Mir ist beim schreiben im Geschichtsforum gerade etwas aufgefallen und ich möchte die betreffenden Beiträge hier einfach mal übernehmen:
balticbirdy hat geschrieben:Wer weiß, woher er den Zettel hatte. Vermutlich guckte er erst während der Pressekonferenz zum ersten Mal darauf.
Also nach meiner Info, hat Krenz ihm den Zettel kurz vor der Pressekonferenz zugesteckt und folglich hat er dort vermutlich tatsächlich zum ersten mal einen Blick darauf geworfen...
Hier noch ein Artikel dazu:
Auf Nachfrage des italienischen Journalisten Riccardo Ehrmann holt Günter Schabowski um 18.53 Uhr einen Zettel aus seiner Tasche heraus, den er vor der Pressekonferenz von Egon Krenz, dem Nachfolger Erich Honeckers, bekommen hat (2) und liest stockend vor:
"Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen - Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse - beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt.
Die zuständigen Abteilungen Paß- und Meldewesen der VPKÄ (der Volkspolizeikreisämter) in der DDR sind angewiesen, Visa zur ständigen Ausreise unverzüglich zu erteilen, ohne daß dabei noch geltende Voraussetzungen für eine ständige Ausreise vorliegen müssen." (3)
Schabowski ist sich nicht sicher, was er da verlesen hat und wird schon mit einer weiteren Frage konfrontiert: "Gilt das auch für Westberlin?".
Er zuckt mit den Schultern und antwortet:
"Also, doch, doch" und liest dann weiter vor:
"Die ständige Ausreise kann über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD bzw. zu Westberlin erfolgen."
Schabowski wird gefragt: "Wann tritt das in Kraft?" und er antwortet:
"Das tritt nach meiner Kenntnis ... ist das sofort, unverzüglich." (4)
Die DDR-Nachrichtenagentur ADN verbreitet den von Schabowski verlesenen Text um 19.04 Uhr, der dann um 19.30 von der Aktuellen Kamera im DDR-Fernsehen und um 20.00 Uhr von der Tagesschau mit der Meldung "DDR öffnet Grenze" (5) gesendet wird.
Quelle:
http://www.berlinermaueronline.de/gesch ... erfall.htm
Edit:
Wenn ich mir den Text so durchlese, dann ist da tatsächlich mehmals von
"ständiger Ausreise" die Rede. Da ist es ja kein Wunder, daß ich das damals nicht auf mich selbst bezogen habe, sondern dachte, es wären diejenigen damit gemeint, die z. T. schon seit Jahren einen Ausreiseantrag zu laufen hatten. Das fällt mir jetzt erst mal so richtig auf! Ich hab das mal unterstrichen, was ich meine...
balticbirdy hat geschrieben:So war es wohl auch gedacht. Manchen der ersten Grenzgänger wurde noch der Ausweis entwertet. Alle "Querulanten", also ein paar tausend Leute , rauslassen und dann ist Ruhe - so war wahrscheinlich der ursprüngliche Plan. Damit es keine kompromittierenden Bilder wie von den Botschaften und Sonderzügen mehr gibt. Prag und Budapest werden da auch Druck gemacht haben.
Dass die Leute lediglich ein bisschen feiern gingen und am nächsten Morgen wieder pünktlich im Osten zur Arbeit erschienen, das ging über jedes Vorstellungsvermögen der SED-Bonzen.
siehe:
http://www.geschichtsforum.de/f144/der- ... post449250
Das ist doch mal eine ganz andere Sichtweise der Dinge und ich dachte damals schon, ich wäre blöd - ich hab die Pressekonferenz doch um 19.30 Uhr in den Nachrichten gesehen...
Und das ist dann passiert:
http://www.youtube.com/watch?v=1_eCVhCGYwE
Da wird das auch noch einmal gesagt.
Und so lief der Tag bei mir ab:
Für mich war das einer der Tage, die man im Leben nie vergißt. Ich hatte damals Nachtschicht und so habe ich alles live miterlebt.
Bevor ich zur Arbeit mußte, habe ich zuerst im ZDF die Heute-Nachrichten gesehen und anschließend im Osten die "Aktuelle Kamera" ( das habe ich in der Wendezeit täglich gemacht ). Dort habe ich auch die Pressekonferenz gesehen, in der Günter Schabowski das legendäre neue Ausreisegesetz vorlas. Ich selbst habe es zu diesem Zeitpunkt zwar zur Kenntnis genommen, habe es aber nicht auf mich selbst bezogen - ich dachte, daß damit Diejenigen gemeint waren, die teilweise seit Jahren einen Ausreiseantrag zu laufen hatten. Für die Leute freute ich mich zu dem Zeitpunkt. Ich ging dann zur Arbeit.
Als ich mit der Arbeit fast fertig war - kurz nach Mitternacht - kam ein älterer Kollege angelaufen und meinte: "Du, ich hör gerade Radio – die rennen alle auf dem Ku´damm rum!" Völlig fassungslos und ungläubig ging ich mit und wir hörten die restliche Nacht Radio. Als ich nach Hause kam, wußten natürlich auch meine Eltern schon davon. Ich ging erst mal ein paar Stunden schlafen und meine Mutter besorgte die Visa für uns alle. Mein Onkel, der Bruder meiner Mutter, wohnte seit 1986 in Westberlin ( er ist gegangen worden ), ihn besuchten wir und ich blieb das ganze Wochenende dort ( der 10. 11. ´89 war ein Freitag ). Er zeigte mir vieles in Westberlin, was ich sonst nur aus dem Fernsehen kannte. Die Emotionen die wir alle hatten, kann man eigentlich kaum beschreiben, man muß ja dabei berücksichtigen, daß wir bis dahin damit nicht gerechnet hatten und dachten, daß wir erst als Rentner in den Westen kommen würden. Selbst das neue, erst kurz davor erlassene Reisegesetz brachte kaum Verbesserungen. So lief ich durch Westberlin teils immer noch fassungslos, neugierig, glücklich, aber einmal auch verärgert über eine Frau mittleren Alters, die sich bereits am 10. 11. 89 über die vollen S-Bahnen aufregte und meinte, sie hoffe, die Mauer wird bald wieder zu gemacht ( typische "Insulaner-Mentalität" - scheint es bis heute dort zu geben, sind aber nicht alle so ).
In den folgenden Monaten fuhr ich noch oft nach Westberlin, Ausweis und Reisepaß waren bald voll mit Visa. Überhaupt war die Wendezeit für mich eine der schönsten, interessantesten, ja, spannendsten Zeiten in meinem Leben, in der ich ( als damals 22-jähriger ) auch politisch aktiv wurde und im Februar 1990 in den Demokratischen Aufbruch eintrat.
Ängste meinerseits ? Null.
Habe ich jetzt auch mal übernommen von:
http://www.geschichtsforum.de/showpost. ... stcount=14