Wallenstein hat geschrieben:Du bringst hier zwei Dinge durcheinander. Es ist natürlich ein Unterschied wie jemand
1.) Von der Gesellschaft angesehen wird und
2.) Wie er sich selber sieht.
Aber wenn du schreibst: „Aber einen deutschen Staatsbürger mit Migrationshintergrund nenne ich nicht einen "Deutschen", sondern bezeichne ihn eben auch als deutschen Staatsbürger und ich würde es gut finden, wenn sich diese Sichtweise inklusive Bezeichnung auch so durchsetzen würde.“
Dann heiß das ja nichts anderes, als das du Wert darauf legst, das die Gesellschaft eine solche Klassifizierung vornehmen soll, unabhängig davon, wie die Person sich selber fühlt.
Nein, ich denke, es ist eher ein Zusammenspiel von beidem.
Wenn sich Migranten hier in Deutschland ansiedeln, ggf. auch die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen, dann ist es selbstverständlich, dass sie ihre ausländischen Wurzeln nicht verleugnen, denn natürlich ist es ein Teil ihrer Identität. Davon gehe ich grundsätzlich erst einmal aus.
Wallenstein hat geschrieben:(Übrigens, einen albanischen Jungen von acht Jahren als Beispiel zu nenne, das ist nicht besonders glücklich. Der soll erst einmal älter werden. Ich weiß nicht, ob ihm klar ist, worüber überhaupt geredet wird).
Die ausländischen Wurzeln können auch durch Erziehung an den Nachwuchs weitergegeben werden. Dies ist anscheinend bei dem albanischen Jungen der Fall und wird von dessen Eltern wohl auch in Zukunft fortgeführt werden. Voraussichtlich wird er sich also auch in Zukunft eher einen "Albaner" nennen und nicht als "Deutscher".
Bei der Identität ist der Aspekt, welche Vorfahren man hatte, nur ein Teilaspekt. Ein anderer Aspekt ist eben auch, was an die Kinder weitergegeben wird - die Erziehung also. Bei einem Rösler, der zwar als sehr junges vietnamesisches Adoptivkind nach Deutschland kam, kann sich eine Identität als Deutscher durchaus stark ausgeprägt haben. Er spricht ja auch völlig akzentlos Deutsch.
Wallenstein hat geschrieben:Wenn sich die betroffene Person aber als Deutsche fühlt, wie meine frühere Freundin, die sich als Deutsche mit italienischen Wurzeln begreift, dann wäre es nun aber aberwitzig, nun großen Wert darauf zu legen, sie als Deutsch-Italienerin zu bezeichnen, als ob das so furchtbar wichtig wäre. Und was sie auch selber nicht will.
Hm, dann ist es für die betreffende Person eben eher unwichtig. Jeder so, wie er meint...
Wallenstein hat geschrieben:Und wenn jemand hier Wert darauf legt, aus welchem Land seine Vorfahren einmal gekommen sind und er gewisse Traditionen pflegt und stolz auf sie ist, dann ist dies auch in Ordnung.
Das ist natürlich in Ordnung. Aber dann pflegt er eben Traditionen, die nicht Teil deutscher Kultur sind. Aber das ist natürlich auch nichts verwerfliches.
Wallenstein hat geschrieben:Also, ich finde diese Diskussion völlig absurd. Wenn jemand von sich selber sagt, er ist Deutscher mit jugoslawischen Wurzeln, dann ist das völlig okay. (Und in Einwandererländern wie USA ist es selbstverständlich, dass die Menschen sagen, meine Vorfahren kommen aus Deutschland, Japan oder wie auch immer. Deshalb sind sie trotzdem gute Amerikaner und zwar in erster Linie Amerikaner).
Amerika und Deutschland sind nun aber so gar nicht miteinander vergleichbar. Deutschland ist als Kulturnation auf den Territorien einer Vielzahl von Kleinstaaten entstanden, während bei den USA der Bundesstaat am Anfang stand, der zudem durch Migration überhaupt zu dem wurde, was er heute ist. Für mich sind da fast ausschließlich Gegensätze erkennbar.
Wallenstein hat geschrieben:Das ist aber etwas ganz anderes, als das was du willst: du legst Wert darauf, dass die Gesellschaft nun unbedingt darauf hinweisen soll, das sie fremde Vorfahren haben, egal, ob die Betroffenen das nun wollen oder nicht. Was soll das? Das führt nur zu Trennungen und Verwerfungen und zu einer künstlichen Spaltung in „echte“ Deutsche und in Deutsche, die nur „dazugekommen“ sind.
Oliver Welke - Moderator der "heute-show" - hat auf satirische Art auch darauf hingewiesen, wenn man Migranten ausgrenzt, dann wird das nichts mit der Integration.
Auch solche Sendungen (oder vielleicht gerade solche) können zum Nachdenken anregen. Und ich stimme Welke zu, Ausgrenzungen behindern sowohl die Integration von Migranten, wie auch die Ausgrenzung der Ostdeutschen ein wirkliches Zusammenwachsen Deutschlands bis zum heutigen Tag behindert hat. Ich glaube, das ist ein Aspekt des Frustes, der hier im Osten herrscht, dass es bis heute politisch auch gar nicht gewollt ist, dass in ganz Deutschland völlig gleiche Lebensbedingungen herrschen - selbst bei den gesetzlichen Mindestlöhnen wird ja immer noch starr ein Unterschied zwischen Ost und West gemacht, statt z. B. in ganz Deutschland nach Regionen zu unterscheiden. Nein, man will politisch nach wie vor diese starren sozialen Ost-West-Unterschiede. Und da wundert sich noch irgend jemand daüber, dass es hier im Osten eine Frustration gibt, die sich in einem noch größeren Widerstand gegen Asylbewerber entlädt, als im Westen? Mich wundert das überhaupt nicht, wenn man auch 25 Jahre nach der Einheit immer noch in jeder Hinsicht quasi zum Deutschen 2. Klasse gestempelt wird.
Fazit: Man kann nicht Migranten aus völlig fremden Ländern schnell integrieren wollen, während es sogar innerhalb Deutschlands noch reichlich "Baustellen" - sprich: Benachteiligungen - gibt. Das führt zu weiteren sozialen Verwerfungen, die sich böse rächen werden.
Aber ich will die soziale Ost-West-Spaltung jetzt gar nicht als Totschlagsargument vorschieben. Ich finde nur, man kann Migranten in die Gesellschaft und ins Berufsleben integrieren, ohne ihn seiner Identität und Herkunft zu berauben und jeden zwanghaft zum "Deutschen" im ursprünglichen Sinne machen wollen, was sowieso nicht geht. Nur, wenn sich daraus dann Ressentiments herausbilden, dann beweist es, dass unsere Gesellschaft unfähig ist, ethnische Unterschiede zu respektieren.
Ich glaube, hier liegt bei mir auch eigentlich der "Hase im Pfeffer": Ich wehre mich gegen die Veränderung der ursprünglichen Bedeutung der deutschen Identität. Das muss aber als Meinungsäußerung zumindest auch legitim sein, dass man da dagegen ist.
Wallenstein hat geschrieben:Also, wenn jemand von sich selber sagt, ich bin Deutsch-Afghane, dann ist das okay und dann kann man das auch so übernehmen und ihn so bezeichnen. Ich kenne aber Afghanen, die sich jetzt vor allem als Deutsche fühlen, weil sie hier geboren wurden oder als Kleinkinder hierher kamen. Und sie empfinden es als unangenehm, wenn man sie auf ihre afghanischen Eltern hinweist, weil sie glauben, dass sie in erster Linie als Fremde angesehen werden, die nicht zu Deutschland dazu gehören. Und deshalb soll die Gesellschaft nicht sagen: „Er ist zwar Deutscher, aber eigentlich ist er ja …..“.
Wenn er das nicht will, dann sollten wir das auch nicht tun und ständig alle Leute mit der Nase darauf stoßen lassen.
Das ist richtig - das wäre dann so, wie bei Rösler - s.o.