Barbarossa hat geschrieben:elysian hat geschrieben:Das Baden wird Muslimen ja nicht verboten. Das Baden in dieser Bekleidung ist verboten. Das ist ein gewaltiger Unterschied!
Außerdem ist es widersprüchlich, das Separieren der Nacktbader, von denen sich andere Personen "gestört fühlen" zu akzeptieren, das Separieren der Burkinis aber als Diskriminierung zu brandmarken, obwohl der Ausschlussgrund identisch ist.
Viele Menschen empfinden diese Bekleidung, ähnlich wie die Burka, als teils religiöse, vor allem aber politische Aussage. Oder besser: Kampfansage.
Das ist dann aber das Problem intoleranter Personen, die Andersdenkende bzw. Andersgläubige nicht akzeptieren wollen. Für mich ist ein Badeanzug ein Badeanzug, oder leben wir wirklich noch in einer dermaßen uniformierten Gesellschaft?
Wo bleibt da der Individualismus?
Für mein Dafürhalten gilt deshalb eher: Intoleranz ist nicht zu tolerieren! Schließlich gibt es hier in Deutschland Religionsfreiheit.
Übrigens: Wenn eine Nonne die Straße entlang läuft, dann stört sich auch niemand daran und die sind sogar ganz ähnlich gekleidet, wie die muslimischen Frauen mit der Burka - komisch, nicht wahr?
Religionsfreiheit bedeutet, eine Religion zu haben und nach ihr zu leben, soweit dies mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Wer also Burka oder Burkini freiwillig trägt, darf dies auch weiterhin tun.
Ob und wo jemand im Burkini schwimmen darf, hat damit allerdings nichts zu tun. Es gibt kein Grundrecht auf öffentlichen Zugang zu Schwimmbädern zu jeder Zeit in jeder Bekleidung. So weit reicht der Schutzbereich der Religionsfreiheit nicht. Andernfalls könnte man jedes beliebige Interesse auf die Religionsfreiheit stützen und durchdrücken (s.a. Sexualkundeunterricht, Klassenfahrten, usw.).
Das gilt übrigens geschlechtsunabhängig (
http://www.spiegel.de/schulspiegel/0,15 ... 24,00.html). Ein schönes Beispiel, finde ich, wohin wir kommen, wenn wir uns darauf erst einmal einlassen würden. Die christlichen Extremisten wetzen dann garantiert auch ihre Messer.
Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, wie schwer umkämpft die heute akzeptierte Freizügigkeit gerade auch mit Blick auf christliche Vorstellungen bezüglich der Sexualmoral vor nicht einmal 50 Jahren war. Ich darf dabei explizit den Minirock und den Bikini als Streitfälle in Erinnerung rufen (
http://de.wikipedia.org/wiki/Minirock ;
http://de.wikipedia.org/wiki/Bikini). Durch einen Kotau vor der islamistischen Kleiderordnung, fielen wir letztlich auf Zustände zurück, die noch anachronistischer sind, als es die Überwundenen waren.
Davon unabhängig herrscht hinsichtlich der Kleidervorschriften (s. Kopftuchstreit) ohnehin keine Einigkeit innerhalb des Islam.
Leider gehst Du auf meine Anregung hinsichtlich Nacktbaden (oder nackt durch Straßen flanieren, usw.; kann alles untersagt werden, auch wenn hier jemand aufgrund einer Weltanschauung handelt!
) nicht ein. Die von Dir angemahnte Toleranz müsste dann für diese Gruppe ebenso gelten.
Der Vergleich von Nonnentracht und Burka ist m.E. nur modisch passend. Die Burka hat aber eine ganz andere Bedeutung. Eine Nonne muss keine Nonnentracht tragen, um ein guter Christ zu sein. Andere Christinnen sowieso nicht. Die Tracht ist zwar tradiert, aber nicht einmal kulturell überfrachtet. Hingegen herrscht hinsichtlich der islamischen Kleiderordnung Streit. Die Strenggläubigen interpretieren dabei die Koranverse so, dass die kulturellen, aber nicht religiösen, zumal oft vorislamischen, Kleidungstraditionen eine Pflicht für einen guten Muslim, eine gute Muslima seien. Hierbei geht gerade der westliche Individualismus und die Freiheit des Einzelnen unter. Zugleich werden freiheitlich gesinnte Menschen durch diese Haltung diskriminiert. Das ist eine quasireligiöse Form dessen, was wir in einem anderen Kontext als Rassismus und Intoleranz kennen.
elysian hat geschrieben:Integratonspolitisch ist dieser Anzug auch ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist er auf einer Linie mit dem Islamismus (der die Schuld für Vergewaltigungen nicht beim Vergewaltiger, sondern bei der Vergewaltigten sucht....wegen angeblich zu großer (gemeint ist westlicher) Freizügigkeit!), sodass hierdurch der Islamismus "gesellschaftsfähig" gemacht werden könnte. Mit notwendig desintegrierenden Folgen (und höchstwahrscheinlich freiheitsmindernden Zwangsfolgen für nicht unerheblich wenige Muslima), es sei denn, unser Staat richtete sich künftig islamisch aus....
Mit "Islamismus" ist ja eigentlich Radikalismus, wenn nicht sogar Extremismus gemeint. Jeder Extremismus ist von Hause aus intolerant gegenüber Andersdenkenden (oder Andersgläubigen). Auch das ist natürlich nicht zu akzeptieren. Was für uns als Deutsche gilt, gilt natürlich auch für die ausländischen Mitbürger - eben nach dem Prinzip: leben und leben lassen.
Und unser Staat hat sich nach überhaupt keiner Religion auszurichten. Er hat die verfassungsmäßige Religionsfreiheit zu gewährleisten - und zwar für
alle Bevölkerungsgruppen.
Nun, nicht jede Frau trägt aus eigenem Entschluss Kopftuch oder Burka/Burkini und die Erfahrungen z.B. in der Türkei zeigen, dass sich in einer islamischen Gesellschaft nicht diejenigen rechtfertigen müssen, welche ein Kopftuch tragen, sondern diejenigen ohne Kopftuch. Es wird also Druck ausgeübt, der negativ auf die individuelle Freiheit wirkt.
Die Entscheidung für Burka/Burkini ist mit der Entscheidung zum Hakenkreuz vergleichbar. Es ist eine Manifestation der dahinter stehenden extremistischen Gesinnung. Das darf man nicht verkennen. Sie ist diametral zur und fundamental entgegen der westlichen Lebensweise.
Ich bejahe ebenfalls die staatliche Pflicht zur Religionsfreiheit. Aber sie muss in der Tat für alle gelten. Das bedeutet aber auch, Muslima davor zu schützen, in ihrer Kleiderwahl in die andere Richtung eingeschränkt zu werden. Auch die integrationspolitischen Folgen sind abzuwägen. Nehmen diese Menschen dann wirklich mehr an unserem Leben teil oder werden sie zwar sichtbarer, emigrieren aber innerlich, betreiben sozusagen Selbstghettoisierung? Und um es nochmals klar zu stellen: Schwimmen ist keine Ausübung von Religionsfreiheit!
Und selbst wenn sie es wäre (nehmen wir mal an, jemandes Religion oder Weltanschauung gebietet Nacktbaden oder Baden in Kleidern), so genügt ein Hinweis hierauf noch nicht, damit Dritte, insbesondere Private, verpflichtet wären, derartige Bekleidung oder Nichtbekleidung zu den üblichen Nutzungszeiten zuzulassen. Ich weise auch gerne nochmal darauf hin, dass oftmals besondere Schwimmzeiten für alle möglichen Gruppen angeboten werden (z.B. Enstellte; usw.).
Vor allem verlieren wir aber aus dem Blick, dass die aktuellen Verbote maßgeblich mit Hygiene und Sicherheit begründet werden. Und zumindest der Selbstversuch zeigt, dass der Burkini nicht völlig unproblematisch ist.