Es geht mir eigentlich - jetzt - nicht um Diskussion, welches Wirtschaftsmodell ist das beste. Es geht vorrangig:
- welchem Ziel muss die Wirtschaft dienen, ob sie überhaupt jemanden/etwas dienen soll, oder es muss ihr freie Lauf gegeben werden, wie einer evolutiven Einheit, die sich selbst in Umwelt behaupten muss...
- was versteht man unter kapitalistischen Wirtschaft.
Barbarossa hat geschrieben:Ich benutze eigentlich ausschließlich den Begriff "Marktwirtschaft" und im Falle Deutschlands ist es ja die "soziale Marktwirtschaft".
Es zeigt welches begriffliches Wirrwar herrscht. In Begriff Marktwirktschaft wird die Freiheit des Austausch der Waren auf dem Markt akzentuiert.
Dennoch das wichtigste Merkmal trifft in Hintergrund:
der Kapital, der s. z. inneren Trieb zur seinen Vermehrung besitzt. Auf dem ist kapitalistische Wirtschaftsweise begründet.
Markt dient dem Kapital. Nicht umgekehrt.
Soziale Marktwirtschaft soll dann die Subventionen und soziale Leistungen des Staates bedeuten, die die wilde Regeln des Marktes etwas
sozialer gestalten?! Dann wird Teil der Unternehmen, die auf Mark agieren, unterstützt, die sonst untergehen würden. Und auch Konsum der nicht erwerbfähigen Bevölkerung "subventioniert", damit sie an "Zitze" des Marktes bleiben und ,wenn auch in verminderten Maße, dennoch seinem Kreislauf beitragen. Auch hier das Geschehen in Unternehmen (Tarifverhandlungen, Rechte der Angestellten etc.) treten in Hintergrund. Vielleicht muss es sogar sein, weil es scheint, dass man wirklich sozialen Markt will, nicht jedoch Wirtschaft haben...
Also entspricht Marktwirtschaft der kapitalistischen Wirtschaft, die Marx sehr treffen analysiert hat. Welche Schlussfolgerungen er bezogen hat, lassen wir außen vor, es geht nicht um sie. Es war 19 Jhd. und ich denke, ihr seid einverstanden, dass kapitalistische Wirtschaft und Gesellschaft damals andere war als heute. Marx sah Millionen Arbeiter, die Nichts hatten, die ausgebeutet waren. Dennoch waren sie geballt, so dass man sie organisieren für ein Kampf könnte und zum anderen, sie waren selbst bereit sich zu organisieren. Ein Kampf im Sinne der Aufklärung: "jede ist Schmied seine Glückes" (siehst du, Titus, wie kann denselben Satz auch dein Gegner verwenden kann...). Wer nichts hat, hat nicht zu verlieren.
Wie sieht in unserer heutigen Gesellschaft? Arbeiterklasse schrumpft. Wir haben starke Mittelschicht, die sehr wohl was zu verlieren hat.
Gesellschaft ist weniger auf Hände sondern auf Kopf angewiesen. Nicht von Ungefähr gewinnt an Bedutung und Verzeichnet große Sieg die Frauenbewegung, die intellektuelle Kräfte, die vorher in der Familie eingeschlossen waren, holt in die Gesellschaft. Sie hat es bitter nötig. Auf dem Markt sind nicht nur Waren sondern Leistungen - intellektuelle Leistungen. Nicht nur materielle Waren, sondern das Wissen.
Diese Wirtschaftsform baut sich natürlich auf Privatunternehmen auf, die miteinander konkurieren.
Da müssen wir unterscheiden kleine und mittelständische Unternehmen - die Familien-Unternehmen und internationale Konzerne, die man als Privat-Unternehmen nur mit Behalt nennen kann. Die Bezeichnung
Privat bedeutet hier nur das Streben zum Gewinn. Es wird die Beziehung Arbeiter-Kapitalist entkoppelt, da Kapitalist bzw. einer von den Aktionären sitzt irgendwo weit am Tisch und hat nur einmal Beziehung zum Unternehmen - wenn er seine Dividenden bekommt. Ganz anders ist mit dem Kapitalisten in mittelständischen Unternehmen. Dort ist der direkte Bezug noch nicht verloren. Man steht vor seinen Arbeitern als Person gegenüber und zwar jeden Tag. Es hat Auswirkungen...
Ähnliches mit den Banken. Auch dort ist diese Abkoppelung stattgefunden. Geld ist zu Abstraktion schlechthin geworden. Eine Abstraktion, mit der in abstrakten Welt der Börse und Finanzmärkten gespielt wird, die aber Böses anrichtet, wenn das immer schwere werdende Spielball fällt aus abstrakte Wolke zurück in Realität und mit seine ganze Wucht zerstört sie.
Ich denke, man muss auch unbedingt beachten zwei Ebenen der Wirtschaft: nationale und globale. Wenn wir - und ich betone wir als Wohlfahrtsländer - scheinen wildes Kapitalismus gezähmt zu haben, auf internationale Ebene scheint es die Phase des wilden Kapitalismus durchlaufen.
Aber auch auf nationale Ebene es ist nicht so einsichtig, wie ich dachte. Ich z.B. wusste nicht, dass in 70 Jahren begann die
Liberalisierung der Wirtschaft. Also war die Zeit davor - und zwar im Nachkriegszeit - eine Sozialisierung stattgefunden. Ich erinnere hier wieder den Hobsbaum, der schreibt, dass die Linke Strömungen sind aus dem Krieg verstärkt rausgegangen und die Machthabenden müssten Zugeständnisse machen, um überhaupt an der Macht bleiben zu wollen. In dieser Hinsicht scheint Hobsbawm recht zu haben: der Krieg, der Angst vor der Sowjet Union bzw. Ideen, die sie vertritt, hat bewirkt, was ohne dessen nicht zustande käme. Evolutiv ähnelt mir einem Mechanismus, wenn eine Brücke gebaut wird um anderen Strand zu erreichen. Nachher kann Brücke als nicht nötig abgebaut werden. Übrigens ein Mechanismus, der auch in embryonalen Entwicklung zu beobachten ist: es werden Zellen vermehrt, um dann ab gewissen Punkt das Absterben bestimmte Zellen initiiert. Ich meine damit, dass es sieht so aus, dass SU in gesellschaftliche Evolution gerade diesem Zweck diente: eine Brücke zu sein, die ihren zweck erfüllte...
Also begann in 70 die Rückkehrung, die nach meine Lektüren bis jetzt dauert.
Übrigens bin gerade beim Lesen "Das Globalisierungs Paradox. Die Demokratie und die Zukunft der Weltwirtschaft" von Dani Rodrik. Sollte ein renomierte Ökonom sein. Wäre interessant, wenn jemand von euch auch das Buch lesen würde. Dann könnte wir s. z. "geballt" diskutieren. Sonst ist das Thema - ein Ozean. Wäre gut, wenn man etwas als Anhalt hat...
Die konkrete Politik in bezug auf Bahn oder Energie bin ich nicht so sehr interessiert. Es interessieren mich die Grundlegende Sachen, dann kann auch über Tagespolitik reden...