Biologische Grundlagen für den Glauben an Gott?
Verfasst: 03.07.2014, 13:35
Die Existenz eines Gottes lässt sich nicht beweisen. Möglicherweise kann man aber erklären, warum es Menschen gibt, die an die Existenz eines solchen Wesens glauben. Hier hat die Evolutionsbiologie eine Reihe von neuen Forschungsbeiträgen geleistet, die hierfür Erklärungen liefern.
Religion scheint zunächst der Darwin’schen Theorie, aber auch marktökonomischen Vorstellungen zu widersprechen, da sie hohe Opfer verlangt, die auf Kosten biologischer Fitness gehen und da sie enorme Kosten verursacht, schmälert sie den Gewinn. Sie verlangt gewaltige Ressourcen für den Bau von Tempeln und anderen religiösen Monumenten, die eigentlich keinen Sinn machen, sie verursacht Opportunitätskosten, denn wer betet, kann nicht arbeiten. Sie geht auf Kosten der Vitalität, denn sie verlangt Initiationsriten, Fasten, Selbstgeißelungen, Wallfahrten, schafft merkwürdige Tabus und komplizierte Speise Vorschriften. Mit anderen Worten, sie erfordert viel Zeit und Aufmerksamkeit, Zeit, die man sinnvoller verwenden könnte.
Doch in meinem Aufsatz über das Buch von „ Diamond, Das Vermächtnis“, hatte ich darauf hingewiesen, das sie auch Erträge bringt. Sie schafft Gesetze, einen Moralkodex, ein Wir-Gefühl und übernimmt noch weitere Funktionen, so dass sie, buchhalterisch gesehen, der Gesellschaft einen Gewinn einbringt, ihr Nutzen ist größer als der Aufwand.
Siehe: http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... entstehung
Wie war sie aber ursprünglich entstanden? Wissenschaftler glauben, dass sie sich in der Frühzeit der Menschen durch falsche Kausalbeziehungen entwickelt hat. Der Homo sapiens benötigte seine Intelligenz vor allem dafür, um seine Umwelt zu analysieren, Funktionszusammenhänge zu erkennen und daraus seine Überlebensstrategie zu entwickeln.
Dabei ist es auch häufig zu falschen Kausalbeziehungen gekommen, die Grundlage der Religion. Falsche Erklärungen sind dann nicht schlimm, wenn man sich trotzdem richtig verhält.
Küstenbewohner beispielsweise bauen hohe Deiche, weil es immer wieder Sturmfluten gibt. Ob man eine Sturmflut durch physikalische Prozesse erklärt oder durch das Wüten eines zornigen Meeresgottes ist dabei gleichgültig, Hauptsache, die Deiche sind hoch genug. Opfer für den Meeresgott sind zwar sinnlos, schaden aber auch nicht. Manche Pflanzen haben eine heilende Wirkung. Wenn man glaubt, dass gütige Feen und Waldgeister die Samen dieser Pflanzen aussäen, ist das zwar falsch, hat aber sonst keine negativen Auswirkungen.
Ist der Mensch dafür prädestiniert, auch falsche Beziehungen schnell zu akzeptieren? Nach Untersuchungen mit Kindern glaubt man, dass dies so ist.
1. Kinder denken von Beginn an dualistisch. Sie glauben, dass alles belebt ist, auch tote Gegenstände, Pflanzen, Steine etc. Eine Vorstellung, die wir bei vielen Naturvölkern finden.
2. Kinder denken finalistisch. Alles hat eine bestimmte Funktion und wurde von jemandem geschaffen. Wolken gibt es, damit es regnet und die Blumen Wasser bekommen. Alles wurde von jemandem so eingerichtet. Alles hat eine Funktion und einen Schöpfer.
3. Kinder haben eine sogenannte „Theroy of mind“. Kinder haben keine Vorstellung von unterschiedlichem Wissen und mentalen Zustanden. Sie glauben, dass alle dasselbe wissen. Alle wissen alles. Und sie glauben, das man auch alles machen kann, das Erwachsene beispielsweise tote Katzen wieder zum Leben erwecken könnten. Daher die Vorstellung von Allwissen und Allmacht.
Kinder sind daher intuitive Theisten. Ihre Vorstellungen von Allwissen und Allmacht, die Idee, dass es unsichtbare Geister gibt, die in allen Gegenständen vorhanden sind, die finale Planmäßigkeit von allem, führt ganz von selbst zu einer religiösen Metaphysik. Die Grundlagen religiösen Denkens sind offenbar biologisch angelegt. Sie schaffen eine natürliche Disposition dafür, auch im Erwachsenenalter religiöse Vorstellungen für wahr zu halten, da sie übereinstimmen mit der frühkindlichen Geistes- und Erlebniswelt und den sich damals gebildeten kognitiven Kompetenzen.
Die im Kindesalter erworbenen kognitiven Kompetenzen erklären offensichtlich auch andere Phänomene. Beispielsweise das, was Fachleute als „Need for closure“ bezeichnen. Menschen können nicht gut mit Unsicherheiten und Erklärungslücken umgehen. Das Gehirn sträubt sich dagegen und ergänzt die Lücken von sich aus. Viele Zeugen machen vor Gericht falsche Aussagen und behaupten steif und fest etwas gesehen zu haben, obwohl sie allenfalls Bruchstücke davon selbst erlebt haben. Das Gehirn kann nicht anders, als Geschichten zu generieren, auch wenn sie nicht stimmen und dem Betroffenen das oft selbst auch gar nicht bewusst ist.
Dieses "Need for closure“ hat in der Vergangenheit häufig zu phantastischen Erklärungsmustern geführt. Wird eine Religion erst einmal als wahr angenommen, dann wird sie auch von den Anhängern kreativ weiter entwickelt mit immer neuen Phantastereien, die von den Gläubigen als richtig betrachtet werden. Die in der Kindheit erworbenen Kompetenzen greifen dann wieder, ein merkwürdiges Licht ist nun eine Marien Erscheinung, die Heilung eines Kranken ist auf Gebete zurückzuführen usw. Jetzt entstehen also die vielen falschen Kausalitäten, die das Wesen einer Religion ausmachen.
Die intellektuelle Leistung eines Menschen besteht jetzt nicht darin, ein Glaubenssystem zu erlernen, denn diese Übernahme geschieht automatisch und ist wohl auch biologisch vorgegeben, sondern sich diesem System zu widersetzen.
Es gibt zahlreiche Bücher zu diesem Thema
Ich nenne nur
Vaas R, Blume M (2009) Gott, Gene und Gehirn –Warum Glauben nützt. Die Evolution der Religiosität, Stuttgart
Als Grundlage für diesen Aufsatz habe ich gewählt einen Artikel von Eckart Voland, Die Evolution der Religiösität , Seite 165 ff. in: Der Mensch - Evolution, Natur und Kultur, Heidelberg 2010
Religion scheint zunächst der Darwin’schen Theorie, aber auch marktökonomischen Vorstellungen zu widersprechen, da sie hohe Opfer verlangt, die auf Kosten biologischer Fitness gehen und da sie enorme Kosten verursacht, schmälert sie den Gewinn. Sie verlangt gewaltige Ressourcen für den Bau von Tempeln und anderen religiösen Monumenten, die eigentlich keinen Sinn machen, sie verursacht Opportunitätskosten, denn wer betet, kann nicht arbeiten. Sie geht auf Kosten der Vitalität, denn sie verlangt Initiationsriten, Fasten, Selbstgeißelungen, Wallfahrten, schafft merkwürdige Tabus und komplizierte Speise Vorschriften. Mit anderen Worten, sie erfordert viel Zeit und Aufmerksamkeit, Zeit, die man sinnvoller verwenden könnte.
Doch in meinem Aufsatz über das Buch von „ Diamond, Das Vermächtnis“, hatte ich darauf hingewiesen, das sie auch Erträge bringt. Sie schafft Gesetze, einen Moralkodex, ein Wir-Gefühl und übernimmt noch weitere Funktionen, so dass sie, buchhalterisch gesehen, der Gesellschaft einen Gewinn einbringt, ihr Nutzen ist größer als der Aufwand.
Siehe: http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... entstehung
Wie war sie aber ursprünglich entstanden? Wissenschaftler glauben, dass sie sich in der Frühzeit der Menschen durch falsche Kausalbeziehungen entwickelt hat. Der Homo sapiens benötigte seine Intelligenz vor allem dafür, um seine Umwelt zu analysieren, Funktionszusammenhänge zu erkennen und daraus seine Überlebensstrategie zu entwickeln.
Dabei ist es auch häufig zu falschen Kausalbeziehungen gekommen, die Grundlage der Religion. Falsche Erklärungen sind dann nicht schlimm, wenn man sich trotzdem richtig verhält.
Küstenbewohner beispielsweise bauen hohe Deiche, weil es immer wieder Sturmfluten gibt. Ob man eine Sturmflut durch physikalische Prozesse erklärt oder durch das Wüten eines zornigen Meeresgottes ist dabei gleichgültig, Hauptsache, die Deiche sind hoch genug. Opfer für den Meeresgott sind zwar sinnlos, schaden aber auch nicht. Manche Pflanzen haben eine heilende Wirkung. Wenn man glaubt, dass gütige Feen und Waldgeister die Samen dieser Pflanzen aussäen, ist das zwar falsch, hat aber sonst keine negativen Auswirkungen.
Ist der Mensch dafür prädestiniert, auch falsche Beziehungen schnell zu akzeptieren? Nach Untersuchungen mit Kindern glaubt man, dass dies so ist.
1. Kinder denken von Beginn an dualistisch. Sie glauben, dass alles belebt ist, auch tote Gegenstände, Pflanzen, Steine etc. Eine Vorstellung, die wir bei vielen Naturvölkern finden.
2. Kinder denken finalistisch. Alles hat eine bestimmte Funktion und wurde von jemandem geschaffen. Wolken gibt es, damit es regnet und die Blumen Wasser bekommen. Alles wurde von jemandem so eingerichtet. Alles hat eine Funktion und einen Schöpfer.
3. Kinder haben eine sogenannte „Theroy of mind“. Kinder haben keine Vorstellung von unterschiedlichem Wissen und mentalen Zustanden. Sie glauben, dass alle dasselbe wissen. Alle wissen alles. Und sie glauben, das man auch alles machen kann, das Erwachsene beispielsweise tote Katzen wieder zum Leben erwecken könnten. Daher die Vorstellung von Allwissen und Allmacht.
Kinder sind daher intuitive Theisten. Ihre Vorstellungen von Allwissen und Allmacht, die Idee, dass es unsichtbare Geister gibt, die in allen Gegenständen vorhanden sind, die finale Planmäßigkeit von allem, führt ganz von selbst zu einer religiösen Metaphysik. Die Grundlagen religiösen Denkens sind offenbar biologisch angelegt. Sie schaffen eine natürliche Disposition dafür, auch im Erwachsenenalter religiöse Vorstellungen für wahr zu halten, da sie übereinstimmen mit der frühkindlichen Geistes- und Erlebniswelt und den sich damals gebildeten kognitiven Kompetenzen.
Die im Kindesalter erworbenen kognitiven Kompetenzen erklären offensichtlich auch andere Phänomene. Beispielsweise das, was Fachleute als „Need for closure“ bezeichnen. Menschen können nicht gut mit Unsicherheiten und Erklärungslücken umgehen. Das Gehirn sträubt sich dagegen und ergänzt die Lücken von sich aus. Viele Zeugen machen vor Gericht falsche Aussagen und behaupten steif und fest etwas gesehen zu haben, obwohl sie allenfalls Bruchstücke davon selbst erlebt haben. Das Gehirn kann nicht anders, als Geschichten zu generieren, auch wenn sie nicht stimmen und dem Betroffenen das oft selbst auch gar nicht bewusst ist.
Dieses "Need for closure“ hat in der Vergangenheit häufig zu phantastischen Erklärungsmustern geführt. Wird eine Religion erst einmal als wahr angenommen, dann wird sie auch von den Anhängern kreativ weiter entwickelt mit immer neuen Phantastereien, die von den Gläubigen als richtig betrachtet werden. Die in der Kindheit erworbenen Kompetenzen greifen dann wieder, ein merkwürdiges Licht ist nun eine Marien Erscheinung, die Heilung eines Kranken ist auf Gebete zurückzuführen usw. Jetzt entstehen also die vielen falschen Kausalitäten, die das Wesen einer Religion ausmachen.
Die intellektuelle Leistung eines Menschen besteht jetzt nicht darin, ein Glaubenssystem zu erlernen, denn diese Übernahme geschieht automatisch und ist wohl auch biologisch vorgegeben, sondern sich diesem System zu widersetzen.
Es gibt zahlreiche Bücher zu diesem Thema
Ich nenne nur
Vaas R, Blume M (2009) Gott, Gene und Gehirn –Warum Glauben nützt. Die Evolution der Religiosität, Stuttgart
Als Grundlage für diesen Aufsatz habe ich gewählt einen Artikel von Eckart Voland, Die Evolution der Religiösität , Seite 165 ff. in: Der Mensch - Evolution, Natur und Kultur, Heidelberg 2010