Leben nach Kriegsende in Deutschland im Sommer 1945

Der zerstörerische Krieg von Hitler und seinen Schergen gegen Europa

Moderator: Barbarossa

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Orianne
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Das tut mir leid Lia.

Es ist sehr viel, was Deine Familie durchmachen musste. Wenn ich die Texte von Euch lese, dann werde ich traurig, und ich kriege eine Wut auf Hitler, aber auch auf die Alliierten, was die mit all den Menschen angerichtet hatten.

Ich habe erst kürzlich über einen Psychiater einen Bericht gelesen, er wurde 1945 mit 4 Jahren zusammen mit seiner Mutter und seiner älteren Schwester vertrieben, nach Kriegsende. Er hatte traumatische Dinge erlebt von Vergewaltigung bis Mord, seine Schwester überlebte den Marsch nicht, sie verhungerte. So kamen Mutter und Sohn im Winter 1946 nahe Berlin zu ihren Verwandten. Der Sohn konnte Medizin studieren, wurde dann aber Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie mit eigener Praxis in Berlin. Heute behandelt er nur noch ausschliesslich Leute, die nach dem Krieg Traumas erlebten, er will solange Psychiater bleiben wie er kann, er sagt in dem Interview, auch er könne durch die Gespräche mit Patienten vergessen, denn es war so, dass der Mensch einfach wie eine Maschine nach dem Krieg funktionieren musste, Kinder, Arbeit u.s.w. Jetzt wo die Leute alt sind, kommt das Verdrängte wieder zum Vorschein, viel hat er mit Leuten zu tun, die als Kinder an den Bombennächten litten, er hat z.B. eine Frau, sobald sie ein Flugzeug hört, geht sie unter den Tisch in Deckung und weint.
Solche Berichte schlagen doch auf den Magen.....
Grant stood by me when I was crazy, and I stood by him when he was drunk, and now we stand by each other.

General William Tecumseh Sherman
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Lia

Orianne hat geschrieben:Das tut mir leid Lia.

Es ist sehr viel, was Deine Familie durchmachen musste.
Lieb, Orianne, doch objektiv ging es ihnen noch Gold im Vergleich zu anderen, die alles verloren hatten, aus und Hof und Angehörige, die Heimat. Und so haben meine Eltern das trotz aller Unbill auch immer gesehen und beurteilt. Gab immer noch Menschen, die viel viel ärger dran waren sie und Frauen, die viel viel Schlimmeres auf der Flucht erlebt hatten als meine Mutter.
Die im Krieg Schlimmeres erlebt hatten als mein Vater, verwundet wurden, als Versehrte zurückkamen.
Orianne hat geschrieben: Kinder, Arbeit u.s.w. Jetzt wo die Leute alt sind, kommt das Verdrängte wieder zum Vorschein, viel hat er mit Leuten zu tun, die als Kinder an den Bombennächten litten, er hat z.B. eine Frau, sobald sie ein Flugzeug hört, geht sie unter den Tisch in Deckung und weint.
Solche Berichte schlagen doch auf den Magen.....
Dem könnte ich viele ähnliche Beispiele hinzufügen.
Der Umgang mit den Traumata der Kriegsgenerationen ist schwierig, vielleicht einen eigenen Thread wert.
Teilweise wurde den Deutschen, auch den vergewaltigten Frauen, von den nachkommenden Generationen unterstellt, sie vergäßen, was Deutsche woanders getan hätten, insofern, na ja, am Ende sei Vergewaltigung und Morden mit umso verständlicherem Vergewaltigung und Morden vergolten worden.
Manche haben-Männer wie Frauen- lange nie über das geredet, was sie erlebt und gesehen hatten. Man sprach über so etwas nicht, mal gar nicht als Frau.
( In Deutschland nicht, in Polen und der SU auch lange nicht, was individuelles Erleben betraf.)
Dass es immer ganz individuell verstanden und behandelt werden muss und nicht sozuagen als Teil der deutschen Kollektivschuld abgetan werden darf, war lange, zu lange, bei vielen Ton angebenden Kreisen verpönt.
Der Hinweis: "Aber die Deutschen haben ja auch, und darum...", der wahrlich, der ist an der Stelle total fehl am Platze.
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Orianne
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Das kann ich verstehen Conzaliss, nicht jede Frau könnte über so etwas reden. Zum Glück hat sich Deine Befürchtung nicht bestätigt.
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Lia

Zwar Nachkriegs-Wirtschaftswunderkind, sind mir die Geschehnisse und Nachwirkungen des 3. Reiches, vielleicht auch- durch Oma- die Zeiten von WK 1 bis dahin vertrauter als meinen Neffen und Nichten. Wir kannten sie noch, die Kriegsversehrten, die ehemaligen Konzentrationslager-Häftlinge, die trotz ausreichender Versorgung die Mülltonnen wie unter Zwang nach noch Essbaren durchsuchten, wir kannten sie, die Bombenlücken, Trümmergrundstücke, sogar die letzten Nissenhütten und Barackenlager. Die Erzählungen von der Flucht, aus den russischen Gefangenenlagern, von Angehörigen, die auf der Wilhelm Gustloff, der Steuben, der Goya und anderer versenkter Flüchtlings- (und Truppentransporter) den vermeintlichen Rettungsweg angetreten hatten.
Die massenhafte materielle wie psychisch moralische Entwurzelung der Deutschen hat sicherlich ihre Ursachen in der Kriegstreiberei der Nazis und derer, die sie wählten, verehrten, ihnen folgten. Oder sich nicht wehrten, wehren konnten.
Schon während des Bombenkrieges hatte so ziemlich jeder ums eigene Überleben zu kämpfen, mehr als stille Gegenwehr gegen den Gröfaz und Flüsterwitze waren den meisten Menschen nicht gegeben.
Keineswegs darf man die Ursachen übersehen, leugnen, relativieren, verniedlichen. Doch ebenso wenig darf man als gerechten Ausgleich betrachten, was vielen unschuldigen, Frauen, Kindern, alten Menschen widerfuhr und am Ende der gesamten Nation.
Zwar verbietet sich in meinen Augen ( nicht nur hier) jeder Vergleich zum Holocaust, dessen Furchtbarkeit mit nichts zu vergleichen ist, aber das Grauen der Bombenangriffe, Feuerstürme, der Flucht, des Hungers der Deutschen abzutun, weil eben nicht so schlimm wie KZ, und am Ende auch verdient, ist auch nicht korrekt.
Traumata gab bei fast allen Menschen in den Jahrgängen, die beide Kriege oder nur den 2.WK und Nachkriegszeiten erlebt hatten, Traumata sehr unterschiedlicher Art auch.
So unterschiedlich wurden sie verarbeitet, verschwiegen, verdrängt. Oder verbalisiert.
Tja, und, so subjektiv, taten Männer dies- teilweise stellvertretend für die Frauen ganz anders als diese selbst.
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Gontscharow
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@Lia : Ich kann deine Beobachtung hinsichtlich deiner Nichten und Neffen bestätigen.
Ich habe diese Erfahrung auch schon oft gemacht, in der eigenen Familie und mit
Jugendlichen allgemein:
Für sie sind die Geschehnisse der II: Weltkriegs Geschichte so wie für uns Napoleon Geschichte ist
----so ist halt der Lauf der Zeit.
Meine Eltern waren Kinder/Jugendliche im Krieg, väterlicherseits bei den Nazis, mütterlicherseits
bei den Bolschewisten. Diese Menschen sind so gut wie alle traumatisiert worden und SIE
waren es ja, die uns aufgezogen haben. Das haben wir als Kinder natürlich gemerkt, auch wenn wir es
erst heute als Erwachsene benennen können.
Deshalb ist für uns der Krieg und die Diktaturen näher als für jemanden, der 1980 ff. geboren wurde,
weil dessen Eltern i,d.R. schon zur Nachkriegsgeneration gehörten und diese Traumata nicht mehr weitergegeben haben,
was auch gut ist.
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