Kann es sein, daß ein ohnehin schon religiöser Schüler diese im Rahmenplan vorgeschriebene Bekenntnisorientierung kaum bemerrkt?
Ich glaube, Du missverstehst da etwas. Ich versuche das mal zu verdeutlichen.
Anders als der Ethikunterricht muss der Religionsunterricht bekenntnisorientiert sein
Bekenntnisorientiert ist ein recht unbestimmter Begriff.
Da kann man sich zunächst Alles drunter vorstellen.
Gemeint ist letztlich aber, dass die Religionsgemeinschaften den Unterricht gestalten und die Schüler nach ihrer Konfession geordnet am Religionsunterricht teilnehmen, sofern sie nicht etwas anderes wünschen.
Die Schüler sollen eine eigene religiöse Überzeugung gewinnen und darüber diskutieren können.
Das "können" bezieht sich hier auf beide Teile. Wie bereits die religiöse Kompetenz in dem Satz zuvor andeutet (vgl. z.B. Medienkompetenz, etc.) wird die autonome Position zur Religion und in der Religion gefördert. Man darf ja auch nicht vergessen, dass nicht wenige Schüler bereits eine religiöse Überzeugung mitbringen, die zumeist durch das Elternhaus geprägt ist.
Die Religionslehrer vermitteln nicht nur abstraktes Wissen über Religionen wie im Ethikunterricht, sondern sie sollen die Schüler vertraut machen mit den religiösen Riten und Überzeugungen.
Das ist elementar. Ohne diese Inhalte erlangt man nur oberflächliches Wissen über die Religionsgemeinschaften. Das endet oft genug in m.E. gefährlichem Halbwissen.
So gehört auch das Auswendiglernen der Gebote und des Vaterunser im christlichen Unterricht dazu.
Nein. Das ist so pauschal nicht richtig. Oder ich hatte keinen christlichen Unterricht, bis ich das Fach Religion abgewählt hatte....
Allerdings kann es nun wahrlich nicht schaden, wenn Kinder die 10 Gebote kennen (übrigens DIE Klammer der drei monotheistischen, letztlich abrahamitischen Religionen!!!), die schließlich eine frühe Form einer Rechtsordnung darstellen und Sätze beinhalten, die schlicht und ergreifend universal gültig sind (übrigens in ähnlicher Form in nahezu allen alten Kulturen Verbreitung fanden).
Auch das Vaterunser zu kennen sollte im Rahmen einer auch an kultureller Bildung orientierten Schulung junger Menschen in diesen Breitengraden eine Selbstverständlichkeit sein. Ich halte nichts davon, sich quasi kulturell zu kastrieren. Als wäre unsere heutige Kultur gänzlich losgelöst von der christlichen Vergangenheit. Eine absurde Vorstellung.
Der Wahrheitsanspruch der jeweiligen Religion muss und soll nach der gewünschten Maxime der Bekenntnisorientierung gerade nicht relativiert werden.
Und warum sollte der eigene Wahrheitsanspruch relativiert werden? Schließlich relativieren wir ja auch nicht die Würde des Menschen!
An diese glauben Theisten wie Atheisten aus verschiedenen Gründen, aber gleichermaßen. Auch ein Ethikunterricht arbeitet letztlich mit dem Wahrheitsanspruch.
Wie soll man denn Kindern und Jugendlichen Werte anbieten, wenn man sich nicht unbedingt zu ihnen bekennen darf?
Stellt Euch das doch mal vor:
Schüler "Glauben Sie an Gott, Herr Lehrer?"
Lehrer "Ich glaube an die Möglichkeit eines Gottes, so wie ihn sich meine Gemeinschaft wohl vorstellt, aber vielleicht haben auch die anderen Recht und Gott ist anders oder gar nicht."
Mag nett klingen, aber jeder Jugendliche wird bei einer solchen Antwort enttäuscht abwinken und denken, der Herr Lehrer stünde wohl doch nicht so richtig hinter dem, was er da so erzählt.
Wer will, kann sich das Beispiel jetzt auch mit dem Thema Menschenrechte vorstellen....
Darüber hinaus geht es auch im Religionsunterricht um Grundfragen des Lebens, um die Persönlichkeitsentwicklung, um Gerechtigkeit, Toleranz und Verantwortung und das Erlernen sozialer Kompetenzen – aber immer ausgehend von biblischen Texten.
Auch diese Darstellung ist nicht richtig. Wir haben im Religionsunterricht natürlich auch die Bibel verwendet. Daneben jedoch wurden Referate über andere Religionen gefordert. Auch über christliche Freikirchen und diverse Sekten wurden wir unterrichtet. Dies geschag unabhängig von Bibeltexten.
Letztlich beweist die Geschichte, dass die Schüler in dem Unterricht regelmäßig nicht religiös indoktriniert werden. Andernfalls wäre wohl nicht zu erklären, warum im Westen seit Jahrzehnten viele Schüler, teils auch aus religiösen Elternhäusern, letztlich Religion abwählen und letztlich auch aus den Kirchen austreten.
Eines halte ich jedoch für ausgesprochen wichtig, und das kann der Ethikunterricht niemals leisten:
Aufgrund der Erfahrung mit der eigenen Religion sollen sie ihnen offen und tolerant begegnen können.
Wenn ich keine Erfahrung mit meiner eigenen Religion bzw. Religiösität gemacht habe, fällt mir der Zugang zu religiösen Menschen notwendig schwer. Ich kann die Hintergründe nicht nachvollziehen. Auch wenn ich nicht religiös bin, bewirkt eine intensive Auseinandersetzung mit Religion genau das. Ich mag ablehnen, was ich dann zu sehen bekomme. Aber ich bekomme eine Vorstellung davon, was Religion für andere Menschen bedeutet. Hierfür reichen abstrakte Wissenselemente schlicht nicht aus. So wenig, wie mit Vogelkunde das Fliegen vermittelt werden kann.
Darüber hinaus bringt mir die Auseinandersetzung mit der christlichen Religion und ihrer Geschichte tiefe Einblicke in die Geschichte dieses Landes und in die Entwicklung hin zum Hier und Jetzt. Ich lerne die Hintergründe, die Wurzeln, die Brüche, inneren Widersprüche und Umwälzungen kennen. Das ist überaus spannend und lehrreich. Auch weil man erkennen muss, dass nicht weniges, was uns etwa bei Islamisten die Augen rollen lässt, uns gar nicht mal so fremd war. Und man lernt zu unterscheiden, ob diese Phänomene wirklich religiös begründet sind oder ob sie (ggfls. zeitlich bedingte) kulturelle Hintergründe haben.
Das wird mir ein großer Eintopf niemals bieten können.
Ebenso wenig wie ein Ethikunterricht jemals die Tiefe einer echten philosophischen Schulung wird vermitteln können.
Der Artikel in der taz ist nichts anderes als ein voreingenommenes Pamphet. Da werden einfach ein paar der eigenen Meinung passende Beispiele in den Raum geworfen und die Gegenposition als reformfeindlich diffamiert.
Dass ausgerechnet die taz die USA einmal zum großen Vorbild erklärt....dass man das noch erleben darf!
Und als nächstes kopieren wir dann halt das amerikanische Waffengesetz?
Aber mal im Ernst. In den USA gibt es seit jeher ein kunterbuntes Angebot an Kirchen. Dies ist ein erheblicher Unterschied zu der Situation in Deutschland, in der die Masse in wenigen großen Gruppierungen versammelt ist. Weiterhin schmunzeln wir gern mal über die christlichen Fundamentalisten in den USA und den (im Fach Biologie erschreckend erfolgreichen) Kampf der Kreatonisten um religiöse Inhalte in den einzelnen Schulfächern. Auch staunen wir, welche Bedeutung der Religion in der Politik beigemessen wird. Dies hat durchaus mit dem Verbot des Religionsunterrichts zu tun. Ein solcher Unterricht ist unter staatlicher Aufsicht und kanalisiert...
Jedes Land hat aber auch seine eigenen Traditionen, geht seine eigenen Wege. Und muss seine eigenen Antworten finden. Wenn man Teile aus anderen Systemen einfach übernimmt, geht das mit Sicherheit schief.
Großbritannien wird ebenfalls als Beispiel angeführt.
Auch Großbritannien ist sonst bei der taz nicht wohl gelitten....aber wenns der eigenen Anschauung dient, knutscht so mancher wohl jede Kröte.
Jedenfalls besteht faktisch kein Unterschied, ob die Kirche den Lehrplan unter staatlicher Aufsicht erstellt oder der Staat dies selbst tut. Denn die Entscheidung liegt so oder so beim Staat. De facto dürfte GB also nicht in dieser Liste erscheinen. Aber was stört den Autor schon die Logik?
Dass Schweden auf Ethikunterricht umgestellt hat, ist richtig (vgl. aber
http://209.85.129.132/search?q=cache:Q9 ... clnk&gl=de ),
aber auch hier wird wieder behauptet, dieser Unterricht sei weltanschaulich neutral. Ein weltanschaulich neutraler Wertunterricht ist jedoch unmöglich, ein Paradox, dass den Nutzer eines solchen Begriffes in ein schlechtes Licht stellt. Oder in ein gutes, enttarnendes. Wie immer man will. Entweder redet da jemand, der keine Ahnung hat, was er da sagt (/schreibt) oder er lügt bewusst!
Dass die Entwicklung in Schweden oder auch Norwegen irgendeinen positiven Effekt oder irgendeinen Fortschritt gebracht hätte, ist nicht ersichtlich. Hierfür fehlt jeder Beleg.
Jedenfalls trägt der Beitrag der unterschiedlichen konfessionellen Bindungen in Deutschlang und Schweden nicht einmal ansatzweise Rechnung (für Schweden
http://www.sweden.se/de/Startseite/Arbe ... -Religion/ ).
Sehr plump gearbeitet. Das muss ich schon sagen.
Deutlich informativer ist wohl dieses Buch
(
http://books.google.de/books?id=-o7uf3B ... t&resnum=9 ).
Hier wird auch auf die steigende Zahl religiöser Privatschulen verwiesen.
Eigentlich soll Journalismus informieren und nicht einseitig polemisieren....
Dass beim Beispiel Italien auf Mussolini zurückgegriffen wird, um den Religionsunterricht zu diffamieren, während man gleichzeitig ohne mit der Wimper zu zucken den durch Hitler eingeführten Tag der Arbeit (1. Mai) für gut befindet, ist ebenso entlarvend.
Es ist immer wieder erstaunlich, wie die taz es schafft, nach all den schlechten Artikeln und Beiträgen immer noch einen drauf zu setzen....oder vielleicht auch nicht erstaunlich. Erstaunlich wäre wohl eher, wenn dieses Kampfblatt mal seriös arbeitet.
Nachschlag:
Zu Theorie und Praxis in Skandinavien und den bedeutsamen historischen Hintergrund
http://209.85.129.132/search?q=cache:Lt ... clnk&gl=de
Eine äußerst lesenswerte Argumentation, die sich gegen Ende insbesondere mit den USA befasst:
http://www.rpi-loccum.de/frieschw.html
hier wird ein konfessionell-kooperativer Unterricht vorgeschlagen und die Praxis in Deutschland kritisch beleuchtet
http://209.85.129.132/search?q=cache:iY ... clnk&gl=de
hier wird im Anhang der Lehrplan geboten (lesenswert, um sich selbst ein Bild von diesem Sammelsurium zu machen)
http://de.wikipedia.org/wiki/Lebensgest ... gionskunde
p.s. wo bleiben bei den Vorträgen für die Wertevermittlung durch LER eigentlich die Rechte der Eltern, die zu vermittelnden Werte festzusetzen oder die Rechte der Kinder, hierüber selber mitentscheiden zu können (wie dies etwa dadurch möglich ist, dass man sich zwischen Reli und Philo entscheidet und entscheiden muss)?
Das hat jedenfalls für mich auch einen Hauch von "politischer Bildung" und wenig mit Freiheit zu tun.