Willkommen in unserem Forum! Möchten Sie an den Diskussionen teilnehmen? Dann senden Sie uns eine E-Mail mit Ihrem gewünschten Nutzernamen an geschichte.wissen@gmail.com. Wir werden Ihren Account einrichten.

12. November 1614 - Vertrag von Xanten

Reformation, Luther, 30jähriger Krieg, Katholische Kirche, Evangelische Kirche, Thomas Münzer

Moderator: Barbarossa

Benutzeravatar
Barbarossa
Mitglied
Beiträge: 15508
Registriert: 09.07.2008, 16:46
Wohnort: Mark Brandenburg

Zitat in voller Länge:
»Die Erwerbung brandenburgischer Gebiete außerhalb der kurmärkischen Kernlande – in Ostpreußen wie auch am Niederrhein – war von hoher politischer Komplexität, lässt sich jedoch im Kern auf das weibliche Erbe der Anna von Preußen, Gemahlin des Kurfürsten Johann Sigismund von Brandenburg, zurückführen.

Das herzogliche Ostpreußen fiel an Brandenburg über das Erbe ihres Vaters, Herzog Albrecht Friedrich von Preußen, während die niederrheinischen Territorien – insbesondere Kleve, Mark und Ravensberg – über die Linie ihrer Mutter, Maria Eleonora von Jülich-Kleve-Berg, in den Besitz der brandenburgischen Hohenzollern gelangten.

Im Folgenden wird der Zusammenhang dieser Erbverhältnisse und der daraus resultierenden politischen Entwicklungen näher dargestellt.

Der Vertrag von Xanten vom 12. November 1614 beendete den sogenannten Jülich-Klevischen Erbfolgestreit, eine komplexe Auseinandersetzung um das Erbe der 1609 ausgestorbenen Herzöge von Jülich-Kleve-Berg. Dieser Streit hatte das Potential, ein gesamt­europäisches Konfliktfeld zu werden, da er konfessionelle, dynastische und machtpolitische Interessen vieler Mächte berührte.



1. Ausgangslage

Das Herzogtum Jülich-Kleve-Berg, das auch die Grafschaften Mark und Ravensberg umfasste, war ein bedeutendes Territorium am Niederrhein, strategisch zwischen den spanischen Niederlanden, den Generalstaaten und dem Heiligen Römischen Reich gelegen.
Als der letzte Herzog, Johann Wilhelm von Jülich-Kleve-Berg, 1609 kinderlos starb, hinterließ er keine klar geregelte Nachfolge. Dies führte zu konkurrierenden Erbansprüchen, insbesondere zwischen zwei Fürstenhäusern:
• Haus Brandenburg (Hohenzollern): vertreten durch Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg, dessen Gemahlin Anna von Preußen eine Nichte des verstorbenen Herzogs war.
• Haus Pfalz-Neuburg (Wittelsbacher Linie): vertreten durch Herzog Philipp Ludwig von Pfalz-Neuburg, dessen Sohn Wolfgang Wilhelm gleichfalls über weibliche Linien Anspruch erhob.

Beide Häuser stützten ihre Ansprüche auf die weibliche Erbfolge, die jedoch im Reichsrecht uneinheitlich gehandhabt wurde.



2. Europäische Dimension

Der Streit eskalierte schnell zu einer internationalen Krise, da die großen Mächte sich auf die eine oder andere Seite schlugen:
• Protestantische Mächte (besonders England und die Generalstaaten der Niederlande) unterstützten den Kurfürsten von Brandenburg, der evangelisch war.
• Katholische Mächte (vor allem Spanien und das katholische Lager des Kaisers) neigten zur Unterstützung von Pfalz-Neuburg, der allerdings erst im Verlauf des Konflikts 1613 selbst zum Katholizismus übertrat – ein entscheidender Schritt, der seine Position gegenüber Habsburg stärkte.

Die Situation wurde dadurch verschärft, dass die Gebiete an der Grenze zwischen den spanischen Niederlanden und dem protestantischen Norden lagen, also an einer der empfindlichsten Nahtstellen der europäischen Konfessionspolitik vor dem Dreißigjährigen Krieg.



3. Verlauf des Konflikts

Nach 1609 kam es zur gemeinsamen Besetzung der Herzogtümer durch brandenburgische und pfalz-neuburgische Truppen („Doppelregierung“). Doch die Spannungen nahmen rasch zu, als die beiden Seiten sich militärisch abzusichern begannen.
Zugleich mischten sich auswärtige Mächte aktiv ein:
• Die Generalstaaten entsandten Truppen unter Moritz von Oranien, um protestantische Positionen zu sichern.
• Die spanischen Habsburger besetzten aus Furcht vor einem protestantischen Einfluss die Festung Jülich (1610), was das Konfliktpotenzial erheblich steigerte.

Ein offener Krieg zwischen den Großmächten konnte jedoch noch verhindert werden – auch, weil beide Seiten sich überlastet sahen und größere Mächte wie Frankreich und der Kaiser mäßigend wirkten.



4. Der Vertrag von Xanten (1614)

Die Verhandlungen fanden unter Vermittlung der niederländischen Generalstaaten und Englands statt und führten am 12. November 1614 zum Vertrag von Xanten.

Vertragspartner:
• Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg
• Herzog Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg
unter Mitwirkung von England, den Generalstaaten und Spanien als Vermittlern bzw. Garantiemächten.

Inhalt:
Die Länder des Erbes wurden geteilt, um einen Ausgleich zwischen beiden Ansprüchen zu schaffen:
• An Brandenburg fiel die Grafschaft Mark, die Grafschaft Ravensberg und das Herzogtum Kleve (im nördlichen Teil des Erbes).
• An Pfalz-Neuburg fielen das Herzogtum Jülich und das Herzogtum Berg (im südlichen Teil).

Damit wurde das Territorium faktisch in einen protestantisch-nördlichen und einen katholisch-südlichen Teil gespalten.



5. Bedeutung und Folgen
• Der Vertrag verhinderte vorerst einen großen europäischen Krieg, der das Reich schon vor dem Dreißigjährigen Krieg hätte erschüttern können.
• Die Zersplitterung des Territoriums blieb jedoch bestehen und führte zu langanhaltenden administrativen und konfessionellen Spannungen.
• Für Brandenburg-Preußen war der Vertrag ein entscheidender Schritt in seiner territorialen Expansion nach Westen – die Erwerbung von Kleve, Mark und Ravensberg bildete einen wichtigen Grundstein für den späteren brandenburgisch-preußischen Territorialstaat.
• Für Pfalz-Neuburg bedeutete der Gewinn von Jülich und Berg zugleich eine erhebliche Aufwertung, besonders da Herzog Wolfgang Wilhelm sich den spanisch-habsburgischen Interessen annäherte.«
.
Quelle: https://www.facebook.com/share/p/1CcfUH8NzG/
Mit freundlicher Genehmigung von 𝔇𝔦𝔢 𝔐𝔞𝔯𝔨 𝔅𝔯𝔞𝔫𝔡𝔢𝔫𝔟𝔲𝔯𝔤
Die Diskussion ist eröffnet!

Jedes Forum lebt erst, wenn Viele mitdiskutieren.
Schreib auch du deine Meinung! Nur kurz registrieren und los gehts! ;-)
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag

Zurück zu „Glaubensspaltung“