Wie gewohnt, zurzeit mein Lieblingsautor E. Hobsbawm „Das Zeitalter der Extreme“, S.215 (Hervorhebung durch Autor):
Ohne Kommentar... Ich hoffe, dass es einen oder anderen veranlasst nicht nur einem den Schuld in die Schuhe zu schieben. Geschichte ist viel vielfältiger...Außer in ihren Partisanenhochburgen auf dem Balkan haben die Kommunisten jedoch keinen Versuch unternommen, Revolutionsregime zu etablieren. Richtig ist, daß sie auch nirgendwo westlich von Triest überhaupt dazu in der Lage gewesen waren, selbst wenn sie die Macht angestrebt hätten; aber richtig ist auch, daß sich die Sowjet Union, der die kommunistische Parteien zutiefst loyal verbunden waren, derartige unilaterale Machtbestrebungen strengstens verboten hatte. Die kommunistischen Revolutionen, die dann tatsächlich stattfanden (Jugoslawien, Albanien und später China), wurden gegen den Willen Stalins durchgeführt. Die Sowjets wollten, daß die Nachkriegspolitik international wie auch innerhalb eines jeden Landes im Rahmen der allumfassenden antifaschistischen Allianz weitergeführt werden sollte; das heißt also, sie wünschten sich eine langfristige Koexistenz oder sogar Symbiose des kapitalistische und des kommunistische Systems und dazu einen immer weiter fortschreitenden gesellschaftspolitischen Wandel, von dem sie hofften, daß er sich durch Veränderungen innerhalb jener „neuen Art von Demokratien“ ergeben würde, die aus den Koalition der Kriegszeit entstehen würden. Dieses optimistische Scenario sollte jedoch bald schon in der Nacht des Kalten Krieges verschwinden, und zwar so vollständig, daß sich heute nur noch wenige daran erinnern, wie Stalin die jugoslawischen Kommunisten gedrängt hat, die Monarchie aufrechtzuerhalten; oder daß britische Kommunisten 1945 heftig gegen die Auflösung der Kriegskoalition mit Churchill eintraten – das heiß also, gegen die Wahlkampagne agierten, die die Labour-Regierung an die Macht bringen sollte. Es gibt keinen Zweifel, daß es Stalin ernst meinte. Wie ernst, das versuchte er zu beweisen, als er 1943 die Komintern und 1944 die Kommunistische Partei der USA auflöste.
... Der Sozialismus sollte auf die Sowjetunion und darüber hinaus auf ein Gebiet beschränkt bleiben, das mittels diplomatischer Verhandlungen zu ihrem Einflußbereich gehören würde – also im wesentlichem auf jene Gebiete, die Ende des Krieges von der Roten Armee besetzt worden waren. Sogar innerhalb dieses Einflussbereiches sollte er eher als unbestimmtes Zukunftsprojekt wirken denn als unmittelbares Programm für die Etablierung neuer „Volksdemokratien“. Die Geschichte, die nur wenig von politischen Intentionen Notiz nimmt, ging jedoch einen anderen Weg – außer in einer Hinsicht: die Aufteilung der Welt, oder große Teile von ihr, in zwei Einflussbereiche, die 1944-45 ausgehandelt worden waren, blieb stabil.