Gibt es Gesetzmäßigkeiten in der Geschichte?
Verfasst: 07.09.2015, 11:18
Das ist eine Frage, die mich immer interessiert hat. Gibt es in der Geschichte Gesetze so wie es z.B. Naturgesetze gibt, die wir mathematisch beschreiben und errechnen können?
In Deutschland herrschte lange Zeit der Historismus vor, das ist eine Auffassung, die davon ausgeht, das jeder geschichtliche Vorgang einmalig ist und nur aus sich selbst heraus begriffen werden kann.
Daneben gibt es Historiker und Soziologen, die glauben, es gebe in der Geschichte zumindest Trends und Entwicklungen, die man erkennen kann.
Folgende Überlegungen möchte ich voranstellen. Es gibt vier verschiedene Systeme, die sich voneinander unterscheiden lassen.
1.) Deterministische Systeme. Dazu gehört z.B. der Lauf der Himmelskörper. Wir können genau errechnen, wann welcher Planet wo im Weltall positioniert ist. Dafür gibt es die Gleichungen von Newton. Nur deshalb kann man eine Raumkapsel exakt auf einem Kometen landen lassen.
(Der Marxismus behauptet, die Geschichte verläuft deterministisch. Demzufolge gibt es einen Widerspruch zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen, der sich in Klassenkämpfen äußert. Dieser Widerspruch treibt die Entwicklung der Menschheit voran, die sich quasi gesetzesmäßig vollzieht).
2.) Zufallsbedingte Systeme (stochastische Systeme). Beispielsweise die wöchentliche Ziehung der Lottozahlen. Es ist unmöglich, die jeweilige Zahlenfolge im Voraus zu berechnen. Nicht, weil es uns dafür an leistungsfähigen Computern fehlt, sondern weil dies in stochastischen Systemen generell nicht funktioniert. Hier gibt es nur Wahrscheinlichkeiten.
3.) Komplexe Systeme: Hier wirken zahlreiche Variable aufeinander, die sich fortlaufend verändern. Die Zusammenhänge, z.B. in Ökosystemen, sind so komplex, das sie schwer vorherbar sind. Solche Systeme sind nach außen offen und erfahren dadurch ständig Veränderungen. Sie sind adaptiv, das heiß, sie passen sich fortlaufend neuen Bedingungen an. Zudem unterliegen die Veränderungen der Variablen oft dem Zufallsprinzip, z.B. bei Mutationen, was sie völlig unberechenbar macht. Wir wissen nur eins: Solche Systeme versuchen einen Gleichgewichtszustand zu erreichen, eine innere Harmonie, die aber fortlaufend durchbrochen wird.
Soziale Systeme können auch als komplex beschrieben werden. Die Systemtheorie, die sich an der Kybernetik orientiert, geht davon aus, dass sich gesellschaftliche Systeme optimal an ihre natürliche und soziale Umwelt anpassen wollen. Zu Entwicklungen kommt es nur, wenn dies im vorhandenen Kontext nicht möglich ist, sondern Innovationen bedarf. So hatten die Aboriginals in Australien ihre Kultur fast 60.000 Jahre lang nicht verändert, weil sie zu einem stabilen System führte. Gäbe es nur Menschen in Australien, hätten wir die heutige Gesellschaft nicht. Entwicklung ist nach dieser Theorie offensichtlich nicht zwangsläufig. Die Veränderung einer Variablen, nämlich den Außenbeziehungen, leitete in obigem Fall dann eine qualitativ ganz neue Entwicklung ein.
Aus der Beobachtung komplexer Systeme lassen sich Regeln ableiten, die aber nicht den Charakter deterministischer Gesetze haben.
Wenn komplexe Systeme aus einem Ungleichgewicht heraus zu einer neuen „Harmonie“ gelangen wollen, kann dies durch Innovationen zu einer Weiterentwicklung von politischen Institutionen, Arbeitsteilung, technischen und wissenschaftlichen Erneuerungen kommen. Muss aber nicht, es kann auch umgekehrt zu Rückentwicklungen, zu einer Devolution kommen. Dies beschreibt Jarel Diamond in seinem Buch „Kollaps“ recht gut, in dem er den Zusammenbruch von Zivilisationen untersucht.
4.) Chaotische Systeme. Diese sind im Prinzip deterministisch, das heiß sie unterliegen Bedingungen, die mathematisch bestimmbar sind. Chaotische Systeme sind aber extrem anfällig gegen leichte Abweichungen bei den Ausgangsbedingungen. So ist z.B. das Wettergeschehen chaotisch. Obwohl die einzelnen Abläufe bekannt sind und sich physikalisch berechnen lassen, so ist doch die Entwicklung einer Wolke immer wieder ganz unterschiedlich. Der berühmte Schmetterlingseffekt. Eine leichte Luftstörung kann die Wetterentwicklung verändern. Diese Veränderung macht sich erst im Laufe der Zeit bemerkbar. Plötzlich wird das System chaotisch und führt zu völlig unerwarteten Ergebnissen.
Wozu gehört nun die Geschichte? Ist sie ein deterministisches System? Oder verläuft sie stochastisch, komplex oder chaotisch? Ein eine interessante Frage.
In Deutschland herrschte lange Zeit der Historismus vor, das ist eine Auffassung, die davon ausgeht, das jeder geschichtliche Vorgang einmalig ist und nur aus sich selbst heraus begriffen werden kann.
Daneben gibt es Historiker und Soziologen, die glauben, es gebe in der Geschichte zumindest Trends und Entwicklungen, die man erkennen kann.
Folgende Überlegungen möchte ich voranstellen. Es gibt vier verschiedene Systeme, die sich voneinander unterscheiden lassen.
1.) Deterministische Systeme. Dazu gehört z.B. der Lauf der Himmelskörper. Wir können genau errechnen, wann welcher Planet wo im Weltall positioniert ist. Dafür gibt es die Gleichungen von Newton. Nur deshalb kann man eine Raumkapsel exakt auf einem Kometen landen lassen.
(Der Marxismus behauptet, die Geschichte verläuft deterministisch. Demzufolge gibt es einen Widerspruch zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen, der sich in Klassenkämpfen äußert. Dieser Widerspruch treibt die Entwicklung der Menschheit voran, die sich quasi gesetzesmäßig vollzieht).
2.) Zufallsbedingte Systeme (stochastische Systeme). Beispielsweise die wöchentliche Ziehung der Lottozahlen. Es ist unmöglich, die jeweilige Zahlenfolge im Voraus zu berechnen. Nicht, weil es uns dafür an leistungsfähigen Computern fehlt, sondern weil dies in stochastischen Systemen generell nicht funktioniert. Hier gibt es nur Wahrscheinlichkeiten.
3.) Komplexe Systeme: Hier wirken zahlreiche Variable aufeinander, die sich fortlaufend verändern. Die Zusammenhänge, z.B. in Ökosystemen, sind so komplex, das sie schwer vorherbar sind. Solche Systeme sind nach außen offen und erfahren dadurch ständig Veränderungen. Sie sind adaptiv, das heiß, sie passen sich fortlaufend neuen Bedingungen an. Zudem unterliegen die Veränderungen der Variablen oft dem Zufallsprinzip, z.B. bei Mutationen, was sie völlig unberechenbar macht. Wir wissen nur eins: Solche Systeme versuchen einen Gleichgewichtszustand zu erreichen, eine innere Harmonie, die aber fortlaufend durchbrochen wird.
Soziale Systeme können auch als komplex beschrieben werden. Die Systemtheorie, die sich an der Kybernetik orientiert, geht davon aus, dass sich gesellschaftliche Systeme optimal an ihre natürliche und soziale Umwelt anpassen wollen. Zu Entwicklungen kommt es nur, wenn dies im vorhandenen Kontext nicht möglich ist, sondern Innovationen bedarf. So hatten die Aboriginals in Australien ihre Kultur fast 60.000 Jahre lang nicht verändert, weil sie zu einem stabilen System führte. Gäbe es nur Menschen in Australien, hätten wir die heutige Gesellschaft nicht. Entwicklung ist nach dieser Theorie offensichtlich nicht zwangsläufig. Die Veränderung einer Variablen, nämlich den Außenbeziehungen, leitete in obigem Fall dann eine qualitativ ganz neue Entwicklung ein.
Aus der Beobachtung komplexer Systeme lassen sich Regeln ableiten, die aber nicht den Charakter deterministischer Gesetze haben.
Wenn komplexe Systeme aus einem Ungleichgewicht heraus zu einer neuen „Harmonie“ gelangen wollen, kann dies durch Innovationen zu einer Weiterentwicklung von politischen Institutionen, Arbeitsteilung, technischen und wissenschaftlichen Erneuerungen kommen. Muss aber nicht, es kann auch umgekehrt zu Rückentwicklungen, zu einer Devolution kommen. Dies beschreibt Jarel Diamond in seinem Buch „Kollaps“ recht gut, in dem er den Zusammenbruch von Zivilisationen untersucht.
4.) Chaotische Systeme. Diese sind im Prinzip deterministisch, das heiß sie unterliegen Bedingungen, die mathematisch bestimmbar sind. Chaotische Systeme sind aber extrem anfällig gegen leichte Abweichungen bei den Ausgangsbedingungen. So ist z.B. das Wettergeschehen chaotisch. Obwohl die einzelnen Abläufe bekannt sind und sich physikalisch berechnen lassen, so ist doch die Entwicklung einer Wolke immer wieder ganz unterschiedlich. Der berühmte Schmetterlingseffekt. Eine leichte Luftstörung kann die Wetterentwicklung verändern. Diese Veränderung macht sich erst im Laufe der Zeit bemerkbar. Plötzlich wird das System chaotisch und führt zu völlig unerwarteten Ergebnissen.
Wozu gehört nun die Geschichte? Ist sie ein deterministisches System? Oder verläuft sie stochastisch, komplex oder chaotisch? Ein eine interessante Frage.