Dtschl. sieht sich ja gerne als Kulturnation, als eine Nation der Dichter und Denker. Betrachtet man das 18. und 19. Jahrhundert finden sich ja auch bemerkenswert viele Beispiele für Kulturschaffende, deren Werke bis in die Gegenwart wirken.
Allein Schillers Glocke ist ein Füllhorn geflügelter Worte:
In der Schule musste ich dieses Werk nie auswendig lernen - woher die o. a. Worte stammten wurde mir erst viele Jahre nach der Allgemeinen Hochschulreife deutlich, als ich mir einen Conrady zuglegte. Möglich wurde dies durch die m. E. wertvollste Erfindung der Menschheit - die Schrift.- festgemauert in der Erden
- drum prüfe, wer sich ewig bindet
- Und drinnen waltet die züchtige Hausfrau,
- Doch mit des Geschickes Mächten ist kein ew'ger Bund zu flechten
- Wehe, wenn sie losgelassen
- Alles rennet, rettet, flüchtet,
- Wo rohe Kräfte sinnlos walten,
- Da werden Weiber zu Hyänen
- Gefährlich ist's, den Leu zu wecken,
Spektrum der Wissenschaft hat dem Thema Schrift und Sprache ein durchaus lesenswertes Spezial gewidmet, auf das hiermit hingewiesen sei. Von der überaus erfolgreichen und polyglotten Keilschrift bis zur Gegenwart hat sich eine erstaunliche Entwicklung vollzogen.
Weniger erfreulich finde ich allerdings die in Deutschland jüngster Vergangenheit zu beobachtende "Entwicklung" der Handschrift. In der Schule lernte ich die Lateinische Ausgangsschrift von 1953, was dazu führte, dass ich bereits Briefe meiner Großmutter, die noch in Sütterlin schrieb, nicht mehr lesen konnte. Im Laufe der Zeit lernte ich einiges zu Lesen, Schreiben kann ich die Schrift nicht.
Bedauerlicherweise trat eines Tages ein Herr Heinrich Grünewald auf, der nicht nur eine "bessere" Schrift, die Vereinfachte Ausgangsschrift präsentierte, sondern auch gleich den "wissenschaftlichen" Nachweis ihrer Überlegenheit erbrachte. Zumindest für das kleine "z" war dies kein Fortschritt, es sieht aus wie das bereits 1941 abgeschaffte Sütterlin-z aus. A. G. der erfolgreichen Selbstbegutachtung schaffte es diese Schrift in die Schule, die Schüler durften sich jetzt mit 67 statt zuvor 59 Schriftzeichen auseinander setzen. Aber der Fortschritt schreitet schnell.
Man entwickelte die an Druckbuchstaben orientierte Grundschrift, die auch als Schreibschrift dienen soll. Das zugrunde liegende Konzept klingt allerdings ziemlich hanebüchen, bspw.:
Aha, ich schreibe also verbunden, kann die Verbindung nur nicht sehen! Nun, dann ist die Keilschrift auch eine verbundene Schrift - und die Druckschrift ebenfalls!Kinder lernen also auch nach dem Ansatz des Grundschulverbands, verbunden zu schreiben. Es wird aber - wie in ausgeschriebenen Erwachsenenschriften üblich - darauf verzichtet, dass die Spuren der verbundenen Schreibbewegung durchgängig auf dem Papier sichtbar sein müssen.
Als vierte an den Schulen anzutreffende Handschrift wäre noch die Schulausgangsschrift aus DDR-Zeiten zu erwähnen.
Nun ist es ja nicht so, dass man sich auf eine Schrift bundesweit einigen könnte, nein alle vier Schriften werden gelehrt, ohne Rücksicht auf die Kinder zu nehmen, teilweise darf sogar jede Schule ihr eigenes Süppchen kochen - kleingeistiger geht es nicht mehr sollte man glauben.
Thüringen ist allerdings schon weiter, dort ist seit 2010 nur noch das Erlernen einer Druckschrift vorgesehen - auch eine Art Mauern zu bauen.
Die nächste Stufe kann nur noch sein, das Schreiben von Hand ganz abzuschaffen - SIRI läßt grüßen. Spätestens dann sollte man sich aber nicht mehr als Kulturnation bezeichnen und konsequenterweise auch Kultusministerien samt Minister abschaffen.