Freihandel oder Protektionismus?
Verfasst: 06.09.2015, 10:55
(Diese Frage tauchte in einigen Threads auf. Hier einige Erörterungen dazu)
Im 19. Jahrhundert entwickelte der britische Ökonom David Ricardo (1772-1823) die Theorie der komparativen Kosten welche besagt: Jedes Land spezialisiert sich tendenziell auf die Produktion der Güter, bei denen die jeweiligen relativen und absoluten Kosten geringer sind als in anderen Ländern.
Dagegen verwahrte sich der deutsche Ökonom Friedrich List (1789-1846) mit seiner Theorie der produktiven Kräfte. Ein Land sollte zunächst seine eigene Industrie aufbauen und dann, wenn ein Gleichstand erreicht war mit England, zum Freihandel übergehen. Vorläufig wären aber sogenannte Erziehungszölle notwendig.
Auch Alexander Hamilton, einer der Gründerväter der USA, votierte für Schutzzölle.
Die Ökonomen Heckscher und Ohlin formulierten später in den 20er Jahren das Heckscher/Ohlin Theorem, welches besagt, jedes Land sollte sich auf die Produktion spezialisieren, bei denen sie die günstigste Faktorausstattung von Arbeit, Kapital und Boden besitzen. Nationen mit vielen billigen Arbeitskräften produzieren arbeitsintensive Produkte, Staaten mit viel Kapital erstellen kapitalintensive Produkte.
Sowohl Ricardo als auch Heckscher/Ohlin gehen davon aus, das sich allein durch Marktprozesse die Unterschiede zwischen den Volkswirtschaften allmählich angleichen. Die alten Freihändler glaubten an den Freihandel nicht nur als richtigste, ökonomische Politik, sondern auch als Ausgangspunkt einer Ära des Friedens und weltweiten Wohlstandes.
List hingegen dachte, dass der Freihandel dazu führt, das England zur Werkstatt der Welt wird und die anderen Länder nur noch mineralische und agrarische Rohstoffe liefern. Ob Freihandel nur den fortgeschrittenen Nationen nützt und den anderen eher schadet, dieser Streit ist bis heute nicht beendet.
Die einzelnen Länder reagierten unterschiedlich auf die britische Herausforderung:
1.) Assoziativ. Sie ließen sich auf den Freihandel ein. Holland, die Schweiz und Belgien machten damit gute Erfahrungen. Bauten trotz Freihandel eigene Industrie auf. Doch dem stehen gegenüber zahlreiche heutige Entwicklungsländer und Osteuropa, denen keine eigenständige Wirtschaftsentwicklung gelang.
2.) Assoziativ-dissoziativ: Freihandel, aber Veredelung von Rohstoffen und Aufbau und Schutz von Rohstoffindustrien und Agrarwirtschaft: Dänemark, Schweden, Norwegen, später Finnland, Australien, Neuseeland, Kanada. Darauf aufbauend später weitere Industrien.
3.) Dissoziativ, später assoziativ. Zuerst Aufbau eigener Industrien hinter Schutzzöllen, dann Weltmarktintegration. Preußen – Deutschland, Japan, USA. (allerdings wurden einige Schutzzölle beibehalten)
4.) Dissoziativ, später ungenügende Weltmarktintegration: Russland, Österreich-Ungarn.
Mit welchem Entwicklungsweg ein Land besser fährt, hängt offensichtlich von vielen Faktoren ab. Folgende Komponenten könnten von Bedeutung sein:
1.) Wie reagiert das Land auf die britische Herausforderung und welche Kräfte werden aktiv? Staaten mit einem entwickelten Bürgertum und demokratischen Strukturen wie die Niederlande, Belgien oder die Schweiz waren hier viel erfolgreicher als Länder, in denen feudale Strukturen herrschten, wie in Südeuropa, Osteuropa oder Lateinamerika. Dort haben die Oligarchien Innovationen verhindert. Alles verfügbare Kapital floss in die Rohstoffproduktion.
2.) Wann wird der Versuch unternommen, den Rückstand aufzuholen? Je später, desto schlechter sind die Aussichten.
3.) Wie groß ist das Entwicklungsgefälle, welches zu überwinden ist? Länder in Afrika zum Beispiel haben einen viel größeren Rückstand aufzuarbeiten als einige asiatische Staaten.
4.) Größere Länder können anscheinend auf Grund ihrer hohen Bevölkerungszahl und der vorhandenen Ressourcen Entwicklungsrückstände eher aufholen als kleine Länder. Das zeigen zumindest die Entwicklungen von Russland, China, Indien, Brasilien.
Auch heute hält die Diskussion an. Die fortgeschrittenen Länder drängen auf Freihandel, die anderen setzen lieber auf Schutzzölle. Wie man aus der Geschichte lernen kann, gibt es aber mehrere Wege zum Erfolg bzw. zum Scheitern.
Im 19. Jahrhundert entwickelte der britische Ökonom David Ricardo (1772-1823) die Theorie der komparativen Kosten welche besagt: Jedes Land spezialisiert sich tendenziell auf die Produktion der Güter, bei denen die jeweiligen relativen und absoluten Kosten geringer sind als in anderen Ländern.
Dagegen verwahrte sich der deutsche Ökonom Friedrich List (1789-1846) mit seiner Theorie der produktiven Kräfte. Ein Land sollte zunächst seine eigene Industrie aufbauen und dann, wenn ein Gleichstand erreicht war mit England, zum Freihandel übergehen. Vorläufig wären aber sogenannte Erziehungszölle notwendig.
Auch Alexander Hamilton, einer der Gründerväter der USA, votierte für Schutzzölle.
Die Ökonomen Heckscher und Ohlin formulierten später in den 20er Jahren das Heckscher/Ohlin Theorem, welches besagt, jedes Land sollte sich auf die Produktion spezialisieren, bei denen sie die günstigste Faktorausstattung von Arbeit, Kapital und Boden besitzen. Nationen mit vielen billigen Arbeitskräften produzieren arbeitsintensive Produkte, Staaten mit viel Kapital erstellen kapitalintensive Produkte.
Sowohl Ricardo als auch Heckscher/Ohlin gehen davon aus, das sich allein durch Marktprozesse die Unterschiede zwischen den Volkswirtschaften allmählich angleichen. Die alten Freihändler glaubten an den Freihandel nicht nur als richtigste, ökonomische Politik, sondern auch als Ausgangspunkt einer Ära des Friedens und weltweiten Wohlstandes.
List hingegen dachte, dass der Freihandel dazu führt, das England zur Werkstatt der Welt wird und die anderen Länder nur noch mineralische und agrarische Rohstoffe liefern. Ob Freihandel nur den fortgeschrittenen Nationen nützt und den anderen eher schadet, dieser Streit ist bis heute nicht beendet.
Die einzelnen Länder reagierten unterschiedlich auf die britische Herausforderung:
1.) Assoziativ. Sie ließen sich auf den Freihandel ein. Holland, die Schweiz und Belgien machten damit gute Erfahrungen. Bauten trotz Freihandel eigene Industrie auf. Doch dem stehen gegenüber zahlreiche heutige Entwicklungsländer und Osteuropa, denen keine eigenständige Wirtschaftsentwicklung gelang.
2.) Assoziativ-dissoziativ: Freihandel, aber Veredelung von Rohstoffen und Aufbau und Schutz von Rohstoffindustrien und Agrarwirtschaft: Dänemark, Schweden, Norwegen, später Finnland, Australien, Neuseeland, Kanada. Darauf aufbauend später weitere Industrien.
3.) Dissoziativ, später assoziativ. Zuerst Aufbau eigener Industrien hinter Schutzzöllen, dann Weltmarktintegration. Preußen – Deutschland, Japan, USA. (allerdings wurden einige Schutzzölle beibehalten)
4.) Dissoziativ, später ungenügende Weltmarktintegration: Russland, Österreich-Ungarn.
Mit welchem Entwicklungsweg ein Land besser fährt, hängt offensichtlich von vielen Faktoren ab. Folgende Komponenten könnten von Bedeutung sein:
1.) Wie reagiert das Land auf die britische Herausforderung und welche Kräfte werden aktiv? Staaten mit einem entwickelten Bürgertum und demokratischen Strukturen wie die Niederlande, Belgien oder die Schweiz waren hier viel erfolgreicher als Länder, in denen feudale Strukturen herrschten, wie in Südeuropa, Osteuropa oder Lateinamerika. Dort haben die Oligarchien Innovationen verhindert. Alles verfügbare Kapital floss in die Rohstoffproduktion.
2.) Wann wird der Versuch unternommen, den Rückstand aufzuholen? Je später, desto schlechter sind die Aussichten.
3.) Wie groß ist das Entwicklungsgefälle, welches zu überwinden ist? Länder in Afrika zum Beispiel haben einen viel größeren Rückstand aufzuarbeiten als einige asiatische Staaten.
4.) Größere Länder können anscheinend auf Grund ihrer hohen Bevölkerungszahl und der vorhandenen Ressourcen Entwicklungsrückstände eher aufholen als kleine Länder. Das zeigen zumindest die Entwicklungen von Russland, China, Indien, Brasilien.
Auch heute hält die Diskussion an. Die fortgeschrittenen Länder drängen auf Freihandel, die anderen setzen lieber auf Schutzzölle. Wie man aus der Geschichte lernen kann, gibt es aber mehrere Wege zum Erfolg bzw. zum Scheitern.