Ostblock: Entstehung, Entwicklung und Niedergang

Zwei Supermächte stehen sich gegenüber: Vereinigte Staaten gegen die UdSSR

Moderator: Barbarossa

Ruaidhri
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Bundespräsident Gauck sprach kürzlich in einem anderen Zusammenhang von einem "Erinnerungsschatten" und der betrifft zweifellos auch die Erinnerung an die über 20 Millionen Toten der Sowjetunion, die dem Wüten der Nationalsozialisten zum Opfer fielen.
Sicherlich hat er Recht, die Ursachen und Gründe für diesen Schatten sollte man aber sehen- und den Erinnerungsschatten weiterhin vertreiben.
Ebenso werden die Millionen Opfer verdrängt, die durch Zwangsarbeit, Deportationen und "Säuberungen" ums Leben kamen. Da viele russische Familien solche stalinistischen Opfer der Deportation oder Zwangsarbeit zu beklagen haben, wundert mich die naive Verehrung des "Großen Führers" umso mehr.
Betroffen waren viele- und doch kannten viele das Ausmaß nicht. Zudem der Propaganda ausgesetzt, nahm man nur den Retter des Vaterlandes wahr. Alles andere war/ ist dann auch ein "Erinnerungsschatten".
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Ruaidhri
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http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... =75&t=5231
Barbarossa hat geschrieben:Solidarno hat doch 1980 nicht gewonnen - im Gegenteil die Streiks und Demos wurden nach Ausrufen des Kriegsrechtes gewaltsam niedergeschlagen mit zehntausenden Verhaftungen und auch Toten und die Gewerkschaft musste zunächst in den Untergrund gehen. Ich glaube auch nicht an Absprachen mit der Kirche - kann ich mir nicht vorstellen.
Erst mit der Legalisierung der Gewerkshaftsbewegung 1989 kann man von einem Achtungserfolg sprechen.
Das ist vielleicht der Faktenlage nach richtig- oder auch nicht.
Solidarność war nicht tot und geschlagen, auch nicht inaktiv bis zur Zeit der Wende. Weder bei den Werftarbeitern noch bei polnischen Intelligentia. Jaruzelski war sicherlich nicht deren Freund, aber letzlich war man sich darüber im Klaren, dass er gar nicht anders gekonnt hatte als den großen Bruder zu beschwichtigen, wenn er Schaden vom polnischen Volk abwenden wollte.
Der innere Widerstand blieb, und wer meint, es hätte von 1980 bis 1989 betretenes Schweigen geherrscht, der irrt. Man konnte oft staunen, wie öffentlich über die Wege zu einer Demokratisierung und Liberalisierung diskutiert wurde. Oder einige Zeit nach der Verhängung des Kriegsrechts die Solidarność-Plaketten wieder getragen wurden.
Zu Gorbatschows Zeiten mal gar, und wenn es noch die alten Kader gab- Einschüchterung zog nicht mehr.
Auffallend im Kontrast zu anderen Ostblock-Staaten:
Reisefreiheit hatten polnische Staatsbürger schon vor 1980 und danach mehr als je DDR-Bürger- auch ein Zeichen für den leisen Weg zur Freiheit und Selbstbestimmung und die Rolle der Opposition und der Kirche.
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Aneri

Ruaidhri hat geschrieben:
Aneri hat geschrieben:Ich beobachte schon über 20 Jahren die westliche Medien und stelle fest, dass, wenn über 2. WK geht, der Westfront überproportional dominiert
Der Eindruck mag auf den ersten Blick nicht mal trügen, wobei es auf den zweiten inzwischen nun genauso reichlich jede Art seriöser Dokumentation zum Kriegsgeschehen und der Rolle der sowjetischen Armee gibt.
Es geht mir weniger um wissenschaftliche Dokumentationen. Ich zweifele nicht daran, dass dort die Fakten richtig abgebildet wurden. Gerade deutschen haben ausgeprägtes Pflichtbewusstsein dazu. Umso mehr wundert mich, dass es auf die medialen Landschaft man verzerrte Eindruck bekommt.

Auch liegt mir fern, die zehn tausenden vergewaltigten Frauen mit 27 Milionen sowjetischen Opfer vergleichen. Dennoch "die Schatten des Vergessens" auch entsprechend groß :( auswirken. Auf diesem Hintergrund weigern einfach manche Dickköpfe überhaupt deutsche Position zu verstehen. Um die Stalin der Millionenopfer des eigenen Volkes vorzuwerfen (das sehen sie als s. z. innere Angelegenheit) , müssten Deutsche zuerst etwas mehr tun, um ihre Verarbeitung der Folge des Nazi-Krieges in Sowjet Union zu zeigen. Es ist aber nicht der Fall, wenn auch, wie du bemerkst, es wissenschaftlich wird festgehalten. Auch die Vergewaltigungen der deutschen Frauen werden durch russische Geschichtsschreibung festgehalten und auch viele zivile deutsche Opfer. Dennoch, wenn du die mediale Landschaft (und ich meine damit die, der normale Bürge für sich nutzt) werden diese wenn überhaupt, dann kleingeredet bzw. mit dem entschuldigt, dass die Rote Armee die Verwüstungen und den leidende Bevölkerung in befreiten Gebieten gesehen haben, war übelfüllt von Haß und Rache, die sich anfangs auch auf abscheuliche Weise ausgeladen haben. Und dennoch - wie kann auch anders bei guten kommunistische Führern sein :roll: - wenn sie es bekommen haben, haben sie mit Mordstrafe bedroht und der Rache Einhalt geboten. So bekam es ein sowjetischer Bürger meinerzeit. Ich denke, es hat sich nicht viel seitdem geändert.

Diese Verzerrungen der breiten medialen Landschaft ist nicht zu unterschätzen. Es ist Meinungsbildung, es ist das, was einiges ausblenden lässt, dazu anderes "optisch" vergrößert... Und da sehe ich Nachbesserungsbedarf BEIDERSEITS (!), wegen der Größe Schattens - sogar in Westen - mehr.

PS: Es gibt auch eine Behauptung seitens Sowjets, die solltet ich wissen, wenn es auch nicht stimmen sollte. Mindestens um den Russen zu verstehen :wink:, weil es gerade in Bezug auf die Zahl der Opfer nicht unbedeutend sein scheint. Es ist der Vorwurf, dass der Eröffnung der zweiten Front war gezielt verzögert um den Rote Armee (und Stalins-Volk) möglichst mehr ausbluten zu lassen und schwächen. Habt ihr irgendwelche Informationen dazu? Ist es Propaganda des kalten Krieges oder gibt es wirklich Anlass zur diesen Annahme?

PPS: Barbarossa ich würde zwei Threads vereinen. Es geht nicht um die Ostblock zu reden ohne der Politik der SU nicht anzusprechen. Auch hier viel über ehem. Republiken geredet war, was eigentlich zum anderem Therad gehören müsste. In dem Sinne verflechten sich beide Threads zu sehr...
Dietrich
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Aneri hat geschrieben:
Diese Verzerrungen der breiten medialen Landschaft ist nicht zu unterschätzen. Es ist Meinungsbildung, es ist das, was einiges ausblenden lässt, dazu anderes "optisch" vergrößert... Und da sehe ich Nachbesserungsbedarf BEIDERSEITS (!), wegen der Größe Schattens - sogar in Westen - mehr.
Von "Verzerrungen" in den Medien würde ich nicht sprechen. Vielmehr handelt es sich um eine viel zu geringe Beachtung der millionenfachen Menschenopfer - besonders auch Zivilisten -, die die Sowjetunion im Kampf gegen Nazi-Deutschland zu beklagen hat.

Da gibt es tatsächlich einen "Erinnerungsschatten", der nicht gerechtfertigt ist.

Dass die UdSSR danach zahlreiche Völker unterjocht und geknechtet hat, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Ruaidhri
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Da gibt es tatsächlich einen "Erinnerungsschatten", der nicht gerechtfertigt ist.

Dass die UdSSR danach zahlreiche Völker unterjocht und geknechtet hat, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Aber in einem Buch vielleicht, denn es ist breiten Öffentlichkeit nurschwer beizubringen, dass diejenigen, die akut Bedrohung sind und andere Völker massiv unterdrücken, gleichzeitig wieder einen hohen, den höchsten Anteil an Opfern gebracht gebracht haben, um den Nazi-Wahnsinn ein Ende zu setzen.
Print-Medien haben sich des Themas relativ früh angenommen, aber eben jene, die Otto Normalverbraucher nicht liest.
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Barbarossa
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Erst mal Hallo und Willkommen hier im Forum, Ruaidhri.
:)
Ruaidhri hat geschrieben:...
Im Kalten Krieg schon ein Mittel zum Zweck, die Rolle der Sowjet-Armee in WK 2 klein zu halten, während imWiderspruch dazu der Warschauer Pakt als ständige Bedrohung angesehen wurde.
Spezifisch aus deutscher Sicht wäre vielleicht Barbarossa zu befragen, wie die DDR es hielt.
In der BRD wurde zumindest in Historikerkreisen absolut nicht geleugnet, dass die SU die größten Opfer gebracht hatte.
Es blieb aber vor dem politischen Hintergrund des Kalten Krieges und der deutschen Teilung lange schwierig, die SU ebenso als Befreier von der Nazi- Diktatur zu würdigen und das "der Öffentlichkeit" zu vermitteln.
Das wird ja auch heute nicht gemacht. Auch die heutigen Historiker betonen gern, dass der Osten Deutschlands sich erst 1989/90 erst wirklich befreite. Und das stimmt ja auch.
Bei den Dokus in früheren Jahren zur Zeit des Kalten Krieges (und deutscher Telung) war es wirklich interessant zu beobachten, dass die westlichen Medien die Ereignisse immer aus der Sicht der Westalliierten zeigten, während die ostdeutschen Medien immer die sowjetische Sicht zeigten. Wir hatten ja den Vorteil, dass wir beides schauen konnten, und Sendungen wie solche Dokus, schauten wir dann auch mal (ganz überwiegend schauten wir aber "Westfernsehen"). Und so konnten wir das sehr gut beobachten.
Ich weiß nicht ob ich mich irre, aber ich glaube, Deutschland war das einzige Land auf der Welt, dass Kriegsereignisse stets aus der Sicht der ehemaligen Kriegsgegner betrachtet(e) - insbesondere zur Zeit der Teilung des Landes. Natürlich war uns schon damals klar, warum das so war, aber immerhin haben meine Großeltern noch ihren Kopf für Deutschland hingehalten. Erst in der heutigen Zeit werden bestimmte Ereignisse auch aus deutscher Sicht beleuchtet, insbesondere wenn es um die Bombenangriffe geht oder um bestimmte Schlachten ...
Da wird heute eher neutral berichtet.
Hat eigentlich jemand Infos darüber, wie es Italien z. B. macht bzw. früher gemacht hat? Das wäre mal interessant.
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Aneri

Dietrich hat geschrieben:Von "Verzerrungen" in den Medien würde ich nicht sprechen. Vielmehr handelt es sich um eine viel zu geringe Beachtung der millionenfachen Menschenopfer - besonders auch Zivilisten -, die die Sowjetunion im Kampf gegen Nazi-Deutschland zu beklagen hat.
Doch, dadurch entstehen die Verzerrungen. Es gibt eine statistische Methode in der Geschichstwissenschaft, wenn Verbreitung bestimmte Begriffe in Medien quantitativ untersucht werden und Anhang dessen über die Stimmung in Bevölkerung zurück schließen.

Die Verzerrungen solcher Art sind so. z. ein natürliches Phänomen. Allein schon unsere sinnliche Wahrnehmung ist begründet auf dem Mechanismus: wir nehmen wahr nur, wenn unsere "Ich" vorher etwas ausgeblendet bzw. ausgefiltert hat. Die großten weltanschaulichen und philosophischen Streite passieren nicht anhang der ganz anderen Sicht der Weise. Es passiert durch andere Akzentuierungen, Gewichtigungen der bestimmten Ereignisse. Die gezielte Leugnung kommt viel seltener vor.

Als Beispiel: gestern im Nachrichten hat man berichtet, wie Außenminister irgendwo in Osten (Entschuldigung hatte nicht ganz verfolgt) hat teilgenommen an Gedenkfeier der Opfer des Nazi-Krieges. Ich hatte schon gedacht: oh-je- siehs du, gerade habe ich es zum Thema gemacht, dann eifern sie nach :) . Jetzt gerade schreit mir mein Mann, dass er die Ferneseherzeit für sich reserviert, weil ein Film über Krieg in Frankreich wiederholt wird und er will es unbedingt ansehen. Die erste Ausstrahlung hatte er verpasst. Im Grunde in diese 24 Stunden spielt sich das, was ich als Verzerrung bezeichne zu 2-3 Min. Nachrichten-Reportage stehen zu 60 Min. Films, der schon 2 Mal läuft.
Dass die UdSSR danach zahlreiche Völker unterjocht und geknechtet hat, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Auch würde ich nicht mit klaren Ja antworten wollen. Mindestens eine Option für Andersdenken möchte ich noch offen halten. Dies "Unterjochung und Geknettung" passierte dadurch:
- dass SU - nach diesen unglaublichen Verlusten des Krieges - eine Art Sicherungs-Damm zur Westen aufgebaut hat
- dass dieser "Damm" war vertraglich gesichert. Also stimmten dem die damalige wetliche Aliierte, ode nicht?! Ich denke nicht, dass sie hofften, dass SU dort kapitalistisches System gedeihen lies
- wie schon mal gesagt, aber scheint nicht wahrgenommen zu sein, die sozialistisches/kommunistische Lager (und zwar europaweit, nicht nur SU) aus dem Krieg herauskam verstärkt. Zum Ostblock gehörte auch Tschechoslowakei und Jugoslawien, wo es eindeutig der Fall war. Also, es war Unterjochung, aber anfangs noch nicht total. Nur nach und nach diese Totalirität sich entfaltet begann.

Es kann man mir vorwerfen, dass es diese kleine Unterschiede nicht der Rede wert, wenn am Ende doch zu dem hinauslief, was man am Ende behauptet. Dennoch reden wir um die Geschichte, die ihren Lauf hatte. Den muss man berücksichtigen, wenn man überhaupt etwas verstehen will und nicht in einem heuristischen Zirkel angeschlossen werden: Er ist böse, weil er es getan hat. Er tat es, weil er böse ist.
Ruaidhri
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Unterjochung ist Unterjochung, und die Mehrheit der Bevölkerung in den Ostblock-Staaten fühlte sich mit Recht unterjocht- in den Anfängen ganz besonders, wenn die Regimes sich etablierten und Andersdenkende inhaftierten oder sogar töteten.
Das kommunistische Lager war vielleicht gestärkt worden, hatte nur keine Mehrheit, mal gar keine durch demokratische Wahlen legitimierte.
Ein bisschen schwanger geht nicht- sonst ist man ganz schnell bei Relativierungen, die gefährlich werden können.
Dennoch reden wir um die Geschichte, die ihren Lauf hatte. Den muss man berücksichtigen, wenn man überhaupt etwas verstehen will und nicht in einem heuristischen Zirkel angeschlossen werden
Um einen Verlauf zu erkennen, muss man allerdings mit so statischen Dingen Fakten und Quellen umgehen, nicht selbige umgehen, wenn sie nicht in die theoretische Kette passen, wie Geschichte zu verlaufen hatte.
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Dietrich
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Aneri hat geschrieben:
Dass die UdSSR danach zahlreiche Völker unterjocht und geknechtet hat, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Auch würde ich nicht mit klaren Ja antworten wollen.
Natürlich muss man da mit einem klaren "Ja" antworten.

Die Völker des Ostblocks wurden von kommunistischen Diktatoren entmündigt, die auf Weisung der UdSSR handelten. Wenn sich die Bevölkerung eines Landes dagegen wehrte, wurde sie von sowjetischen Truppen zusammengeschossen:

1953 niedergeschlagener Volksaufstand in der DDR, 1956 niedergeschlagener Freiheitskampf der Ungarn, 1968 niedergeschlagener "Prager Frühling"

Noch deutlicher geht's nicht!
Aneri

In einer Demokratie könntest du Unterjochung "messen", aber dann leider wäre es keine Demokratie gewesen (die ja s. z. naturgemäß für Ausgleich sorgt). In anderen Regimen sprechen über Unterjochung ist schwer, weil es nicht leicht beweisbar ist. War der deutsche Volk sich unter Hitler unterjocht? Bestimmte Teile, die als Feinde gebrandzeichnet waren und von den meisten übrigen auch solche gesehen wurden. In allen nicht demokratischen Regimen läuft stets Gefahr, dass man ein Teil, die als wirklich unterjochtes angesehen kann/muss, wird (bewusst oder unbewusst) überschätzt. Wie groß ist der Dissidentum, welche Unterstützung hat er in Bevölkerung? Meistens bekommen wir Information gerade aus dieser unterjochten Quelle, die das Gewünschte für das reelle ausgeben kann. Es gilt sowohl für Vergangenheit als Zukunft.

Und Dietrich, wenn du schon wirklich sachlich diskutieren will, warum erwiderst du denn nicht auf die Feststellung der Macht der Kommunisten in Tschechoslowakei und Jugoslawien nach dem Krieg?! Hier ist doch kein preußische Marsch: EINs-Zwei, Eins-Zwei, zum Befehl, Herr Oberst (so klingt es zumindest)
Um einen Verlauf zu erkennen, muss man allerdings mit so statischen Dingen Fakten und Quellen umgehen, nicht selbige umgehen, wenn sie nicht in die theoretische Kette passen, wie Geschichte zu verlaufen hatte.
Absolut und völlig einverstanden!!! Es fehlt mir gerade, dass hier Behauptungen aufgestellt werden, die eher journalistischer-propagandistische Natur sind und nur dadurch untermauert sind, weil es sich etabliert hat, in diesen Begriffen und dieser Weise zu sprechen! Es wurde kein Laut gesagt auf den Einwand, dass es keine einheitliche Situation in Ostblockstaaten war, um hier - damals zu der Zeit - über Unterjochung zu sprechen.

Wenn man beginnt sich etwas differenzierter mit Geschichte umgehen, wird sowohl der Ruf laut, dass man verrät demokratische Ideale. Ich weiß nicht wirklich nicht, was demokratische Ideale damit zu tun haben, wenn ich will über Geschichte nicht in moralischen Parolis beschreiben will. Das hatte ich schon vor Jahren auch Beppe bemängelt, wenn er über Mongolen in gleichem Stil geredet hat.

Ich werde hier nicht widerholen, was ohnehin bekannt ist (ich meine die Zensur, Polizeitsaat etc.) aber es gewährt vielleicht ein Blick, warum bei vielen (jetzt nur Russen selbst geblieben sind) eine Nostalgie geblieben ist:
Tatsächlich befand sich in den achtziger Jahren weniger sowjetische Bürger in den Gefängnisse der Sowjet Union als Amerikaner in den Gefängnissen der USA (pro 100 ooo Sowjetbürger 267 Gefangene, im Gegensatz zur 426 Häftlingen pro 100 000 US-Bürgern; Walker 1991). Außerdem war der Normalbürger in der Sowjetunion der sechziger und siebziger Jahre wahrscheinlich einem geringerem Risiko ausgesetzt, durch Verbrechen, zivile Konflikte oder durch Staat selbst umgebracht zu werden, als in einer großen Zahl von Staaten in Asien, Afrika und auf dem amerikanischen Kontinent.
Hobsbawm, S. 489

Auch diese Statistik sollte interessant sein, wenn man mindestens etwas verstehen will mit "russisceh Seele":
1913 hatte das Zarenreich mit seinem Anteil von 9,4 Prozent an der Weltbevölkerung 6 Prozent des gesamten globalen "Volkseinkommens" und 3,6 Prozent der Industrieerzeugnisse produzier, 1986 hat dioe Sowjetunion mit weniger als 6 Prozent Anteil an der Weltbevölkerung 14 Prozent des globalen "Volkseinkommens" und 14,6 Prozent der Industrieerzeugnisse produziert. (Allerdings lag ihr Anteil an der globalen Agrarproduktion nur knapp höher; bolotin,1987, S 148-152). Russland war zu einer bedeutenden Industriemacht transformiert worden, und sein Sttus als Supermacht, den ernahezu ein halbes Jahrhundert beih´behalten konnte, beruhte auf diesem Erfolg. Doch im Gegensatz zu der Erwartungen der Kommunisten war der Motor der sowjetischen Wirtschaftsentwicklung so konstruiert, daß er, anstatt zu beschleunigen, immer mehr an Geschwindigkeit verlor...
Hobsbawm, S. 481

Barabaroosa, es ist schon interessant mit eigene Erfahrungen. Ich hatte auch stets unter Unfreiheit gelitten. Seit dem, wann ich mich bewusst erinnere. Anfangs war es Eltern, ich hatte sprichwörtlich mich "untejocht" gefühlt, wobei meine Eltern ganz normale Leute waren...wie sonst Eltern sind. Aus dieser Perspektive scheint mir jetzt auch meine Kindheit nicht so glücklich zu sein, wie ich dargestellt habe :P . Später ich war total unglücklich, wirklich fast physische Schmerzen hatte, weil die Wahl zwischen Studieren und nicht studieren als großte Unfreiheit empfunden habe. Oder "heiraten oder nicht heiraten". :D . Ich hatte dieses Entweder-oder als keine Wahl empfunden.

Ich beschäftige mich mit der Frage der Freiheit mehr in philosophischen Sinne. Es gibt keine absolute Freiheit. Es gibt eine Freiheit in bestimmten Rahmen. Immer. Die Frage wo und wie diese Rahmen setzen.
Ruaidhri
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Um auf Barbarossa einzugehen:
Ganz gewiss lag imWesten der Schwerpunkt auf Filmen/ Dokus und in den Print-Medien bei den West-Alliierten.
Politisch so gewollt, dem Zeigeist entsprechend- und der deutschen Teilung geschuldet.
Der Zwiespalt, die Schwierigkeit, die Opfer der SU anzuerkennen und doch sie auch wieder als durchaus real existierende Bedrohung unserer Freiheit zu sehen, war kompliziert.
Im Osten eben umgekehrt und noch zwiespältiger- einst Befreier, nun die macht im Hintergrund, nach deren Pfeife man zu tanzen hatte, könnte ich mir vorstellen.
Ob man mit einer Aufrechnung medialer Präsenz der sowjetischen Leiden dem Thema dient, sei dahin gestellt. Russische und deutsche letzte Überlebende dieses mörderischen Krieges jedenfalls scheinen mir da weiser und toleranter- und versöhnlich.
Dem Thema an sich und der Analyse der historischen Abläufe hilft es nicht oder nur wenig weiter.
Zum obigen neuen Post:
War der deutsche Volk sich unter Hitler unterjocht?
Ja. Schon, weil es Gedankenfeiheit nicht gab. Weil sich Kinder und Jugendliche kaum frei entwickeln konnten, sie nie Alternativen zum Nationalsozialismus und dessen Ideologie, diie ganz unmittelbar ins Leben eingriff, kennenlernten.
Es wurde kein Laut gesagt auf den Einwand, dass es keine einheitliche Situation in Ostblockstaaten war, um hier - damals zu der Zeit - über Unterjochung zu sprechen.
Das ist ob des Grundwissens in der Geschichte Osteuropas ist klar, dass es Unterschiede gab.
( Mal abgesehen von sehr guten Büchern, auch polinscher Historiker zur Geschichte Polens im 20.Jahrhundert.)
Wie groß ist der Dissidentum, welche Unterstützung hat er in Bevölkerung? Meistens bekommen wir Information gerade aus dieser unterjochten Quelle, die das Gewünschte für das reelle ausgeben kann. Es gilt sowohl für Vergangenheit als Zukunft.
Die Unterstützung der Dissidenten, und sei es die stille, war in Polen und in der CSSR trotz gewisser wirtschaftlicher Erfolge
latent oder offen, durchaus breit.
Keines der Regimes hätte ohne die Macht im Hintergrund bis 1989 überlebt.
Tatsächlich befand sich in den achtziger Jahren weniger sowjetische Bürger in den Gefängnisse der Sowjet Union als Amerikaner in den Gefängnissen der USA (pro 100 ooo Sowjetbürger 267 Gefangene, im Gegensatz zur 426 Häftlingen pro 100 000 US-Bürgern; Walker 1991). Außerdem war der Normalbürger in der Sowjetunion der sechziger und siebziger Jahre wahrscheinlich einem geringerem Risiko ausgesetzt, durch Verbrechen, zivile Konflikte oder durch Staat selbst umgebracht zu werden, als in einer großen Zahl von Staaten in Asien, Afrika und auf dem amerikanischen Kontinent.

Hobsbawm, S. 489
Klug gewählter Zeitraum zum Vergleich. Ich hoffe, Hobsbawn hat dann auch die Jahrzehnte vorher genauer analysiert? Meine, etwas von Gulags gelesen und gehört zu haben, in denen Menschen gefangengehalten wurden, deren Verbrechen es war, anders zu denken als die Partei es vorschrieb? (Nein, ich vergesse nicht Guantanamo, ein Unrecht, das eines Staates, der angeblich für Demokratie, Freiheit, Menschenrechte steht, absolut unwürdig ist.)
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LG Ruaidhri
Aneri

Klug gewählter Zeitraum zum Vergleich.
Hm-m. Da stoßen wir wieder an den Aspekt der Wahls des Zeitraums bzw. eines bestimmte Tendenzen, die NUR in dem Zeitraum herrschten, der als Einzige(!) für die Beurteilung des Ganzen (also Systems) sprechen müsste. Das ist eben kluge Vorgehensweise :roll: um eigenen "totalitären" bzw. einzigen wahren Sicht zu bewahren. Ich spreche über die Nachkriegszeit (das Thema des Threads), wo Stalins-Ära vorbei war. Es betrifft die Zeitraum von 1953 bis 1981, die ja auch kommunistisch war, hatte als Regime äußerlich die gleiche Merkmale (Einparteimacht, Zensur, Gewalttätigkeit um die Bewahrung eigener Interessen), dennoch war es doch anders. Und das spiegelt das Zitat wieder: ob ich nachts mit Angst jeden Geräusch wahrnehme, hinter dem die Geheimdienste vermute, oder ich entspannt schlafe und kann höheres Alter in diesem Bett ereichen und nicht in Gulag verschwinden.

Daher ist es keine klug gewählte Zitat, es ist der Zeitraum, um den hier geht und den man hier gern ausblendet...
Ja. Schon, weil es Gedankenfeiheit nicht gab.
Doch. Gedankenfreiheit gab, nur dürfte man es nicht aussprechen :wink:

Wobei ich kann sagen, dass gerade deswegen hat Theater in SU ein besondere - kommunikative - Rolle gespielt, da man eigene Code entwickelte. Von kommunistischen Zensur betrachtet war es nichts gefährliches, die "Eingeweihte" aber wussten sehr wohl, um was ging, wenn es um "nackten König" handelte. Nach dem Zusammenbruch SU war es Theater, der seine Rolle als aktive Opposition eingebüßt hat. Da ab jetzt könnte man ungeschminkt auf Parlamentarier-Bühne sprechen, man bedürfte kein Theater dazu.

Hm, m, jetzt sehe ich, dass du die obere Zitat in Bezug auf Hitler bzw. Nazis-System geantwortest hat. So passiert eben nach schnellen Überflug. Dennoch lasse ich mein Kommentar oben stehen. Aber in deinem Bezug bin ich ganz und gar auf deiner Seite. Die Umwelt formt unsere Gedanken. Aber auch unsere Gedanken formen die Umwelt. Die Geschichte vollzieht sich in einer Rückkoppelung, so dass kein System stabil auf ewig in diesem Sinne sein kann.
So etwa hat kommunistische Regime von Idealisten, die ihr Leben für ihre Ideen zu opfern bereit waren, entwickelten sich zur Nomenklatur, die mehr um eigene Kariere kümmerten. Die Realität zeigte, dass Ideen falsch waren, dass Experiment mißlungen. Aber wir ein massebehaftetes Körper eine Trägheit besitzt, so rollte das Kommunismus noch eine Weile weiter...

So die Pionierschaft und Komsomolz-zu-sein hat in meiner Generation ihren ideologischen Bezug eingebüßt. Der Tuch des Pioniers war ein Teil der Schuluniform, nicht mehr. Hobsbawm erwähnt die Studien-Befragungen in 80-er in Oststaaten, wo junge Leute nach der Frage: wer war Marx, hatten wildesten Antworten, wie etwa ein Übersetzer der Lenins-Werke in Ungarisch und ähnl. Breite Massen waren in dieser Zeit entpolitisiert (wobei die Ausnahmen wie etwa in Polen geben kann) und kommunistische Nomenklatur ihre ideale verloren.
Dem Thema an sich und der Analyse der historischen Abläufe hilft es nicht oder nur wenig weiter.
Doch hier denke ich anders. Weil unsere Wissen über die Vergangenheit prägt unsere Handlungen in Gegenwart.
Dietrich
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Aneri hat geschrieben:In einer Demokratie könntest du Unterjochung "messen", aber dann leider wäre es keine Demokratie gewesen (die ja s. z. naturgemäß für Ausgleich sorgt). In anderen Regimen sprechen über Unterjochung ist schwer, weil es nicht leicht beweisbar ist.
In Ländern mit Einparteienherrschaften ohne freie Wahlen herrscht Unterdrückung. Das ist ein ganz einfacher Tatbestand und eine klare Aussage. Die politische Struktur der kommunistischen Dikaturen im Ostblock war eindeutig:

Entsprechend der marxistischen Philosophie war das Ziel aller Maßnahmen im Zuge der soziualistischen Umgestaltung die Entmachtung des Individuums und seine Einordnung in das Kollektiv der sozialistischen Gemeinschaft, insbesondere der Produktionsgemeinschaft. Bekannt ist vor allem die sozialistische Umgestaltung der Wirtschaftmit mit ihren verhängnisvollen, bis heute nachwirkenden negativen Folgen.

In den ersten Jahren betrafen Enteignungen und Kollektivierungen zunächst Großgrundbesitzer und Industriebetriebe, dann aber auch die bäuerlichen Familienbetriebe. Später wurden auch kleine Betriebe, Geschäfte, Gaststätten umgestaltet, hinzu kamen Kultur-und Sportpolitik. Die Betriebe übernahmen familiäre Funktionen durch Sozialeinrichtungen, kulturelle Einrichtungen, Freizeitgestaltung, Ferienplanung, Wohnungsvergabe, Vorsorge, Zuteilung von Mangelwaren usw. und wurden so zu Lebensmittelpunkten der "Werktätigen" ausgebaut. Die Pflicht zur Arbeit tat ein übriges, die Bedeutung des Betriebs im Sinne der marxistischen Anthropologie zu stärken und die Familie als selbstständigen Faktor einzuschränken. Auch die Möglichkeiten, über die Ausbildung der Kinder zu entscheiden, waren eingeschränkt. Die sozialistische Umwälzung betraf also mehr oder weniger alle Strukturen, in denen menschliches Leben abläuft.

Ideologische Grundlage dieser Veränderungen waren das marxistische Menschenbild, die marxistische Philosophie, der Marxismus-Leninismus und die hieraus abgeleitete "Erziehung zur sozialistischen Persönlichkeit".

Beim Rückblick zeigt sich, dass die "sozialistische Umwälzung" erstaunlich genau die Vorgaben befolgte, die Karl Marx und Friedrich Engels bereits im Kommunistischen Manifest von 1848 entwickelt hatten. Die von ihnen angemahnten Aufhebungen von Strukturen und Einrichtungen der bürgerlichen Gesellschaft reichten u.a. von Forderungen nach Enteignungen des Privateigentums an Produktionsmitteln über Verstaatlichungen von Banken und Verkehr, Aufhebung von Familie und Ehe, Arbeitszwang für alle bis zur einheitlichen Erziehung der Kinder.
Aneri hat geschrieben:War der deutsche Volk sich unter Hitler unterjocht?
Der Nationalsozialismus war eine deutsche Ausformung des Faschismus. Das System stützte sich auf einen Terror- und Überwachungsapparat, inhaftierte Gegner und Minderheiten in Konzentrationslagern, setzte die Justiz nach Belieben außer kraft, verletzte die Menschenrechte und unterjochte als Diktatur das deutsche Volk. Was sonst?
Aneri hat geschrieben:Bestimmte Teile, die als Feinde gebrandzeichnet waren und von den meisten übrigen auch solche gesehen wurden. In allen nicht demokratischen Regimen läuft stets Gefahr, dass man ein Teil, die als wirklich unterjochtes angesehen kann/muss, wird (bewusst oder unbewusst) überschätzt. Wie groß ist der Dissidentum, welche Unterstützung hat er in Bevölkerung? Meistens bekommen wir Information gerade aus dieser unterjochten Quelle, die das Gewünschte für das reelle ausgeben kann. Es gilt sowohl für Vergangenheit als Zukunft.
Das sind absurde Spitzfindigkeiten. Eine Diktatur ohne freie Wahlen muss man so auch benennen. Und natürlich ist sie ein Apparat zur Unterdrückung der Bevölkerung.
Zuletzt geändert von Dietrich am 09.05.2015, 13:13, insgesamt 2-mal geändert.
Aneri

Ich lasse hier wieder Hobsbauwm sprechen, weil so konzentriert ich nicht werde schaffen können. Ich hoffe, dass es auch im Sinne des Hobsbawms wäre, so dass auch „Urheberrechschutzbeauftragte“ wegen dieser ausgedehnten Zitat hier schweigen würde.

Hobsbawm "Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20 Jhd. " über Enstehung des Ostblocks (1945-48), Seite 493:
Von der neuen Regimen der vierziger Jahre wurden nur vier ausschließlich unter dem Druck der Roten Armee erzwungen, obwohl alle in Europa erst durch deren Sieg möglich gemacht wurden: Polen; der von ihr besetzte Teil Deutschlands; Rumänien (wo die regionale kommunistische Bewegung höchstens ein paar hundert Leuten bestand, von denen die meisten ihrer Herkunft nach keine Rumänen waren) und maßgeblich Ungarn. In Jugoslawien und Albanien waren die Regime ausgesprochen hausgemacht; die vierzigprozentige Stimmenanteil der Kommunistischen Partei in der Tschechoslowakei bei den Wahlen von 1947 spiegelt ziemlich sicher ihre tatsächliche Stärke dieser Zeit wider; und in Bulgarien wurde der kommunistische Einfluß von russophilen Gefühlen begünstigt, die überall im Land herrschten...

Aber selbst in Staaten, denen die kommunistische Macht von der Roten Armee aufgezwungen worden war, wurden die neuen Regime anfänglich als legitim empfunden und erhielten eine Weile lang durchaus Unterstützung aus dem Volk. Wie bereits erwähnt (Fünftes Kapitel), waren viele junge Menschen und Intellektuelle von der Idee eingenommen, eine neue Welt auf dem so ersichtlich totalen Trümmerfeld der alten zu erbauen. Wie unpopulär Partei und Regierung jeweils auch gewesen sein mögen, so haben die Energie und Entschlossenheit, mit der beide die Aufgabe des Wiederaufbaus nach dem Krieg angingen, breite, wenn auch widerstrebende Zustimmung hervorgerufen. Die Erfolge dieser neuen Regime bei der Bewältigung dieser Aufgabe waren in der Tat nicht zu leugnen. In den rückständigen Agrarstaaten hat die kommunistische Verpflichtung auf Industrialisierung, also Fortschritt und Modernität, ihr Echo weit über Parteiränge hinaus gefunden. Wer hätte auch abstreiten können, dass sich Staaten wie Bulgarien oder Jugoslawien sehr viel schneller entwickelten, als es vor dem Krieg möglich oder sogar vorstellbar war? Nur dort, wo eine primitive und skrupellose Sowjetunion weniger rückständige Regionen besetzt und sich gewaltsam einverleibt hatte; oder in Regionen mit entwickelten Städten, wie in den Gebieten, die zwischen 1939 und 1940 transferiert wurden; oder in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (die über geräume Zeit nach 1945 von der Sowjetunion zum Zwecke ihres eigenes Wiederaufbaus ausgeplündert wurde, bevor sie 1949 zur Deutschen Demokratischen Republik wurde) - nur dort sah die allgemeine Bilanz völlig negativ aus.
Die Zeit ab 1948 bis 1956:
1948 war er (Stalin) denn auch ganz überrascht, als die kommunistische Führung Jugoslawiens – die so loyal gewesen war, dass Belgrad nur weniger Monate zuvor zum Hauptquartier der im kalten Krieg rekonstruierten Kommunistischen Internationalen (...) gemacht worden war – ihren Widerstand gegen sowjetische Dierktiven bis zum offenen Bruch führte- Moskaus Appel, über den Kopf von Tito hinweg, an die Loyalität der treuen Kommunisten stieß auf so gut wie keine Reaktion in Jugoslawien. Charakteristischeweise reagierte Stalin, indem er seine Säuberungsaktionen und Schauprozesse auf die kommunistischen Führungsriegen der restlichen Satellitenstaaten ausdehnte.
Etwas mehr über diese Prozesse:
In Polen und der DDR gelang es ihnen, solche Prozeßfarcen zu vermeiden; kein führender Kommunist wurde umgebracht oder an die sowjetischen Sicherheitskräfte ausgeliefert. Allerding wurden prominente Kommunistenführer in Bulgarien (Traicho Kostow) und Ungarn (Laszlo Rajk) unmittelbar nach dem Bruch mit Tito hingerichtet, und in der Tschechoslowakei dezimierten in Stalins letztem Jahr ganz besonders unglaubwürdige Massenprozesse mit auffalend antisemitischen Tönung gegen führende tschechische Kommunisten die alte Führungsregie der nationalen Partei.
Doch letztlich blieb die kommunistische Bewegung von der jugoslawischen Sezession unberührt. Der sowjetische Block begann erst mit Stalins Tod zu bröckeln, vor allem aber mit den öffentlichen Anklagen auf dem 20 Parteitag der KPdSU... Die Auswirkungen auf die sowjetische dominierte Region Europas folgten auf dem Fuße. Innerhalb von wenigen Monaten wurde in Polen eine Führung von Reformkommunisten friedfertigt (und wahrscheinlich mit Hilfe guter Ratschläge der Chinesen) von Moskau akzeptiert, und in Ungarn brach eine Revolution aus. Dort verkündete neue Regierung unter Reformkommunisten Imre Nagy das Ende der Einparteiherrschaft, was die Sowjets wahrscheinlich noch toleriert hätten - die Meinungen unter ihnen waren gespalten; aber sie verkündigte auch den Auszug Ungarns aus Warschauer Pakt und eine künftige Neutralität – und das könnten sie nicht tolerieren. Im November 1956 wurde Revolution von der russischen Armee niedergeschlagen.
So kann man über Unterjochung ab 1956 mit vollem Recht zu sprechen. Davor war es viel differenzierter, als man hier darstellen möchte.
Dietrich
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Registriert: 04.05.2012, 18:42
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Aneri hat geschrieben:I
So kann man über Unterjochung ab 1956 mit vollem Recht zu sprechen. Davor war es viel differenzierter, als man hier darstellen möchte.
Das Muster war überall gleich.

Durch Umsturz, Staatsstreiche und Wühlarbeit gelangten in den Ostblockstaaten gleich nach 1945 kommunistische Regierungen an die Macht, unter denen es keine freie Wahlen mehr gab.

1. In der Tschechoslowakei gelangten die Kommunisten durch den Februarumsturz von 1948 an die Macht. http://de.wikipedia.org/wiki/Februarumsturz

2. Nachdem im Frühjahr 1945 die Rote Armee ganz Polen besetzt hielt und die 14 wichtigsten Anführer der mehrheitlich antikommunistischen Heimatarmee nach Moskau verschleppte, dort zu langjährigen Haftstrafen verurteilte und teilweise ermordete, war der Hauptwiderstand gegen die neue Besatzung und die „Sowjetisierung“ der polnischen Gesellschaft gebrochen.

3. Am 1. Juni 1946 wurde der Generalstabschef des Heeres und diktatorisch regierende Ministerpräsident Rumäniens Ion Antonescu im Gefängnis Jilava nahe Bukarest hingerichtet. Bei den Wahlen nach Einheitsliste vom 9. November 1946 verbuchten die Kommunisten 80 % der Stimmen, jedoch kam es hierbei zu weit verbreiteten und teilweise gewaltsamen Wahlmanipulationen. Im Frühjahr 1947 zerschlug die Groza-Regierung die Reste der Opposition mit Massenverhaftungen und dem Verbot der beiden großen traditionellen politischen Gruppen http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_Rum%C3%A4niens

4. Während des Zweiten Weltkrieges wurde Lettland zuerst von der Sowjetunion, später vom Deutschen Reich besetzt. Bei Einzel- und Massendeportationen wurde während der sowjetischen Besatzung rund ein Prozent der Landesbevölkerung in Gulags und in die sogenannte Sonderansiedlung deportiert. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Lettland wieder von der Sowjetunion besetzt und als Lettische SSR der Sowjetunion angegliedert. Unter der Sowjetherrschaft wurden besonders im März 1949 massenweise Letten nach Zentralasien deportiert. Die Lettische SSR war einer Russifizierungspolitik ausgesetzt. http://de.wikipedia.org/wiki/Lettland

5. Im Sommer 1944 besetzte die Rote Armee große Teile Litauens und erklärte die Litauische Sozialistische Sowjetrepublik (LSSR). Der Widerstand der sogenannten „Waldbrüder“ gegen die sowjetische Besatzung stand ohne ausländische Unterstützung auf verlorenem Posten und war ab 1948 auf einige wenige Partisanenverbände geschrumpft. Stalin ließ 1949 in einer dritten großen Deportationswelle Zehntausende „staatsfeindliche Elemente“ nach Sibirien deportieren, nachdem bereits 1940/41 und 1945/46 Verhaftungen und Deportationen in großem Stil durchgeführt worden waren. Viele der Deportierten starben in den Straflagern im Osten der Sowjetunion. http://de.wikipedia.org/wiki/Litauen

6. Die DDR entstand 1949 als Einparteienstaat der SED, in dem die so genannten "Blockparteien" ("Blockflöten") lediglich ein demokratisches Mäntelchen vortäuschten. Zu den Wahlen gab es Einheitslisten, d.h. es konnte lediglich einer Liste ohne Auswahlmöglichkeiten zugestimmt werden. Sie bildete ein typisches Herrschaftsinstrument der SED in der DDR und war Kennzeichen der kommunistischen Diktatur.

Die Beispiele ließen sich fortsetzen.
Sie zeigen deutlich, dass die Bevölkerung der Ostblockstaaten von Anfang an den Einparteienherrschaften der Kommunisten ausgeliefert waren, die sich nach 1945 durch Umsturz und Manipulation mit gewalttätiger Unterstützung der Sowjetunion an die Macht gebracht hatten.
Zuletzt geändert von Dietrich am 09.05.2015, 14:22, insgesamt 1-mal geändert.
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