Orianne hat geschrieben:
Der Zar wäre onehin gestürzt worden, sein Sohn wäre nie in der Lage gewesen das riesige Land zu regieren, ich persönlich halte die "Aktion" der OHL sicher für moralisch verwerflich, aber auch ohne Lenin wäre es auch zu einen Bürgerkrieg gekommen, der die Kommunisten an die Macht gespült hätte, da bin ich mir sicher. Sebastian Haffner, den ich immer noch sehr schätze hat natürlich mit seinen Einschätzungen schon Recht, aber mein ehemaliger Prof. eben auch. Stalin hätten die Bolschewiken verhindern können, das war ihr Fehler, Lenin hatte sie genug vor ihm gewarnt.
Liebe Orianne ,
so ist es.
Die Ursachen für Unterernährung, dem Leid und die schlechte Versorgungslage in Russland ist in ihrer Geschichte begründet.
1861 in Folge der Niederlage des Krimkrieges wurde versucht die Wirtschaft Russlands auf Vordermann zu bringen.Damit sollten die feudalistischen Verhältnisse, die seit 1789 vorherrschten beendet werden. Leider wurde das aber nur halbherzig vollzogen.
Die faktische Leibeigenschaft der Bauern wurde in einem sich über Jahrzehnte hinziehenden Prozeß gegen Abtretung von Land und Zahlung von Geld an die Adligen aufgehoben. Eine Industriealisierung bzw. Agrarreform wurde unvermeidbar, da Russland mit den europäischen Großmächten gleichziehen wollte.
"In dieser Hinsicht bestand die erklärte Absicht, bei der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung die "Fehler" der europäischen Industrialisierung nicht zu wiederholen." Die Entwicklung des Kapitalismus sollte sich auf die Industrie, den Handel und die adeligen Gutswirtschaften beschränken.
Die bäuerlichen Verhältnisse sollten aber von dieser Entwicklung ausgenommen sein."
"Die Dorfgemeinde sollte nun anstatt des einzelnen Bauern über die Abtretung von Land und über die persönliche Freiheit verhandeln. Zugleich haftete die Dorfgemeinschaft als ganzes sowohl für die Zahlung der Ablösegelder als auch für die staatlichen Steuern des einzelnen Bauern. Das war zugleich ein Zugeständnis der Zaristen an die Adligen.
Zugleich haftete die Dorfgemeinschaft als ganzes sowohl für die Zahlung der Ablösegelder als auch für die staatlichen Steuern des einzelnen Bauern. " Der Bauer war quasi immer noch Leibeigener nur nicht mehr vom Adel abhängig , sondern von der Dorfgemeinschaft.
"Die 'Freiheit', die das Gesetz von 1861 somit den Bauern gewährte, bestand im wesentlichen in der Freiheit vor gutsherrlicher Willkür, keineswegs aber im Recht auf Freizügigkeit, auf freie Verfügung über das Land, auf freie Berufswahl und auf den beliebigen Wechsel der Standeszugehörigkeit."
Somit bewirkte die Reform von 1861 trotz der Aufhebung der faktischen Leibeigenschaft keine Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Bauernschaft. Die Bauern blieben in ihrer Leibeigenschaft gefangen.
Ein Abfluss von Überbevölkerung vom Land in die Städte war durch die Gesetze nicht möglich, Zudem konnte durch die hohen Zahlungen an die Dorfgemeinschaften und den Adligen kein Geld für Düngemittel aufgebracht werden. Die Bauern verelendeten . Der Hass der Bauernschaften wurde immer größer .
"Die Aufhebung der Leibeigenschaft 1861 in Rußland imitiert die Zerstörung des Feudalstaates von 1789. Der Zarbefreier hat damit nicht den Feudalstaat zerstört, sondern nur die französische Revolution verhaßt gemacht. Denn diese Idee von 1789 sah in Rußland so aus, daß die Bauern persönlich frei wurden, ohne zu wissen wohin. Auch wenn man sie viele Jahre beim Militär hielt, so war das doch noch kein genügender Abfluß. "
"1902/03 kam es infolge von Hungersnöten zu Bauernaufständen, für deren Niederschlagung die zaristische Regierung mehr Truppen aufbieten mußte als im Krimkrieg (1853-1856). Im Zusammenhang mit der ersten russischen Revolution von 1905 kam es dann erneut zu Bauernaufständen und Plünderungen des adligen Besitzes."
Durch Stolypin wurden 1907 neue Gesetze erlassen , diese bereiteten der Zwangsgemeinschaft, der die Mehrheit der Bauern angehörte ein Ende, indem jedes Mitglied der Dorfgemeinde das Recht zugesprochen bekam, seinen Landanteil als individuellen Privatbesitz zu verlangen. Die Bauern durften zudem ihre Dörfer verlassen und hatten somit ihre entgültige Freitheit erlangt.
"Dieser Weg war für die große Masse der Bauernschaft aus Mangel an Land, Geld und Bildung kaum gangbar. Sie wurde vielmehr Opfer dieser Entwicklung, die eine fortwährende Verschlechterung ihrer Lebenslage herbeiführte. Dem Kleinbauern fehlten die Mittel, sich selbständig zu machen, bei vielen Kulaken fehlte das Interesse an dem Verlassen der Dorfgemeinde. [37] Da die unzureichende Ausbildung der Industrie in Rußland abwanderungswilligen Bauern keine Arbeit in der Stadt verschaffen konnte, mußte die ländliche Überbevölkerung und damit die Not der Bauern zunehmen. In der Sicht des Bauern war die Ursache dieser Not sein Mangel an Land, welches ihm vom Adel geraubt worden war und weiterhin vorenthalten wurde. Die Bauernschaft wollte deshalb den Boden des Adels unter sich aufteilen, ohne die Dorfgemeinde - ihre letzte Stütze in der Not - zu zerschlagen und den Kapitalismus zu entwickeln."
http://www.kommunistische-debatte.de/ge ... 993_2.html