Die DDR - ein Rechtsstaat? - Kritik an Erwin Sellering

Leben, Wirtschaft, Stasi, Sozialismus, SED, Überwachung, Diktatur, Honecker, Kommunismus, Mauer

Moderator: Barbarossa

norvegia
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Ich denke mal, daß die DDR in erster Linie so als Unrechtsstaat verdammt wurde, weil man im Westen Angst vorm Kommunismus hatte.
Angst die von oben bewußt geschürt wurde.
Weil die Großkapitalisten ja Angst um ihr Geld hatten.
Und der böse Kommunismus hätte das ja bestimmt alles weg genommen dieses viele tolle Geld.
Ausserdem war der Kommunismus ja ein viel zu guter Konkurent fürs eigene System.
Also suchte man sich die böse Stasi und schob der alles mögliche und unmögliche in die Schuhe.
Und so kämpft man dann gegen den bösen Kommunismus...
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Barbarossa
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Ich bin kein "Großkapitalist" und habe kein Geld (mehr) und habe auch über die DDR als Unrechtsstaat geschrieben, hier --> http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... 9774#p9774
Einfach mal lesen ab: "Es gibt 20 Jahre nach der Friedlichen Revolution und der Vollendung der Deutschen Einheit recht heftige Diskussionen..."
Es ist tatsächlich ein umstrittenes Thema, aber wenn man sich ausgiebig mit dem Thema beschäftigt, kann man nur zu dem einen Schluß kommen:
Was einen Rechtsstaat auszeichnet, ist hingegen klar:
Es ist "ein Staat, der die Gewaltenteilung, die Unabhängigkeit der Gerichte, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Rechtsschutz gegen Akte öffentlicher Gewalt und eine öffentlich-rechtliche Entschädigung als unverzichtbare Institute anerkennt". Genau diese Bedingungen erfüllte die DDR aber eben nicht...
Mein "Lieblingsparagraph" ist ja dieser hier:
„Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik vom 19. Juni 1975“, Erster Teil: „Grundsätze des sozialistischen Zivilrechts“, Viertes Kapitel, 2. Absatz (...) wo es heißt:
„(2) Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn damit den Rechtsvorschriften oder den Grundsätzen der sozialistischen Moral widersprechende Ziele verfolgt werden.“
Damit konnten im Grunde alle anderen Bestimmungen in diesem Gesetzbuch ad absurdum geführt werden.
Und gerade das muß man sich ganz langsam auf der Zunge zergehen lassen:
Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn jemand Ziele verfolgt, die gegen die "sozialistische Moral" verstoßen.
Das heißt, in dem Moment war man rechtlos. Ist so etwas ein Rechtsstaat? Wohl kaum.
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Peppone
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Barbarossa hat geschrieben:Und gerade das muß man sich ganz langsam auf der Zunge zergehen lassen:
Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn jemand Ziele verfolgt, die gegen die "sozialistische Moral" verstoßen.
Das heißt, in dem Moment war man rechtlos. Ist so etwas ein Rechtsstaat? Wohl kaum.
Klasse Beleg, noch dazu in der Deutlichkeit.
Das ZGB war ja bis 1990 gültig und ersetzte das BGB, das allerdings bis 1976 auch schon gravierend verändert worden war.

Beppe
norvegia
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Ich verstehe nur nicht, was gegen diesen Paragraphen spricht.
Was ist falsch an sozialistischer Moral und was ist falsch daran sie zu schützen?
Unsere sozialistische Moral unterschied sich nicht von dem was im Westen christliche Nächstenliebe ist.
Nur in der DDR funktionierte das alles viel besser.
Womit sicherlich auch die Loslösung der Menschen von der Kirche zusammen hing.
In der DDR brauchte keiner mehr eine Kirche.
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Barbarossa
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norvegia hat geschrieben:Ich verstehe nur nicht, was gegen diesen Paragraphen spricht.
Was ist falsch an sozialistischer Moral und was ist falsch daran sie zu schützen?
Unsere sozialistische Moral unterschied sich nicht von dem was im Westen christliche Nächstenliebe ist...
Na ja, Christentum und Kommunistische Ideologie, das sind für mich im Grunde tatsächlich beides Religionen, die sich an eine Utopie klammern, die es so nicht gebt und nie geben wird. Die Christen glauben, an Gott und an ein Paradies nach dem Tod und die Kommunisten an eine Gesellschaftsordnung namens Kommunismus - in ferner Zukunft. Beides sind für mich Utopien, die so nie eintreten werden. Und es gibt noch eine interessante Parallele: Beide hielten sich eine Zeit lang für unfehlbar. Dieser Unfehlbarkeitsanspruch führte bei beiden zum Totalitarismus (auch die "Heilige Inquisition" war in Grunde nichts anderes, als ein totalitäres Regime) und zu entsetzlichen Verbrechen, gegen die sich niemand wehren konnte. Hexenverbrennungen hier; "Säuberungswellen", Gulags bzw. Stasigefängnisse und "Eiserner Vorhang"+Schießbefehl dort und dazu eine drückende Unfreiheit, das zeichnet solche Regime aus.
Was falsch an "sozialistischer Moral" ist? Der Kollektivismus, der dem Individualismus keinen Platz läßt. Wer dort ausbrechen wollte, kam sofort mit dem System in Konflikt. Sogar ich bin damals in der DDR schon einige Male in Erklärungsnotstand geraten:
"Du willst nicht in die DSF (Deutsch-Sowjetische Freundschaft)? Warum nicht?"
"Du willst nicht in die Partei? Warum nicht?"
"Du willst keine militärische Berufslaufbahn einschlagen? Überleg es dir doch noch mal!"
Ich hatte da wirklich "keinen Bock" mehr drauf.
:evil:

norvegia hat geschrieben:Womit sicherlich auch die Loslösung der Menschen von der Kirche zusammen hing.
In der DDR brauchte keiner mehr eine Kirche.
Das ist allerdings ein interessantes Thema, das sich lohnen würde, das mal genauer zu untersuchen.
Ich bin ja eigentlich durch die Erziehung meiner Eltern Atheist geworden. Der Staat hatte auf meine persönlichen Überzeugungen keinen meßbaren Einfluß, denke ich.

Ich mache da mal ein neues Thema daraus.
hier: http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... =77&t=3338
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