Triton hat geschrieben:Missverständnis. Die Wehrmacht erreichte naturgemäß die neu kontrollierten Gebiete zuerst und war so zwangsläufig beteiligt an allen Massnahmen gegen die Bevölkerung. Die Waffen-SS genauso. Die Einsatztruppen der SS waren viel zu klein, um allein die Bevölkerung in Schach zu halten und die Säuberungsmaßnahmen durchzuführen. Organisatorisch war deshalb eine Beteiligung der Landstreitkräfte unvermeidlich, was Jodl als Militär nicht gepasst haben dürfte, ihm aber von Hitler befohlen wurde.
Du darfst nicht übersehen: Alle Wehrmachtssoldaten, auch Jodl, hatten einen Treueeid auf die Person Hitler abgeleistet.
Zunächst einmal gibt es keinen Treueeid gegenüber einem Verbrecher! Darüberhinaus dürften viele, darunter auch Jodl, die ab dem 2. August 1934 dem "Führer" Treue schworen, vorher den Eid auf die Weimarer Verfassung abgelegt haben:
„Ich schwöre der Reichsverfassung und gelobe, daß ich als tapferer Soldat das Deutsche Reich und seine gesetzmäßigen Einrichtungen jederzeit schützen, dem Reichspräsidenten und meinen Vorgesetzten Gehorsam leisten will.“
Eine Berufung auf den "Führereid" ist also eine denkbar schlechte Rechtfertigung, insbesondere wenn sie gleichzeitig mit dem Bruch des Eides auf die Weimarer Verfassung - die in Teilen noch heute in Kraft ist - einhergeht.
Ein Befehl kann auch keine Rechtfertigung für eine verbrecherische Tat sein, dies haben nicht nur die Nürnberger Prozesse unmissverständlich klargestellt, sogar Goebbels hatte einmal öffentlich erklärt, bei gemeinen Verbrechen gelte nicht die Ausrede des Handelns auf Befehl, zumal "wenn solche Befehle allen menschlich-ethischen Grundsätzen und den festen Gepflogenheiten der Kriegsführung widersprechen". (s.
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-9247428.html).
Mal ganz abgesehen von Kants Aufforderung, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, woraus folgt, dass für sein Handeln primär jeder selbst verantwortlich ist!
Die Aussage von der Wehrmacht als dem Waffenträger ist nicht nur auf die Zeit nach Kriegsbeginn sondern auch schon auf die Jahre ab dem 31.1.1933 bezogen, als sich der "Führer" die Gefolgschaft und leider nur vereinzelt die Gegnerschaft des Militärs sicherte.
In diesem Zusammenhang sei auf die Dokumentation von Horst Mühleisen "Patrioten im Widerstand" hingewiesen, zu finden unter
http://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1 ... leisen.pdf.
Triton hat geschrieben:Den Kommissarbefehl unterschrieb m.W. Keitel. Jodl war für die Planung und Durchführung militärischer Operationen zuständig, nicht für die Truppenführung. Was man Jodl natürlich vorwerfen konnte: Keinen aktiven Widerstand geleistet zu haben. Da er aber ansonsten nur auf Weisung handelte, sehe ich das Urteil als zu hart an. Von ihm ausgehende Verbrechen sind mir nicht bekannt.
Jodl war, im Gegensatz zum Hitlerzögling Speer und Speichellecker Dönitz als einziger des Triumvirats kein Vertrauter Hitlers. Privat hätte sich Hitler wohl nie mit Jodl verstanden und dienstlich kam es öfter zu lautstarken Auseinandersetzungen und nur Jodls fachliche Kompetenz machte ihn unersetzbar. Heute noch lehrt die amerikanische Militärakademie West Point Jodls Angriffspläne, weil sie wohl die besten und erfolgreichsten der jüngeren Militärgeschichte waren.
Planung und Durchführung eines Angriffskrieges als Anklagepunkt war deshalb unbestritten, aber er handelte hier auf Befehl. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er selbst die Initiative ergriff und Ziele ernannte. Sein berühmter Plan zur Invasion Norwegens soll auf Wunsch Raeders zustande gekommen sein.
Leider gibt es keine Verweise, auf die sich die vorstehenden Ausführungen stützen. Persönliches Wissen, Nichtwissen oder Empfindungen allein, sind ganz unzuverlässige Ratgeber, besonders bei so einer sensiblen Materie. Deshalb seien einige Zitate aus der bereits erwähnten Arbeit von Frau Kellmann (
http://www.katharinakellmann.de/Aufsaetze/Alfred-Jodl) angeführt, die ein anderes Bild von Jodl zeichnen:
"Noch 1933 hatte er Hitler einen „Scharlatan“ genannt und ihm nur eine kurze Zeit als Reichskanzler gegeben. Doch bald wurde dieser Scharlatan für ihn zum Genie."
"Von 1939 bis 1945 sah Jodl den Diktator fast täglich, an über 5000 Besprechungen im „Führerhauptquartier“ nahm er teil. Er galt als der engste militärische Berater Hitlers."
(Hervorhebung durch mich)
"Für Alfred Jodl bedeutete dies, auf alle Fälle durchzuhalten. In seinen Augen gehörte es nicht zu den Aufgaben eines Soldaten, den Politikern an der Spitze eines Staates Empfehlungen zu geben. Entsprechende Erwartungen wies er im Sommer 1944 mit der Bemerkung zurück, für Politik hätte Hitler seinen Außenminister. Im Januar 1945 notierte Marianne Feuersenger, Sekretärin im "Führerhauptquartier" in ihrem Tagebuch, dass der Chef des Wehrmachtführungsstabes wohl immer noch an das "Genie" des Diktators glaubte. Ob der General nur nach außen hin Zuversicht zeigte oder wirklich noch von seinem Obersten Befehlshaber überzeugt war - diese Frage wird offen bleiben müssen."
"Eindeutig erwiesen ist hingegen der dritte Punkt der Anklage, die Mitwirkung an Kriegsverbrechen. Seine Mitarbeit am völkerrechtswidrigen Kommissarbefehl vom Juni 1941, der die Truppe ermächtigte, politische Offiziere, die so genannten „Kommissare“, zu erschießen, verstieß gegen geltendes Kriegsvölkerrecht."
Was den angeblichen Speichellecker Dönitz betrifft, sei die Anmerkung erlaubt, dass er zu den wenigen Offizieren gehörte, die soviel Arsch in der Hose hatten, auf dem Dienstwege - also offiziell - gegen die Reichsprogromnacht zu protestierten! Davon war Jodl meilenweit entfernt.
Triton hat geschrieben:Dann hätte man alle Offiziere der Wehrmacht nach dem Krieg erhängen müssen.
Nein! Schuld ist immer individuell, der Kreis derer, die in Hitlers Pläne von Anfang an eingeweiht waren und auch die Möglichkeit hatten sie zu verhindern, ist wesentlich kleiner - Jodl zählte dazu.
Triton hat geschrieben:Jodl war es übrigens, der Hitler im Dezember 1940 einen sofortigen Angriff auf die UDSSR ausredete, weil er wusste, dass die Wehrmacht nicht für Kriege im Winter ausgerüstet war. Wäre es nach Jodl gegangen, hätte die Wehrmacht auch Moskau vor Einsetzen der Schlammperiode erreicht und niemand weiß, mit welchen Folgen.
Dann hätte die Wehrmacht im Winter 1941/42 etwas weiter östlich festgesessen - wie weiland Napoleon, und wie die Geschichte ausgegangen ist, ist wohl bekannt. Wenn Jodl im Herbst 1940 bekannt war, dass die Wehrmacht nicht für eine Kriegsführung im Winter vorbereitet war, was hat er dann eigentlich unternommen, um diesen militärischen Mißstand zu beseitigen?
(Persönliche Anmerkung: Die Bw war Mitte der 70er Jahre immer noch nicht auf eine Kriegsführung im Winter vorbereitet. Statt wattierter Kleidung gab es die Empfehlung den Trainingsanzug unterzuziehen!)