Humanismus definiert von Johannes Calvin

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Moderator: Barbarossa

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https://fr.wikipedia.org/wiki/Michel_Servet
Es war vor 470 Jahren. Es geht um Johannes Calvin und Miguel Servet (1511-1553). Ein spanischer Arzt und Theologe, der 1548 die französische Staatsbürgerschaft erhielt.
Nebenbei habe ich gelernt, daß Humanismus - wissenschaftlich gesehen - nur zu einem geringen Teil mit Mitmenschlichkeit zu tun hat und auch zu welchen Gnadenlosigkeiten die Verteidigung von Ideen führen kann.
Da überwältigt den jungen Studenten Miguel Servet ein Heureka-Erlebnis. Er, auch ein Don Quichotte, hat eine Erkenntnis und hält sie für so bedeutend, daß er alle und jeden von seiner „Wahrheit“ zu überzeugen versucht. In seiner jugendlichen Naivität legt er sich auch mit Calvin an. Dem geht es aber auch immer um seine Reputation. Für die Zeit der Aufklärung steht er hier an erster Stelle: " Er war Jurist und bekannte sich zum Humanismus. Seine Dogmatik beruhte auf der christlichen Glaubenslehre, die sowohl in den katholischen als auch in den evangelischen theologischen Fakultäten ein eigenständiges Lehrfach war.“
Servet ist ein vertrauensvoller Mensch und kann bis zu seinem schrecklichen Ende den „Raubtiercharakter“ des Calvin nicht erkennen. Er wird Arzt und übt diesen Beruf am Ende auch beim Bischof von Vienne (südlich von Lyon) aus. Gefährlich wird es für Servet vereinfacht gesagt durch seine Negation der „Trinität“ und das Dogma Jesus sei "der ewige Sohn Gottes“. Nein, für Servet ist Jesus „der Sohn des ewigen Gottes“. Für Calvin ist eine Grenze überschritten. Es gehe nicht an, argumentiert er, "daß man jedem die Freiheit lasse, zu sagen, was er denke“. Er gibt das Material über Mittelsmänner an die Inquisition in Vienne:
In Vienne lädt ihn der Vogt und Generalleutnant der Dauphiné ein, zusammen mit dem Generalvikar die Kranken im königlichen Gefängnis zu besuchen. Servet hat keinen Grund, misstrauisch zu sein: Er hat bereits den ersten gepflegt und ist Tischgenosse des zweiten; außerdem ist der "Vibailli" ein Bruder des Erzbischofs. Während des Besuchs teilt ihm der Vikar jedoch mit, dass er nun ein Gefangener sei. Aufgrund seiner früheren Dienste werden ihm jedoch einige Privilegien gewährt: Er darf seinen Diener behalten und sich im Palast frei bewegen und kommen... Der Inquisitor Matthieu Ory befragt ihn mehrmals. Servet nutzt jedoch die ihm gewährten Gefälligkeiten und kann am 7. April 1553 fliehen. Der Prozess wird in seiner Abwesenheit fortgesetzt. Matthieu Ory erklärt sein Werk für ketzerisch. Die Vogtei verurteilt La Restitution du Christianisme und seinen Autor, der in Abwesenheit verurteilt wurde, zum Feuer, um "auf einem Karren mit seinen Büchern an einem Markttag von der Tür des Delphinpalastes über die üblichen Kreuzungen und Orte bis zum Ort der Markthalle der Stadt gefahren zu werden" und dann auf "einen Platz namens Charnève, wo er bei lebendigem Leib auf kleinem Feuer verbrannt werde, so dass sein Körper in Asche verwandelt würde. Das Urteil wurde am 17. Juni 1553 gegen Mittag vollstreckt: Ein hölzernes Bildnis von Michael Servet wurde öffentlich verbrannt.
Calvin schreibt an seinen Freund Farel: »Servet hat mir jüngst geschrieben und seinem Brief einen dicken Band seiner Hirngespinste beigelegt, mit unglaublicher Anmaßung behauptend, ich würde darin erstaunliche Dinge lesen. Er erklärt sich bereit hierherzukommen, sofern ich es wünsche ... Aber ich will nicht mein Wort dafür einsetzen; denn sollte er kommen, so würde ich, sofern ich noch einigen Einfluß in dieser Stadt habe, nicht dulden, daß er sie lebend verläßt.«
Servet kann sich einfach nicht vorstellen, mit seinen Erkenntnissen bei Calvin nicht durchzudringen. Er flüchtet also vertrauensvoll nach Genf und dort ereilt ihn sein grausames Schicksal. Der Humanist Calvin fackelt nicht lange, erklärt, dass man sich nicht damit begnügen dürfe, Ketzer "mit einem einfachen Tod" zu bestrafen, sondern dass es wichtig sei, "daß sie grausam verbrannt werden".

Und so geschieht es:
Am 26.Oktober 1553, 11 Uhr morgens, wird das Urteil Michel Servet in seiner Zelle in Genf vorgelesen. Nachdem er bis zum Schluss gehofft hatte, nur verbannt zu werden, zeigt er einen heftigen Anfall von Verzweiflung. In seiner Heimatsprache ruft er: "Misericordia! Misericordia!". Er fleht darum, die Feuerstrafe durch die Enthauptung zu ersetzen. Aber bis zum Ende weigert er sich, Jesus als "ewigen Sohn Gottes" anzuerkennen, und bleibt standhaft, dass er "Sohn des ewigen Gottes" ist.
Am Freitag, dem 27. Oktober 1553, wird er gegen 2 Uhr nachmittags zu Fuß auf das Plateau de Champel gebracht, wo sich heute die Klinik La Colline befindet. Der Scheiterhaufen war seit dem Morgen errichtet worden. In der Nacht hatte es jedoch geregnet und das Holz, das im Freien gelagert wurde, war durchnässt. Aus Angst soll der Verurteilte versprochen haben, seine goldene Kette, seine Ringe und seine Fingerringe, die in den Händen des Kerkermeisters geblieben waren, gegen trockenes Holz einzutauschen. Der Verurteilte wurde von der Polizei gebracht. Der Henker fesselte ihn an den Pfahl, indem er ihn mehrmals mit einer Eisenkette umwickelte und seinen Hals mit einem Seil festband; er bedeckte ihn mit schwefelhaltigem Laub, das zu einem Kranz geflochten war. Als der Verurteilte die brennende Fackel erblickt, stößt er einen herzzerreißenden Schrei aus. Er spricht die letzten Worte: "O Jesus, Sohn des ewigen Gottes, erbarme dich meiner". Das grüne, feuchte Holz brannte mühsam ab. Aus Mitleid sollen einige Zeugen trockene Bündel in den Scheiterhaufen geworfen haben, um die Verbrennung zu beschleunigen. Doch der Unglückliche starb qualvoll, weil er auf kleiner Flamme verbrannte - grausam, wie Calvin es befürwortete: Sein Todeskampf dauerte eine halbe Stunde.


Die von Historikern nachgewiesene Verantwortung Johannes Calvins für die Denunziation von Michel Servet bei der französischen Inquisition und seine schockierend grausame Hinrichtung in Genf ist für die reformierte Kirche nach wie vor sehr beunruhigend. Die Inschrift des 1903 in Genf errichteten Michel-Servet-Denkmals, die Calvin von einem "Fehler" seiner Zeit freispricht, und die Weigerung der Genfer Behörden, 1908 eine Servet-Statue in der Nähe der Reformationsmauer zu errichten, sind Ausdruck dieser anhaltenden Verlegenheit.

http://www.birsfaelder.li/wp/wp-content ... Calvin.pdf
Marianne E.
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Ergänzende Informationen sind in dem Artikel "Die Philosophie in ihrer Zeit" zu finden, außerdem in der dort angegebenen wissenschaftlichen Literatur.
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