Die Münchner Räterepublik 1919

Deutschland zwischen den Kriegen: Stresemann, Goldene Zwanziger, Völkerbund, Zerstörung einer Demokratie, Weimarer Republik

Moderator: Barbarossa

Wallenstein

Am 7. April 1919 erklärten einige Philosophen und Schriftsteller, die linke Boheme von München, Bayern zur Räterepublik. Ihre ersten Maßnahmen waren: Der 7. April sollte Nationalfeiertag werden und Bayern würde man in Zukunft mit „i“ schreiben, also Baiern. Es folgte folgende Proklamation:

„An das Volk in Baiern! Die Entscheidung ist gefallen. Baiern ist Räterepublik. Das werktätige Volk ist Herr seines Geschickes. Zum Zeichen der freudigen Hoffnung auf eine glückliche Zukunft für die ganze Menschheit wird hiermit der 7. April zum Nationalfeiertag erklärt. Zum Zeichen des beginnenden Abschieds vom fluchwürdigen Zeitalter des Kapitalismus ruht am 7. April 1919, in ganz Baiern die Arbeit, Es lebe das freie Baiern! Es lebe die Republik! Es lebe die Weltrevolution!“

W. Leonhard, Völker hört die Signale, München 1981, S.119 f.

Diese gespenstische Republik brach aber schon nach einer Woche zusammen.

Anfang November 1918 hatten machtvolle Demonstrationen in München zum Sturz von König Leopold III geführt. Arbeiter – und Soldatenräte bildeten sich und wählten den USPD Abgeordneten Eisner zum neuen Ministerpräsidenten. Er erklärte Bayern flugs zum Freistaat, was nur bedeutete, dass das Land jetzt eine Republik war. Die ursprüngliche Einheit zwischen USPD und SPD zerfiel rasch, denn die SPD wollte eine parlamentarische Republik errichten, Eisner hingegen liebäugelte mit einer Räteherrschaft. Am 12. Januar kam es in Bayern zur Wahl. Mit großer Mehrheit siegten die SPD und die konservativen Parteien, die USPD landete weit abgeschlagen bei nur 2,5%. Eisner erklärte daraufhin seinen Rücktritt. Auf dem Weg ins Parlament wurde er am 21.Februar 1919 von dem Graf Arco auf Valley erschossen, der dafür lebenslange Festungshaft erhielt, aber nach wenigen Jahren entlassen wurde. In Bayern bildete die SPD unter dem weit rechts stehenden Hoffman eine von den Konservativen tolerierte Minderheitsregierung.

Doch es gab eine Doppelregierung. Einerseits die Regierung Hoffmann, andererseits die Arbeiter –und Soldatenräte. Der Mord an Eisner peitschte die politische Stimmung auf. In den Räten dominierten nun Leute wie der Philosoph Landauer, der Anarchist Erich Mühsam oder der Schriftsteller Ernst Toller. Mit ihren öffentlichen Reden hatten sie großen Erfolg, aber mehr passierte dann auch nicht, es war nur heiße Luft. Berauscht von ihrer eigenen Rhetorik, hielten sie die Gelegenheit für günstig, erklärten am 7. April 1919 Bayern zur Räterepublik und verteilten an sich selbst die entsprechenden Ämter. Doch als Erich Mühsam auf dem Stachus die frohe Botschaft vor 15.000 Menschen verkündete, erhielt er nur wenig Beifall. Die Kommunisten erklärten sogar, dass sie diese Räterepublik nicht unterstützen würden. Hoffman war inzwischen nach Bamberg geflüchtet und baute eine Armee auf, um München zu besetzen.

Die neuen Herrscher hatten kein Konzept. Ihr Ökonom Silvio Gesell, plante die Nationalisierung der Banken und die Etablierung eines neuen Geldsystems, der Philosoph Landauer wollte eine radikale Umgestaltung des Bildungswesens, andere planten die sofortige Beseitigung des Privateigentums, die Auflösung der Verwaltung und die „Selbstherrschaft“ der Volkes durch die Arbeiterräte.

Die neue Regierung wurde von den Bauern, dem Mittelstand, aber auch von großen Teilen der Arbeiterschaft abgelehnt. Der Dichter Graf schreibt:

„Der Bahnverkehr stockte. Streiks tobten, die Geschäftswelt war in tausend Ängsten, vor den Brotläden staute sich lange Reihen. Selbst der Unbeteiligte spürte den Schrecken des herannahenden Hungers. Draußen, auf vielen Straßen des flachen Landes, trieb kein Viehtransport mehr dahin. Jäh von einem Tag auf den andern, gab es keine Milch, keine Butter, keine Eier und kein Fleisch mehr, Die Märkte waren verlasen, die Bauern lieferten nichts mehr.“
Leonhard, a.a.O. Seite 121

Am 13.April erklärten die Gegner der linken Boheme die Regierung für abgesetzt. Treibende Kraft waren die Kommunisten, die in den Arbeiter – und Soldaten Räten die Macht übernahmen und die linken Träumer verhafteten. In dieser zweiten Räterepublik unter den Kommunsten ging es nun strenger und disziplinierten zu. Sie hatten auch mehr Rückhalt in der Arbeiterschaft und gründeten eine Rote Armee, um die Truppen der Regierung Hoffmann zu stoppen. Sie errangen auch einige Siege, doch Anfang Mai 1919 marschierten die Soldaten ein, richteten ein fürchterliches Blutbad an und beendeten dieses kurzlebige Experiment
Wallenstein

Gleich nach der Novemberrevolution 1918 gründete sich in München die rechtsradikale „Thule-Gesellschaft“, der führende spätere Nazis angehörten, wie z.B. der Chefideologe Alfred Rosenberg, der Stellvertreter von Hitler, Rudolf Hess und der spätere Generalgouverneur von Polen, Hans Frank.

Sie bekämpften die „jüdische Verschwörung“ in München, denn sowohl der erste Ministerpräsident, Kurt Eisner, als auch die führenden Köpfe der Räterepublik, Landauer, Toller und Erich Mühsam, waren allesamt jüdischer Abstammung.

Unklar ist die Rolle von Hitler in dieser Zeit. Am 16. Februar 1919 marschiert er zusammen mit Mitgliedern des „Revolutionären Arbeiterrates“ und einer roten Armbinde durch München. Am 21. Februar zeigt ihn ein Foto bei der Trauerfeierlichkeit für den erschossenen Eisner. Und am 15. April 1919, also während der zweiten Räterepublik, die von den Kommunisten geführt wurde, wird er in den Soldatenrat gewählt. Nach der Niederschlagung der Räterepublik tritt er als Zeuge auf gegen frühere Mitglieder dieser Bewegung.

P.S.
Interessant ist auch noch der Anarchist Ret Marut (1882 – 1969), der später unter dem Pseudonym B. Traven ein weltberühmter Schriftsteller wurde und in Mexiko lebte.

Während der kurzen Münchner Räterepublikszeit im Frühjahr 1919 übernahm Marut das Amt eines Chefzensors und war treibende Kraft bei der geplanten Sozialisierung der Presse; außerdem engagierte er sich für den Aufbau revolutionärer Strafgerichte.

Berühmte Romane von Traven sind:

Der Schatz der Sierra Madre (verfilmt von John Huston mit Humphrey Bogart)

Das Totenschiff (verfilmt mit Horst Buchholz und Mario Adorf)

Die Baumwollpflücker; Die Brücke im Dschungel, Ein General kommt aus dem Busch und noch viele andere.
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Orianne
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Danke für den Post Wallenstein :)

Der Thule-Gesellschaft wird ja heute noch eine Art Okkultismus vorgeworfen was bekanntermassen nicht stimmt(e), es hatte aber Leute darunter wie die schillernde Gestalt Rudolf von Sebottendorf, der zuerst mit Hitler "gut" war, und dann 1934 aus dem DR geworfen wurde.
Er war Okkultist, er dachte, er hätte den Nationalsozialismus erfunden.
Grant stood by me when I was crazy, and I stood by him when he was drunk, and now we stand by each other.

General William Tecumseh Sherman
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