Inflation Weimarer Republik 1923 - verständlich erklärt

Deutschland zwischen den Kriegen: Stresemann, Goldene Zwanziger, Völkerbund, Zerstörung einer Demokratie, Weimarer Republik

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Marek1964
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Ich habe einen Artikel über Inflation geschrieben, Betonung lag auf der verständlichen Erklärung für Laien, Hauptbezug die Situation von 1923. Anlässlich der Schüleranfrage und unserer Diskussion hier http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... 825#p41825 stelle ich ihn rein.


Den Grundstock für die Inflation stellte der Krieg mit seinen Kosten dar.

In einem Krieg wird die freie Marktwirtschaft weitgehend eingestellt. Es werden Güter des täglichen Gebrauchs rationiert, auch weniger produziert, da viele nun an der Front sind oder in der Rüstung beschäftigt sind. Die Preise warden staatlich festgelegt (somit wird der Preismechanismus von Angebot und Nachfrage ausser Kraft gesetzt - anders gesagt: sie können nicht teurer werden), Dafür werden Werte produziert, die schnell wieder vernichtet werden, statt von jemandem gekauft zu werden: Waffen, Granaten, Kanonen usw. Trotzdem werden die Arbeitskräfte, die sowas produzieren, vom Staat bezahlt. Und ebenso die Soldaten und Offiziere an der Front, die Krankenschwestern in den Lazaretten und die Eisenbahner, die sie an die Front transportieren usw. usf.
Folge: Die Leute können ihr Geld nicht ausgeben, es gibt zuviel Geld und nichts zu kaufen. Geht das über Jahre, staut sich das Geld auf - und es stehen keine realen Werte gegenüber.
Im Moment, wo die Rationierung aufgehoben wird, explodieren die Preise, denn es ist viel mehr Geld da als reale Güter. Wenn nun munter Geld gedruckt wird, gibt es Inflation, die auch in Hyperinflation münden kann. Nun kam ja auch noch der Ruhrkampf dazu: Arbeiter die gestreikt haben wurden auch nocht bezahlt. Aber es wurden keine Gegenwerte geschaffen.

Wieder anders gesagt: Der Krieg ist eine gigantische Wertevernichtung. Zur Veranschaulichung: Ein Tiger Panzer im zweiten Weltkrieg kostete 800 tausend RM (einschliesslich Logistik). Ein VW Käfer damals rund 1000. Statt also 1 Tiger Panzer hätte man 800 VW Käfer bauen können und verschenken können und ware gleich weit. Nein, weiter: denn ein Tiger Panzer wurde irgendwannmal abgeschossen, ein VW Käfer könnte seinem Eigentümer noch Jahre Freude bereiten.
Also, eine gigantische Wertevernichtung ist der Krieg. Und irgendwann muss jemand die Rechnung bezahlen. Nach dem zweiten Weltkrieg hatte man eine Währungsreform gemacht, (Gleichmässiger Schnitt der Ersparnisse und Zusatzsteuern für Immobilieninhaber als Lastenausgleich, jetzt vereinfacht dargestellt), entging damit der Inflation.

DIe Inflation, wie sie sie nach dem ersten Weltkrieg gab, hat aber hat den Nachteil, dass sie den Marktmechanismus praktisch ausser Kraft setzt weil das Geld seine Funktionen als Wertaufbewahrungsmittel komplett verliert, auch als Tauschmittel funktoiniert es schlecht und auch die Funktion als Recheneinheit für wirtschaftliche Werte ist erschwert. Aber noch etwas anderes ist an der Inflation schlimm: Es findet eine Umverteilung von Vermögen in der Bevölkerung statt, die absolut ungerecht und damit auch unerwünscht ist: Von denjenigen, die Geld besitzen zu denjenigen, die Sachwerte haben.

Noch was zu den Reparationen: Die betrugen im Verhältnis zu den aufgestauten Kriegskosten einen Klacks - die jährliche Rate der Reparationen war etwa so hoch wie die Kriegskosten in einem Kriegsmonat. Dabei gilt es aber zu bedenken, das nach Kriegsende die Rüstungsausgaben für das 100 000 Mann Heer massiv gesunken sind, somit der Deutschen Wirtschaft mehr Geld für zivile Zwecke - oder eben auch für die Reparationen - zur Verfügung stand.

Das grosse Versäumnis der Deutschen Politik nach 1918 war es, Versailles für alles schlechte verantwortlich zu machen statt sich der eigenen Verantwortung für das, was man gemacht hatte, aber auch das, was man nach 1918 tat, bewusst zu werden.
ehemaliger Autor K.

Einer der wichtigsten Gründe für die Inflation wurde von dir nicht genannt. Das war nämlich die enorme Staatsverschuldung, entstanden durch den ersten Weltkrieg.

Die Zahlen Angaben sind nicht besonders zuverlässig, also nur grob: Das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland betrug 1913 48 Milliarden Reichsmark. Die Staatsquote, also was davon der Staat an Steuern, Abgaben etc. erhält, war mit ca. 11-13% sehr moderat (heute sind es ca. 45%)). Der Staat hatte im Jahr nur etwas über 5 Milliarden Reichsmark zur Verfügung. Das war zu wenig, um damit Krieg zu führen. Deshalb nahm er bei der Bevölkerung Kriegsanleihen auf. Er verkaufte diese, vor allem an den Mittelstand, mit dem Versprechen auf Rückzahlung plus Verzinsung (Gold gab ich für Eisen). Und er verschuldete sich zusätzlich bei der Reichsbank, wo er Kredite aufnahm. Er druckte praktisch Geld.

1919 betrug die aufgelaufene Reichsschuld etwa 156 Milliarden Reichsmark, sie hätte nur bei einem gewonnenen Krieg zurückbezahlt werden können durch Ausbeutung der besiegten Staaten. Diese Möglichkeit entfiel nun. Durch das Drucken von Geld war die Geldmenge schon 5 x so hoch wie vor dem Krieg, ohne dass eine entsprechende Warenmenge vorhanden war.

Das Bruttoinlandsprodukt für 1919 ist nicht bekannt, man schätzt es auf ca. 50 Milliarden Reichsmark. Die Verschuldung war also mehr als dreimal so hoch wie das Sozialprodukt. Bei jährlichen Einnahmen von wie vor dem Krieg in Höhe von etwa 5 bis 6 Milliarden Reichsmark, von denen das meiste Geld für Beamte, Infrastrukturbauten usw. ausgegeben werden muss, ist sofort ersichtlich, dass es keine Möglichkeit gibt, diese riesige Schuld, die auch noch jährlich verzinst wird, jemals zurückzuzahlen.

Auch eine Finanzreform 1920, die die Staatsquote auf 35% erhöhte, änderte dies nicht. Nach dem Krieg liefen auch noch hohe Kosten auf für die Demobilisierung der Soldaten, Witwenrenten, Versehrtenrenten etc. Außerdem musste die Kriegsproduktion auf Friedensproduktion umgestellt werden. Abnehmer für die Rüstungsgüter war vorher der Staat gewesen, der für sie nun aber als Nachfrager wegfiel. Die Industrie brauchte neue Produkte, neue Abnehmer, neue Märkte. Dafür benötigte sie Unterstützung vom Staat, kostete also zunächst Geld, anstatt Steuern zu zahlen.
Man hätte vielleicht einfach die gesamte Kriegsschuld annullieren sollen mit dem Hinweis, dass der Staat zahlungsunfähig ist. Aber keine Regierung war so stark gewesen, um so etwas durchzusetzen. Das ist ein Unterschied zu 1948, als die Besatzungsmächte eine einschneidende Währungsreform durchsetzen konnten, indem sie einfach die Schuldenlast minimierten.

Nach dem ersten Weltkrieg ging man den scheinbar bequemen Weg. Der Staat zahlte alle Schulden mit wertlosem Papiergeld zurück, solange bis alles getilgt war. Der Krieg wurde hauptsächlich vom Mittelstand finanziert, der für die Anleihen wertlose Zettel zurückerhielt und alle Ersparnisse verlor.

Die Reparationen spielen hierbei eine geringere Rolle. Sie wurden erst April 1921 auf 132 Milliarden Goldmark festgelegt, eine Summe, die auch nicht zu bezahlen gewesen wäre. Der Kriegsschuldparagraphen besagte ja implizit: Da Deutschland allein Schuld haben soll, muss das Land auch alle damit verbundenen Schäden alleine bezahlen. Die Franzosen und Engländer hatten den Krieg finanziert durch Kredite, die sie in den USA aufgenommen hatten. Um diese bedienen zu können, wollten sie das Geld von Deutschland bekommen. Deutschland zahlt die Reparationen und mit dem Geld zahlten die Alliierten dann ihre Schulden in den USA. So war das jedenfalls angedacht.

Leider zahlte Deutschland aber zuerst nicht. Deshalb marschierten die Franzosen und Belgier Anfang 1923 in das Ruhrgebiet ein, um sich statt Geld mit Sachwerten zu entschädigen, so wie ein Gerichtsvollzieher bei Privatleuten eine Pfändung vollzieht. Die Regierung rief zum passiven Widerstand auf. Sie bezahlte die Streiks, erhielt aber aus dem Ruhrgebiet keine Steuern mehr. Die Defizite wurden durch frisches Geld aus der Presse gedeckt. Das heizte die Hyperinflation immer weiter an.

Ende 1923 war der Staat weitgehend entschuldet und führte daraufhin eine Währungsreform durch.
Es blieb noch die Schuldenlast der Alliierten. Die wurde dem Deutschen Reich später weitgehend erlassen. Wieviel Deutschland wirklich bezahlt hat, ist weiter umstritten. Die Alliierten behaupten, Deutschland hätte ca. 10 Milliarden bezahlt. Die Deutschen gehen von 20 Milliarden aus. Das Verwirrspiel erklärt sich durch unterschiedliche Zählungen. Deutschland berechnet die Sachgüter, die 1923 von den Franzosen aus dem Ruhrgebiet verschleppt wurden, die Alliierten tun dies nicht. Deutschland berechnet auch die Handelsflotte, die abgegeben werden musste, beschlagnahmte Auslandsvermögen usw.
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Triton
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Verstehe ich das richtig, dass die Reparationen in inflationssicherem Gold(wert) geleistet werden mussten, der Staat aber seinen inländischen Pflichten mit wertlosem Geld aus der Druckerpresse nachkam?
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Triton hat geschrieben:Verstehe ich das richtig, dass die Reparationen in inflationssicherem Gold(wert) geleistet werden mussten, der Staat aber seinen inländischen Pflichten mit wertlosem Geld aus der Druckerpresse nachkam?

So ist es.
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Marek1964
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Karlheinz hat geschrieben:Einer der wichtigsten Gründe für die Inflation wurde von dir nicht genannt. Das war nämlich die enorme Staatsverschuldung, entstanden durch den ersten Weltkrieg.
Nun ja, die Staatsverschuldung war ein schlechtes Instrument, man nahm Anleihen bei der eigenen Bevölkerung, um den Krieg zu finanzieren. In England hatte man Steuererhöhungen, das war irgendwie ehrlicher. Es ist sicher ein wichtiger Aspekt, aber geht damit paralell, dass eben Geld (also auch Anleihensscheine) da ist, das keine Gegenwerte mehr hat.

Das eine war, dass man den Zeichnern der Kriegsanleihen, wie auch den anderen, die während des Krieges Geld angespart hatten, nicht sagen wollte: Euer Geld habt Ihr eigentlich falsch investiert - in einen Siegfrieden von uns nämlich. Wieder das andere war, wie man diese aufgestauten Kosten danach verteilt hatte, in der schlechtesten aller möglichen Varianten - in einer Hyperinflation. Zu den Kriegskosten kamen zwar jetzt auch die Reparationskosten, aber die waren eigentlich nicht so erheblich, wie Du richtig schreibst. Dienten aber zum Alibi.

Man hatte ja eigentlich einige Möglichkeiten. Eine wäre gewesen, die Kriegsanleihen auszusetzen (aber mit Zinszahlungen zu bedienen), die Sparguthaben analog ähnlich (d.h. die Gelder wären "da", nicht verloren, wären verzinst worden, konnten aber nicht abgehoben wereden), aber sonst "neu" zu beginnen. Es ware aber mit einem verbunden gewesen: Wir haben den Krieg verloren und nun müssen wir alle dafür zahlen. Das aber wollte man vermeiden. So wurde man gefangen in einer Spirale der Unehrlichkeit, dann noch angefacht mit Spekulation gegen die eigene Währung. Und dann noch der Ruhrkampf.

So kam die Hyperinflation, wo jeder, der Geld hatte, es so schnell wie möglich los wurde. Das kann man durchaus mit einer Totaleskalation in einem Konflikt vergleichen. Sofort, sobald man Geld hatte, wurde es gleich ausgegeben, jeder der konnte, erhöhte die Preise. Auf der Strecke blieb der, dessen Einnahmen nicht dieser Spirale angepasst werden konnte: Lohnempfänger, Rentner. Der Händler, der eine Ware gekauft hatte, konnte sie ja gleich der stündlichen Inflation angepasst weiterverkaufen. Der Lohnempfänger aber, dessen Lohn nicht so schnell nicht angepasst wurde, blieb so auf der Strecke.

Natürlich hätte man dies, wenn man es politisch gewollt hätte, nach dem Ende der Inflation durch Revaluation von Guthaben und Lasten-Steuerausgleich wiedergutmachen können. Wenn die politische Einsicht und der Wille da gewesen wären. Aber die waren nicht da. Stattdessen beschuldigte man einmal mehr Versailles, auch untersützt durch Keynes. Und so nahm das Schicksal (oder um im Goebbelsschen Duktus zu bleiben: die Vorsehung) seinen Lauf.

Eine wichtige Frage ist aber in diesem Zusammenhang in der Tat, ob die Demokratien stark genug waren, so unpopuläre Massnahmen wie die Durchführung einer Währungsreform durchzuführen. Klar ist, mit der Inflation hat man den falschen Weg gewählt.

Hier noch ein interessanter Link:

http://www.people.fas.harvard.edu/~nfer ... lation.pdf
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Marek1964
Es ist sicher ein wichtiger Aspekt, aber geht damit paralell, dass eben Geld (also auch Anleihensscheine) da ist, das keine Gegenwerte mehr hat.
Nein, es ist nicht ein Aspekt, sondern der entscheidende Grund, denn das mehr Geld da ist als Waren ist ja immer in einer Inflation der Fall. Die Frage ist aber der Grund der Geldvermehrung, und das war eben vor allem der Erste Weltkrieg und die hohe Staatsverschuldung.

Vielleicht hier ein wenig Theorie. Der Ökonom Fisher (1867-1947) entwickelte die sogenannte Quantitätstheorie zur Erklärung der Inflation.

G x U = P x H

G= Geldmenge
U= Umlaufsgeschwindigkeit
P= Preissumme
H = Handelsvolumen (Warenumsatz)

Daraus folgt:

P = G x U/H

Preissumme= Geldmenge x Umlaufsgeschwindigkeit / Handelsvolumen

Eine Erhöhung der Geldmenge und eine Vergrößerung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes erhöht also die Preissumme. Aber jemand muss die Geldmenge erst einmal erhöhen und das war eben der Staat zur Bezahlung der Kriegsschulden.

In einer Inflation wird zudem das Greshamsche Gesetz wirksam, benannt nach dem Schatzmeister von Elisabeth I. Es besagt: Niemand will das schlechte Geld haben und gibt es sofort aus. Das erhöht die Umlaufgeschwindigkeit und verstärkt die Inflation. Die Bevölkerung sucht dann Ersatzwährungen, Devisen, Zigaretten. Nach dem zweiten Weltkrieg hatten wir eine Zigarettenwährung. Die amerikanische Zigarettenmarke, die damals begehrt war, hieß bezeichnenderweise „Golddollar“.

Ich weiß nicht, ob es damals wirklich Möglichkeiten gegeben hätte, außer einer Inflation, wenn man einen Staatsbankrott und die Annullierung der Schulden verhindern wollte. Auch eine vorübergehende Stundung aller Schulden hätte wohl nichts gebracht, wenn man sieht, wie schlecht sich die Wirtschaft in Weimar entwickelt hat. Spätestens die Weltwirtschaftskrise hätte alle Bemühungen wieder zunichte gemacht. Die Liquidierung aller Binnenschulden und der Erlass der Reparationen, also auch ein Ende der Auslandsschulden, waren im Prinzip gute Möglichkeiten einer Gesundung. Allerdings ermöglichten sie später auch die erste Wirtschaftskonjunktur von Hitler. Befreit von Reparationen und ohne innere Verschuldung, die zu tilgen war, konnte er nun loslegen und erneut eine Rüstungskonjunktur beginnen. Der dadurch entstehende neue Schuldenberg sollte wieder von den im Krieg zu besiegenden Nationen bezahlt werden. Eine Rechnung, die auch diesmal wieder nicht aufging.
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Marek1964
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Karlheinz hat geschrieben:
Marek1964
Es ist sicher ein wichtiger Aspekt, aber geht damit paralell, dass eben Geld (also auch Anleihensscheine) da ist, das keine Gegenwerte mehr hat.
Nein, es ist nicht ein Aspekt, sondern der entscheidende Grund, denn das mehr Geld da ist als Waren ist ja immer in einer Inflation der Fall. Die Frage ist aber der Grund der Geldvermehrung, und das war eben vor allem der Erste Weltkrieg und die hohe Staatsverschuldung.
Es macht in meinen Augen keinen grossen Sinn, ein Glied einer Kausalkette als den wichtigsten Teil zu bezeichnen. Krieg (damit Ausgaben ohnen Gegenwert) - Anleihenaufnahme - keine Währungsreform - und: keine (ggf. unzureichende) Steuererhöhungen. Anstelle von Anleihen hätte man auch einfach mehr Geld drucken können, schon während des Krieges. Da die Preise kontrolliert wurden, wäre es noch nicht zur Inflation gekommen. Die brach dann los, als die Rationierung und Preiskontrolle aufgehoben wurden.

Hat es in einer Wirtschaft zuviel Geld, muss man es, ganz einfach gesagt, den Wirtschaftssubjekten wegnehmen. Die Möglichketen sind Höhere Steuern, Reduktion oder Annulierung der Guthaben (also Staatsanleihen oder Guthaben) oder eben Inflation. Allenfalls könnte noch ein phänomenales Wirtschaftswachstum noch helfen, ein Technologieschub, Entdeckung gigantischer Rohstoffquellen oder dergleichen helfen, aber das ist Grimms Märchenbuch.
Karlheinz hat geschrieben:Ich weiß nicht, ob es damals wirklich Möglichkeiten gegeben hätte, außer einer Inflation, wenn man einen Staatsbankrott und die Annullierung der Schulden verhindern wollte. Auch eine vorübergehende Stundung aller Schulden hätte wohl nichts gebracht,
Die Annulierung der Schulden wurde ja nach dem Zweiten Weltkrieg beispielsweise in der Tschechoslowakei durchgeführt, in dem man Guthaben einfror. Nur in Spezialsituation wurden sie, auch teilweise, freigegeben. Ein Staatsbankrott muss das nicht sein.

Eine Variante sehe ich in massiven Sondersteuern oder einer generellen massiven Steuererhöhung. Aber das wäre auch nicht gut gewesen.

DIe Kriegsanleihen mussten eingefroren werden, ebenso wie die Bankguthaben. Das muss ja noch keinen Staatsbankrott bedingen. Mit eine Zinsbedienung dieser Guthaben hätte man aber die Sparer versöhnen können. Diese Zinsbedienung hätte man aus laufenden Einnahmen aus dem Staatshaushalt decken müssen. Evtl. wären auch so Steuererhöhungen noch notwendig gewesen.

Der Betrug des Kaiserreiches war es ja, neben den ganzen Kreigsentbehrungen, den Anleihenszeichnern wie Sparern zu suggerieren, dass sie ihr Geld wiedersehen würden. Selbst bei einem Sieg wäre dies fraglich gewesen. Nach dem Krieg aber hätte man ehrlich sein müssen, und sagen müssen, dass das Geld weg ist.

Die Weimarer Republik meiner Einschätzung nach hat es versäumt, in einer Art tabula rasa mit dem Kaiserreich und dessen Fehlern aufzuräumen und damit auch die Akzeptanz für einschneidende Massnahmen zu sichern. Stattdessen wollte man Versailles bekämpfen und schüttete das Kind mit dem Bade aus. Ökonomen sind sich einig, dass die Inflation die sowohl asozialste als auch wirtschaftlich schädlichste Form der Umverteilung ist, vor allem als massive Hyperinflation.
Karlheinz hat geschrieben:wenn man sieht, wie schlecht sich die Wirtschaft in Weimar entwickelt hat. Spätestens die Weltwirtschaftskrise hätte alle Bemühungen wieder zunichte gemacht.
Die Weltwirtschaftskrise war ja nun wieder anderen Ursachen geschuldet, wobei sich Ökonomen bis heute nicht einig sind, was wirklich die Ursache war. Ich neige mich den Monetaristen zu, die eine verfehlte Geldpolitik - auch durch Angst vor Inflation - ihre Hauptursache war. Verstärkt durch mangelnde internationale Zusammenarbeit, also Protektionismus und Rückgang des Welthandels.
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Triton
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Die Politik des knappen Geldes wurde nach Ausbruch der Weltwirtschaftskrise gefahren. Vorher vergaben Banken leichtfertig Kredite (neues Geld) für Aktienkäufe, deren Zinsen mit den steigenden Kursen bezahlt werden sollten. Ein Schneeballsystem, das eines Tages Kollaps erleiden musste.
RS malt hier gerne das rosarote Bild von der blühenden Weimarer Republik, die in Wirklichkeit auch nur auf Pump prosperierte.

Banken gaben danach keine Kredite mehr, Geld wurde knapp, weil neue Schulden neues Geld bedeuten. Deshalb fand Hitler auch wirklich einen finanziell sanierten Staat vor, das ist richtig.

Nach den Erfahrungen der Hyperinflation wurde nach 1929 eben nicht die Druckerpresse angeworfen, sondern gespart. Keynes analysierte die Situation daraufhin so, dass die Nachfrage völlig zinsunelastisch geworden war und nur die Steigerung der Staatsausgaben die Konjunktur wieder in Gang bringen könnte. Hitlers, oder besser Hjalmar Schachts Wirtschaftpolitik handelte genau danach und es ist auch falsch, dass vorwiegend Rüstung hochgefahren wurde. Es sei denn, man zählt Autobahnbau oder andere Prestigeobjekte wie das Volkswagenwerk oder die KdF-Schiffe/Prora zur Rüstung, was so völlig falsch auch nicht wäre. Aber Görings Parole von "Panzern und Butter" hatte einen wahren Kern.

In den USA gab es den New Deal mit den gerne zitierten Großprojekten (Hoover-Staudamm), allerdings ohne den Rüstungsaspekt.

Neu war, dass die deutsche Hochrüstung und Verschuldung über die MeFo-Wechsel schon vor dem Krieg stattfand und so gar keine Alternative mehr zum Raubzugkrieg zuließ. Selbst im Kaiserreich mit der teuren Flotte war das noch nicht so.

Dass die Hyperinflation eine Ursache für die Machtergreifung Hitlers war, ist so falsch nicht.
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RedScorpion

Triton hat geschrieben:Die Politik des knappen Geldes wurde nach Ausbruch der Weltwirtschaftskrise gefahren. Vorher vergaben Banken leichtfertig Kredite (neues Geld) für Aktienkäufe, deren Zinsen mit den steigenden Kursen bezahlt werden sollten. Ein Schneeballsystem, das eines Tages Kollaps erleiden musste.
RS malt hier gerne das rosarote Bild von der blühenden Weimarer Republik, die in Wirklichkeit auch nur auf Pump prosperierte.
...
Tatsache ist aber, dass sie prosperierte, und zwar jahrelang, und v.a. stärker als das Nazi-Reich, entgegen aller NS-Propaganda, welches auch deswegen auf territorialen Expansionismus und Diebstahl aus war, weil's ständig knapp an der Zahlungsunfähigkeit rumkratzte.

Dass der Fall dann 1929 umso tiefer kam, weil im Unterschied zu heute keine übernationalen Institutionen für Korrektur sorgen konnten, steht auf einem anderen Blatt.

Hat auch - richtig - durchaus mit dem Ausgang des vorigen Kriegs zu tun, steht aber nicht unmittelbar in Verbindung mit Versailles.


LG
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Marek1964
Es macht in meinen Augen keinen grossen Sinn, ein Glied einer Kausalkette als den wichtigsten Teil zu bezeichnen. Krieg (damit Ausgaben ohnen Gegenwert) - Anleihenaufnahme - keine Währungsreform - und: keine (ggf. unzureichende) Steuererhöhungen. Anstelle von Anleihen hätte man auch einfach mehr Geld drucken können, schon während des Krieges.
Doch, das macht Sinn, weil es ja der entscheidende Grund war und so steht es auch in den Geschichtsbüchern und so lernen es die Schüler. Was keinen Sinn macht, ist es, andere Erklärungen abzugeben, wo dann jeder Geschichtslehrer sofort sagt: Halt, so war es aber nicht.

Natürlich hätte man auch schon während des Krieges mehr Geld drucken können und das hat man teilweise ja auch getan. Diese Geldvermehrung geschah derart, dass die Regierung einen Kredit bei der Reichsbank aufnahm, der aber auch irgendwann bezahlt werden muss. Dies war eine Finanzierung, die den Mächtigen damals unseriös erschien, weil unklar war, wie man das Geld später zurückzahlen wollte. Die Kriegsanleihen hingegen waren eine Übertragung vom Vermögen des Mittelstandes auf den Staat. Deren Sparguthaben wurden vorübergehend (so war es gedacht) dem Staat geliehen. Dadurch vergrößerte sich die Geldmenge nicht. Die Rückzahlungsprobleme wurden hier erst viel später wirksam und man glaubte zunächst auch, die besiegten Länder haftbar machen zu können. Da dadurch die Geldmenge zunächst nicht übermäßig anwuchs, funktionieren auch die Preiskontrollen, denn sonst entstehen sehr schnell Schwarzmärkte.

So oder so, auf die einen oder andere Weise hätte man nach dem Krieg die Preiskontrollen aufheben müssen, denn sonst hätte die Marktwirtschat nicht funktioniert. Diese riesige Geldmenge hätte sofort eine Hyperinflation ausgelöst. Das führt aber dazu, dass auch die Steuereinnahmen des Staates wertlos werden und dessen Kosten ins Uferlose steigen. Dieser bekommt sein wertloses Geld von den Bürgern zurück. Der hat dann sofort wieder neue Schulden und deckt diese dann wieder durch Geldemissionen.

Bei den Kriegsanleihen war dies aber etwas anders. Diese wurden nicht sofort zurückgezahlt, sondern jeweils nach Fälligkeit. Die Geldmenge war also zunächst festgefroren und wurde sukzessive freigesetzt. Auf diese Weise glaubte man daher, die Inflation in Grenzen halten zu können, was aber ja nicht gelang.

Den Bürgern das überflüssige Geld einfach wegzunehmen, klingt zu schön, um wahr zu sein. Als ob die sich das so ohne weiteres gefallen lassen würden, das wissen wir doch aus heutiger Zeit! Tatsächlich hat sich Erzberger dies mit seiner Steuerreform 1920 auch so vorgestellt. Doch hohe Steuern und eine Politik des knappen Geldes führen zum Absturz der Wirtschaft und daher hat man dies nicht gemacht.

Und eine Einfrierung aller Schulden scheint mir auch völlig unpraktikabel zu sein, die Summe war viel zu gewaltig. 156 Milliarden bei einem Bruttosozialprodukt von nur 50 Milliarden pro Jahr und lächerlichen Staatseinnahmen von 5-6 Milliarden jährlich, die dann auch noch hauptsächlich für Personal und Infrastruktur ausgegeben werden müssen. Die Verschuldung ist mehr als dreimal so hoch wie das Sozialprodukt und heute gilt in der EU eine Verschuldung von 60% des Sozialproduktes als fast unseriös. Die Verschuldung der USA heute ist etwa so groß wie das gesamte Sozialprodukt dieses Landes und das gilt als absolute Obergrenze. Und Weimar hatte nicht nur 156 Milliarden Binnenverschuldung, sondern auch noch 132 Milliarden Reparationen zu zahlen. Kein Finanzminister kann so etwas stemmen. Eine Nichtanerkennung der Binnenschulden wäre sinnvoll gewesen, oder eben eine Inflation. Man entschied sich für den zweiten Weg.
ehemaliger Autor K.

Marek 1964
Nach dem Krieg aber hätte man ehrlich sein müssen, und sagen müssen, dass das Geld weg ist.
Richtig. Aber wer hätte das tun sollen in diesem fragilen Gebilde von Weimar? Es war auch schon so schwierig genug. Nach dem Krieg zirkulierten überall Waffen. So etwas hätte Bürgerkrieg bedeutet.

Marek1964
Die Weltwirtschaftskrise war ja nun wieder anderen Ursachen geschuldet, wobei sich Ökonomen bis heute nicht einig sind, was wirklich die Ursache war. Ich neige mich den Monetaristen zu, die eine verfehlte Geldpolitik - auch durch Angst vor Inflation - ihre Hauptursache war. Verstärkt durch mangelnde internationale Zusammenarbeit, also Protektionismus und Rückgang des Welthandels.
Die Ursachen der Weltwirtschaftskrise sind in diesem Zusammenhang völlig uninteressant. Es ging nur darum zu zeigen, dass die wirtschaftliche Entwicklung in Weimar alles andere als günstig war und die Begleichung der riesigen Binnenschuld nur illusorisch sein konnte.
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Marek1964
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Karlheinz hat geschrieben:
Marek1964
Es macht in meinen Augen keinen grossen Sinn, ein Glied einer Kausalkette als den wichtigsten Teil zu bezeichnen. Krieg (damit Ausgaben ohnen Gegenwert) - Anleihenaufnahme - keine Währungsreform - und: keine (ggf. unzureichende) Steuererhöhungen. Anstelle von Anleihen hätte man auch einfach mehr Geld drucken können, schon während des Krieges.
Doch, das macht Sinn, weil es ja der entscheidende Grund war und so steht es auch in den Geschichtsbüchern und so lernen es die Schüler. Was keinen Sinn macht, ist es, andere Erklärungen abzugeben, wo dann jeder Geschichtslehrer sofort sagt: Halt, so war es aber nicht.
Ein Autoritätsargument, das mich wenig beeindruckt, da ich VWL studiert habe. Wir sind ein Forum und keine Mittelschulinstitution. Und über die MIttelschuilbildug bin ich generell kritisch, wobei ich nicht weiss wie es heute ist, das Urteil masse ich mir nicht an, aber beeindrucken tut es mich eben nicht.

Zumal ich mich selbst mich nur zu gut erinnere, welche enorme Mühe, uns die Inflation zu erklären, unser Geschichtslehrer hatte - ein alt Philologe, mitte-rechts Liberaler, wohl belesen, aber ohne Wirtschaftsausbildung, nicht einmal an der MIttelschule. Noch schlimmer war unser linker Deutschlehrer, der alles noch mit unsinnigen linken Theorien garnierte. Aber das war in der Schweiz und vor drei Jahrzehnten.

Aber klar ist, in der Mittelschule muss man Vereinfachugen vornehmen, wobei wenn sie dergestalt sind, werden die Mechanismen der Politik von damals wie von den Zusammenhängen von Geldwirtschaft unzulänglich erklärt. Und das kann man in einem freien Forum auch schon mal sagen.

Mein Artikel zur Einleitung, behaupte ich mal, führt in die Basismechanismen ein. Für Dich vielleicht zu banal, aber geht vom grundlegenden aus.
Karlheinz hat geschrieben:Natürlich hätte man auch schon während des Krieges mehr Geld drucken können und das hat man teilweise ja auch getan. Diese Geldvermehrung geschah derart, dass die Regierung einen Kredit bei der Reichsbank aufnahm, der aber auch irgendwann bezahlt werden muss. Dies war eine Finanzierung, die den Mächtigen damals unseriös erschien, weil unklar war, wie man das Geld später zurückzahlen wollte.
Und wie man dem Mittelstand (nicht auch dem Grossbürgertum und Adel?) das Geld zurückzahlen wollte, darüber machte man sich keine Sorgen? Und woher nahm die Reichsbank das Geld während des Krieges? Auf dem internationalen Kapitalmarkt wohl kaum (ausser Devisen- und Goldverkauf in die Schweiz). Sie musste es ja doch drucken.
Karlheinz hat geschrieben:Die Kriegsanleihen hingegen waren eine Übertragung vom Vermögen des Mittelstandes auf den Staat. Deren Sparguthaben wurden vorübergehend (so war es gedacht) dem Staat geliehen.
Falsch! Übertragung von Vermögen ist entweder Konfiskation oder Schenkung, Erbschaft o.ä. Und Deine beiden Sätze widersprechen sich selbst: Wenn die Sparguthaben nur geliehen waren, war es keine Vermögensübertragung, sondern nur ein Vermögenstausch (Aktivtausch, Investition wie der Buchhalter sagen würde). Geld (oder eben auch "Gold" für Eisen) gegen Wertpapiere.

Es war aber wenn kein Betrug an den Sparern, dann doch ein Aufschieben des Problems nach dem Krieg. In Grossbritannien hatte man eine Vermögenssteuer eingeführt, was viel sozialer war.
Karlheinz hat geschrieben:Dadurch vergrößerte sich die Geldmenge nicht. Die Rückzahlungsprobleme wurden hier erst viel später wirksam und man glaubte zunächst auch, die besiegten Länder haftbar machen zu können.
Richtig - im Krieg. Aber danach? Und was tun, wenn der Krieg verloren ging? Wobei ja nicht alles Geld in Kriegsanleihen angelegt wurde. Einen Geldüberhang gab es auch so.
Karlheinz hat geschrieben:Da dadurch die Geldmenge zunächst nicht übermäßig anwuchs, funktionieren auch die Preiskontrollen, denn sonst entstehen sehr schnell Schwarzmärkte.
Die Geldmenge wuchs schon, weil aber die meisten Güter rationiert waren, und es auch Preiskontrollen gab, hatte es keine Auswirkungen - die Leute konnten es nicht ausgeben. Wahr ist, wäre anstelle von Kriegsanleihen einfach Geld gedruckt worden, hätte es wohl grösseren Schwarzmarkt gegeben.

Aber - wo es Preiskontrollen (und vor allem auch Rationierung) gibt, gibt es immer Schwarzmärkte. Es sei denn man hat den totalen Big Brother Überwachungsstaat, den schafften aber weder die Nazis noch die Kommunisten, auch Orwells 1984 nicht und schon gar nicht das dt. Kaiserreich.

Meist geht der Schwarzmarkt dann eben nicht über Geld, sondern über Tausch. Weil fürs Geld eben nichts zu kaufen gibt, geht es wieder über Tauschhandel.
Karlheinz hat geschrieben:So oder so, auf die einen oder andere Weise hätte man nach dem Krieg die Preiskontrollen aufheben müssen, denn sonst hätte die Marktwirtschat nicht funktioniert.
Richtig.
Karlheinz hat geschrieben:Diese riesige Geldmenge hätte sofort eine Hyperinflation ausgelöst. Das führt aber dazu, dass auch die Steuereinnahmen des Staates wertlos werden und dessen Kosten ins Uferlose steigen.
Hier ist vor allem wichtig zu beachten, die zeitliche Abfolge. Es geht darum, ob ich meine Einnahmen der Inflation anpassen kann. Ein Händler kann das - er hebt den Preis an, notfalls stündlich. Er muss zwar auch seinen Lieferanten mehr zahlen, aber er kann es auf den Endkunden überwälzen. Hier spielt allerdings auch die Rolle, wie die Veträge ausgestaltet sind (in welchen Fristen). Der Lohnempfänger kann das schon viel weniger - je nach Zahltag (ob monatlich oder wöchentlich) und nach Anpassungsmechanismus seines Arbeitsvertrages (Inflationsausgleich dürfte damals aber kaum in der Arbeitsverträgen verankert gewesen sein, aber das weiss ich nicht). Der Rentner, der von seinem Ersparten (wenn es als Geld und nicht z.B. in Aktien angelegt ist) lebt, ist derjenige, der am schlimmsten dran ist. Seine Existenzgrundlage verschwindet, er hat keine Möglichkeit es zu kompensieren, es sei denn er hat Sachwerte, die er verkaufen kann oder er geht arbeiten oder klauen.

Der Staat ist nicht so schlecht dran. Er kann die Steuern vielleicht nicht anheben, aber das hängt davon ab, wie der Steuersatz festgesetzt ist. ist er ein Prozentsatz, muss er nicht so schlimm dran sein. Der Staat hat aber die Notenpresse als weitere Lösung.
Karlheinz hat geschrieben:Dieser bekommt sein wertloses Geld von den Bürgern zurück. Der hat dann sofort wieder neue Schulden und deckt diese dann wieder durch Geldemissionen..
Das Geld ist ja nicht absolut wertlos, es verliert seinen Wert. Wenn er aber (nominal) mehr an Geld bekommt, kann er, wie oben erläutert, einiger Massen seine Einnahmen (real) konstant halten. Hängt davon ab, welche Steuerarten es gibt (ob Mehrwertsteuer, Lohnsteuer, Vermögenssteuer etc.) und in welcher Höhe resp. Prozentsatz. Da nominal die Steuersubjekte höhere Einnahmen hatten, hatte der Staat dann auch wieder höhere Einnahmen.
Karlheinz hat geschrieben:Bei den Kriegsanleihen war dies aber etwas anders. Diese wurden nicht sofort zurückgezahlt, sondern jeweils nach Fälligkeit. Die Geldmenge war also zunächst festgefroren und wurde sukzessive freigesetzt. Auf diese Weise glaubte man daher, die Inflation in Grenzen halten zu können, was aber ja nicht gelang.
Ja, es war nur ein vor sich Herschieben des Problems. Aber in jedem Fall musste man Zinsen zahlen und - in Abhängigkeit der Fälligkeiten - schon Rückzahlungen. Die Details kenne ich nicht, aber die Fälligkeiten waren sicher nicht erst 1923. Die Kriegsanleihen wurden ja fortlaufend ausgegeben.
Karlheinz hat geschrieben:Den Bürgern das überflüssige Geld einfach wegzunehmen, klingt zu schön, um wahr zu sein.
Wie es klingt ist eine Sache - dass es nötig war, ein Sachzwang. Man hat es ja dann auch durch die Inflation gemacht. Aber in der asozialsten und wirtschaftlich schädlichsten aller Arten. Und Steilvorlage für den Schreihals aus Braunau am Inn.
Karlheinz hat geschrieben:Als ob die sich das so ohne weiteres gefallen lassen würden, das wissen wir doch aus heutiger Zeit! Tatsächlich hat sich Erzberger dies mit seiner Steuerreform 1920 auch so vorgestellt. Doch hohe Steuern und eine Politik des knappen Geldes führen zum Absturz der Wirtschaft und daher hat man dies nicht gemacht..
Die Inflation war die viel schlimmere Lösung, aber ich habe auch schon eingeräumt, eine nachträglilche Finanzierug durch massive Steueerhöhung wäre auch keine gute Lösung gewesen, aber wohl besser als Hyperinflation. Das einzig richtige - Währungsreform, was nicht nur Einfrieren oder Annulieren der Guthaben und Staatsanleihen bedeutet, aber mit gewissen Steuern als Lastenausgleich einhergeht.
Karlheinz hat geschrieben:Und eine Einfrierung aller Schulden scheint mir auch völlig unpraktikabel zu sein, die Summe war viel zu gewaltig. 156 Milliarden bei einem Bruttosozialprodukt von nur 50 Milliarden pro Jahr und lächerlichen Staatseinnahmen von 5-6 Milliarden jährlich, die dann auch noch hauptsächlich für Personal und Infrastruktur ausgegeben werden müssen. Die Verschuldung ist mehr als dreimal so hoch wie das Sozialprodukt und heute gilt in der EU eine Verschuldung von 60% des Sozialproduktes als fast unseriös. Die Verschuldung der USA heute ist etwa so groß wie das gesamte Sozialprodukt dieses Landes und das gilt als absolute Obergrenze. Und Weimar hatte nicht nur 156 Milliarden Binnenverschuldung, sondern auch noch 132 Milliarden Reparationen zu zahlen. Kein Finanzminister kann so etwas stemmen.
Sicher, die Schuldenlast war enorm, der Zinssatz für eingefrorene Guthaben hätte also sehr niedrig sein müssen (was ja auch nur ein Rechentrick ist - ich zahle hohen Zinssatz für reduzierte Guthaben oder tiefen Zinssatz für das Ganze), aber mit einer Kombination von Steuererhöhung zumindest den Kriegsanlegern das Gefühl geben, dass es doch etwas gibt. Der Finanzminister kann nicht viel hinzu. Der politische Wille und die Prioritäten der Regierung sind entscheidend. Eine Nachkriegssituation mit einer Situation normaler Wirtschaft zu vergleichen ist ohnehin problematisch.
Karlheinz hat geschrieben:Eine Nichtanerkennung der Binnenschulden wäre sinnvoll gewesen, oder eben eine Inflation. Man entschied sich für den zweiten Weg.
Und damit für die viel schlimmere Variante. Man vergleiche nur nach dem Zweiten Weltkrieg. Deutschland war viel mehr zerstört, musste 14 Mio Flüchtlinge aufnehmen, war auch noch geteilt.

Auch wahr, dazwischen waren fast dreissig Jahre technischer Fortschritt, eine sicher auch vernünftigere Politik der Siegermächte und die totale Niederlage und das Besatzungsregime als sicher bessere Basis für einen Neustart. Und Lehren in Wirtschaftspolitik aus der Inflation von 1923 wie auch WWK 1929.

Man stelle sich nun sein Weltbild zusammen wie man will.
Zuletzt geändert von Marek1964 am 08.09.2014, 23:50, insgesamt 1-mal geändert.
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Marek1964
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Karlheinz hat geschrieben:
Marek 1964
Nach dem Krieg aber hätte man ehrlich sein müssen, und sagen müssen, dass das Geld weg ist.
Richtig. Aber wer hätte das tun sollen in diesem fragilen Gebilde von Weimar? Es war auch schon so schwierig genug. Nach dem Krieg zirkulierten überall Waffen. So etwas hätte Bürgerkrieg bedeutet.
Den gab es doch aber auch so schon? Aber wie auch immer - ich zeige ja nur auf, was man wirtschaftlich tun sollte. Die damalige politische Akzeptanz der einzelnen Entscheide ist ein anderes Thema, aber auch da ziehe ich Deine Aussagen in Zweifel. Die Inflation war das schlimmere Übel, aber den Bürgekrieg gab es 1923 trotzdem nicht. In anderen Ländern der Währungsreform nach dem zweiten Weltkrieg auch nicht, aber wohl wahr, da war man schon durch dei Erfahrung der Deutschen Inflation schon klüger.

Karlheinz hat geschrieben:
Marek1964
Die Weltwirtschaftskrise war ja nun wieder anderen Ursachen geschuldet, wobei sich Ökonomen bis heute nicht einig sind, was wirklich die Ursache war. Ich neige mich den Monetaristen zu, die eine verfehlte Geldpolitik - auch durch Angst vor Inflation - ihre Hauptursache war. Verstärkt durch mangelnde internationale Zusammenarbeit, also Protektionismus und Rückgang des Welthandels.
Die Ursachen der Weltwirtschaftskrise sind in diesem Zusammenhang völlig uninteressant. Es ging nur darum zu zeigen, dass die wirtschaftliche Entwicklung in Weimar alles andere als günstig war und die Begleichung der riesigen Binnenschuld nur illusorisch sein konnte.
DIe Weltwirtschaftkrise von 1929 hast Du ins Spiel gebracht. Aber der zweite Satz stimmt insofern, dass man hätte eben die Kriegsschulden reduzieren, einfrieren oder ganz annulieren musste.

Ob Annulierung von Guthaben und Anleihen, Steuererhöhung (evtl. Senkung der Staatsausgaben) und Inflation (und ggf. Hoffnung auf Wirtschaftswachstum), das sind die vier Instrumente, deren man sich hätte bedienen müssen, um die Situation zu lösen. Die Reparationen als ein Teil der Staatsausgaben waren das sicher auch ein Thema, das aber völlig aufgebauscht wurde. Mit dem Ruhrkampf ging es dan auch nochmal in die falscher Richtung und endgültig in die Katastrophe.
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Titus Feuerfuchs
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Wenn man Wirtschaftswachstum will, sollte man mit Steuererhöhungen zurückhaltend sein.
MfG,
Titus Feuerfuchs
ehemaliger Autor K.

Marek1964
Ein Autoritätsargument, das mich wenig beeindruckt, da ich VWL studiert habe. Wir sind ein Forum und keine Mittelschulinstitution. Und über die MIttelschuilbildug bin ich generell kritisch, wobei ich nicht weiss wie es heute ist, das Urteil masse ich mir nicht an, aber beeindrucken tut es mich eben nicht.

Zumal ich mich selbst mich nur zu gut erinnere, welche enorme Mühe, uns die Inflation zu erklären, unser Geschichtslehrer hatte - ein alt Philologe, mitte-rechts Liberaler, wohl belesen, aber ohne Wirtschaftsausbildung, nicht einmal an der MIttelschule. Noch schlimmer war unser linker Deutschlehrer, der alles noch mit unsinnigen linken Theorien garnierte. Aber das war in der Schweiz und vor drei Jahrzehnten.

Mich beeindruckt dies Argument auch nicht, da ich früher ebenfalls VWL und BWL studiert habe. Aber dein Bericht ist ja für Schüler geschrieben worden und die Lehrer, die Geschichte unterrichten, verstehen meist nicht viel von Wirtschaft. Und in den Geschichtsbüchern, die ich kenne, wird immer von der immensen Staatsverschuldung ausgegangen als Ursache der Inflation und das ist ja auch richtig. Und die Lehrer reproduzieren nur, was sie dort vorfinden und das ist dann auch für den Schüler relevant.

Marek1964
Falsch! Übertragung von Vermögen ist entweder Konfiskation oder Schenkung, Erbschaft o.ä. Und Deine beiden Sätze widersprechen sich selbst: Wenn die Sparguthaben nur geliehen waren, war es keine Vermögensübertragung, sondern nur ein Vermögenstausch (Aktivtausch, Investition wie der Buchhalter sagen würde). Geld (oder eben auch "Gold" für Eisen) gegen Wertpapiere.

Es war aber wenn kein Betrug an den Sparern, dann doch ein Aufschieben des Problems nach dem Krieg. In Grossbritannien hatte man eine Vermögenssteuer eingeführt, was viel sozialer war.
Pardon, hier habe ich nur das falsche Wort gewählt. Natürlich meinte ich Vermögenstausch. Da habe ich mich lediglich verschrieben, aber aus der weiteren Ausführung wird ja auch klar, was ich meine. Übrigens, die Idee mit den Kriegsanleihen hatte ursprünglich sogar eine soziale Komponente gehabt. Ursprünglich dachte man ebenfalls an eine Vermögenssteuer wie in England, aber das Geld wäre dann für den Steuerzahler endgültig verloren gewesen. So dachte man: Wir leihen es uns lediglich von der Bevölkerung und geben es ihnen später wieder mit Zinsen zurück. Dass es dann völlig anders kam, damit hatten sie nicht gerechnet. Man ging davon aus, dass man den Krieg gewinnt, alles andere hätte sich dann ergeben, so glaubte man. Richtige, ausgearbeitete Pläne gab es dafür meines Erachtens nicht. Die Regierung war so sehr mit der Kriegsführung beschäftig, da waren diese Fragen eher sekundär.

Alle anderen Punkte jetzt zu diskutieren bringt meines Erachtens nicht, denn hier geht es lediglich darum: Was hätte man? Oder: Was wäre gewesen, wenn? Das sind alles rein hypothetische Fragen und da kann jeder sich denken, was er will. Es ist nun aber nicht so gekommen und letztlich zählt dann auch nur das. Jedenfalls für den Schüler, der irgendeine Prüfung bestehen soll. Ansonsten kann jeder frei fabulieren, davon halte ich aber nicht viel.

Diese Politik mit der Inflation war natürlich unverantwortlich wie auch schon der ganze Krieg unverantwortlich gewesen war. Doch waren die Politiker damals auch Getriebene gewesen, die Regierungen waren instabil, kaum handlungsfähig und wechselten zudem dauernd. Da kann man dann auch nicht viel erwarten.
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