Trennung zwischen Kirche und Staat in Deutschland?

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Barbarossa
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Ich eröffne heute diesen Pfad, um mit euch darüber zu diskutieren, ob die Trennung von Kirche und Staat in Deutschland auf halbem Wege stecken geblieben ist, und wenn ja warum?
Inspiriert zu diesem Pfad hat mich der folgende Zeitungsartikel:

http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv ... 79ff92292f

Kirchensteuer?
Religionsunterricht in staatlichen Schulen? Und z. B. in Bayern sogar noch mit Kruzifix an der Wand?
Und "das Wort zum Sonntag" im öffentlich-rechtlichen Fernsehen?

Also, wie ist es mit der Trennung von Kirche und Staat in Deutschland bestellt?
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elysian
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Ich pflück erstmal ein wenig in dem Artikel rum, wenns recht ist.
Fast tausend Jahre nachdem der Papst einen deutschen Herrscher in die Knie zwang, muss er sich nun einer Berliner Kanzlerin beugen. Beide Male ging es um das Verhältnis von Politik und Religion
Also mal abgesehen von der ulkigen Behauptung, nun müsse sich der Papst der Kanzlerin beugen, verkennt die These, dass es um das Verhältnis von Politik und Religion ginge, Merkels Intention.
Frau Merkel wollte mit der Aussage sicherlich nicht diese Grundsatzfrage stellen. Ihr ging es einmal darum, für Deutschland Flagge zu zeigen. Sie hat letztlich ja etwas gefordert, was schon längst erfüllt war (s. Generalaudienz letzte Woche, wenn ich nicht irre).
Das ist relativ gut für Deutschlands Ansehen in der Welt, für die Beziehungen zu Israel und für unsere Selbstwahrnehmung.
Wichtiger noch dürfte der innenpolitische Ansatz sein, einerseits vielen Katholiken aus der Seele zu reden und gleichzeitig im liberalen Milieu zu fischen, damit die FDP nicht zu stark wird. Die letzten Umfragen ließen durchaus den Schluss zu, dass konservativ-liberal gesonnene Wähler bei den nächsten Wahlen ihre Stimmen gleich ganz an die FDP abgeben könnten.
Diesmal war es der Papst, der nach Canossa ging. 932 Jahre nachdem ein deutscher Kaiser auf ein Ultimatum des Papstes hin Abbitte leistete, befolgt nun ein Papst die Aufforderung der deutschen Bundeskanzlerin - sofern denn Angela Merkels Kritik den Ausschlag dafür gab, dass der Vatikan die Wiederaufnahme des Bischofs Richard Williamson jetzt doch von einer Klarstellung seiner Haltung zum Holocaust abhängig macht.
Die Aufhebung der Exkommunikation und die Klarstellungsaufforderung haben nichts mit Frau Merkel zu tun, sondern mit dem 2. Vatikanischen Konzil und dessen Beschlüssen.
Beides stimmt, aber es kommt noch ein Drittes hinzu: Die Kanzlerin kann auch deshalb nur schwer neutral bleiben, weil die Verflechtung von Staat und Kirche hierzulande enger ist als andernorts - ein Phänomen, dessen Wurzeln wiederum ins Heilige Römische Reich des Mittelalters zurückreichen.
Eine gewagte These. Ähnliche Verflechtungen gab es z.B. in Frankreich oder England auch und in Frankreich wurde diese Ordnung ja kaum mehr als 16 Jahre vorher beseitigt! Dennoch geht in Frankreich die Trennung von Kirche und Staat sehr weit.
All das gilt auch für die evangelischen Landeskirchen oder die jüdischen Gemeinden, und die mangelnde Trennung von Staat und Religion ist auch in diesen Fällen kritikwürdig.
Eine Feststellung, die nicht weiter begründet wird und doch begründungsbedürftig ist!
Doch sind Wolfgang Huber, Ratspräsident der Evangelischen Kirche in Deutschland, und Charlotte Knobloch, Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, automatisch den Regeln der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unterworfen - sofern ihnen eine Abweichung davon überhaupt in den Sinn käme.

Der Papst dagegen sitzt in Rom
Hier werden nun Äpfel und Birnen miteinander verglichen.
Das Äquivalent zu Charlotte Knobloch wäre wohl eher Prof. Dr. Hans Joachim Meyer, der Präsident des ZdK und zu Wolfgang Huber wäre es Robert Zollitsch als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz.
Der Papst dagegen sitzt in Rom und ist neuerdings, seit der Heilige Stuhl die automatische Übernahme italienischer Gesetze suspendiert hat, nicht einmal mehr der Rechtsordnung der Europäischen Union verpflichtet. Darüber hinaus amtiert er als Oberhaupt eines anderen souveränen Staates, obwohl er bei der Annahme der vatikanischen Staatsangehörigkeit seinen bisherigen Pass nach deutschem Recht eigentlich hätte aufgeben müssen.

Dieses Geflecht bleibt problematisch und nur durch eine strikte Trennung von Staat und Kirche auflösbar.
In Frankreich haben wir Laizismus. Ich kann nicht ersehen, dass Frankreich hierdurch irgendeinen Vorteil hätte, also irgendein Problem durch den Laizismus beseitigt worden wäre.
Hinzu kommt, dass man diese Gedankengänge auch auf die UNO und ihren Vorsitzenden übertragen könnte. DAS Ergebnis könnt Ihr Euch selber ausmalen. ;)
Also dieser Aufsatz ist nicht schlüssig. Er überzeugt mich nicht.


Zur Säkularisierung allgemein:
Säkularisierung ist ein Überbegriff für eine Vielzahl an Formen, in denen Staat und Religion (nicht nur Kirche!!!) getrennt werden.
Jede dieser Formen ist eine staatliche individuelle Entwicklung mit einer gewissen Tradition. Somit sind sie gleichwertig und nicht beliebig austauschbar.
Eine Loslösung ist jedoch insoweit immer unvollkommen, als dass z.B. das sogenannte Abendland eine christlich-jüdisch mitgeprägte Wertegeschichte hat, welche sich u.a. in den Rechtsordnungen als Wertesysteme niederschlägt.
Im allgemeinen jedoch führt die Säkularisierung dazu, dass religiöse Organisationen keine Institutionen politischer Macht innehaben.

Was nun Deutschland angeht, so muss ich nochmal auf den Artikel eingehen:
n Deutschland ziehen bis heute staatliche Finanzämter die Kirchensteuer ein, bezahlt der Staat Theologieprofessoren und Religionslehrer, über deren Lehr- und Forschungsinhalte maßgeblich die Kirche bestimmt. Auch die sozialen Aktivitäten der Kirchen in Schulen oder Krankenhäusern bezahlt überwiegend der Staat.
Die einbezogene Kirchensteuer wird nur von Kirchenmitgliedern erhoben. Dass die sozialen Aktivitäten der Kirchen vom Staat, also von Steuergeldern mitfinanziert werden, ist richtig und jedenfalls kein Nachteil, vielleicht sogar ein Vorteil für die Gesellschaft.
Schließlich wird nicht der komplette Betrieb durch Steuergelder bezahlt, sondern wird aus der Kirchensteuer und den Spenden der Kirchenmitglieder mitfinanziert.
Darin liegt eine erhebliche freiwillige Mehrleistung der Gläubigen!
Wenn sich die Kirchen nicht engagierten, müsste der Staat diese Aufgaben alleine übernehmen und tragen. Dann wäre die nächste Steuererhöhung schon garantiert.
Dass der Staat Theologieprofessoren und Religionslehrer bezahlt, ist richtig. Allerdings sehe ich nicht, warum Religion und Theologie keine Studienfächer mehr sein sollten. Warum?!?
Es stimmt auch, dass die Religionsgemeinschaften über Lehr- und Forschungsinhalte mitbestimmen. Es ist aber falsch, dass sie diese einfach bestimmen könnten! Hier greift die staatliche Aufsicht. Die vorgenannte Bezahlung ist der Preis, den der Staat für diese Kontrolle zahlen muss. Andernfalls griffe der Staat grundrechtswidrig in die Religionsgemeinschaften ein.
Zudem ist zu bedenken, dass auch laizistische Staaten eine staatliche Ausbildung von Geistlichen kennen (z.B. Imame aus der Türkei).

p.s.
Und weil die demographische Entwicklung für uns eine interessante Fragestellung ist, möchte ich auf den letzten Absatz von http://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%A4kul ... Demografie verweisen.
Darüber mal nachzudenken, lohnt sich durchaus. :roll:
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Barbarossa
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elysian hat geschrieben:p.s.
Und weil die demographische Entwicklung für uns eine interessante Fragestellung ist, möchte ich auf den letzten Absatz von http://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%A4kul ... Demografie verweisen.
Darüber mal nachzudenken, lohnt sich durchaus. :roll:
Kleine Anmerkung:
Ich hab mal deinen Link repariert - er hat nicht funktioniert.

Was da drin steht glaube ich aber irgendwie nicht.
Wie soll die Religiosität von Menschen mit der Anzahl der Kinder im Zusammenhang stehen?
:?

Ist doch wieder nur irgend so eine Staistik. Und wie heißt es so schön?
Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.
(frei nach Winston Churchill)
:lol:
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elysian
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Leider stimmen diese Statistiken.
Sowohl wenn man Nationen vergleicht, wie wenn man gesellschaftsintern auflistet, wer wie religiös ist und wieviele Kinder er hat.
Im Schnitt haben dann religiöse Menschen mehr Kinder.
Daran kommt man nicht vorbei.

Nachvollziehbar erklären lässt sich dieses Phänomen mit Differenzen im Wertesystem. Gewiss teilen die Mitglieder einer Gesellschaft eine Vielzahl an Werten, aber im Wertesystem eines religiösen Menschen kommt der Ehe und der Familie ein größeres Gewicht zu.

Religiöse Organisationen unterstützen gemeinhin diese Einstellung durch entsprechenden Zuspruch.

Hiergegen stehen Bestrebungen z.B. laizistischer Kreise, z.B. die sog. Homo-Ehe einzuführen. Es geht hierbei nicht nur um die Rechte einzelner Personen, sondern um die Frage, was man unter einer Ehe versteht, also um die Deutungshoheit.

Religiös betrachtet ist die Ehe ein Lebensbund auf ewiglich zwischen Mann und Frau, die nicht miteinander verwandt sind, um Kinder in die Welt zu setzen.
Säkular betrachtet ist die Ehe eine andere Form eines Liebesbundes auf Zeit zwischen zwei Menschen, wobei man meist jedoch davor zurückschreckt, in letzte Konsequenz auch Liebesbeziehungen unter nahen Verwandten zu tolerieren.
Auch über den Begriff, was Familie ist, wird herzhaft gestritten.
Religiös betrachtet geht die Familie aus der Ehe hervor.
Säkular betrachtet ist Familie jede Form von Zusammenleben von Erwachsenen und ihnen, meist rechtlich, zugeordneten "Kindern".
Stichwort ist hier die sog. Patchworkfamilie.

Auch die Begründung, warum Familien gegründet werden, fallen unterschiedlich aus.
Religiös betrachtet ist die Gründung der Familie die Erfüllung eines religiös fundierten Ideals, das der religiöse Mensch ohne Zweifel ansteuert. Das Kind ist schließlich ein Geschenk Gottes und kam nicht Jesu als kleines Kind zur Welt? Ein Kind zur Welt zu bringen, wird so fast schon zu einer Art göttlicher Mission.^^
Nun, säkular betrachtet erfüllt sich ein Mensch mit der Gründung eine Familie ebenfalls ein Ideal, aber(!) sein Ideal. Das Individuum wird in den Vordergrund gerückt. Mit all seinen Wünschen, Hoffnungen, Vorstellungen, Träumen. Das Kind ist so gesehen zunächst Mittel zum Zweck der Eltern und noch nicht Zweck an für sich.
Dabei ergeht es Kindern säkularer Eltern, wie man sich hieraus abgeleitet denken kann, grundsätzlich nicht schlechter oder besser als Kindern religiöser Eltern. Im Ergebnis ist das Kind ja in beiden Vorstellungen Projektionsfläche.
Allerdings ist die Motivation eines religiösen Menschen, Kinder in die Welt zu setzen und eine Familie zu gründen, insofern höher, als dass zum Wertesystem geradezu notwendig hinzu gehört.
Anders bei einem säkular-individualistischen Menschen. Für diesen gehört die Familiengründung (und -erhaltung) nicht notwendig zu seinem Wertesystem, sondern kann Ausfluss seines Wertesystems sein, dass aber seiner Individualität entspringt und selbige als Leitsatz hat.

Man kann wohl mit guten Gründen annehmen, dass die säkulare Sichtweise rationaler ist, überzeugender auftritt. Wobei man anmerken könnte, dass die jüngeren wissenschaftlichen Ergebnisse darauf schließen lassen, dass wir mehr mit dem Bauch denken und handeln.
Aber es ist m.E. sehr wohl nachvollziehbar, dass der Kinderwunsch prinzipiell und die gewünschte Zahl der Kinder insbesondere auf säkularer Grundlage mit Blick auf den Individualismus und der mit der Familiengründung einhergehenden Einschränkung der Eltern werdenden Individuen negativ abweicht.
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Balduin
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Wie soll die Religiosität von Menschen mit der Anzahl der Kinder im Zusammenhang stehen?
Zynischerweise könnte man hier den Papst anführen: Der Papst wandte sich auch gegen die Verhütung. Paare handelten gegen die Natur der Liebe, wenn sie systematisch das "Geschenk des Lebens" ausschlössen
Quelle: http://www.n-tv.de/540757.html

Natürlich kann ich elysians sehr logische Ausführungen unterschreiben.
Es stimmt auch, dass die Religionsgemeinschaften über Lehr- und Forschungsinhalte mitbestimmen. Es ist aber falsch, dass sie diese einfach bestimmen könnten! Hier greift die staatliche Aufsicht. Die vorgenannte Bezahlung ist der Preis, den der Staat für diese Kontrolle zahlen muss. Andernfalls griffe der Staat grundrechtswidrig in die Religionsgemeinschaften ein.
Aus eigener Erfahrung: Im Religionsunterricht haben wir als damals 15-16jährige die Rolle der Kirche im 3. Reich behandelt. Natürlich wurde die Person "Bischof Galen" besprochen. Kontrovers wurde der Unterricht jedoch nie, obwohl dazu natürlich genug Material vorhanden war.
Ich denke nur an die Rolle von Papst Pius...

Religion hat immer auch eine gesellschaftsstützende Rolle, der Einfluss der kath. Kirche in der Politik ist jedoch deutlich zurückgegangen. Als Grund kann man hier den Kulturkampf von Bismarck anführen. Ich denke, auch die Entwicklung im 20. Jhd, die vor allem durch das 3. Reich geprägt ist, haben einen Anteil daran. Dass Einfluss nie verloren ging, zeigt doch die CDU, die immerhin das C für Christlich trägt.

Bischof Marx hat eine Abhandlung zu "Das Kapital" von K. Marx veröffentlicht. Deutlicher "Politik machen" geht kaum.
http://www.sueddeutsche.de/politik/104/315990/text/
http://www.amazon.de/Das-Kapital-Streit ... 3629021557
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Barbarossa
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elysian hat geschrieben:Leider stimmen diese Statistiken.
Sowohl wenn man Nationen vergleicht, wie wenn man gesellschaftsintern auflistet, wer wie religiös ist und wieviele Kinder er hat.
Im Schnitt haben dann religiöse Menschen mehr Kinder.
Daran kommt man nicht vorbei...
Hm. Aber ein weiterer Aspekt kommt bei diesem Thema noch dazu und da schöpfe ich aus dem, was ich in einer Sendung im Fernsehen gesehen habe:
Seltsamer Weise haben auch die sozialen Verhältnisse einer Familie einen Einfluß auf die Anzahl der Kinder. Und zwar, wer arm ist, hat mehr Kinder als ein Reicher. Das ist laut den Forschern schon im 19. Jh. so gewesen, in Zeiten, in denen Not herrschte, bekamen die armen Leute mehr Kinder - seltsamer Weise. Und das scheint auch heute noch so zu sein. Ich kenne da einige, die leben schon lange von Sozialhilfe bzw. Hartz IV und haben reichlich Kinder und überhaupt nicht religiös.
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Balduin
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Barbarossa hat geschrieben: Hm. Aber ein weiterer Aspekt kommt bei diesem Thema noch dazu und da schöpfe ich aus dem, was ich in einer Sendung im Fernsehen gesehen habe:
Seltsamer Weise haben auch die sozialen Verhältnisse einer Familie einen Einfluß auf die Anzahl der Kinder. Und zwar, wer arm ist, hat mehr Kinder als ein Reicher. Das ist laut den Forschern schon im 19. Jh. so gewesen, in Zeiten, in denen Not herrschte, bekamen die armen Leute mehr Kinder - seltsamer Weise. Und das scheint auch heute noch so zu sein. Ich kenne da einige, die leben schon lange von Sozialhilfe bzw. Hartz IV und haben reichlich Kinder und überhaupt nicht religiös.
Für "arme" Familien waren Kinder früher eine "Einkommensmöglichkeit". Noch im 20. Jahrhundert war es in Bauersfamilien üblich, dass man 6 oder mehr Kinder hatte. Die Kinder mussten auf dem Bauernhof, bzw. im Haushalt helfen - Das hat ja insofern auch langwierige Tradition und geht bis ins Mittelalter zurück.
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@Balduin
Bischof Marx hat eine Abhandlung zu "Das Kapital" von K. Marx veröffentlicht. Deutlicher "Politik machen" geht kaum.
Die Kirche und die Kirchenleute sind gewiss nicht unpolitisch.
Allerdings sind auch Kirchenleute Menschen und deshalb erachte ich deren politisches Interesse und Engagement nicht für verwerflich.
Ich denke, darin stimmen wir überein.


@Barbarossa
Ich kenne da einige, die leben schon lange von Sozialhilfe bzw. Hartz IV und haben reichlich Kinder und überhaupt nicht religiös.
Ja und nein.
Auf den historischen (und in nicht wenigen Teilen dieser Welt immer noch aktuellen) Aspekt hat Balduin bereits hingewiesen.
Es trifft auch zu, dass die Geburtenrate in den ärmeren Gesellschaftsschichten höher ist. Akademikerinnen dagegen schieben den Kinderwunsch, der durchaus vorhanden sein kann, mitunter so lange vor sich her, bis es zu spät ist. Durchaus verständlich, immerhin wollen auch sie Karriere machen und Kinderreichtum ist, zumindest in unserem Land, immer noch hinderlich, wenn man von Einzelfällen einmal absieht (z.B. van der Leyen).

Dass Du Personen kennst, die nicht religiös sind und viele Kinder haben, will ich Dir gerne glauben. Dennoch spricht ihre Existenz nicht gegen die Untersuchungsergebnisse. Diese ermitteln ja nur das durchschnittliche Verhältnis und kein Axiom.
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Barbarossa
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Offenbar ist die Trennung von Kirche und Staat besonders im Schulbereich sehr unvollständig verwirklicht:
Kirche im Unterricht
Schulgebet gestoppt

Schweigeminute statt Morgengebet: In einer Schule am Niederrhein begann der Tag für die Kinder mit einem Gebet. Eine Mutter wehrte sich erfolgreich gegen das Ritual...
VON PASCAL BEUCKER
weiter lesen: http://www.taz.de/1/zukunft/wissen/arti ... -gestoppt/
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elysian
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Das sehe ich anders. Warum darf Religion und auch ein Gebet im Bildungsraum keinen Platz finden? Warum sollte man überhaupt den Laizismus verwirklichen?
Das Problem in diesem Ort wäre doch dadurch mit Leichtigkeit zu lösen gewesen, dass an dem Gebet teilnimmt, wer will. Und wer nicht will, macht einfach nicht mit.
Aber der Zwang für alle und das Verbot für alle sind gleichermaßen falsch.
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elysian hat geschrieben:Das sehe ich anders. Warum darf Religion und auch ein Gebet im Bildungsraum keinen Platz finden? Warum sollte man überhaupt den Laizismus verwirklichen?
Weil die Eltern z. B. Atheisten waren und für ihr Kind eine dementsprechende Erziehnug möchten. Genau so könnten gegen ein christliches Gebet Juden oder Moslems klagen...
elysian hat geschrieben:Das Problem in diesem Ort wäre doch dadurch mit Leichtigkeit zu lösen gewesen, dass an dem Gebet teilnimmt, wer will. Und wer nicht will, macht einfach nicht mit.
Aber der Zwang für alle und das Verbot für alle sind gleichermaßen falsch.
War aber offenbar nicht so. Und außerdem - beten können Gläubige genau so gut zu Hause. In einer staatlichen Schule hat sowas nichts zu suchen.
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elysian
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Weil die Eltern z. B. Atheisten waren und für ihr Kind eine dementsprechende Erziehnug möchten. Genau so könnten gegen ein christliches Gebet Juden oder Moslems klagen...
Und wo werden bitte Deiner Meinung nach dir Rechte der Atheisten, der Juden, der Moslems oder wessen auch immer verletzt, wenn für die christlichen Kinder ein Gebet angeboten wird?
War aber offenbar nicht so. Und außerdem - beten können Gläubige genau so gut zu Hause. In einer staatlichen Schule hat sowas nichts zu suchen.
Richtig, es war nicht so und das war falsch. Aber es ist ebenso falsch, den Kindern das Gebet zu verbieten, die beten wollen.
In einer staatlichen Schule, die laut Verfassung http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/GB ... ng_NRW.jsp s. Art. 7 Abs. 1 als allgemeine Bildungseinrichtung auch die Ehrfurcht vor Gott lehren soll, ist ein Gebetverbot unsinnig.
Zweitens ist Religion sicher die Sache jedes Einzelnen, aber das ist keine hinreichende Begründung, warum die Glaubensfreiheit nicht im öffentlichen Raum stattfinden darf.
Und wenn wir schon bei Weltanschauungen sind, würdest Du denn so konsequent sein wollen, und auch jede Form politischer Bildung wegstreichen zu wollen? Und die Lehrkörper durch Programme ersetzen, die keinesfalls eine eigene Meinung haben, mit der sich die Schüler versehentlich auseinander setzen könnten? Und würdest Du dafür sorgen, dass aktuelle Themen nicht mehr im Unterricht behandelt werden?

Lange Rede, kurzer Sinn:
An staatlichen Schulen hat allenfalls die Pflicht zur Teilnahme an religlösen Handlungen nichts verloren. Hierfür gibt es dann Bekenntnisschulen. Religiöse Handlungen sind an für sich aber nicht verwerflich, aber Teil der Bildung und sollten deswegen an jeder Schule freiwillig angeboten werden.
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elysian hat geschrieben:Und wo werden bitte Deiner Meinung nach dir Rechte der Atheisten, der Juden, der Moslems oder wessen auch immer verletzt, wenn für die christlichen Kinder ein Gebet angeboten wird?
...Aber es ist ebenso falsch, den Kindern das Gebet zu verbieten, die beten wollen.
In einer staatlichen Schule, die laut Verfassung http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/GB ... ng_NRW.jsp s. Art. 7 Abs. 1 als allgemeine Bildungseinrichtung auch die Ehrfurcht vor Gott lehren soll, ist ein Gebetverbot unsinnig.
Bei diesem Artikel ist in meinen Augen fraglich, inwieweit er überhaupt Grundgesetzkonform ist.

Ferner: Wenn eine Lehrerin im Unterricht einen christlichen Gebetsteil unterbringt, mit dem nicht alle Kinder etwas anfangen können, stellt das für diejenigen imho eine Benachteiligung dar. Grundsätzlich muß die Religionsfreiheit natürlich gewahrt bleiben (siehe GG), aber das gilt für alle Religionen und auch für Atheisten. Außerdem ist der Glaube (oder eben nicht Glaube) eine reine Privatsache und muß auch so gehandhabt werden. Deshalb bin ich auch gegen einen auf eine bestimmte Konfession orientierten Religionsunterricht - statt dessen für ein Unterrichtsfach Lebensgestaltung-Ethik-Religion in dem u. a. alle großen Religionen und Philosophien gleichwertig behandelt werden müssen.
elysian hat geschrieben:...Und wenn wir schon bei Weltanschauungen sind, würdest Du denn so konsequent sein wollen, und auch jede Form politischer Bildung wegstreichen zu wollen? Und die Lehrkörper durch Programme ersetzen, die keinesfalls eine eigene Meinung haben, mit der sich die Schüler versehentlich auseinander setzen könnten? Und würdest Du dafür sorgen, dass aktuelle Themen nicht mehr im Unterricht behandelt werden?
Nein. Politische Bildung ist wichtig, wenn es um die Vermittlung von Wissen über die Funktionsweise des Staates und von Demokratie geht.
Auch Wissen über die verschiedenen Weltanschauungen zu vermitteln halte ich für wichtig. Aber wichtig ist es hier ganz besonders, daß diese Wissensvermittlung unparteiisch und neutral bleibt.
elysian hat geschrieben:Lange Rede, kurzer Sinn:
An staatlichen Schulen hat allenfalls die Pflicht zur Teilnahme an religlösen Handlungen nichts verloren. Hierfür gibt es dann Bekenntnisschulen. Religiöse Handlungen sind an für sich aber nicht verwerflich, aber Teil der Bildung und sollten deswegen an jeder Schule freiwillig angeboten werden.
Hm - nicht verwerflich: kommt auf die Religion an. wenn ich da an einige polytheistische Glaubensrichtungen denke...

Spaß bei Seite.

Direkter Religionsunterricht gehöht mMn in die Kirche/Moschee u.s.w. und nicht in eine öffentliche Schule.
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elysian
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Bei diesem Artikel ist in meinen Augen fraglich, inwieweit er überhaupt Grundgesetzkonform ist.

Ferner: Wenn eine Lehrerin im Unterricht einen christlichen Gebetsteil unterbringt, mit dem nicht alle Kinder etwas anfangen können, stellt das für diejenigen imho eine Benachteiligung dar. Grundsätzlich muß die Religionsfreiheit natürlich gewahrt bleiben (siehe GG), aber das gilt für alle Religionen und auch für Atheisten. Außerdem ist der Glaube (oder eben nicht Glaube) eine reine Privatsache und muß auch so gehandhabt werden. Deshalb bin ich auch gegen einen auf eine bestimmte Konfession orientierten Religionsunterricht - statt dessen für ein Unterrichtsfach Lebensgestaltung-Ethik-Religion in dem u. a. alle großen Religionen und Philosophien gleichwertig behandelt werden müssen.
An der Grundrechtskonformität besteht überhaupt kein Zweifel.

Weiterhin: Der Gebetsteil ist in casu nicht Teil des Unterrichts selber, sondern dem Unterricht vorgeschaltet.
Zweitens ist der besagte Text universal formuliert. "Von guten Mächten wunderbar geborgen" kann jeder theistisch oder atheistisch für sich auslegen.
Drittens gibt es Glaubensgruppen, die die Teilnahme an Geburtstagsfeiern untersagen. Wenn ein Kind nun Geburtstag hat und in seiner Klasse Kuchen verteilen möchte und andersherum dem Geburtstagskind ein Lied gesungen werden soll, also alles Dinge, an denen ein Kind dieser Glaubensrichtung nicht teilnehmen darf, weil Geburtstagsfeiern abzulehnen sind, dann bist Du also der Meinung, durch das Geburtstagsfeiern der anderen Kinder wird dieses Kind diskriminiert und folglich muss die Geburtstagsfeier unterbunden werden?
Oder sollte man von Menschen nicht erwarten, dass sie die Konsequenzen aus ihrer Weltanschauung auch tapfer tragen? (auch wenn die weltanschauliche Entscheidung bei dem Kind zunächst einmal von den Eltern getroffen wurde)
Dass die Religionsfreiheit gewahrt bleiben muss, da sind wir uns einig. Allerdings ist Art. 4 GG ein Abwehrrecht gegen den Staat und kein Recht gegen einen anderen Bürger. Ein solches Recht wird nur dort gewährt, wo eine Generalklausel grundrechtskonform auszulegen ist. Somit ist es richtig, dass das atheistische Kind nicht zum Gebet durch den Staat gezwungen wird. Somit ist es aber auch falsch, wenn die theistischen Kinder zum Unterlassen gezwungen werden.
Ich habe, sobald ich 14 Jahre alt war das Fach Religion mit Überzeugung abgewählt und bin bis heute mit meiner Wahl zufrieden. Mir ist aber die Freiheit enorm wichtig: ich hatte die Freiheit, etwas anderes zu wählen; argumentum ex contrario ist, dass folglich auch die Möglichkeit zur Wahl hin zur Religion bestehen muss. Andernfalls verhält sich der Staat gerade nicht neutral zu den Weltanschauungen/Religionen!
Ob man glaubt oder nicht, ist sicherlich eine persönliche Entscheidung, aber es ist nicht reine Privatsache in dem Sinne, dass die eigene Religiösität nicht öffentlich sein dürfe. Das Gegenteil ist der Fall! Art. 4 GG sichert sekundär das Recht, eine Weltanschauung zu haben, gesichert wird aber primär das Recht, diese Weltanschauung zu praktizieren, also gerade in die Öffentlichkeit zu gehen.
Endlich ist ein Unterrichtsfach "Lebensgestaltung-Ethik-Religion" eine schwache Alternative. Erstens zeigt schon der Titel, dass dort Alles und Nichts Inhalt dieses Unterrichts ist. Ein Unterricht unter dieser Bezeichnung verspricht schon, was nachher rauskommt: schwammiger Misch-Masch. Der Zusatz "Lebensgestaltung" lässt zudem befürchten, dass lediglich Fragen gestellt werden wie "Was kann uns der Satz von XY für unser hier und jetzt bringen?". Das ist nette Plauscherei, aber ein Unterricht, der darauf hinausläuft, vermittelt in keiner Weise theologische oder philosophische Grundlagen!
Ich hatte mehr als drei Jahre reinen Philosophieunterricht und wir haben nicht ansatzweise die gesamte Ethik durcharbeiten können!
Daneben kommen noch zusätzliche Bereiche, wie etwa die Metaphysik und und und.
Ähnlich ist es mit dem Religionsunterricht. Ich war froh, als ich ihn los wurde, aber die Religionen sind zu komplex, als dass sie in einem solchen Unterricht hinreichend erörtert werden könnten.
Nicht zuletzt bedeutet ein solcher Unterricht auch einen allgemeinen Zwang, der dem Schüler die Möglichkeit zur Wahl nimmt.
In meinem Philosophiekurs saß etwa eine Schülerin, die sich nach einem halben Jahr umentschied und wieder in den Religionsunterricht wechselte.
Diese Freiheit schätze ich sehr hoch ein!
Nein. Politische Bildung ist wichtig, wenn es um die Vermittlung von Wissen über die Funktionsweise des Staates und von Demokratie geht.
Auch Wissen über die verschiedenen Weltanschauungen zu vermitteln halte ich für wichtig. Aber wichtig ist es hier ganz besonders, daß diese Wissensvermittlung unparteiisch und neutral bleibt.
Auf diese Weise wird aber nicht nur Wissen transferiert, sondern auf die eleven auch hinsichtlich ihrer Werteordnung eingewirkt.
Schülern wird nun einmal nicht nur das Material zur Shoa in die Hand gedrückt, sondern auch die Meinung des Lehrers dargelegt. Und dies ist sogar erwünscht, während das Gegenteil negativ bewertet wird! Die Meinungen anderer Menschen sind mindestens ebenso wichtig für uns wie das uns gegebene Wissen! Wie bewerten andere Menschen den Sachverhalt xy? Warum bewerten sie diesen SV so und nicht anders? Die Antworten auf diese Fragen geben Orientierung und das ist exakt das Wesen der Pädagogik.
Direkter Religionsunterricht gehöht mMn in die Kirche/Moschee u.s.w. und nicht in eine öffentliche Schule.
Welchen Unsegen die Verbannung des Religionsunterrichts in die Moscheen bedeutet, muss man mit Blick auf die Koranschulen wohl nicht weiter ausführen.
Es hat also auch erhebliche Vorteile, wenn der Religionsunterricht unter staatlicher Aufsicht durchgeführt wird.
Darüber hinaus verweise ich noch einmal auf die Neutralität des Staates.
Wenn man den Religionsunterricht aus der Öffentlichen Schule drängt, stellt sich der Staat gerade nicht neutral, sondern vielmehr feindlich zu der Religion oder, wenn gar keine Religion gelehrt wird, überhaupt religionsfeindlich.
Einzige für mich akzeptable Grenze ist die Frage, wie man für wen einen entsprechenden Unterricht gestalten kann. Für einen einzigen orthodoxen Christen an einer Schule kann kein gesonderter Unterricht durchgeführt werden.
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Ich habe den Zeitungsartikel leider nicht mehr zur Hand, daher nur die Kernaussage:
Nach einem Brief der Frau Minister Sommer an das zuständige Schulamt (das nebenbei gesagt auch das örtliche Krippenspiel untersagen wollte!) darf wieder gebetet werden. Wer nicht beten will, muss dies allerdings nicht, sondern kann sich des Gebets schlicht enthalten.
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