Entwickelte sich der Neandertaler zum modernen Menschen?

Kulturentwicklung, Neandertaler, Altsteinzeit, Anfänge des Menschen, homo erectus

Moderator: Barbarossa

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Peppone
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Ich denke, man stellt sich den Neandertaler auch besser als prähistorischen Schwarzenegger vor als als Quasimodo.

Man stelle sich vor: Das "Grischperl" Homo sapiens trifft auf den zwar kleineren, aber ungleich kräftigeren Neandertaler. Die Sapiens, die sich von Kleinzeugs, Pflanzen, Früchten, Beeren usw. ernähren, bekommen mit, wie der Kraftprotz Hirsche, Pferde usw. erlegt und jedes Mal einen Haufen Fleisch erhält, den er auch gleich in Riesenportionen verputzt.

Abgesehen davon, dass die Neandertaler keinen oder weniger Schmuck gehabt haben dürften, waren ihre Waffen wahrscheinlich mindestens genauso effektiv wie die der Sapiens.

Dass sich Sapiens so selten mit Neandertalern gepaart haben, dürfte wohl nicht an der fehlenden Attraktivität gelegen haben (denn auch umgekehrt dürften v.a. die relativ zierlichen Sapiens-Frauen auf Neandertaler attraktiv gewirkt haben, ich sage nur: Kindchenschema!), sondern vielmehr daran, dass es so wenig Neandertaler (und auch Sapiens) gab. Mal auf jemanden der eigenen Art zu treffen, der nicht zur gleichen Sippe gehörte, dürfte schon eine Seltenheit gewesen sein, viel weniger jemanden der anderen Art zu treffen, der ja völlig andere Lebensgewohnheiten hatte...

Von Vorurteilen, die die beiden Arten übereinander gehabt haben, dürfen wir, glaub ich, weniger ausgehen. Da hat nicht nur Virchow gehöriges Falschwissenaufgebaut, dazu hat auch z.B. Jean Auel beigetragen: Auch die Ayla-Reihe redet ja ununterbrochen davon, dass die beiden Arten einander nicht ausstehen konnten, weil jeder vom anderen das Schlimmste annahm...

Beppe
Ruaidhri
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Von Vorurteilen, die die beiden Arten übereinander gehabt haben, dürfen wir, glaub ich, weniger ausgehen. Da hat nicht nur Virchow gehöriges Falschwissenaufgebaut, dazu hat auch z.B. Jean Auel beigetragen: Auch die Ayla-Reihe redet ja ununterbrochen davon, dass die beiden Arten einander nicht ausstehen konnten, weil jeder vom anderen das Schlimmste annahm...
Da ist einiges dran. Wobei Jean Auel dann doch dem Neandertaler wieder mehr Fähigkeiten, Intelligenz und Menschlichkeit, Menschhaftigkeit zugestanden hat als ihm vorher zugestanden worden war. Das kann man wieder als Pluspunkt verbuchen.
Sie veröffentlichte den 1. Ayla-Band 1980, rechnet man die Zeit fürs Recherchieren und Schreiben hinzu, konnte sie es fast nicht anders wissen, denn hieß es von Wissenschafts-Seite ganz offiziell noch, der Neandertaler hätte nicht sprechen können und sei dem Sapiens grundsätzlich weit unterlegen.
Wer weiß, vielleicht würde sie inzwischen vieles anders schreiben, z.B., was die Sprache,bzw. die Sprechfähigkeit angeht und daraus folgend, die Begegnung der beiden Arten anders darstellen. Man sollte wahrlich die Wirkung von Büchern nicht unterschätzen. Zumindst noch nicht.
So ganz viel besser waren die letzten TV- Dokus, die ich gesehen habe, auch nicht. Vorteilhafter für den Homo sapiens tevauiensis kam immer der Eindringling rüber. :mrgreen:
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Dietrich
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Ruaidhri hat geschrieben: Da ist einiges dran. Wobei Jean Auel dann doch dem Neandertaler wieder mehr Fähigkeiten, Intelligenz und Menschlichkeit, Menschhaftigkeit zugestanden hat als ihm vorher zugestanden worden war. Das
So ist es. Gerade Auel präsentiert die Neandertaler in ihren Büchern in einem sehr positiven Licht, vermutet aber, dass sich beide Spezies doch ziemlich fremd waren und häufig feindlich gegenüberstanden.

Das wird sicher so gewesen sein. Belege dafür sind die äußerst minimale Vermischungsrate - Genfluss nach Svante Pääbo 2-4% - und natürlich das schließliche Aussterebn des Neandertalers. Sofern er nicht ausgerottet wurde, wurde er sicher in immer unwegsamere Gegenden zurückgedrängt, bis die Art schließlich ausstarb. Dafür allerdings mögen auch noch andere Faktoren verantwortlich sein, was wir ja in diesem Forum bereits in erschöpfender Ausführlichkeit diskutiert haben.
Ruaidhri
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Dafür allerdings mögen auch noch andere Faktoren verantwortlich sein, was wir ja in diesem Forum bereits in erschöpfender Ausführlichkeit diskutiert haben.
So ist es. Ansonsten ist es wirklich nicht peinlich, so ein wenig Neandertaler-Gen zu haben, waren tüchtige Leute, die lange schwierige Zeiten überlebt haben.
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Barbarossa
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Nach neuesten Untersuchungen haben der Neandertaler und der moderne Mensch auch in Europa gemeinsame Nachkommen gezeugt. Analysen eines Kieferknochens aus Rumänien haben ergeben, dass sechs bis neun Prozent der DNA dieses Menschen vom Neandertaler stammen und damit mehr, als bei allen bisher untersuchten Funden. Der nun untersuchte Knochen war 2002 in der Oase-Höhle im Südwesten Rumäniens gefunden worden und ist 37.000 bis 42.000 Jahre alt.
Artikel lesen: http://www.focus.de/wissen/mensch/vermi ... 68448.html
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Dietrich
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Barbarossa hat geschrieben:Nach neuesten Untersuchungen haben der Neandertaler und der moderne Mensch auch in Europa gemeinsame Nachkommen gezeugt. l


Überall, wo Neandertaler und moderne Menschen aufeinandertrafen, wird es partiell zu Vermischungen gekommen sein. Das gilt für ganz Eurasien.
Die 2-3% Genfluss, die Svante Pääbo ermittelt hat, müssen ja irgendwoher gekommen sein.
Paul
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Paäbo hat mit der grundsätzlichen Aussage der Vermischung natürlich recht. Die Zahlenangaben sich aus verschiedenen Gründen zu kritisieren.

- Natürlich haben die Menschen und insbesondere Eurasier über 99,86 % Übereinstimmung mit dem Neandertaler. So kann die Abstammung sich auch in solchen Größenordnungen bewegen. Es wäre also zu untersuchen, wie hoch der Genfluß südlicher Bevölkerungen zum Neandertaler war, von dem wir in Europa überwiegend abstammen.

- Selbst nach dem grundsätzlich fehlerhaften Ansatz wurden die Zahlen durch das 1000 Genom Projekt verändert, da auch Afrikaner Neandertalergene haben. Seine rechnerische Eichung mit Yoruba und Sann 0 % Neandertalergene stimmen ja nicht. Demnach haben die Menschen in der Toskana den höchsten Neandertaleranteil.

- Die Zahlen von heute wurden natürlich durch die fortlaufende Evolution verändert und haben sich vom ursprünglichen Mischungsverhältnis gelöst..

- Es ist wahrscheinlich, das viele "Moderne Gene" nicht nur vom Neandertaler und aus Afrika somdern auch aus Asien stammen - heute spricht man ja von Denisova Genen und von späteren Mutationen.
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
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dieter
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Lieber Paul,
dass der heutige Mensch Neandertalanteile hat, ist doch völlig klar. Der Homo sapien sapiens kam aus Afrika mit dunkler Hautfarbe. Im Nahen Osten vermichte er sich mit dem Neandertaler und wurde hellhäutiger. das brachte dem HSS die Möglichkeit im kalten Klima in Europa und Asien zu bestehen und er konnte sich nun auch dorthin ausbreiten.

Dass auch Neanderteilgene in uns stecken, kann ich jeden Tag an meinen Mitmenschen sehen. :wink: :mrgreen: (Vorsicht, Ironie)
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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dieter hat geschrieben:Lieber Paul,
dass der heutige Mensch Neandertalanteile hat, ist doch völlig klar. Der Homo sapien sapiens kam aus Afrika mit dunkler Hautfarbe. Im Nahen Osten vermichte er sich mit dem Neandertaler und wurde hellhäutiger. das brachte dem HSS die Möglichkeit im kalten Klima in Europa und Asien zu bestehen und er konnte sich nun auch dorthin ausbreiten.
Die Depigmentierung des mordernen Menschen erfolgte vor alem, weil er mehrere zehntausend Jahre zunächst eiszeitlichen und später gemäßigten Klimaten in Eurasien ausgesetzt war.
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dieter
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Lieber Dietrich,
ohne die Gene vom Neandertaler hätte die Depigmentierung gar nicht so stattfinden können. Stell Dir Schwarzafrikaner in der Arktis, war zu der Zeit noch weiter verbreitet, vor :?:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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Barbarossa
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Das ist eben die Frage, wie schnell so eine Depimetierung natürlicherweise geht.
Dass auch dunkelhäutige Menschen in Europa überleben können, sieht man an den Flüchtlingen, die z. Z. hier her kommen. Die sterben auch nicht, wenn sie Europa betreten.
;-)

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Dietrich
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dieter hat geschrieben:Lieber Dietrich,
ohne die Gene vom Neandertaler hätte die Depigmentierung gar nicht so stattfinden können. Stell Dir Schwarzafrikaner in der Arktis, war zu der Zeit noch weiter verbreitet, vor :?:
Da die Vermischung mit dem Neandertaler bekanntlich lediglich 2-3% betrug, erfolgte die Depigmentierung des modernen Menschen aufgrund des gemäßigten bis kalten eurasischen Klimas. Damit machte er über einige zehntausend Jahre die gleichen genetischen bzw. umweltbedingten Veränderungen durch, wie sein Vetter, der Neandertaler.
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dieter
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Lieber Dietrich,
es sind nach Pääbo 4-7%, das nur am Rande gesagt. Diese Neanderteilgene bewirkten aber, dass die Depigmentierung viel schneller erfolgen konnte. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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Barbarossa hat geschrieben:Das ist eben die Frage, wie schnell so eine Depimetierung natürlicherweise geht.
Dass auch dunkelhäutige Menschen in Europa überleben können, sieht man an den Flüchtlingen, die z. Z. hier her kommen. Die sterben auch nicht, wenn sie Europa betreten.
;-)

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Lieber Barbarossa,
Du kannst doch nicht das suptropische Klima des Mittelmeerraums mit dem Klima in der Arktis vergleichen. Außerdem war das Klima vor 30- bis 40.000 Jahren hier viel kälter. Wenn Du Dir die Ausbreitung des Homo sapiens sapiens ansiehst, dann ist er nach Europa erst ziemlich spät gekommen, nachdem er sich in der Depigmentierung schon angepasst hatte. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Ruaidhri
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Nach allem, was inzwischen über den Neandertaler ( und seinen Genanteil im "modernen" Menschen)bekannt ist, stellt sich mir die Frage, ob es überhaupt noch berechtigt ist, den homo sapiens sapiens als "modernen" Menschen in negativer Abgrenzung zum Neandertaler zu bezeichnen.
Das hat weniger mit political correctness als mit wissenschaftlicher Korrektheit zu tun.
Sagen auch Wissenschaftler, die sich verzweifelt bemühen, gegen das Bid des primitiven Wilden anzugehen.)
Zur (De)Pigmentierung:
Ist sowieso noch nicht zu 100% geklärt, wie sie genetisch wirkt und vererbt wird und tatsächlich von einem dunklen Hautton als Grundfarbe ausgegangen werden muss.
Die im Folgende zitierte Annahme halte ich für plausibler:
Quelle:
https://de.wikipedia.org/wiki/Hautfarbe
Zitat:
"Im Jahr 2000 stellten Nina Jablonski und George Chaplin eine Theorie auf[5], die sich insbesondere auf die Vor- und Nachteile eines hohen beziehungsweise niedrigen Melaninspiegels beruft. Die Einteilung der Weltregionen nach UV-Strahlung führte zu Karten, deren Färbung eine frappierende Ähnlichkeit mit der älterer Karten aufwies, in denen die Karte nach den Hautfarben der dort ansässigen Menschen eingefärbt worden war.[5] Jablonski und Chaplin folgerten, möglicherweise seien im Zuge der Evolution nicht helle aus dunklen Hautfarben hervorgegangen, sondern helle und dunkle Hautfarben als Extremstufen der Anpassung aus einem eher bräunlichen Ausgangston."
Andere Faktoren und Theorien, die dem nicht widersprechen, miteinbezogen, sollte man den genetischen Anteil des Neandertalers an der helleren Pigmentierung weder überbewerten noch komplett negieren.
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LG Ruaidhri
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