Volksmarine 1919 - Verrat der Mehrheitssozialdemokratie?

Deutschland zwischen den Kriegen: Stresemann, Goldene Zwanziger, Völkerbund, Zerstörung einer Demokratie, Weimarer Republik

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Barbarossa
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Katarina Ke hat geschrieben:In der deutschen Revolution muss man mehrere Phasen unterscheiden.

Bleiben wir mal bei den Monaten November 1918 bis Februar 1919.
Ja ok.
Katarina Ke hat geschrieben:Es gab ab dem 30. Dezember 1918 eine KPD. Sie nahm an den Wahlen zur Weimarer Nationalversammlung nicht teil. In Russland erreichten die Bolschewisten bei den Wahlen zur Konstituante am 12/25. November 1917 168 Mandate und wurden zur zweitstärksten Partei.

Die KPD war im Januar 1919 eine Splitterpartei, während die Bolschewiki einen beachtlichen Machtfaktor darstellten - was auf keinen Fall ihre Diktatur rechtfertigt!
Natürlich nicht. Aber wer sich mit der Ideologie von Marx, Engels und später auch Lenin auseinandersetzt weiß, dass diese Ideologie das Gegenteil von Demokratie - so wie wir sie verstehen - beinhaltet. "Diktatur des Proletariats" sagt eigentlich schon viel aus. Dass die KPD nicht an den Wahlen zur Nationalversammlung teilnahm, lag daran, dass die KPD die parlamentarische Demokratie nicht akzeptieren wollte. Es gab auch zu späteren Wahlen noch heftige Diskussionen darüber.

Über den radikalen Charakter der KPD-Mehrheit:
Während die beiden führenden Köpfe der Spartakusgruppe Anfang 1919 auf eine Beteiligung an den bevorstehenden Wahlen zur Nationalversammlung drängten, um auch das Parlament als Bühne für den Kampf gegen den demokratischen Parlamentarismus zu nutzen, wollte die Mehrheit der KPD-Mitglieder die Diktatur des Proletariats ausschließlich durch Massenstreiks und bewaffnete Aufstände errichten. Der Berliner Spartakusaufstand vom Januar 1919 wurde aber im Auftrag des sozialdemokratischen Volksbeauftragten Gustav Noske durch regierungstreue Freikorps-Einheiten blutig niedergeschlagen.
Quelle: http://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer ... k/kpd.html

Und natürlich war die KPD nur eine kleine Partei, nicht aber die USPD, die einen so linken Flügel hatte, dass sich dieser bei Auflösung der Partei der KPD anschloss, wodurch diese plötzlich ziemlich groß wurde.
Katarina Ke hat geschrieben:Die Arbeiter- und Soldatenräte waren eine Bewegung, in der regional unterschiedliche Ziele formuliert wurden. Es hing davon ab, ob die Räte von Vertretern der MSPD oder der USPD beherrscht wurden. In der Regel drängten die Räte auf eine Sozialisierung des Bergebaus sowie der Eisen- und Stahlindustrie. Auf dem Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte im Dezember 1918 in Berlin wollte die Minderheit die Wahlen verschieben, aber nicht verhindern.

Die These von der Alternative "Parlamentarische Demokratie oder Bolschewismus" beruht auf einer starken Überschätzung der kommunistischen Bedrohung.

Die politischen Kräfte, die links von der Mehrheitssozialdemokratie standen, bildeten keinen homogenen Block. Innerhalb der USPD gab es einen gemäßigten Flügel, der im Grunde eine entschieden reformistische Politik wollte. Man sah in den Räten Verbündete bei der demokratischen Umgestaltung Deutschlands, während Ebert die Räte als Hindernis für seine Politik der Stabilisierung betrachtete.
Ja, da muss man natürlich differenzieren und das tat ich ja weiter oben auch, als ich schrieb, dass es darauf an käme, ob eine "Räterepublik" etwa als "Sozialistische Republik" proklamiert wurde. In diesem Fall wollten die Protagonisten etwas anderes, als eine parlamentarische Republik. Genügend Beispiele dafür hatte ich angeführt, wo das so war - fast im ganzen Reichsgebiet.
Katarina Ke hat geschrieben:Der Januar-Aufstand war kein gezielter kommunistischer Putsch (vgl. Detlev J.K. Peukert, Die Weimarer Republik, Frankfurt/M. 1987, S. 43). Schon unter diesen Umständen ist der Vergleich mit der Situation in Russland 1917 abwegig.
Dazu aus: http://www.bpb.de/geschichte/nationalso ... 8-19?p=all
Ein Berliner Polizeipräsident, der Aufständischen half, statt die Regierung zu schützen, war nicht tragbar – am 4. Januar 1919 wurde Eichhorn entlassen. USPD, Revolutionäre Obleute und KPD riefen sofort zu einer Protestdemonstration auf, die am Folgetag großen Zulauf fand und unerwartet außer Kontrolle geriet. Bewaffnete Demonstranten besetzten das Berliner Zeitungsviertel. In völliger Fehleinschätzung der Lage ließen sich die Führer der drei linksradikalen Gruppen zu dem Beschluss hinreißen, den Aufstand bis zum "Sturz der Regierung Ebert-Scheidemann" fortzusetzen – sie wollten die Wahl der Nationalversammlung verhindern und die Revolution fortsetzen.
(...)
Mit den Worten: "Meinetwegen! Einer muss der Bluthund werden, ich scheue die Verantwortung nicht!" übernahm Gustav Noske den Auftrag, in der Umgebung Berlins Freiwilligenverbände aufzustellen. Als Verhandlungen mit den Aufständischen scheiterten, ließ er am 11./12. Januar das Berliner Zeitungsviertel beschießen und stürmen. Es gab zahlreiche Tote und Verletzte. Obwohl die Ordnung bereits am 13. Januar wiederhergestellt war, beorderte Noske zusätzliche Freikorps der OHL nach Berlin. Zu diesen gehörte eine Gruppe von Offizieren um den Hauptmann Waldemar Pabst, die am 15. Januar 1919 Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in ihre Gewalt brachte und brutal ermordete...


Eine Protestkundgebung geriet außer Kontrolle und geriet zu einem Putschversuch gegen Ebert. Die Kommunisten konnten das sicher nicht gewinnen, aber sie versuchten es.
Katarina Ke hat geschrieben:Meiner Meinung nach hat die MSPD sich zu früh auf die alten Gewalten gestützt. Die MSPD entwickelte im Herbst 1918 eine hysterische Kommunistenfurcht. Möglicherweise spielte das Schicksal der russischen Menschewisten eine Rolle. Diese russischen Sozialdemokraten wurden von den Bolschewiki erbarmungslos verfolgt.
Auf keinen Fall hätte man auf Freikorps als Machtstütze zurückgreifen dürfen. Das waren Paramilitärs und sicher nicht gut dazu geeignet, um die "Ruhe und Ordnung" wieder herzustellen.

Die "hysterische Kommunistenfurcht", wie du sie nennst, ist im Großen und Ganzen keineswegs übertrieben. Wer die einmal errichtete Diktatur der Kommunisten (DDR) selbst miterlebt hat, bekommt auch mit, wie sie ticken. Die haben mit Demokratie, wir wir sie heute kennen, noch nie was zu tun gehabt. Auch nicht mit freier Meinungsäußerung oder Rechtsstaatlichkeit.
Katarina Ke hat geschrieben:Das Prinzip der wehrhaften Demokratie ist mir bekannt - ja. Und gerade dieses Verfassungsprinzip legt fest, dass man eine verfasssungsfeindliche Partei mit rechtsstaatlichen Mitteln bekämpfen muss. Dein Vergleich mit der Situation 1918/19 ist ahistorisch.
Ja ok, aber wenn eine verfassungsfeindliche Partei einen bewaffneten Aufstand beginnt - was bleibt dem Rechtsstaat dann übrig?

Die Härte, die Noske anwandte, war jedoch ohne Frage überzogen, da stimmen wir überein.
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