26. November 1346 - Karl IV. wird in Bonn gekrönt
Verfasst: 26.11.2025, 21:12
Textzitat in voller Länge:
»Die Wahl Karls IV. zum Gegenkönig und seine Krönung am 26. November 1346 in Bonn, lassen sich nur vor dem Hintergrund der außerordentlich komplexen politischen Situation des Heiligen Römischen Reiches und Europas in den 1340er-Jahren angemessen verstehen. Sie stehen im Kontext des anhaltenden Konflikts zwischen dem amtierenden römisch-deutschen König Ludwig IV. (genannt der Bayer) und dem Papsttum, der Machtinteressen einzelner Reichsfürsten sowie der europäischen Großmächte.
I. Ausgangslage im Reich
Ludwig der Bayer regierte seit 1314/1328, allerdings unter ständiger Auseinandersetzung mit dem Papsttum, insbesondere mit Papst Johannes XXII. und dessen Nachfolgern. Die päpstliche Kurie sah sich als einzige legitimierende Instanz der Königswahl und beanspruchte das Recht, Kaiserkrönungen vorzunehmen. Ludwig dagegen vertrat die Position, dass die Königswahl allein Sache der Kurfürsten sei. Der Konflikt eskalierte zu einem grundlegenden Machtkampf zwischen kaiserlichem Selbstverständnis und päpstlicher Autorität.
Unter Papst Clemens VI., der politisch klar positioniert war, den Einfluss des Papsttums stärken wollte und einen Konflik nicht scheute, wurde Ludwig im Jahr 1346 erneut und diesmal endgültig gebannt. Der Bann bot den Reichsfürsten, die seit längerem durch Ludwigs eigenständige Politik (unter anderem hinsichtlich der Reichsverwaltung und territorialer Vergaben) unzufrieden waren, eine Gelegenheit, einen Gegenkönig zu etablieren.
II. Die Wahl Karls IV. in Rhens (Juli 1346)
Am 11. Juli 1346 wählten fünf der sieben Kurfürsten Karl, den Sohn König Johanns von Böhmen, in Rhens zum Gegenkönig. Karls Kandidatur war eng mit der Unterstützung des Papsttums verknüpft. Im Gegenzug sagte er Clemens VI. politische Zugeständnisse zu, darunter die Anerkennung der päpstlichen Approbation als notwendige Voraussetzung für eine Kaiserwürde.
Eine wesentliche Rolle innerhalb dieses Wahlprozesses kam Balduin von Luxemburg, Erzbischof und Kurfürst von Trier sowie Onkel Karls, zu. Balduin hatte ursprünglich Ludwig IV. unterstützt, vollzog jedoch in den Jahren vor 1346 einen politischen Kurswechsel. Die Gründe dafür dürften in einer Mischung aus dynastischen Erwägungen, kirchenpolitischer Nähe zur päpstlichen Position sowie dem Bestreben gelegen haben, die kurfürstliche Mitbestimmung im Reich zu stärken. Balduins Unterstützung verlieh Karls Kandidatur erhebliches Gewicht, da Trier als einer der traditionsreichsten geistlichen Kurfürstensitze galt und Balduin selbst als erfahrener Reichspolitiker eine verbindende Funktion im Fürstenkreis einnahm.
III. Warum die Krönung nicht in Aachen stattfand
Die traditionelle Krönungsstadt des Reiches, Aachen, erkannte Karl zunächst nicht an. Aachen wie auch Köln und die meisten sonstigen Reichsstädte standen weiterhin auf der Seite Ludwigs des Bayern. Da die städtische Zustimmung ein wesentliches Element legitimatorischer Rituale war, erwies sich Aachen vorerst als unerreichbar. Bonn hingegen befand sich im Machtbereich des Erzstifts Köln, und der Kölner Erzbischof Walram von Jülich gehörte zu den Anhängern Karls. Aus diesem Grund ließ sich Karl in Bonn krönen – eine symbolische Handlung, die zwar den Anspruch manifestierte, jedoch nicht die Autorität einer traditionellen Aachener Königskrönung besaß.
IV. Politischer Kontext und Machtbalance im Reich
Die Wahl Karls IV. fiel in eine Phase wachsender Fragmentierung politischer Loyalitäten. Während Teile des Hochadels und der Reichsstände an Ludwig festhielten, unterstützten andere Karl, nicht zuletzt aufgrund der Erwartung, dass ein päpstlich begünstigter Herrscher zu verhandlungsbereiter innerreichischer Politik neigen würde. Die Haltung der Kurfürsten – verstärkt durch Balduins Parteiwechsel – deutete auf eine Neubestimmung des Verhältnisses zwischen Reichsoberhaupt, Kurfürstenkolleg und Papsttum hin. Karls Position blieb jedoch zunächst schwach, da weder die militärische noch die symbolische Legitimität gesichert war.
V. Folgen und nachträgliche Legitimation
Erst nach Ludwigs Tod im Oktober 1347 stabilisierte sich Karls Stellung. Die erneute förmliche Wahl und die traditionelle Krönung in Aachen im Jahr 1349 stellten schließlich den rituellen Legitimationsakt her, der 1346 nicht durchführbar gewesen war. Zugleich entwickelte Karl, nachdem seine Position gefestigt war, eine Reichspolitik, die auf Konsens, Rechtsordnung und Stärkung der Kurfürstenrechte ausgerichtet war. Die Goldene Bulle von 1356 gilt in diesem Zusammenhang als eine direkte Konsequenz der Erfahrungen aus dem Doppelkönigtum und dem Konflikt um seine erste Wahl.
⸻
Zusammenfassung
Die Krönung Karls IV. in Bonn 1346 war kein gewöhnlicher Akt, sondern Ausdruck einer politischen Ausnahmesituation. Sie entstand aus:
• dem päpstlichen Bann gegen Ludwig den Bayern,
• einer geteilten Kurfürstenlandschaft,
• dem Widerstand wichtiger Städte wie Aachen,
• sowie dem Einfluss einzelner Schlüsselfiguren, insbesondere Erzbischof Balduins von Trier.
Die Bonner Krönung markiert einen Moment, in dem etablierte ritualisierte Tradition einer pragmatischen Machtsicherung weichen musste – bis die Ordnung 1349 in Aachen symbolisch wiederhergestellt wurde.«
Quelle: https://www.facebook.com/share/p/16fscBq7iS/
Mit freundlicher Genehmigung von 𝔇𝔦𝔢 𝔐𝔞𝔯𝔨 𝔅𝔯𝔞𝔫𝔡𝔢𝔫𝔟𝔲𝔯𝔤
»Die Wahl Karls IV. zum Gegenkönig und seine Krönung am 26. November 1346 in Bonn, lassen sich nur vor dem Hintergrund der außerordentlich komplexen politischen Situation des Heiligen Römischen Reiches und Europas in den 1340er-Jahren angemessen verstehen. Sie stehen im Kontext des anhaltenden Konflikts zwischen dem amtierenden römisch-deutschen König Ludwig IV. (genannt der Bayer) und dem Papsttum, der Machtinteressen einzelner Reichsfürsten sowie der europäischen Großmächte.
I. Ausgangslage im Reich
Ludwig der Bayer regierte seit 1314/1328, allerdings unter ständiger Auseinandersetzung mit dem Papsttum, insbesondere mit Papst Johannes XXII. und dessen Nachfolgern. Die päpstliche Kurie sah sich als einzige legitimierende Instanz der Königswahl und beanspruchte das Recht, Kaiserkrönungen vorzunehmen. Ludwig dagegen vertrat die Position, dass die Königswahl allein Sache der Kurfürsten sei. Der Konflikt eskalierte zu einem grundlegenden Machtkampf zwischen kaiserlichem Selbstverständnis und päpstlicher Autorität.
Unter Papst Clemens VI., der politisch klar positioniert war, den Einfluss des Papsttums stärken wollte und einen Konflik nicht scheute, wurde Ludwig im Jahr 1346 erneut und diesmal endgültig gebannt. Der Bann bot den Reichsfürsten, die seit längerem durch Ludwigs eigenständige Politik (unter anderem hinsichtlich der Reichsverwaltung und territorialer Vergaben) unzufrieden waren, eine Gelegenheit, einen Gegenkönig zu etablieren.
II. Die Wahl Karls IV. in Rhens (Juli 1346)
Am 11. Juli 1346 wählten fünf der sieben Kurfürsten Karl, den Sohn König Johanns von Böhmen, in Rhens zum Gegenkönig. Karls Kandidatur war eng mit der Unterstützung des Papsttums verknüpft. Im Gegenzug sagte er Clemens VI. politische Zugeständnisse zu, darunter die Anerkennung der päpstlichen Approbation als notwendige Voraussetzung für eine Kaiserwürde.
Eine wesentliche Rolle innerhalb dieses Wahlprozesses kam Balduin von Luxemburg, Erzbischof und Kurfürst von Trier sowie Onkel Karls, zu. Balduin hatte ursprünglich Ludwig IV. unterstützt, vollzog jedoch in den Jahren vor 1346 einen politischen Kurswechsel. Die Gründe dafür dürften in einer Mischung aus dynastischen Erwägungen, kirchenpolitischer Nähe zur päpstlichen Position sowie dem Bestreben gelegen haben, die kurfürstliche Mitbestimmung im Reich zu stärken. Balduins Unterstützung verlieh Karls Kandidatur erhebliches Gewicht, da Trier als einer der traditionsreichsten geistlichen Kurfürstensitze galt und Balduin selbst als erfahrener Reichspolitiker eine verbindende Funktion im Fürstenkreis einnahm.
III. Warum die Krönung nicht in Aachen stattfand
Die traditionelle Krönungsstadt des Reiches, Aachen, erkannte Karl zunächst nicht an. Aachen wie auch Köln und die meisten sonstigen Reichsstädte standen weiterhin auf der Seite Ludwigs des Bayern. Da die städtische Zustimmung ein wesentliches Element legitimatorischer Rituale war, erwies sich Aachen vorerst als unerreichbar. Bonn hingegen befand sich im Machtbereich des Erzstifts Köln, und der Kölner Erzbischof Walram von Jülich gehörte zu den Anhängern Karls. Aus diesem Grund ließ sich Karl in Bonn krönen – eine symbolische Handlung, die zwar den Anspruch manifestierte, jedoch nicht die Autorität einer traditionellen Aachener Königskrönung besaß.
IV. Politischer Kontext und Machtbalance im Reich
Die Wahl Karls IV. fiel in eine Phase wachsender Fragmentierung politischer Loyalitäten. Während Teile des Hochadels und der Reichsstände an Ludwig festhielten, unterstützten andere Karl, nicht zuletzt aufgrund der Erwartung, dass ein päpstlich begünstigter Herrscher zu verhandlungsbereiter innerreichischer Politik neigen würde. Die Haltung der Kurfürsten – verstärkt durch Balduins Parteiwechsel – deutete auf eine Neubestimmung des Verhältnisses zwischen Reichsoberhaupt, Kurfürstenkolleg und Papsttum hin. Karls Position blieb jedoch zunächst schwach, da weder die militärische noch die symbolische Legitimität gesichert war.
V. Folgen und nachträgliche Legitimation
Erst nach Ludwigs Tod im Oktober 1347 stabilisierte sich Karls Stellung. Die erneute förmliche Wahl und die traditionelle Krönung in Aachen im Jahr 1349 stellten schließlich den rituellen Legitimationsakt her, der 1346 nicht durchführbar gewesen war. Zugleich entwickelte Karl, nachdem seine Position gefestigt war, eine Reichspolitik, die auf Konsens, Rechtsordnung und Stärkung der Kurfürstenrechte ausgerichtet war. Die Goldene Bulle von 1356 gilt in diesem Zusammenhang als eine direkte Konsequenz der Erfahrungen aus dem Doppelkönigtum und dem Konflikt um seine erste Wahl.
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Zusammenfassung
Die Krönung Karls IV. in Bonn 1346 war kein gewöhnlicher Akt, sondern Ausdruck einer politischen Ausnahmesituation. Sie entstand aus:
• dem päpstlichen Bann gegen Ludwig den Bayern,
• einer geteilten Kurfürstenlandschaft,
• dem Widerstand wichtiger Städte wie Aachen,
• sowie dem Einfluss einzelner Schlüsselfiguren, insbesondere Erzbischof Balduins von Trier.
Die Bonner Krönung markiert einen Moment, in dem etablierte ritualisierte Tradition einer pragmatischen Machtsicherung weichen musste – bis die Ordnung 1349 in Aachen symbolisch wiederhergestellt wurde.«
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