Hamburg - Stallregeln aus dem 17. Jahrhundert

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Kunjing

26. Februar 1602

Hamburg
Mandat, wie sich die Reiten-Diener mit ihrer Reuteren, Kleidung und Habit, wie auch mit getreuer Aufwartung verhalten sollen.

1. Soll ein jeder Reiten-Diener mit einem musterlich unsträflichen Trabe-Zeug, Sattel, Hinter-Zeug, mit seinen Gesellen eines Munsters, ein Paar guter fertiger Pistolen, einen Bandelier, Rohr und unsträflichen Seiten-Gewehr versehen und versorgt sein.

2. Der Sattel mit der Zubehdrung soll für und für allemal auf dem Marstall hinter eines jeden besohlenden Pferde hängen, rein und sauber, auch soll der Harnisch in eines jeden Reiten-Dieners Behausung gleichergestalt rein und gebührlich gehalten werden.

3.) Soll sein Reiten-Diener des andern befohlenes Pferd reiten, dessen Sattel, Harnisch, Pistolen, Bandelier, Rohr, oder Hinter-Zeug gebrauchen, es wäre dann, dass derselbe Diener, dem es gehört, nicht einheimisch, oder mit Leibes-Schwachheit beladen, und es würde nach Zeit und vorfallender Gelegenheit von den verordneten Stall-Herren einem anderen anbefohlen.

4. Soll sein Reiten-Diener sich unterstehen, sein befohlenes Pferd ohne Vorwissen des verordneten Stall-Herrn auszulehnen und zu verhäuren, aber jemand gelüsten lassen, sein Pferd seines Gefallens, Vor- und Nachmittags, ohne Vorwissen des Stallmeisters abzureiten, den Verlust seines Dienstes; besonders dasselbe in gutem Beschlage stets halten, damit man in vorfallenden Nöten ihn den Tage und Nacht, wann wegen E. E. Raths angezeigt würde zu reiten, dass er damit bereit und gefasst sein.

5. Soll sein Reiten-Diener sein befohlenes Pferd vor die Schmiede bringen, noch beschlagen lassen, er soll dann selbst dabei sein, und wohl zusehen, dass es recht ausgewirtet, wohl beschlagen und nicht vernagelt wird, und da auch Mangel und Schade am Pferd gespürt, soll der Diener, dem solch Pferd befohlen, nicht damit seines Gefallens umgehen, besonders die verordneten Stall-Herren oder den Stallmeister fragen, wie es damit gehalten werden soll; wo jemand dagegen handeln würde, der Fall solch Pferd zu bezahlen schuldig sein.

6. Soll ein jeder Diener sein befohlenes Pferd, nebst seinen Stall-Brüdern, in seiner Ordnung, wo er nicht verschickt, alle Woche zweimal, den Dienstag und Sonnabend, mit guter Geschicklichkeit ins Feld reiten.


7. Soll ein Reiter-Diener, wann er ins Feld spazieren reitet, sich zu Krügen oder Saufen absetzen, besonders nüchtern und bescheiden wiederum nach den Stall reiten, und sein Pferd nach aller Notdurft die Schenkel abreiben, das Pferd wohl beschicken und warten.

8. Wann ein Reiten-Diener von E. E. Rath ausgeschickt und mit jemand zu reiten beurlaubt wird, soll er solches den verordneten Stall-Herren selbst, oder, da er in Eile bereiten müsst, dem Stallmeister anmelden, damit man zu jeder Zeit weiß, welche Reiten-Diener zu Hause oder abwesend sein, der aber dieselben sollen allezeit auf der Reife ihr befohlenes Pferd gemächlich und nicht über Vermögen reiten, es wäre dann der Herren Befehl, aber die unumgänglich vorstehende Not erfordert, dass es geschehen müsste.

9. Soll kein Reiter-Diener sein befohlenes Pferd, wann er reiten soll, von dem Stall vor seine Behausung umgesattelt holen lassen, viel weniger vor seiner Wohnung wiederum absatteln und bloß wiederum nach dem Stall schicken, besonders schuldig und pflichtig sein, in seinem reuterschen Habit, mit wohlbekleidetem Pferde, unverdorben wiederum auf den Stall zureiten, und dasselbe, wie vorgedacht, nach aller Notdurft wohl versehen und beschickt.

10. So ein Reiten-Diener befunden, der sich in Verschickung mit überflüssigem Trunk beladet, seine Zeit zu reiten versäumte, und gleichwohl den befohlenen Weg abreiten wollte, damit das Pferd verdorben und schadhaft gemacht würde, der Diener soll sich überritten Pferd bezahlen, oder seines Dienstes entsetzt sein.

11. Wann ein Reiten-Diener mit E. E. Raths Abgesandten abgeschickt und mitzureiten befehligt wird, soll er sein munster- und reutersch mit seinem ledern Koller, guten langen gebräuchlichen Stiefeln und Sporen unsträflich und wohl strassiret sein.

12. Sollen die Reiten-Diener aufreiten im Felde in guter Ordnung und ebenen Gliedern reuterlich, vor- und umsichtig, mit Wartung des Weges und Feldes, freudig reiten, auch ohne nötige Ursachen im Felde nicht gern absitzen oder Richtwege suchen.

13. Sollen die Reiten-Diener, wenn sie auf Reisen sein, oder sonst verschickt werden, sich eines ehrbaren Wandels, nüchternes und mäßiges Lebens befleißigen, in Logimenten und Herbergen mit männiglich friedfertig und bescheidentlich umgehen.

14. Weil E. E. Rath von ihren Gesandten zu vielmahlen berichtet worden, über das auch eine sträfliche und böse Unart ist, dass etliche der Diener in den Herbergen unehrlicher Leute Behausung nicht allein über gewöhnlicher und spätnächtiger Zeit sich mit unnatürlichem Trinken überflüssig beladen, besonders auch den Herren Unruhe, Unlust, Tumult und Rumor anrichten, so soll denselben solches ernstlich, den Verlust ihres Dienstes, hiermit verboten sein.

15. Die Reiten-Diener sollen auch, wann sie mit den Herren Abgesandten auf Reisen sein, auf dieselben, wann sie aus- und eingehen, fleißig warten, daran sich nichts behindern lassen, und so sie etwas zu beschaffen und zu beschicken, sollen sie solches zur anderer bessern Gelegenheit tun, oder Beurlaubung dazu bitten.

16. Soll ein jeder Reiten-Diener, wann er auf die Herberge kommt, sein Zeug, wie das Namen haben mag, reinlich putzen, sauber wischen, und sein Pferd fleißig und wohl beschicken.

17. Wann E.E. Rath, nach altem löblichen Gebrauch, auf die Mühlen geht, oder auch aus ihren Mitteln anderen Personen die Gelegenheit und Befehl bekommt, dass sie etliche oder alle Reiten-Diener vor das Rathaus oder andern gelegenen Orten aufzuwarten bescheiden lassen, so sollen die oder andere Diener nicht allein gerne und unverzüglich, willig und gehorsam erscheinen, besonders auch mit ehrlicher Kleidung angetan sein.

18. Als auch E. E. Rath in glaubwürdige Erfahrung gelangt, dass etliche unter ihren Reiten-Diener in Verrichtung dessen, was in abgemeldeten Raths Namen und auf desselben Befehl der Stallmeister ihnen angemeldet, ganz säumig und weigerlich sich erzeigen, und solches wohlgemeldeter Rath seinesweges zu gedulden; Demnach will E. E. Rath allen Reiten-Dienern samt und sonders ernstlich hiermit auferlegt und befohlen haben, dass sie demjenigen, was in ihrem Namen der Stallmeister ihnen zu verrichten, zu tun oder zu lassen anzeigen wird, den willkürlicher Strafe an die Stall-Herren obgedachter Diener beharrlichen Ungehorsam vermerken würden, sollen sie den oder dieselben zu enturlauben hiermit gemächtigt sein.

19. Sollen auch in Feuers-Nöten die Reiten-Diener sich verhalten, wie solches in der Feuer-Ordnung gesetzt und beliebt worden.

20. Dieweil auch die augenscheinliche Erfahrung gibt, dass den dem Marstall man den Abend und zu Nachtzeit mit den Windlichtern und Fackeln vorüber und dengeht, woher dann in Eile große Feuers-Not, der ganzen Stadt höchstschädlich, entstehen könnte, so will E. E. Rath den Reiten-Dienern und ihren Gästen, auch allen andern des Orts wohnenden hiermit ernstlich befohlen haben, dass sie sich der brennenden Fackeln gänzlich enthalten, und sich der Laternen oder Leuchten, der alten ehrbaren Gewohnheit nach, den hoher Poen und Strafe, gebrauchen sollen.

21. Da sich auch unter den Stallbrüdern einiger Widerwille oder Missverständnis zutragen oder begeben würde, welche die vier ältesten unter ihnen vereinigen können, als sollen sie dieselben erstlich dem Stallmeister zu erkennen geben, und versuchen, ob dieselbe in der Güte von dem Stallmeister könnte dengeleget und vertragen werden, wo nicht, solches ferner den verordneten Stall-Herren zu erkennen geben, welche nach Befinden der Sache umständlichen Beschaffenheit die Irrung dirch ihren billigmäßigen Machtspruch zu entscheiden gemächtiget, und beiden Teilen, den Verlust ihres Dienstes, demselben zu parieren und nachzuleben verpflichtet sein sollen.

22. Wann auch ein Reiter-Diener von E. E. Rath in der Stadt-Dienste angenommen wird, soll derselbe E. E. hochwertige Rath und dieser lbbl. Stadt Bürgerschaft treu, aufwertig und hold zu sein beendigt werden. Diese E. E. Raths wohlgemeinte Stall-Ordnung soll den Reiten-Dienern alle Jahr, vor oder nach Matthia Tag, vorgelesen werden, damit sich ein jeglicher darnach zu richten, und der Unwissenheit sich nicht zu entschuldigen haben möge. Und will sich E. E. Rath dieses, und was sonsten zu guter Ordnung ersprießlich, nach Zeit und Gelegenheit zu mindern und zu mehren vorbehalten, und jedem Reiten-Diener, den Verlust seines Dienstes, ernstlich auferlegt und befohlen haben, diesen und allen, was zu Treu und Ehren gehört, williglich und gehorsamlich nachzukommen. Und dieweil E. E. Hochwürden Rath ernstlich gemeint ist, dass diese Ordnung beständiglich gehalten werden soll, und nicht wohl möglich, dass in täglicher nötiger Aussicht die verordneten Stall-Herren solches warten können; so hat E. E. Rath dem Stall-Meister ernstlich auferlegt, fleißige Aussicht auf den Stall und Pferde zu haben, auch mit Fleiß und allem Ernst darauf zu sehen, dass die Pferde gebührlich beschickt und wohl gewartet werden. Es wollen auch die verordneten Stall-Herren alle Woche zum wenigsten zweimal den Stall visitieren, und da einiger Mangel erschienen, soll auf der Stall-Herren Erinnerung der Stallmeister die oder den Reiten-Diener zur Besserung fleißig einmal ermahnen, und da befunden, dass solche gütliche Vermahnung seine scheinbare Besserung brächte, soll er den beiden Stall-Herren solches unverzüglich vermelden, haben ihm dann und jederzeit die hilfreiche Hand soll geboten werden; und haben die verordneten Stall-Herren E. E. Raths Befehl, dass sie dieselben Diener stracks beurlauben und ihres Dienstes entsetzen sollen.

Diesen Text fand ich beim durchstöbern historischer Zeitungen. Ich hab Versucht es wörtlich wiederzugeben,.
Marianne E.
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Ein interessanter, wenn auch ein unbekannter Text über unbekannte Stallregeln.
Könnten Sie vielleicht den Namen der historischen Zeitung angeben?
Kunjing

https://www.digitale-sammlungen.de/de/v ... 83?page=28

Sammlung der von E[inem] Hochedlen Rathe der Stadt Hamburg so wol zur Handhabung der Gesetze und Verfassungen als bey besonderen Eräugnissen ... ausgegangenen

Seite 28 geht es los...

Viel Spaß bei der alten Schrift, es sind 574 Seiten aus der damaligen Zeit, noch viele weitere historisches ist dort zu lesen
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Balduin
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Es ist schon beeindrückend, wie umfassend und detailliert schon vor über 400 Jahren Regeln und Gesetze erlassen wurden. Da sage noch einer, wir seien heutzutage überreguliert.
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Marianne E.
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Kunjing gibt den Hinweis auf:
Viel Spaß bei der alten Schrift, es sind 574 Seiten aus der damaligen Zeit, noch viele weitere historisches ist dort zu lesen
Besten Dank. Aber schwer zu lesen.
Kunjing
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Schwerer ist Mittelhochdeutsch:

Bsp. Parzival
Ist zwivel herzen nâchgebûr,
daz muoz der sêle werden sûr,
gesmaehet unde gezieret
ist, swâ sich parrieret
unverzaget mannes muot,
als agelstern varwe tuot.

Ist Unentschiedenheit dem Herzen nah, so muß der Seele daraus Bitternis erwachsen. Verbindet sich - wie in den zwei Farben der Elster - unverzagter Mannesmut mit seinem Gegenteil, ...

Was ich besonders bewunderte, war, das der Autor das ganze Buch in Reimform schrieb, was leider im heutigen Deutschen nicht mehr gemacht wird. Oder nur kurz. Und das in Buchform, bis zum Ende durchgezogen.

Und das mach ich nur als Hobby
Eines meiner Lieblingszitate:

"Ihr Menschen seid erstaunlich, in einer Welt voller Wunder, habt Ihr es geschaft, die Langeweile zu erfinden !"
Terry Pratchett
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Balduin
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In der Tat schwer verständlich. Aber da hast Du Dir ein schönes Hobby gesucht. Willkommen auf Geschichte-Wissen!
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Marianne E.
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Die "alten" Philosophen schrieben oft in Reimform. Zwar schön, aber schwer zu lesen.
Wenn ich wieder etwas mehr Zeit habe, suche ich einige Beispiele heraus und stelle sie hier vor.
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