Renegat hat geschrieben:Stephan hat geschrieben:
Zustimmung. Die Sozialleistungen, zumindest in Dtschl., sind ja kein Entgelt als Gegenleistung für die eigene Existenz sondern sollen die Existenz sichern, soweit sie nicht aus eigenen Mitteln bestritten werden kann. Dazu können auch Einmalerlöse zählen, die man während der Bezugsdauer erzielt. Alles anzugeben in der Zeile
nebenberufliche, gemeinnützige oder ehrenamtliche Tätigkeit
Vom Erlös gehen noch Freibeträge ab, der Rest ist für die Sicherung der eigenen Existenz einzusetzen, es gibt keinen Grund warum Frau oder Herr Meier von nebenan dafür eintreten sollten, wenn nicht einmal der Leistungsempfänger für seine eigenen Existenz einzutreten bereit ist.
Am liebsten möchte ich mit Radio Eriwan antworten, kennst du die Witze, Stephan?
Theoretisch stimmt das, was du schreibst oder mit Radio Eriwan: Im Prinzip, ja,
aber
Radio Eriwan ist mir noch gut in Erinnerung, Michael Schiff und Wolfgang Michael stehen in meinem Bücherschrank, genauer Fischer TB 1298, 1529 u. 1572.
Als Leistungsempfänger gem. SGB II der ersten Stunde weiß ich leider auch wovon ich rede. Mein erster Hartz IV-Antrag datierte zwecks Fristwahrung auf den 13.12.2004! Interessanterweise war er am 3.1.2005 dann nicht auffindbar, aber dafür hatte ich ja meine Eingangsbestätigung vom 13.12.
Und weil ich praktische Erfahrung, nicht nur im Umgang mit Behörden habe, kommen mir die nachfolgenden Ausführungen ziemlich realitätsfern vor:
Renegat hat geschrieben:Inwieweit du dich mit dem Procedere in den Job Centern auskennst, weiß ich nicht.
Die ärmsten Schweine sind die Menschen, die alles versuchen, um sich wieder selbst unterhalten zu können. Kennst du die praktischen Folgen bei sog. Aufstockern? Das sind Menschen, die jeden Monat ein anderes Einkommen haben, je nachdem, was sie selbst verdienen können.
Weißt du, welchen Verwaltungs- und Kontrollaufwand das bei den leistungsberechnenden Job Centern verursacht?
Welche Risiken, dass Wohnungen gekündigt, der Strom abgestellt wird, weil Vermieter und Versorger nicht warten, bis das Job Center die Leistungen berechnet. Einmal bei der Erstberechnung kann man vielleicht noch erklären aber jeden Monat wieder?
Die Definition von Aufstockern (leider ergab sich bei mir über mehr als zwei Jahre keine Gelegenheit dazu, ich musste mit dem Regelsatz auskommen) ist nicht zutreffend, denn schwankende Monateinkommen zwischen NULL und X-stelligen Beträgen kenne ich als Freiberufler ebenfalls. So geht es vielen anderen Selbstständigen ebenfalls und nicht nur Leistungsempfängern gem. SGB II, im Gegenteil die haben einen festen Sockel als Einnahme zum Lebensunterhalt, die Krankenversicherung wird bezahlt, die Kosten für Unterkunft und Heizung kommen ebenfalls regelmäßig rein.
Der Verwaltungs- und Kontrollaufwand der Behörde interessiert mich nur sofern, dass der Laden erschreckend ineffektiv organisiert arbeitet und das Personal von seiner Aufgabe häufig völlig überfordert ist, um nicht zu sagen unfähig.
Eine Wohnung darf der Vermieter erst kündigen, wenn der Mieter mit ZWEI Monatmieten im Rückstand ist (habe ich übrigens auch schon durchexerziert). Ich kenne auch keinen Versorger, der sofort den Strom abstellt.
Als Erwachsener sollte man eigentlich in der Lage sein, seine Ausgaben zu priorisieren: 1. Wohnung u. Heizung, 2. Krankenversicherung, 3. Lebensunterhalt usw. - ansonsten empfiehlt sich ein Antrag auf Betreuung. Wenn sich abzeichnet, dass man eine Schuld nicht begleichen kann, geht man von sich aus auf den Gläubiger zu und steckt nicht den Kopf in den Sand. Das Verbrennen von Rechnungen bringt in der Realität nichts - außer höheren Kosten.
Renegat hat geschrieben:
Stephan hat geschrieben:In den von Marga geschilderten Fällen spricht vieles für gewerbsmäßige Schwarzarbeit in Verbindung mit Steuer- und Abgabenhinterziehung. Als kleines Schmanker'l kann es noch eine Abmahnung wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens obendrauf geben.
http://www.it-recht-kanzlei.de/gewerbli ... indiz.html
Dass die Käufer um Gewährleistung und Rückgaberecht betrogen wurden, fällt dann kaum noch ins Gewicht.
Mein Mitleid hält sich in diesen Fällen doch arg in Grenzen.
Es mag auch Fälle von regelmäßiger Schwarzarbeit geben, will ich gar nicht bestreiten. Beim Flohmarkt- oder E-Bay-Verkäufer dürfte es sich aber um extreme Einzelfälle handeln, ansonsten kann man damit nur Peanuts in bar verdienen. Auf Konten darf ja nichts auftauchen, die werden regelmäßig überprüft.
Ansonsten sollte man bei den Job Centern und Alg 2 die Zielsetzung nicht aus den Augen verlieren. Ziel ist nämlich, Arbeitslosen zu helfen, wieder einen Job zu finden und nicht sie soweit zu kontrollieren und zu bespitzeln, dass sie jeglichen, eigenen Antrieb einstellen und mit Alg 2 zu Hause sitzen bleiben. Letztere sind nämlich für die Job Center die Fälle mit dem geringsten Arbeitsaufwand, einmal berechnet, hin und wieder ein sinnfreier Kurs und ansonsten machen sie keinen Ärger, weil sie vielleicht vermittelt werden wollen oder sich gar selber schlecht bezahlte Arbeit suchen.
Auch hier leider mehr fiction statt science. Die einzelnen Fälle sind zusammen genommen doch ziemlich viele. Lt. BA 2010:
Code: Alles auswählen
26.000 Fälle als Straftat an die Staatsanwaltschaften gemeldet
59.000 Fälle von Schwarzarbeit an den Zoll weitergeben
277.000 Ordnungswidrigkeitenverfahren
Man sollte sich immer vor Augen halten, dass diejenigen die Leistungen zu Unrecht in Anspruch nehmen damit nicht Onkel Dagobert betrügen, sondern den nächsten Hilfebedürftigen. Ohne diese Fälle hätten 100.000de besser betreut werden können und ggf. auch mehr Geld erhalten können.
Wer einmal einen Hartz IV-Antrag ausgefüllt und abgegeben hat (eine ESt.-Erklärung ist vergleichsweise simpel) weiß, dass man sich quasi bis auf die Unterhose minus ein Kleiderstück auszuziehen hat. Im Gegenzug darf man sich als "Kunde" veräppeln lassen. Die eigentliche Aufgabe, die Arbeitsaufnahme zu fördern steht eindeutig an zweiter Stelle, wenn nicht noch weiter hinten.
Auch wenn Jobcenter wiederholt Hartz IV-Mittel statt für Leistungen für Gehaltszahlungen an ihre Mitarbeiter einsetzen spricht das nicht für eine soziale Kompetenz.
So wird eine im Grunde richtige Idee in der Praxis auch von staatlicher Seite desavouiert.