zu verhindern. Wenn auch schwer gebeutelt, verdankt das Ägyptische Reich dieser klugen Entscheidung und seinem fortschrittlichen Spionagenetzwerk möglicherweise sein Überleben.
Grundsätzlich führt der Versuch einen Erklärungsansatz gegen den anderen auszuspielen meiner Meinung nicht weit. Ich finde sogar das verschiedene Thesen sehr gut zueinander passen. Nimmt man etwa die Theorie, dass vom Balkan einwandernde Völker in der Ägäis zu weiteren Wanderbewegungen und Unruhen führten, so kann man sich gut vorstellen, das die Auswirkungen umso größer waren, je instabiler die Verhältnisse in den Reichen der Mykener oder Hethiter ohnehin schon waren. Auch die Veränderungen des Klimas oder die Erdbebenphase, der über Jahrzehnte viele Städte im ganzen Mittelmeerraum zum Opfer fielen, stellen keinen Widerspruch dar, sondern erscheinen eher als ein perfekter Närboden für soziale Unruhen, Völkerwanderungen und Konflikte. Die Theorie von ehemaligen Söldnern in prekären Verhältnissen, die sich vermutlich in großer Zahl auch der Seeräuberei betätigten, erklärt für mich besonders gut die Unklarheit, was die Heerkunft der Seevölker betrifft, bzw. die Nennung so vieler unterschiedlicher Völker, sie erklärt auch Widersprüche wie etwa - wenn man den trojanischen Krieg vor dem Hintergrund des Seevölkersturms betrachten möchte - dass Larisa sowohl als Herkunftsort des Achilles als auch als verbündete Stadt der Trojaner genannt wird.
Woher kamen die Seevölker? (siehe: 23:30)
Ich denke wie auch Professor Cline diese Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten, weil die Seevölker vermutlich auch unterschiedlicher Herkunft waren. Es stellen sich Fragen wie: Kamen die Serdana aus Sardinien oder gingen sie schließlich dort hin (schließlich wurden die ägyptischen Inschriften und Stelen ja vermutlich auch erst im Nachhinein angefertigt)? Man weiß es nicht. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Völker im nachhinein nach Völkern bennant wurden, in deren Gebiet sie einwanderten, wie auch Beispiele bekannt sind, wo der Name von Eroberern auf die von ihnen eroberten Gebiete übertragen wurden. Ich finde wie auch die Erklärung am plausibelsten, dass der Seevölkersturm sowohl aus den betroffenen Ländern selbst erwuchs (mykenische, karische, hethitische, ägyptische, lybische etc Söldner und Bevölkerungsgruppen), als auch durch einwandernde Völker und Stämme gespeist wurde. So kann ich mir gut vorstellen, dass örtliche Piraten oder Aufständische, sich mit äußeren Feinden/ einwandernden Völkern zusammen schlossen, um die eigene Anzahl und Schlagkraft gegenüber einer immer noch wehrhaften Elite und herrschenden Klasse der bronzezeitlichen Großreiche zu erhöhen. Sie wären damit naheliegende Verbündete, mit dem gemeinsamen Ziel, am Wohlstand und Reichtum der Eliten in den großen Reichen des Mittelmeerraums teilzuhaben. Vor dem Hintergrund klimatischer Umwälzungen, Naturkatastrophen und Dürren, erscheint dieses Anliegen nur noch dringlicher.
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Dietrich » 07.02.2015, 14:20
[quote]Berner hat geschrieben:I
Grundsätzlich führt der Versuch einen Erklärungsansatz gegen den anderen auszuspielen meiner Meinung nicht weit. Ich finde sogar das verschiedene Thesen sehr gut zueinander passen. Nimmt man etwa die Theorie, dass vom Balkan einwandernde Völker in der Ägäis zu weiteren Wanderbewegungen und Unruhen führten, so kann man sich gut vorstellen, das die Auswirkungen umso größer waren, je instabiler die Verhältnisse in den Reichen der Mykener oder Hethiter ohnehin schon waren. Auch die Veränderungen des Klimas oder die Erdbebenphase, der über Jahrzehnte viele Städte im ganzen Mittelmeerraum zum Opfer fielen, stellen keinen Widerspruch dar, sondern erscheinen eher als ein perfekter Närboden für soziale Unruhen, Völkerwanderungen und Konflikte. Die Theorie von ehemaligen Söldnern in prekären Verhältnissen, die sich vermutlich in großer Zahl auch der Seeräuberei betätigten, erklärt für mich besonders gut die Unklarheit, was die Heerkunft der Seevölker betrifft, bzw. die Nennung so vieler unterschiedlicher Völker, sie erklärt auch Widersprüche wie etwa - wenn man den trojanischen Krieg vor dem Hintergrund des Seevölkersturms betrachten möchte - dass Larisa sowohl als Herkunftsort des Achilles als auch als verbündete Stadt der Trojaner genannt wird.[/quote]
Das Problem der Seevölker bleibt eine komplexe und ungelöste Frage. Im Verlauf der letzten Jahrzehnte sind immer wieder Hypothesen aufgetaucht, die eine zeitlang diskutiert, und dann von neuen Hypothesen abgelöst wurden. Am Anfang stand eine Invasion von Völkern aus dem Balkanraum, die in Griechenland einfielen. Diese Hypothese hielt sich viele Jahrzehnte, bis Archäologen erklärten, eine solche Invasion lasse sich nicht nachweisen. Es gäbe keine archäologisch feststellbare Spur von Norden nach Griechenland hinein, vor allem auch keine Waffen, die darauf hindeuten könnten. Alle in Griechenland gefundenen Schwerter, Dolche oder Schilde kämen aus dem ägäischen Raum. Später dann wurden zusätzlich genannt: Erdbeben, Dürreperioden, Klimaverschlechterung, Bürgerkrieg, Kampf der Kriegeraristokratie, Implosion des Systems.
Die heutige Forschung stellt die Sache so dar, wie sie ist. Sie sagt, dass der Seevölkersturm und der Untergang von Mykene und dem Hethiterreich komplexe Ursachen haben und nicht monokausal erklärbar sind. Allerdings ist man sich ziemlich sicher, dass durch den Untergang Mykenes und der Hethiter Bevölkerungsverschiebungen erfolgten und es zu Migrationen und Wanderungen von Bevölkerungsgruppen kam. Immerhin gab es in ganz Griechenland Zerstörungen und Brandkatastrophen, die Einwohnerzahl verminderte sich rapide und es entstanden siedlungsarme und sogar entvölkerte Gebiete. Man kann also einen Dominoeffekt vermuten: Die Implosion der ägäischen Staaten setzte eine Völkerlawine in Bewegung, die andere mitriss. Wenn wir auch nicht die eigentlichen Ursachen kennen, so kennen wir immerhin die Auswirkungen. Wanderzüge entlang der Südküste Kleinasiens und der Levante (Syrien, Palästina) bis hin zur historisch gut dokumentierten Seeschlacht im Nildelta zwischen Ägyptern und Kriegern der Seevölker.
Über die Identität und Herkunft der Seevölker ist man bis heute im unklaren. Ob nun die Sardana wirklich aus Sardinien kommen, die Turesch Etrusker sind oder die Sekelesh aus Sizilien stammen, ist fraglich. Die Lukka werden mit ziemlicher Gewissheit mit den Lykern gleichgesetzt, die an der Südküste Kleinasiens siedelten und die Peleset sind als einzige mit den Philistern zu identifizieren.