Danke Ruaidhri, das sind hervorragende Links.
Dietrich hat geschrieben:
Anscheinend hast du das nicht gewusst, sonst hättest du die Ausgliederung indoeuropäischer Einzelsprachen ab dem 3. Jtsd. v. Chr. nicht in deinem letzten Post bestritten.
Das ist falsch, ich habe nicht Ausgliederung generell bestritten, nur die Ausgliederung von Familien deren Menschen schlicht und einfach noch nicht indogermanisch gesprochen haben, was eine Ausgliederung aus dem Indogermanischem doch sehr erschwert.
Dietrich hat geschrieben:
james hat geschrieben:Und warum genau soll sich germanisch (natürlich in der Frühform) "vermutlich erheblich später entwickelt" haben?
Weil die Forschung die Entstehung der Germanen erheblich später ansetzt als die anderer indoeuropäischer Völker wie z.B. der Hethiter, mykenischen Griechen oder der Indo-Arier. Als diese Völker auf der Bildfläche erschienen, war an Germanen überhaupt noch nicht zu denken.
Aha, und "weil es so da steht" muss es natürlich richtig sein, das ist doch dein Standpunkt, gelle?
Und welche "die Forschung" meinst du, jene die man unter einer Jahrzehnte alten Staubschicht findet?
(Einige diese Vorstellungen sind ähnlich zäh wie Gesetze, sind sie einmal in Kraft wird man sie nie wieder los.)
Diesbezüglich lass mich mal aus einer Doktorarbeit von 2006 zitieren:
"Das Pferd wurde verhältnismäßig spät durch den Menschen domestiziert. Die ersten Spuren
der Domestikation finden sich in Form von Wandmalereien bei den Ägyptern zum Zeitpunkt
des Überganges vom neuen thebatischen Reich zur saitischen Periode. Dienten Pferde
zunächst nur der Ernährung und der Bekleidungsherstellung des Menschen, so wurden sie
später zu einem wichtigen Mittel der Zivilisation. Déchelette (CARNAT, 1953) schreibt in
diesem Zusammenhang: „Dank der Zähmung der Tiere sind die Sitten sanfter geworden
und ist der Unterhalt des Menschen gesichert. Er braucht ihn nicht mehr der Jagd, der
Fischerei und dem Abenteuer abzuringen. Dem herumschweifenden Jäger sind der Hirte und
der Ackerbauer gefolgt. Die in der Landwirtschaft beschäftigten Bewohner hatten nicht mehr
die Muße der höhlenbewohnenden Jäger."
Also das Pferd tauchte in der 26. Dynastie der Ägypter auf. Zu dieser Zeit als diese Arbeit geschrieben
wurde, stand der Streitwagen des Tutanchamun bereits seit Jahrzehnten im Museum von Kairo und Internet
gab es auch schon. Aber so sieht die ganze Arbeit aus, mit der Krönung eines Zitates von 1793.
Übrigens sind auch nicht alle Forscher der gleichen Meinung, genauer gesagt reichen die Schätzungen wann sich Germanisch vom Indogermanisch löste von 500 bis 2000 v. Chr. und liegen damit recht weit auseinander.
Wenn du unter Germanen das verstehst was die Römer definieren, also die dokumentierten Germanen - mag 500 v. Chr. stimmen. Es stimmt aber nicht wenn du unter Germanen jene Menschen verstehst die im Germanischsprachigem Raum lebten. Und die Frage war ja, wie germanisch entstand?
Das du das nur auf die Jastorf-Kultur beziehst ist schon dadurch zu widerlegen, das bestimmte Urnengestaltung von der Saale über Jütland bis Schweden und gleichzeitig über Ostdeutschland Polen und bis Kujawien und dem Prussengebiet (mit Ausläufer bis zum Kurland) reichen (die Wikipedia nennt es Westbaltischen Hügelgräberkultur). Das entspricht neben der Jastorfer Kultur auch den Kulturraum östlich davon, bis rauf ins westliche Baltikum und zeigt deutlich das sie massiv kooperieren. Dieser Einfluss stammt aus dem Nordadriatischem Raum und etablierte sich erstmal an der Saale, bevor dessen Weiterentwicklung sich ausbreitete.
Der Keltische Einfluss ist erst mit der Zeit zunehmend dominanter je weiter sie nach Norden wandern und führt auch zur Verdrängung einiger Stämme nach Osten. Diese wurden früher mit der Einwanderung eines Nordwestblock verbunden. In den nachfolgenden Jahrhunderten werden daraus die Westgermanen oder Rheingermanen und die Belger-Stämme. Davon mal abgesehen zeigen auch Halsringe eine weite Verbreitung an der Ostseeküste bis ins westl. Baltikum.
Wie ich schon sagte, sie scheinen die keltischen Dinge geschätzt und vieles übernommen zu haben. Aber auch die Kelten haben so einiges aus dem alten Europa übernommen.
Dietrich hat geschrieben:
james hat geschrieben:Was du hier erzählst stand schon vor 20 Jahren in Büchern, das ist nichts Aktuelles.
Natürlich halten sich die Wissenschaftler schön nebulös allgemein, da kann man auch keine Fehler machen.
Diese Hypothesen findest du genauso in aktuellen Publikationen wie z.B. beim oben zitierten Harald Haarmann und anderen.
Wenn man nichts genaues schreibt, schreibt man immer den Standart, den hast du ja gut zitiert. Damit ist man auf der sicheren Seite. Haarmann hat über Nordeuropa gar nicht geforscht, er hat sich auf Donaukulturen und deren Weiterentwicklung spezialisiert, beziehungsweise die Erforschung ihrer Symbolik.
Dietrich hat geschrieben:
Haarmann geht zunächst von einem altmediterranen Kulturraum aus, der den Balkan und Kleinasien umfasste. Im Hinblick auf die neolithische Donaukultur hat er nichts Neues entdeckt, sondern sich auf den Standpunkt gestellt, es würde sich um eine Hochkultur handeln, die auch über Schriftlichkeit verfügte. Ebenso wie viele andere Forscher teile ich diese Einschätzung Haarmanns nicht. Die Schriftlichkeit ist nicht erwiesen und der Status einer Hochkultur kaum erreicht.
Das war doch meine Rede. Ich halte Haarmanns These für innovativ und für Südeuropa auch für richtig. Wobei der Terminus Hochkultur und Schrift durchaus zu diskutieren wäre. Das kann man eventuell unter "sehr optimistisch" einreihen,je nachdem wie man Hochkultur und Schrift definiert. Ich sehe es eher als eine Art Symbolismus auf dem Weg zur Schrift. Ähnlich war es ja auch in Ägypten.
Aber gegen eine Einwanderung von Indogermanen spricht eine Menge und da stimme ich ihm nicht zu. Es sei denn man bezeichnet die im 7. Jahrtausend eingewanderten Farmer aus Anatolien als Indogermanen wie es z.B. Atkinson und Renfrew sieht.
Dietrich hat geschrieben:
Du solltest das einmal nachlesen im Kapitel "Die Symbiose mit Kultur und Sprachen Alteuropas" in Haarmanns Publikation "Die Indoeuropäer", S- 54-58.
Dort schreibt er wörtlich "lange bevor die Indoeuropäer dahin migrierten". Das heisst er geht noch von der These aus, das Indoeuroäer eingewandert seien und bezieht sich dabei auf Gimbutas These aus den 60igern. Vieles aus dieser Theorie ist jedoch wiederlegt worden, genauer gesagt gibt es da zwei Lager die dafür und dagegen argumentieren.
Es war wohl eher eine Wechselwirkung. Das es dabei auch Einwanderung gab ist ja unbestritten, doch es war wohl nicht so massiv, wie es die Kurgantheorie impliziert. Und das es am Pontus eine Weiterentwicklung der Sprache gab, dürfte eigentlich auf der Hand liegen. Ich glaube aber, es ist der Geburtsort für Indoiranisch. Das würde Sinn machen, zumal ja Asien quasi nebenan liegt.
Dietrich hat geschrieben:
Was soll dieses unqualifizierte Gerede? Das ist doch keine Diskussionsgrundlage.
Ich wollte nur überspitzt formulieren was die meisten Leute für Vorstellungen haben. Das nennt man "schwarzen Humor".
Fakt ist das Mitteleuropa als Ursprungsgebiet aus historischen Gründen (Arierwahn der Nazis) schlichtweg
nicht mehr in Frage kam - jahrzehntelang.
In den folgenden Jahrzehnten haben sich ganze Forschergenerationen damit überschlagen,
die Germanen auf das Allergeringste zusammen zu stutzen und die Ostgermanen zu Protoslawen umzudeuten.
Gimbutas These kam also genau zur rechten Zeit denn nun hatte man auch ein glaubwürdiges Szenario für
die Bronzezeit und deshalb steht das auch so in allen Büchern drin. Danach kamen die anatolischen Bauern groß in Mode.
Ansonsten forschte man in Deutschland viel an der Steinzeit und den Neandertalern herum,
da konnte man nichts verkehrt machen. Der Begriff Germanen wurde gewissermaßen inakzeptabel,
selbst die Goten und Teutonen wurden als Germanen strittig.
Wie heisst es so schön, man redet einen schwarzen Mann weiß. Ist sehr beliebt bei jenen die gern
und oft präsentieren wie gut sie doch sind.
Du redest von 2 PEI-Thesen, nun es gab/gibt viel mehr Thesen, die kaum bekannt und noch seltener
diskutiert werden. Dabei zeigt sich das insbesondere für die Norddeutsche Tiefebene/Germanischer
Sprachraum und die Donaukulturen auch so einiges spricht.
In den letzten 25 Jahren forscht man nun vermehrt in diesen Regionen, nicht zuletzt
weil Osteuropa zugänglich geworden ist. Und die Funde belegen ja, da war richtig was los.
Um das abzuklären grasen sie systematisch Osteuropa und Südwesteuropa ab.
Man fand neue Methoden der Migrationsforschung und ist dabei zu vielen neuen Erkenntnissen
gelangt, die das bisherige Bild total verändern:
Krause, Müller, Brandt, Furholt, Keyser, Kristiansen, Burmeister, Hansen, Terberger, Kneisel usw.
haben die Chronologie und komplexen Zusammenhänge gründlich neu datiert, überarbeitet und
entwerfen so nach und nach ein völlig neues Neolithisches und Bronzezeitliches Europa.
Bei ihnen laufen die Ergebnisse vieler Einzelgrabungen der Heerscharen von Forscher zusammen.
Dazu kommt die internationale Forschung, z.b. von Klyosov ein brillianter Russe. Auch die Ergebnisse
von Parzinger und die These von Dierk, sowie die Darstellung Haarmanns sind gut damit verknüpfbar.
Die Resultate von Fu und Li (chinesische Wissenschaftler), Brotherton, Allentoft, Haak, Malmström,
Naumann und Skoglund sind ebenfalls zu berücksichtigen.
All diese Leute haben in den letzten 10 Jahren enorm viel geschaffen und veröffentlicht.
Das Puzzle wird immer detailreicher und Projekte wie der Atlas der Innovationen wird für so
manchen Geschichtsinteressierten Überraschungen eröffnen.
Es bleibt also hochspannen...
Die Linguistik veröffentlicht relativ wenig und meist geht es um extrem spezielle Bereiche.
Udolph ist da recht innovativ, insbesondere im Hinblick auf Karthago und er widerlegt mit
starken Argumenten Vennemanns vaskonische Theorie.
Udolph hat in Bezug auf die Namenskunde auch wirklich viel gemacht, wobei ihm Ramge für Hessen folgt.
Leider hat sich noch niemand so richtig für Ostdeutschland erwärmt.
Jetzt initiiert Udolph gerade ein schönes Projekt an der Uni Göttingen, bei der nun endlich
mal die Verbindungen des niedersächsischen Franken/der Sachsen und Wikinger zum Baltikum und dem
slawischem Osteuropa linguistisch durch Ortsnamen genauer untersucht werden.
Das war nur möglich weil die Genetik in Nowgorod Einfluss aus Niedersachsen zeigt. Das muss ja irgendwie
dahin gelangt sein? Das dürfte also sehr interessant werden, wird aber wohl seine Zeit dauern.
http://www.uni-goettingen.de/de/109429.html
Dietrich hat geschrieben:
Ich habe überhaupt nichts dagegen, mögliche historische Szenarien zu entwerfen. Allerdings kann man dabei Erkenntnisse der Geschichtswissenschaft nicht völlig außer Acht lassen, die das Ergebnis oft jahrzehntelanger intensiver Forschungsarbeit sind.
Na dann fang mal an damit die Erkenntnisse der letzten Jahre in deine Überlegungen mit einzubeziehen.
Ich würd dir das hier für den Anfang empfehlen: G. Brandt: Neolithikum – neu erforscht!
Diese Überschrift deutet schon an worum es geht. Der alte Standart wird überarbeitet. Doch gerade für
Deutsche Wissenschaftler ist das ein heikles Thema, sie müssen ganz besonders sicher sein, andernfalls
unterstellt man ihnen alles mögliche. Das könnte also noch eine Weile dauern.
Daher les ich die neue Studien und so kannst du dir auch eine Meinung bilden.
Den alten Standart hast du übrigens schön zusammengefasst.
Aber nun reicht es auch mit dem Thema. Das ist für mich gegessen.
Wenn du unbedingt weiter diskutieren willst oder Fragen hast, schick mir ein Posting.