Amerikanischer Patriotismus
Verfasst: 10.11.2013, 16:08
Dass die Amerikaner ihr Land über alles lieben, ist allgemein bekannt. Schließlich hat Gott ihnen dies Stück Erde einst geschenkt, damit sie es bebauen können. In der Bibel wird Amerika aber leider nicht erwähnt, deshalb nannten die Europäer es die „Neue Welt“ und erfanden einen achten Schöpfungstag, an dem Gott diesen Kontinent erschaffen haben soll.
In den siebziger und achtziger Jahren habe ich die USA mehrfach besucht und bin monatelang kreuz und quer durch das Land getrampt. Später musste ich als Geschäftsführer eines Unternehmens dort noch häufiger hinfliegen, bekam von dem Land dann aber nicht mehr so viel mit.
Nach dem Ende des Vietnamkrieges und der Watergate-Affäre durchlebten die Amerikaner eine mentale Krise und versuchten, sie durch verstärkten Patriotismus zu überwinden. „America, love it or leave it!“, diese Aufforderung konnte man immer wieder auf Plakaten sehen. Und die New Yorker Taxifahrer, die mich an meinem Akzent sofort als Ausländer identifizierten, fragten jedes Mal: „How do you like America?“ Diese Frage beantworteten sie zumeist sofort selbst: „ It’s a fucked up country, but it is the best in the world!” Dem konnte ich nichts hinzufügen.
Auf dem Flug nach San Diego erklärte uns der Pilot alle zwei Minuten: „ We are now approaching to San Diego, California, USA.“ Als ob nicht jeder wußte, das diese Stadt in den USA und nicht etwa in Mexiko liegen würde. Vielleicht wollte man sich vergewissern, das sie sich noch in dem richtigen Land befindet.
In Kalifornien fuhren wir auf Autostraßen mit acht oder zehn Fahrbahnen, die am Horizont Städte ankündigen, die man nicht findet, da sie von eben diesen Autobahnen in unzulängliche Siedlungsfragmente zerschnitten werden. Man durchfährt baumlose Gartenlandschaften, beherrscht von einer armseligen Einheitsarchitektur, gelegentlich protzender Reichtum.
In Kalifornien hatten die Einwohner einen Filmschauspieler (Ronald Reagan, den späteren Präsidenten) zum Gouverneur gewählt, der den Menschen ständig erklärt hatte, wie gut der Krieg in Vietnam für das Land wäre. Es gab in San Diego einen großen Kriegshafen, in dem Bundesstaat hatten sie riesige Ausbildungslager für die Soldaten und Flugfelder für die Luftwaffe errichtet. Diese Örtlichkeit, die sich Stadt nannte, besaß nur eine Zeitung, die morgens als San Diego Union, abends als Evening Tribune erschien. Verglichen mit deren Berichterstattung konnte man selbst die BILD-Zeitung als linksextremistisch bezeichnen. Im Radio liefen ständig rechtsradikale Hetzsendungen von Predigern unterschiedlicher religiöser Gruppierungen, unterbrochen von Country-Musik.
Zwischen den Nachbarn herrschte ein latenter Kriegszustand. Die Schwarzen und die Mexikaner leben in Gettos, die Weiße, von Polizisten abgesehen, kaum betreten. Müßige, vor Langeweile fast ohnmächtige, grell, hautenge gekleidete Greisinnen und Greise, die sich senior citizen nennen lassen und wellenreitende, braungebrannte Hünen, riesenhafte Blondinen, dumpfe, brutale Musik, das sind die Wahrzeichen Kaliforniens, sie beherrschen das Straßenbild San Diegos, wo, oft auch in Nebenstraßen, alle fünf Meter eine amerikanische Flagge, von Januar bis Dezember, von morgens bis abends, auf dem Bürgersteig flattert, auch an Tankstellen, Banken, Autoantennen und, als Aufkleber, an Schaufenstern, Stoßstangen der Autos, oft vorne, hinten und an allen Seitenfenstern, aufgenäht auf sämtlichen Polizeiuniformen, ohne Ausnahme, ferner als Anstecknadel auf Golf – oder Baseballmützen, Hemden, Jacken, Blusen, Kleidern, dass man nie vergisst, wo man ist, nämlich in Amerika.
Wir müssen diesen Patriotismus immer berücksichtigen. Viele Amerikaner haben kein Unrechtsbewusstsein, wenn es um ihr Land geht. „Right or wrong, my country!“ So sehen viele Amerikaner offenbar auch die Reaktion der Europäer auf die NSA- Spähaktion anscheinend als übertrieben an. Haben denn die Amerikaner nicht Europa vor den Russen bewahrt? Sollten die Europäer deshalb nicht dankbar sein? Und sind sie auch nicht jetzt immer noch die entscheidende Schutzmacht für uns? Viele Dinge sieht man jenseits des Atlantiks ganz anders als bei uns.
Ich habe dieses Land und seine Bewohner lieben gelernt, die Reichen in ihren Villen und die Bewohner der Slums, die ungeheure Vielseitigkeit seiner Menschen, die gewaltige Kreativität der Bürger. Die USA werden auch in Zukunft eine große Rolle in der Welt spielen und wir müssen unbedingt die amerikanisch-deutsche Freundschaft erhalten. Aber wir müssen wohl mehr voneinander wissen und die jeweiligen Eigenarten weitaus stärker berücksichtigen. Auch darf Freundschaft nicht Unterordnung bedeuten, sondern Gleichberechtigung.
In den siebziger und achtziger Jahren habe ich die USA mehrfach besucht und bin monatelang kreuz und quer durch das Land getrampt. Später musste ich als Geschäftsführer eines Unternehmens dort noch häufiger hinfliegen, bekam von dem Land dann aber nicht mehr so viel mit.
Nach dem Ende des Vietnamkrieges und der Watergate-Affäre durchlebten die Amerikaner eine mentale Krise und versuchten, sie durch verstärkten Patriotismus zu überwinden. „America, love it or leave it!“, diese Aufforderung konnte man immer wieder auf Plakaten sehen. Und die New Yorker Taxifahrer, die mich an meinem Akzent sofort als Ausländer identifizierten, fragten jedes Mal: „How do you like America?“ Diese Frage beantworteten sie zumeist sofort selbst: „ It’s a fucked up country, but it is the best in the world!” Dem konnte ich nichts hinzufügen.
Auf dem Flug nach San Diego erklärte uns der Pilot alle zwei Minuten: „ We are now approaching to San Diego, California, USA.“ Als ob nicht jeder wußte, das diese Stadt in den USA und nicht etwa in Mexiko liegen würde. Vielleicht wollte man sich vergewissern, das sie sich noch in dem richtigen Land befindet.
In Kalifornien fuhren wir auf Autostraßen mit acht oder zehn Fahrbahnen, die am Horizont Städte ankündigen, die man nicht findet, da sie von eben diesen Autobahnen in unzulängliche Siedlungsfragmente zerschnitten werden. Man durchfährt baumlose Gartenlandschaften, beherrscht von einer armseligen Einheitsarchitektur, gelegentlich protzender Reichtum.
In Kalifornien hatten die Einwohner einen Filmschauspieler (Ronald Reagan, den späteren Präsidenten) zum Gouverneur gewählt, der den Menschen ständig erklärt hatte, wie gut der Krieg in Vietnam für das Land wäre. Es gab in San Diego einen großen Kriegshafen, in dem Bundesstaat hatten sie riesige Ausbildungslager für die Soldaten und Flugfelder für die Luftwaffe errichtet. Diese Örtlichkeit, die sich Stadt nannte, besaß nur eine Zeitung, die morgens als San Diego Union, abends als Evening Tribune erschien. Verglichen mit deren Berichterstattung konnte man selbst die BILD-Zeitung als linksextremistisch bezeichnen. Im Radio liefen ständig rechtsradikale Hetzsendungen von Predigern unterschiedlicher religiöser Gruppierungen, unterbrochen von Country-Musik.
Zwischen den Nachbarn herrschte ein latenter Kriegszustand. Die Schwarzen und die Mexikaner leben in Gettos, die Weiße, von Polizisten abgesehen, kaum betreten. Müßige, vor Langeweile fast ohnmächtige, grell, hautenge gekleidete Greisinnen und Greise, die sich senior citizen nennen lassen und wellenreitende, braungebrannte Hünen, riesenhafte Blondinen, dumpfe, brutale Musik, das sind die Wahrzeichen Kaliforniens, sie beherrschen das Straßenbild San Diegos, wo, oft auch in Nebenstraßen, alle fünf Meter eine amerikanische Flagge, von Januar bis Dezember, von morgens bis abends, auf dem Bürgersteig flattert, auch an Tankstellen, Banken, Autoantennen und, als Aufkleber, an Schaufenstern, Stoßstangen der Autos, oft vorne, hinten und an allen Seitenfenstern, aufgenäht auf sämtlichen Polizeiuniformen, ohne Ausnahme, ferner als Anstecknadel auf Golf – oder Baseballmützen, Hemden, Jacken, Blusen, Kleidern, dass man nie vergisst, wo man ist, nämlich in Amerika.
Wir müssen diesen Patriotismus immer berücksichtigen. Viele Amerikaner haben kein Unrechtsbewusstsein, wenn es um ihr Land geht. „Right or wrong, my country!“ So sehen viele Amerikaner offenbar auch die Reaktion der Europäer auf die NSA- Spähaktion anscheinend als übertrieben an. Haben denn die Amerikaner nicht Europa vor den Russen bewahrt? Sollten die Europäer deshalb nicht dankbar sein? Und sind sie auch nicht jetzt immer noch die entscheidende Schutzmacht für uns? Viele Dinge sieht man jenseits des Atlantiks ganz anders als bei uns.
Ich habe dieses Land und seine Bewohner lieben gelernt, die Reichen in ihren Villen und die Bewohner der Slums, die ungeheure Vielseitigkeit seiner Menschen, die gewaltige Kreativität der Bürger. Die USA werden auch in Zukunft eine große Rolle in der Welt spielen und wir müssen unbedingt die amerikanisch-deutsche Freundschaft erhalten. Aber wir müssen wohl mehr voneinander wissen und die jeweiligen Eigenarten weitaus stärker berücksichtigen. Auch darf Freundschaft nicht Unterordnung bedeuten, sondern Gleichberechtigung.