Gedanken zur Deutschen Einheit - warum so, wie sie war

Leben, Wirtschaft, Stasi, Sozialismus, SED, Überwachung, Diktatur, Honecker, Kommunismus, Mauer

Moderator: Barbarossa

Benutzeravatar
Barbarossa
Mitglied
Beiträge: 15507
Registriert: 09.07.2008, 16:46
Wohnort: Mark Brandenburg

Fortsetzung von: Deutsche Einheit - Erinnerungen an den 3. Oktober 1990
-------------------------------------------------------------------------------
Ich erinnere mich noch sehr gut an den 3. Oktober 1990. Deswegen zunächst eine kleine Anekdote von mir:
Ich habe die Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 1990 mit meinem Kumpel zu Hause gefeiert und wir haben Gedanken ausgetauscht und natürlich auch Alkohol getrunken. Wir haben Ferngesehen und ich habe Radiosendungen auf Kassette aufgenomnen, in der Hoffnung, die Stimmung von damals einfangen und konservieren zu können (die Aufnahmen habe ich heute noch).
Um Mitternacht gingen wir vor die Haustür, um zu schauen, was draußen so los ist. Was wir da sahen, hatten wir noch nie vorher und auch danach nie wieder gesehen:
Eine spontane Demo - eine Menschenmenge zog jubelnd durch die Straßen. Alle freuten sich in der nach wie vor wirkenden Euphorie der Wendezeit. Auch ich jubelte der Menge zu und winkte. Wer es nicht miterlebt hat, kann diese Emotionen nicht wirklich nachvollziehen.

Die Euphorie verflog in den folgenden Jahren sehr schnell, vor allem aufgrund der schnell steigenden Arbeitslosigkeit, von der eigentlich fast jeder irgendwie betroffen war. Nicht wenige meinen heute sogar, sie kam zu schnell oder hätte gar nie so kommen dürfen. Warum aber die Einheit kommen und zudem auch nur so und nicht anders verlaufen konnte, darüber ich mir schon vor einigen Jahren so meine Gedanken gemacht. Hier meine These:

Wenn O. Lafontaine Kanzler geworden wäre, dann hätte er die O-Mark 5:1 in D-Mark umgetauscht (also vor allem Löhne, Sparguthaben usw. - jedenfalls hat er das so gefordert). Das wiederum hätte zur Folge gehabt, daß bei gleichen Preisen wie im Westen, es mit einem Schlag 17 Mill. Sozialhilfeempfänger mehr gegeben hätte - auch wenn alle ihre Arbeit behalten hätten. Darum hätte er also im Westen die Wahl hoch gewinnen müssen, denn im Osten wäre er nie gewählt worden. Bei dem "schrittweisen Zusammenschluß", wie er vor allem von den Linken Parteien und der SPD angestrebt wurde, bin ich mir nicht so ganz klar darüber, wie er hätte aussehen sollen - vor allem, wenn man sich die damaligen politischen Fakten einmal anschaut:

1.) Die DDR-Bürger wollten die D-Mark - so schnell, wie möglich. Jede Verzögerung hätte den Ausreisestrom nach Westen enorm vergrößert.

2.) Somit war auch die schnelle Wirtschafts- Währungs- und Sozialunion unumgänglich.

3.) Aus diesen Gründen wäre so oder so der Markt im Osten (RGW) weggebrochen, der bis dahin der wichtigste Absatzmarkt gewesen ist.

4.) Der Ostblock, also auch der RGW, befand sich überall im Umbruch - in allen Mitgliedsländern, d. h. auch bei einer Verzögerung des deutschen Vereinigungsprozesses, wäre eher früher als später der RGW insgesamt zusammengebrochen und wäre damit ohnehin als Wirtschaftspartner ausgefallen. Der RGW hatte, so wie er bis dahin existierte, keine Zukunft.

5.) Die DDR-Betriebe hätten sich deshalb sowieso nach neuen Absatzmärkten umsehen müssen. Diese waren sogenannte "VEB", also staatliche Betriebe, die dann von der Treuhand übernommen wurden. Die Treuhand hatte die Aufgabe, möglichst alle Betriebe zu privatisieren. Sie wurden also nicht ihrem Schicksal überlassen, sondern es wurde ja versucht, zu retten, was zu retten war. Es war aber auch klar, daß es keinen Betrieb mehr geben konnte, in dem 8000 Menschen arbeiteten, sondern die Belegschaft mußte auf ein wirtschaftlich vertretbares Niveau runtergefahren werden. So blieben z. B. in meinem Betrieb, dem Stahlwerk Hennigsdorf, nach Ausgliederung und teilweisen Abriß der älteren Betriebsteile, heute etwa noch 500 übrig, wobei auf dem ehemaligen Gelände aber auch ein großes Gewerbegebiet entstanden ist, wo sich allerlei Gewerbe neu angesiedelt hat, die mit dem Stahlwerk nicht mehr unbedingt etwas zu tun haben. Ich weiß also nicht, welchen Sinn ein langsamerer Vereinigungsprozess hätte machen sollen, vor allem bei den gerade geschilderten Gegebenheiten und den damit so grundlegenden Veränderungen.
Die Diskussion ist eröffnet!

Jedes Forum lebt erst, wenn Viele mitdiskutieren.
Schreib auch du deine Meinung! Nur kurz registrieren und los gehts! ;-)
Benutzeravatar
Gontscharow
Mitglied
Beiträge: 363
Registriert: 14.09.2014, 01:14

Ich denke auch daß die Einheit, im großen und ganzen so wie sie gelaufen ist
"alternativlos" ( ja,ja das berühmte Merkelwort) war.
Langsamer hätte die Einheit auf keinen Fall kommen können, die DDR-Bevölkerung
wollte sie so schnell wie möglich und hat die Deutschen im Westen mit ihrer Euphorie
mitgerissen.Ich kann mich an Sprechchöre auf Demonstrationen aus dem Frühjahr 1990
erinnern " Kommt die D-Mark bleiben wir, kommt sie nicht, gehen wir ".
Das war damals durchaus realistisch, Hunderttausende hatten die DDR seit dem Sommer 1990 verlassen,
viele andere spielten mit dem Gedanken, zu gehen.Natürlich hätte man sie im Westen nicht alle
aufnehmen können - man hätte sie aber auch nicht hindern können, zu kommen.
Deshalb war die schnelle Einführung der DM plus Wiedervereinigung wirklich alternativlos.
Benutzeravatar
dieter
Mitglied
Beiträge: 10152
Registriert: 29.04.2012, 09:48
Wohnort: Frankfurt/M.

Ihr Lieben,
die schnelle Vereinigung war sicherlich alternativlos. Die wirtschaftliche Vereinigung sicherlich nicht. Wenn man bedenkt, dass die esten 7000 Ostmark 1:1 in Westmark umgetauscht werden konnte. Dass die Märkte des ehemaligen RWG zusammenbrechen mußten, war völlig klar, da die Wirtschaft Ostdeutschland sich nun auf dem Weltmarkt bewähren mußte. Auch heute erlangt die Wirtschaftkraft Ostdeutschlands erst Zweidrittel der von Westdeutschland.
Mit der Abwicklung der ostdeutschen Betriebe ist es so eine Sache. Da ich aus Kassel stamme, habe ich das Verhalten von Kali und Salz, dessen Sitz in Kassel ist, etwas verfolgt. Die Bergwerke in Thüringen an der Werra wurden zugemacht und die Förderung nur noch von der westdeutschen Seite in Hessen aus betrieben. Sonst kann ich natürlich die Betriebe im Osten nicht beurteilen, nur dass ich auf unserer Fahrt zur Wartburg in Thüringen einige Betriebe von außen sehen konnte, sie sahen alle wie Schrotthaufen aus.:roll:
Lieber Barbarossa, warrum hast Du Deinen Beitrag unter der Rubrik DDR geschrieben :?: Die DDR gab es seit dem 3.10.1990 nicht mehr. :wink:
Zuletzt geändert von dieter am 04.10.2014, 10:26, insgesamt 1-mal geändert.
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Benutzeravatar
Barbarossa
Mitglied
Beiträge: 15507
Registriert: 09.07.2008, 16:46
Wohnort: Mark Brandenburg

dieter hat geschrieben:...
Lieber Barbarossa, warrum hast Du Deinen Beitrag unter der Rubrik DDR geschrieben :?: Die DDR gab es seit dem 3.10.19990 nicht mehr. :wink:
Ganz einfach, lieber Dieter: Weil es in diesem Pfad darum gehen soll, wie die Einheit zustande kam - also genau bis zum 3. Oktober 1990. Sehr viele Entscheidungen bezüglich der Deutschen Einheit wurden imho von den Bürgern hier im Osten getroffen.
Die Diskussion ist eröffnet!

Jedes Forum lebt erst, wenn Viele mitdiskutieren.
Schreib auch du deine Meinung! Nur kurz registrieren und los gehts! ;-)
Benutzeravatar
dieter
Mitglied
Beiträge: 10152
Registriert: 29.04.2012, 09:48
Wohnort: Frankfurt/M.

Lieber Barbarossa,
an der Einheit ist von westdeutscher Seite unter Schäuble aber kräftig mitgewirkt worden. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Benutzeravatar
Nemeth
Mitglied
Beiträge: 302
Registriert: 30.10.2014, 15:14

Auch hier muss ich eine substantielle Korrektur anbringen:
Zitat underes Users Dieter: "Wenn man bedenkt, daß die ersten /000 (Siebentausend) Ostmark
1 : 1 in Westmark getauscht werden konnten"
Das ist ein Irrtum, der doch ein bißchen die Sache polemisiert.
Ich war dabei, andere nicht, doch diese wissen es ganz genau.

Kinder bis 14 Jahre konnten 2000 Mark 1 : 1 tauschen ,
15 bis 59 - jährige konnten 4000 Mark 1 : 1 tauschen,
über 60 -jährige konnten 6000 Mark 1: 1 tauschen
Alle Beträge, die diese Summen überstiegen, wurden ohne Ansehen der Person
zu 2 DDR- Mark zu einer Westmark getauscht.

Es gab viele Menschen, die über solche Guthaben nicht verfügten, demzufolge auch weniger umtauschen
konnten.
Wer zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen
Benutzeravatar
Triton
Mitglied
Beiträge: 1909
Registriert: 09.10.2012, 10:30

Gontscharow hat geschrieben:Deshalb war die schnelle Einführung der DM plus Wiedervereinigung wirklich alternativlos.
"Alternativlos" wird von Politikern gerne verwendet, um Diskussionen gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Die ökonomischen Belange hätte man alle anders und für die DDR-Ökonomie verträglicher regeln können. Hier standen nicht zuletzt massive Interessen großer Konzerne hinter dem Ausverkauf der (zumeist natürlich maroden) DDR-Wirtschaft. Die DDR-Führung selbst erkannte auch in ihrem Versorgungsstaatdenken nicht, dass sie ein ungeheures Faustpfand in der Hand hatte: Den Zugang zu einem ausgehungerten Absatzmarkt mit Nachholbedarf im Großformat.

Im Zuge der Vereinigung sind hanebüchene, auch logische Fehler gemacht worden, die uns Steuerzahler etliche Milliarden gekostet haben. Dass beim unausweichlichen Schrumpfungsprozess der DDR-Wirtschaft viele, gerade besonders qualifizierte und junge Menschen in die alten Bundesländer umziehen werden (müssen), ist eine einfache Überlegung. Gleichzeitig wurden aber Ost-Immobilien im großen Stil zum Steuersparmodell gemacht, Völliger Nonsens, das sollte jedem Menschen, der des Denkens fähig ist, einleuchten.
Aber vor allem die CDU unter Kohl war damals ökonomisch reichlich naiv, es gibt ja den berühmt gewordenen Spruch von der "Portokasse", aus der die Einheit finanziert werden könne.

Die Alternative wäre zum Beispiel gewesen: eine Übergangslösung mit 2 Staaten, 2 Währungen, ohne die Möglichkeit einfach sofort die Staatsangehörigkeit der BRD annehmen zu können. Warum auch, wenn der andere Staat kein Unrechtsstaat mehr ist? Die Wiedervereinigung erfolgt dann durch Volksabstimmung, wenn gewisse Kriterien erfüllt sind.

Der eigentliche Grund für die Wiedervereinigung im Schweinsgalopp war die unsichere Sicherheitslage, vor allem in Russland und den GUS-Staaten, ein Militärputsch und es hätte sich alles geändert. Deshalb wollte Kohl die neuen Bundesländer so schnell wie möglich anschließen und den Schutz der NATO bis zu Oder ausdehnen.
"Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, in dem man sie ignoriert." (Aldous Huxley)
Benutzeravatar
dieter
Mitglied
Beiträge: 10152
Registriert: 29.04.2012, 09:48
Wohnort: Frankfurt/M.

Lieber Joerg,
so sehe ich das auch. Die Ostdeutsche Wirtschaft konnte ihre Waren nicht mit der teuren D-Mark verkaufen, deshalb mußten die Märkte zusammenbrechen. Eine schrittweise Annäherung der Wechselkurse wäre besser gewesen.
Was alternativlos war, das war die Schnelligkeit mit der alles geschah. Aber wenn man die Schwierigkeiten sieht, die Gorbi mit seinen Politbüro bekam, war das auch richtig. Bald gab es keine UdSSR mehr und Gorbi mußte abtreten. :roll:
Zuletzt geändert von dieter am 14.11.2014, 14:14, insgesamt 1-mal geändert.
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Benutzeravatar
Nemeth
Mitglied
Beiträge: 302
Registriert: 30.10.2014, 15:14

---"Die Ostdeutsche Wirtschaft konnte ihre Waren nicht mit der teuren D-Mark verkaufen, deshalb mussten die Märkte zusammenbrechen"----
Da war an dem so, da gibt es keinen Abstrich zu machen.
Doch wo konnten sich die Verantwortlichen der DDR-Betriebe ein Bild machen, was ist Weltniveau ?
Sie waren ja 40 Jahre mehr oder minder abgeschottet vom Rest der Welt.
Ich erinnere nur an die Weiterentwicklung des Trabants, die auf Befehl von Hager, Mitglied des Politbüros der SED, abgebrochen wurde.
Die Beispiele ließen sich unendlich fortsetzten, daß die Planwirtschaft (in Deutschland während des I. Weltkrieges entwickelt)
in normalen Zeiten nicht zur Entwicklung einer Volkswirtschaft beitragen kann.

Vergessen wir auch nicht, daß die Jugend die Welt sehen wollte, Geld verdienen nicht mehr Deutsche II. Grades zu sein.
Natürlich hat die Deutsche Einheit viel gekostet, war sie uns das nicht wert ?
Können wir darauf nicht stolz sein ? Wir sollten es aber.
Wer zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen
Lia

Rational betrachtet, hätte vieles besser und anders laufen können, für Ost und West-Bürger, das hat Triton schon dargelegt.
Fragt sich, ob die ökonomische und politische Ratio und Theorie gegen all die Emotionen und das praktische Leben zu vermitteln gewesen wäre.
Ängste, Wünsche, Emotionen waren lenkende Elemente in weiten Teilen der Bevölkerung -Ost, so mein Eindruck in Gesprächen.
Etliche junge Ingenieurs-Kollegen meines Mannes kamen in den Westen, als zumindest abzusehen war, dass die Grenzöffnung irreversibel war. Viele wollten schnell, sofort, anders arbeiten, ihr Wissen einbringen, als es ihnen vorher möglich war, Geld verdienen, reisen. Anders leben. So wie Gontscharow und Nemeth es schreiben.
Benutzeravatar
Orianne
Mitglied
Beiträge: 3147
Registriert: 11.06.2014, 21:14
Wohnort: Suisse
Kontaktdaten:

Ich finde, dass es zum Teil Menschenrechte sind wovon Du schreibst Lia, ich kann die Leute verstehen, wer hinter der Mauer eingesperrt war, vielleicht einmal nach Osten in die Ferien durfte, der wollte auch einmal die ganze Welt sehen, er wollte frei sein, er wollte konsumieren, viele junge Leute durften nicht studieren oder etwas lernen was sie wollten, ich denke, man kam wirklich damals in eine "Freie Welt". Leider war ich zu jung, un d ich bekam nicht so viel mit, aber ich bin froh um jede Zeile hier, die von Ost und West kommt.
Grant stood by me when I was crazy, and I stood by him when he was drunk, and now we stand by each other.

General William Tecumseh Sherman
Bild
Benutzeravatar
Triton
Mitglied
Beiträge: 1909
Registriert: 09.10.2012, 10:30

Nemeth hat geschrieben:Natürlich hat die Deutsche Einheit viel gekostet, war sie uns das nicht wert ?
Die Einheit ist für mich unbezahlbar, sie hätte auch erfolgen müssen, wäre die DDR noch viel maroder gewesen.
Darum geht es gar nicht.
Es geht darum, ob die Wirtschaft der DDR plattgemacht werden musste oder nicht. Es gibt durchaus positive Beispiele wie Zeiss, die sich gesundschrumpfen konnten.
Es war der größte Fehler Helmut Kohls, den Menschen (im Westen) vorzugaukeln, sie wäre für lau zu haben. Gerade in den Monaten des Mauerfalls hätte er die Euphorie ausnützen müssen und notwendige Steuererhöhungen explizit für die Einheit beschließen müssen. Das hätte ihn vielleicht ein paar Prozent Wählerstimmen gekostet, aber so what?
Nemeth hat geschrieben:Können wir darauf nicht stolz sein ? Wir sollten es aber.
Ich als Wessi habe NICHTS zur Einheit beigetragen. Wenn jemand stolz sein kann, dann nur die Demonstranten in der ehemaligen DDR. Für mich das größte Wunder, dass niemand sich an der Stasi vergriffen hat, die ein ganzes Volk jahrzehntelang gepiesackt und schikaniert hat.
"Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, in dem man sie ignoriert." (Aldous Huxley)
Lia

Orianne hat geschrieben:Ich finde, dass es zum Teil Menschenrechte sind wovon Du schreibst Lia, ich kann die Leute verstehen,
W ganz und gar nicht kritisch gemeint, sondern als Hinweis, dass sich nicht alles mit politischer/ ökonomischer Vernunft und von oben steuern lässt. Die DDR-Bürger in die Warteschleife zu legen, wäre unmöglich gewesen.
Triton hat geschrieben:Es geht darum, ob die Wirtschaft der DDR plattgemacht werden musste oder nicht. Es gibt durchaus positive Beispiele wie Zeiss, die sich gesundschrumpfen konnten.
Die Frage ist berechtigt- und etwas anders gelagert als die grundsätzliche Frage nach der Wiedervereinigung. Da, so sind meine Rückschlüsse, ist vieles bewusst und unbewusst falsch angegangen worden.
Es war der größte Fehler Helmut Kohls, den Menschen (im Westen) vorzugaukeln, sie wäre für lau zu haben
Wer hat das denn wirklich geglaubt? Im Westen doch kein denkender Mensch.
Ebenso wenig wie an Kohls Versprechungen von blühenden Landschaften im Osten in vier Jahren.
Da taten sich allerdings schon die ersten Verständigungs- Probleme auf, weil die Ostdeutschen Wessis, die solche Äußerungen kritisch kommentierten, ihrerseits im schlimmsten Falle für verkappte Alt- Kommunisten hielten.
Eine längere Zeit wollte man auch nicht wissen, dass der Westen kein Wunderland war.
Ich als Wessi habe NICHTS zur Einheit beigetragen.
Och, ich denke, was die Zeit nach der Wiedervereinigung betrifft, müssen Wessis sich nun nicht verkriechen.
Die Zeit bis zum Mauerfall allerdings gehört den Ostdeutschen allein.
Wenn jemand stolz sein kann, dann nur die Demonstranten in der ehemaligen DDR.
So ist es!
Benutzeravatar
Barbarossa
Mitglied
Beiträge: 15507
Registriert: 09.07.2008, 16:46
Wohnort: Mark Brandenburg

Triton hat geschrieben:
Gontscharow hat geschrieben:Deshalb war die schnelle Einführung der DM plus Wiedervereinigung wirklich alternativlos.
"Alternativlos" wird von Politikern gerne verwendet, um Diskussionen gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Die ökonomischen Belange hätte man alle anders und für die DDR-Ökonomie verträglicher regeln können. Hier standen nicht zuletzt massive Interessen großer Konzerne hinter dem Ausverkauf der (zumeist natürlich maroden) DDR-Wirtschaft. Die DDR-Führung selbst erkannte auch in ihrem Versorgungsstaatdenken nicht, dass sie ein ungeheures Faustpfand in der Hand hatte: Den Zugang zu einem ausgehungerten Absatzmarkt mit Nachholbedarf im Großformat.

Im Zuge der Vereinigung sind hanebüchene, auch logische Fehler gemacht worden, die uns Steuerzahler etliche Milliarden gekostet haben. Dass beim unausweichlichen Schrumpfungsprozess der DDR-Wirtschaft viele, gerade besonders qualifizierte und junge Menschen in die alten Bundesländer umziehen werden (müssen), ist eine einfache Überlegung. Gleichzeitig wurden aber Ost-Immobilien im großen Stil zum Steuersparmodell gemacht, Völliger Nonsens, das sollte jedem Menschen, der des Denkens fähig ist, einleuchten.
Aber vor allem die CDU unter Kohl war damals ökonomisch reichlich naiv, es gibt ja den berühmt gewordenen Spruch von der "Portokasse", aus der die Einheit finanziert werden könne.

Die Alternative wäre zum Beispiel gewesen: eine Übergangslösung mit 2 Staaten, 2 Währungen, ohne die Möglichkeit einfach sofort die Staatsangehörigkeit der BRD annehmen zu können. Warum auch, wenn der andere Staat kein Unrechtsstaat mehr ist? Die Wiedervereinigung erfolgt dann durch Volksabstimmung, wenn gewisse Kriterien erfüllt sind.

Der eigentliche Grund für die Wiedervereinigung im Schweinsgalopp war die unsichere Sicherheitslage, vor allem in Russland und den GUS-Staaten, ein Militärputsch und es hätte sich alles geändert. Deshalb wollte Kohl die neuen Bundesländer so schnell wie möglich anschließen und den Schutz der NATO bis zu Oder ausdehnen.
Nein, der eigentliche Grund für die schnelle Einheit Deutschlands war zum einen das Ergebnis zur Volkskammerwahl am 18. März 1990, wo sich die Ostdeutschen für genau diese schnelle Einheit ausgesprochen haben.

Aber darüber hinaus war noch ein anderer Fakt wichtig: die zahlreichen Übersiedler aus dem Osten in den Westen. Denn trotz der schnellen Einigung gingen 1989 (hier natülich vor allem in den wenigen Monaten von Oktober bis Dezember) und 1990 fast 800.000 Menschen in den Westen. Nicht gerade wenig für ein 15-Mill.-Volk. Eine noch viel langsamere Einigung hätte diese Bewegung noch sehr verstärkt. Schon im Januar oder Februar 1990 gab es Appelle der Bundesregirung an die Ostdeutschen, doch bitte zu Hause zu bleiben, da die Unterbringung zunehmend schwierig wurde. Die Situation war durchaus dramatisch.
Nicht zu vergessen ist bei der Betrachtung auch der Spruch:

"Kommt die D-Mark, bleiben wir,
Kommt sie nicht, gehen wir zu ihr."

Das war auch genau so gemeint. Die Ostdeutschen waren einfach zu lange gezwungenermaßen vom Konsum ausgesperrt, eine noch längere Zeit wäre auf keinen Fall vermittelbar gewesen.
Die Diskussion ist eröffnet!

Jedes Forum lebt erst, wenn Viele mitdiskutieren.
Schreib auch du deine Meinung! Nur kurz registrieren und los gehts! ;-)
Benutzeravatar
Nemeth
Mitglied
Beiträge: 302
Registriert: 30.10.2014, 15:14

Hallo Triton !
Dein Zitat: "Ich als Wessi habe zur Einheit NICHTS beigetragen"
Dem ist aber nun garnicht so. Sondern das ganze Gegenteil ist der Fall.
Ich will diesen Gedanken nicht filetieren.
Die gesamten Beiträge dieses Themas finden meine Zustimmung.
Mit einer, Was,Wäre,Wenn Diskussion kommen wir hier nicht weiter.

Nochmal vielen Dank dür das alles, was man Euch zumutete.
Ihr standet hinter den Menschen, die nur ihre Freiheit wollten.
Wir sollten auf die Einheit stolz sein, wir haben sie gemeinsam errungen.
Wer zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen
Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag

Zurück zu „Die Deutsche Demokratische Republik“