Vor 140 Jahren wurde 1884 erste deutsche Kolonie erschwindelt.

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Moderator: Barbarossa

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Heute vor 140 Jahren bekam Deutschland seine erste Kolonie in Namibia. Ein Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz bat 1884 Kanzler Bismarck um staatlichen Schutz. Die deutsche Admiralität entsandte Kriegsschiffe und Landungstruppen.
Zuvor hatte er 1883 die dort ansässigen Nama über den Tisch gezogen. Durch seinen Agenten Vogelsang kaufte er vertraglich für 100 Pfund in Gold und 200 Gewehre Land in der Bucht von Angra Pequena und das Land im Umkreis von 5 geografischen Meilen. Er ließ offen, ob es sich um deutsche Meilen von 7,5 km oder die kürzeren englischen Meilen von 1,6 km handeln sollte. Natürlich ging er später von deutschen Meilen aus. Im August 1883 wurde ein zweiter Vertrag geschlossen, in dem Lüderitz der Küstenstreifen zwischen dem Oranje-Fluss und dem 26. Breitengrad und ein Gebiet von 20 Meilen landeinwärts von jedem Punkt der Küste aus für weitere 500 Pfund und 60 Gewehre verkauft wurde. Lüderitz schrieb an seinen Agenten Vogelsang: „Lassen Sie die Nama vorläufig in dem Glauben, daß es um englische Meilen handelt.“ Die fragwürdigen Vertragsgrundlagen, landläufig auch „Meilenschwindel“ genannt, brachten Lüderitz den Spottnamen Lügenfritz ein.
https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendunge ... e-100.html
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Wie ging es weiter in „Deutsch-Südwest“? - Unter der Bezeichnung Deutsch-Südwestafrika erreichte die Kolonie am Ende die anderthalbfache Größe des Deutschen Reichs. Und die deutsche Bevölkerung hatte nichts gegen Kolonisation. Man sah sich als Entwicklungshelfer für die armen Heiden. Und profitierte natürlich auch.
Verwaltet wurde die Kolonie vom Reichskommissar und späteren Landeshauptmann Heinrich Göring (1839-1913). Aus zwei Ehen hatte er neun Kinder. Unter ihnen der spätere einflußreiche Naziprotz Hermann Göring.
Der mit hohen Kosten verbundene Kolonialkrieg führte in Deutschland zu einer politischen Krise nachdem 1906 ein Nachtragshaushalt in Höhe von 29 Mill. Mark für den Krieg in Deutsch-Südwestafrika beantragt wurde. Wegen rücksichtsloser Kriegsführung verweigerte das Zentrum und die SPD weitere Gelder. Reichskanzler Bernhard Fürst von Bülow löste auf Verordnung des Kaisers das Parlament am 13. Dezember 1906 auf. Der Wahlkampf für die als "Hottentottenwahl" bezeichnete Reichstagswahl im Januar 1907 war durch die Auseinandersetzung mit den Konservativen und Nationalisten geprägt. Reichskanzler Fürst von Bülow, ein glühender Kolonialbefürworter, erklärte: „Die Frage steht nicht so: ob wir kolonisieren wollen, oder nicht; sondern wir müssen kolonisieren, ob wir wollen oder nicht. Der Trieb zur Kolonisation, zur Ausbreitung des eigenen Volkstums ist in jedem Volke vorhanden, das sich eines gesunden und kräftigen Wachstums erfreut.“

Das Zentrum argumentierte: „Das Verhältnis der Deutschen zur eingeborenen Bevölkerung ist nicht das des Feindes zum Feind, sondern kann nur das des Vormundes zum Mündel sein. Der Eingeborene ist das schwarze Kind mit seinen Vorzügen und all seinen großen, großen Schattenseiten.“

Die SPD, die noch zehn Jahre zuvor jede Form des Kolonialismus scharf verurteilt hatte, machte nun Zugeständnisse. Der sozialdemokratische Abgeordnete August Bebel: „Meine Herren, dass Kolonialpolitik betrieben wird, ist an und für sich kein Verbrechen. Kolonialpolitik zu betreiben kann unter Umständen eine Kulturtat sein, es kommt nur darauf an, wie die Kolonialpolitik betrieben wird...Kommen die Vertreter kultivierter und zivilisierter Völkerschaften...zu fremden Völkern als Befreier, als Freunde und Bildner, als Helfer in der Not, um ihnen die Errungenschaften der Kultur und Zivilisation zu überbringen, um sie zu Kulturmenschen zu erziehen, geschieht das in dieser edlen Absicht und in der richtigen Art und Weise, dann sind wir Sozialdemokraten die ersten, die eine solche Kolonisation als große Kulturmission zu unterstützen bereit sind.“

Dieses vorsichtige Lavieren nützte den Kolonialgegnern allerdings nichts. Das konservative politische Spektrum entfaltete eine Hetzjagd gegen die Zentrumspartei und vor allem gegen die SPD. Der Präsident der Deutschen Kolonialgesellschaft Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg schrieb: „Die Mehrheit der bisherigen Volksvertreter hat versagt da, wo nationale Ehre und einfachste Pflicht gegenüber unseren in harten Kämpfen ihr Blut und Leben für des Reiches Wohlfahrt opfernden südwestafrikanischen Truppen einstimmige Annahme der Regierungsvorlage erheischten...Mit dem ablehnenden Beschluss sollten unsere tapferen Krieger dort draußen gezwungen werden, vor den wilden räuberischen Hottentotten das Feld zu räumen.“

Die Deutschen mußten das Feld dann mit dem Versailler Friedensvertrag vom 28. Juni 1919 räumen.

https://www.dhm.de/lemo/kapitel/kaiserr ... frika.html
https://www.dhm.de/lemo/kapitel/kaiserr ... -nama.html
https://www.dhm.de/archiv/ausstellungen ... chstag.pdf
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Schöne Zusammenfassung!

Das 19. und 20. Jahrhundert waren vom Kolonialismus und Imperialismus geprägt. Letztlich mündeten sie in den Weltkriegen.
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He has called on the best that was in us. There was no such thing as half-trying. Whether it was running a race or catching a football, competing in school—we were to try. And we were to try harder than anyone else. We might not be the best, and none of us were, but we were to make the effort to be the best. "After you have done the best you can", he used to say, "the hell with it". Robert F. Kennedy - Tribute to his father
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