Der frühe Nationalismus der Deutschen

"Deutschland - aber wo liegt es?" Goethe

Moderator: Barbarossa

ehemaliger Autor K.

Über den Begriff der Nation gibt es eine umfangreiche Literatur. Im Allgemeinen wird unter Nation eine soziale Gruppe verstanden, „die sich aufgrund vielfältiger historischer gewachsener Beziehungen sprachlicher, kultureller, religiöser oder politischer Art ihrer Zusammengehörigkeit und besonderen Interessen bewusst geworden ist.“ (Peter Alter, Nationalismus, Frankfurt 1985, S.23). Häufig sind auch noch wirtschaftliche Gemeinsamkeiten und territoriale Verbindungen von Bedeutung. Eine Nation kann mit einer Ethnie zusammenfallen, dies ist aber oft nicht der Fall bzw. die ethnische Zugehörigkeit existiert häufig nur fiktiv im Bewusstsein der Mitglieder. Eine Nation grenzt sich meistens von anderen ab und erlangt dadurch ein Wir-Bewusstsein. Entscheidend dabei ist, dass diese unterschiedlich definierte Gruppe auch eine Nation sein will. Nationalistisches Bewusstsein entsteht häufig als Folge von Fremdherrschaft oder durch Vernetzung einstmals unabhängiger Subsysteme.

In der Frühphase der kapitalistischen Entwicklung fällt der Liberalismus mit dem Nationalismus zusammen. Die Bürgernation steht gegen den kosmopolitischen Adel und den internationalen Klerus. Der Nationalismus ist der Kitt, der die sozial ganz verschiedenen Schichten zu einer ideellen Gemeinschaft verbindet. In Frankreich erklärte sich der dritte Stand zur Nation und schloss den Adel und Klerus daraus aus. Das Bürgertum bildete die treibende Kraft und mit dem Nationalismus mobilisierten sie auch die Bauern, Handwerker und Arbeiter.

In Deutschland bestand aufgrund der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung nur ein Amts- und Bildungsbürgertum, welches sich als Kulturnation begriff. Sie wollten die deutsche Kleinstaaterei überwinden und die Macht des Adels beschränken. (Vertreter dieser Richtung waren z.B. Goethe, Schiller, Freiherr vom Stein). Daneben entwickelte sich aber ein völkischer Nationalismus, ebenfalls aus dem Bildungsbürgertum, der rassistische Ideen entwickelte. (Ernst Moritz Arndt, Turnvater Jahn)

Aufgrund der französischen Fremdherrschaft unter Napoleon entwickelte sich ein Gegensatz zu den Ideen der Aufklärung, die als Ideologie der Besatzungsmacht abgelehnt wurden. Da anders als in England oder Frankreich Staat und Nation nicht zusammenfielen, mussten die Strukturen eines Nationalstaates zunächst vorgedacht werden:

• Welche Gebiete sollen zu dem zu schaffenden Nationalstaat eigentlich gehören?
• Wer ist eigentlich Deutscher?

Bei der Beantwortung dieser Fragen entstand die politische Romantik. Sie entdeckte die Volksgemeinschaft als Kriterium der Nationalität. In ihr wird man hineingeboren, als Glied eines durch Abstammung miteinander verbundenen Volkskörpers. Man kann ihr nicht beitreten, da nur die Blutsverwandtschaft entscheidend ist. Die Deutschen seien demzufolge eine ethnische Gruppe, abstammend von den Germanen. Juden oder Slawen konnten keine Deutschen sein, auch wenn sie in Deutschland lebten, da sie kein „germanisches Blut“ besaßen.

Der deutsche Nationalismus war anders als in Frankreich nicht das Kind der Aufklärung, sondern entwickelte sich im Gegensatz zu ihr als Kind der Romantik. Deshalb war er von Anfang an mit tiefen, oft irrationalen Emotionen belastet. Angetrieben vom Hass gegen den fremden Eroberer, verkam der Nationalismus zu einer Art Religionsersatz, nahm tendenziell rassistische Züge an. Er trennte Deutschland von seinen Nachbarn und isolierte das Land von den anderen Staaten, ein folgenschwerer Entwicklungsprozess mit schlimmen Folgen für Deutschland und Europa.

“Ich will den Hass gegen die Franzosen, nicht bloß für diesen Krieg, ich will ihn für immer.
Dann werden Deutschlands Grenzen auch ohne künstliche Wehren sicher sein, denn das
Volk wird immer einen Vereinigungspunkt haben, sobald die unruhigen und räuberischen
Nachbarn überlaufen wollen. Dieser Hass glühe als die Religion des deutschen Volkes, als
ein heiliger Wahn in allen Herzen und erhalte uns immer in unsrer Treue, Redlichkeit und
Tapferkeit.(…)”
Zitat E.M. Arndt („Über Volkshass und den Gebrauch einer fremden Sprache“, 1813):

„Es versteht sich von selbst, dass jeder Mann eine Frau aus dem eigenen Volke nehmen wird. Alles andere ist bloß tierische Paarung. Wer sich mit einem fremden Weibe einläßt, hat Volk und Vaterland verspielt.“
„Deutsches Volksthum“ von Turnvater Jahn 1810

Dies waren nicht die Ansichten extremistischer Außenseiter, sondern weitverbreitete Überzeugungen in der damaligen Zeit und die beiden Autoren standen an der Spitze der Unabhängigkeitsbewegung.

Häufig unterscheidet man „positiven Nationalismus“ und „negativen Nationalismus“. Als positiv wird der Nationalismus von unterdrückten Völkern bezeichnet, ihr Kampf um Unabhängigkeit, Autonomie oder gleiche Rechte. Negativ und gleichbedeutend mit Chauvinismus ist ein Nationalismus, der die eigene Nation besonders hervorhebt und die übrigen als minderwertig ansieht und sie unterdrückt. Die deutsche Geschichtsschreibung beschreibt daher den frühen Nationalismus und seinen Kampf gegen Napoleon als positiv, den späteren Nationalismus der wilhelminischen Ära als negativ. Doch die Untersuchung zeigt, dass Nationalismus fast immer janusköpfig ist, positive und negative Elemente sind stets gleichzeitig vorhanden und es hängt von der politischen Situation ab, welche die Oberhand gewinnen. Aus Unterdrückten können selber Unterdrücker werden, aus Opfern werden später Täter, das beobachten wir überall in der Welt. Grund ist zumeist ein Wandel in den Eliten, die den Nationalismus prägen. Aus dem einst benachteiligten Bürgertum in Deutschland wurde im Kaiserreich eine fast mit dem Adel gleichberechtigte Schicht. Die demokratischen Elemente des frühen Nationalismus wurden zurückgedrängt und durch die reaktionären Elemente ersetzt.
Renegat
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Du hast ein sehr interessantes Thema eröffnet, Karl-Heinz. Den Ansatz, dass der Nationalismus in D eher aus der emotionalen Romantik als der rationalen Aufklärung erwuchs, lese ich zum ersten Mal. Da muß ich ein Weilchen drüber nachdenken.
RedScorpion

Renegat, Du hörst das zum ersten Mal? Das ist die klassische Ausrede für alle möglichen Unfälle deutscher Moderne, wiederholt und bisweilen auch durchaus vorgebracht.

Und jo; ich will nicht sagen, dass das alles Kappes ist;

denn in der Tat, was wäre Hitler ohne Walhalla, ohne Wagner, ohne den Rienzi, ohne diese seltsamen Clubs eklektischen Pangermanismus', die den NS dann in den Grundzügen weniger abgehoben aussehen liessen, als er war.

Aber es is nu ooch nich so, dass Deutschland bzw. das Deutsche Reich ein Produkt dieser Irren ist, nennen wir sie ruhig einmal so, ohne dabei Böses zu unterstellen (denn freilich muss ein Träumer des 19. Jh. kein Massenmörder dann im 20. sein). Sondern eher der eiskalten Machtpolitik eines Grosspreussens und eines Bismarck, der ganz bestimmt kein Träumer war, ebensowenig hochkonservativ, noch bürgerlich. Eigentilich auch kein Vertreter der Reaktion auf die neue napoleonische Nation, sondern irgendwie noch zeitlich davor orientiert. Wenn ihm aber ein Spagat gelang, dann die "Aussöhnung" mit denen, die 48 nachtrauerten, und da könnte man dann doch sagen, ja, da waren die Träumer unter den Bürgerlichen und Liberalen mit Sicherheit dabei, falls ihnen das Träumen angesichts jahrzehntelanger Realpolitik nicht längst vergangen war.

Auf der anderen Seite: Ohne den preussischen Beamtenapparat, ohne den Untertanen, die Wirtschaftsverflechtungen und die Industrialisierung wären weder Weltkriege noch im Endeffekt die Bundesrepublik denkbar gewesen. Und das sind Gegenbegriffe zur Romantik, in meinen Augen.



LG
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dieter
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Lieber Karlheinz,
es ist schlimm, dass aus Träumern Verbrecher wurden. Aber Bismarck kann das nicht angerechnet werden, der hat aus seinem Bankier sogar einen Baron gemacht. Konnte bei Wagners Opern noch nie etwas empfinden, ist für mich nur Mummenschanz. Tatsache bleibt, das deutsche Volk liegt in der Mitte von Europa, als Großmacht zu klein und als Mittelmacht zu groß, daran haben auch die Gebietsabtretungen von einem Drittel des Landes nichts geändert. Der Vorteil von D ist nach wie vor, dass sich hier von allen Herren Ländern die Bevölkerung und Ideen sich vereinigen.
Angefangen mit Kelten, Germanen und dem Lehrmeister Rom. Arminius konnte die Römer nur schlagen, weil er röm. Offizier (Ritter) war und deshalb die röm. Militärmaschine gut kannte.
Es ging weiter mit Integration von Slawen und Balten(Pruzzen) zu den Hugenotten aus Frankreich und bis zu unseren heutigen Migranten.
Die Ideen lernten wir von Frankreich und die Industrialisierung von England. Heute sind die Amis Mode, aber das wird sich auch legen.
Mein Fazit: D hat sich von allen Ländern die Ideen genommen und eine entsprechende Bevölkerung ist zu uns gekommen. :wink:
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Peppone
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Auch wenn der französische Nationalismus aus der Aufklärung entstand und der Deutsche durch den "napoleonischen Schock" (v.a. für Preußen) in der Zeit der Romantik und aus romantischen Ideen heraus - im Endeffekt kam doch das Gleiche dabei raus!
Die Juden waren Ende des 19.Jhs. in Deutschland in sehr viel besserer Stellung als in Frankreich.
Minderheiten hatten es im zentralistischen Frankreich sehr viel schwerer als im regional organisierten Deutschland.
Die Großreichsidee kam in Frankreich im 19.Jh. gleich zweimal zum Blühen (Napoleon I. und III.), in Deutschland geschah das im 20.Jh. und aufgrund des technischen Fortschritts sowie der Tatsache, dass beim zweiten Mal eine menschenverachtende Ideologie dahinter stand, mit weit verheerenderen Mitteln.
Wobei der Nationalismus nicht nur in Deutschland pervertierte, sondern auch in Frankreich. Wer im angeblich französischen Algerien keine helle Haut hatte, hatte schlechte Chancen auf ein menschenwürdiges Leben...und im Grunde sind die Revolutionsgräuel auch nichts anderes als, nennen wir´s mal "Standes-Rassismus".

Oft werden ja die Italiener mit den Deutschen verglichen, weil beide "zu spät gekommene Nationen" sind, die durch einen Fürsten "von oben her" geeint wurden. Auch im Italien des 19.Jhs. gab´s Antisemitismus, auch im Italien des 20.Jhs. gab´s Faschismus und Großreichphantasien, auch im Italien des 19. und 20.Jhs. gab´s einen Gegensatz zwischen Nord und Süd, der in Deutschland und Frankreich ganz ähnlich vorhanden war.

Kann es also sein, dass der Nationalismus, ganz gleich, wie er entstanden ist, zumindest in Europa immer die gleichen Folgen hat?
Beppe
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dieter
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Lieber Beppe,
durchaus möglich. Wobei der Nationalismus in anderen Ländern nicht mit der gleichen Konsequenz durchgeführt wurde, als in Deutschland durch ein menschenverachtendes Regime, dass zuletzt sogar noch sein eigenes Volk opfern wollte (Nerobefehl) weil es den Anforderungen des Regimes nicht genügt hatte und das sog. Volk aus dem Osten sich als stärker erwiesen hatte. Mein Fazit: Anscheinend kann man so an jeder Idiotie festhalten. :wink:
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Barbarossa
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In Ergänzung zu den Ausführungen von Karlheinz wäre noch hinzuzufügen, daß es bereits Jahrhunderte vor der Fremdherrschaft Napoleons I. in Deutschland sowohl Anfänge einer nationalstaatlichen Entwicklung gab, als auch antifranzösische Stimmungen bzw. gar Ressentiments.

Als Eckpunkte wären hier insbesondere zu nennen:

1474 wurde die Reichsbezeichnung "Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation" erstmals in den Rheinlanden in der vollen Form verwendet. A. Diehl dazu: "Sie ist durchaus als Ausdruck des im 15. Jh. heranwachsenden Nationalbewußtseins zu bewerten." (HZ, 156/1937), (so auch E. Müller-Mertens, "Vom Regnum Teutonicum zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, in: ZfG, 1962/2, S. 345)

1519: >> Auf Betreiben des Kurfürsten von Sachsen, Friedrich "dem Weisen", mußte Karl V. eine "Wahlkapitulation" unterschreiben, die vorsah, daß der Kaiser bei seiner Abwesenheit ein Reichsregiment zu errichten hatte, welches die Angelegenheiten des Reiches regeln sollte. Weiterhin mußte sich Karl verpflichten, Reichsämter ausschließlich mit Deutschen zu besetzen, in offiziellen Dokumenten nur die deutsche oder die lateinische Sprache zu verwenden und keine fremden Truppen ins Reich zu bringen. Reichstage sollten nur an Orte innerhalb des Reichsgebietes einberufen werden und Bündnisse nur mit Zustimmung der Kurfürsten gelten. Weiterhin wurden die Bestimmungen der "Goldenen Bulle" von 1356 bekräftigt und weiterführend mußte sich Karl verpflichten, den Kurfürsten aller ihrer Rechte und Privilegien zu belassen und sie gegen Erhebungen des Adels und des "gemeinen Mannes" zu schützen. Von besonderer Wichtigkeit war die Bestimmung, keinen Untertanen des Reiches ohne Verhör durch deutsche Richter fremden Gerichten zu überstellen.
Dieses Dokument war nach der "Goldenen Bulle" das wichtigste Verfassungsdokument, in dem die Kurfürsten einerseits versuchten, die fürstliche "Libertät" zu stärken, andererseits aber auch die deutschen Gebiete des Reiches vor fremdländischen Eingriffen zu schützen suchten und womit sie ein ständisch gebundenes nationales Bewußtsein zu erkennen gaben.
Seit dieser Zeit wurden solche "Wahlkapitulationen" jedem neu zu wählenden Kaiser zur Unterschrift vorgelegt. <<
Quelle: http://geschichte-wissen.de/neuzeit/48- ... arl-v.html

Diese Anfänge einer entstehenden Nation wurden durch die Kirchenspaltung und den in diesem Zusammenhang geführten Kriegen, endgültig aber durch den "Westfälischen Frieden" 1648 jäh beendet. Zudem kam seit der Zeit des französischen "Sonnenkönigs" Ludwig XIV. an den europäischen Herrscherhäusern die Mode auf, sich an diesen König zu orientieren. Seit dieser Zeit wurde an allen Höfen ausschließlich französisch gesprochen.

Dafür ging die zunehmende Identifizierung der Nation mit der Sprache in den unteren Schichten weiter.
Über die Hintergründe der Kaiserwahl von 1742 ist u. a. folgendes bekannt:

>> "24. Januar 1742: Eine denkwürdige "Kaiserwahl"

Nach dem Tod Kaiser Karls VI. 1740 wurde die Wahl eines neuen Kaisers notwendig - das "Heilige Römische Reich Deutscher Nation", wie das Reich offiziell hieß, war eine Wahlmonarchie. Jedoch konnten sich die Kurfürsten, die den Kaiser zu wählen hatten nicht sofort auf einen neuen Kaiser einigen. Karl VI. war gestorben, ohne einen männlichen Thronfolger zu hinterlassen. Dafür bestimmte er in seiner "Pragmatischen Sanktion" seine Tochter Maria Theresia zu seiner Nachfolgerin in den habsburgischen Besitzungen. Die Hoffnung der Habsburger, dass ihr Gatte Franz Stephan v. Lothringen den Thron des Reiches besteigen könnte, ging angesichts der ungünstigen Lage im Österreichischen Erbfolgekrieg 1742 noch nicht auf. Die starke anti-habsburgische Koalition, der auch Frankreich angehörte, setzte die Wahl des Kurfürsten von Bayern, Karl Albrecht, als Karl VII. durch.
Zuvor war Frankreich ins Rheinland einmarschiert und die Kurbistümer Trier und Mainz bedroht, so dass sie ihre Zustimmung zur Wahl des Bayern gaben - aus "besonderer Hochachtung für den König von Frankreich". Selbst der Kurfürst von Hannover, der als Georg II. auch König von England war, gab seine Zustimmung zu dieser Wahl, während das habsburgische Kronland - das Königreich Böhmen und ebenfalls Kurfürstentum des Reiches - seit Nov./Dez. 1741 militärisch besetzt war. Auch hier hatte sich Karl Albrecht v. Bayern zum König wählen lassen. So stand der Wahl Karl Albrechts v. Bayern zum Kaiser nichts mehr im Wege. Am 24. Januar 1742 wurde er von den Gesandten der 8 Kurfürsten in Frankfurt am Main als Karl VII. zum Kaiser des "Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation" gewählt und am 12. Februar 1742 gekrönt. Diese Wahl bedeutete eine Zäsur in der Geschichte des Reiches, denn seit 1438 bis zum Tod Karls VI. 1740 - also 302 Jahre – hatten ununterbrochen Habsburger auf dem Thron gesessen. 1742 wurde diese Reihe unterbrochen.
Die Wahl von 1742 gab bereits damaligen Zeitgenossen Anlass zur Kritik. So wurde vor allem die massive Einflussnahme Frankreichs scharf kritisiert. Im Vorfeld der Wahl wurden Flugschriften verteilt, auf denen der Verfall des Reiches beklagt und die Fürsten wegen ihrer Abhängigkeit von Frankreich scharf angegriffen wurden. Hierbei wurden bereits nationale bzw. reichspatriotische Bekundungen und frankreichfeindliche Töne laut. So gab es auch Forderungen, die Fürsten durch eine Verdreifachung der Reichsarmee zum Frieden untereinander zu zwingen - zur damaligen Zeit jedoch eine Illusion. Letztlich blieb es bei einem Appell, Österreicher, Bayern und Preußen mögen sich einen.
Selbst der Reichsrechtler und Mitglied der Wahlgesandtschaft aus Trier, Johann Jacob Moser (1701-1785) äußerte seine Sorge über "aller unglückseligen Situation, darinnen sich Teutschland jetzo befindet" und plädierte dafür, das Reich in seiner alten Verfassung zu belassen und die Stände in ihrer Landeshoheit zu belassen. Die Streitereien könnten seiner Ansicht nach nur dem gemeinsamen Feind Frankreich nützen.
Moser plädierte auch in späteren Jahren noch für die Einheit des Reiches, da er in ihr ein Mittel sah, der ständigen Bedrohung durch Frankreich zu entgehen, das seine Macht auf den "Ruinen Teutschlands" ausbaute.
Schon am 20. Januar 1745 starb Karl VII. und der habsburgische Wunschkandidat, Franz Stephan v. Lothringen wurde am 13. September 1745 als Franz I. Stephan zum Kaiser des Reiches gewählt. <<
Quelle: http://geschichte-wissen.de/nachrichten ... ussen.html (S. 11)
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dieter
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Lieber Barbarossa,
vielen Dank für die Schilderung des geschichtlichen Hintergrundes, aber das hat noch nichts mit dem Nationalismus zu tun, wie wir ihn von Frankreich nach der Revolution kennen. Der deutsche Nationalismus kam erst mit den Befreiungskriegen bis 1815, den dann auch Bismarck für die Reichsgründung ausgenutzt hat. :wink:
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Barbarossa
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Aber dieser Nationalismus kam nicht aus dem Nichts. Es gab auch hier eine Vorgeschichte und die wollte ich gern darstellen - der Vollständigkeit halber. ;-)

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Barbarossa hat geschrieben:Aber dieser Nationalismus kam nicht aus dem Nichts. Es gab auch hier eine Vorgeschichte und die wollte ich gern darstellen - der Vollständigkeit halber. ;-)

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Lieber Barbarossa,
das hast Du doch gemacht, Luther wird derjenige gewesen sein, der uns mit der Übersetzung der Bibel in die deutsche Schriftsprache, den Anfang für eine Nation gemacht hat. :wink:
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Peppone
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dieter hat geschrieben:
Barbarossa hat geschrieben:Aber dieser Nationalismus kam nicht aus dem Nichts. Es gab auch hier eine Vorgeschichte und die wollte ich gern darstellen - der Vollständigkeit halber. ;-)

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Lieber Barbarossa,
das hast Du doch gemacht, Luther wird derjenige gewesen sein, der uns mit der Übersetzung der Bibel in die deutsche Schriftsprache, den Anfang für eine Nation gemacht hat. :wink:
Nein, Barbarossa hat schon recht, der "Frühnationalismus" wurzelt viel eher.
Das begann an den ersten Universitäten, wo sich die Studenten nach "nationes" gruppierten. Da gab´s die Romanen, die Germanen, die Slawen und die Skandinavier.
Wobei man da nicht nach heutigen Nationen gehen kann, denn zur "deutschen" Nation gehörten z.B. auch die Böhmen/Tschechen - und zwar auch nach eigenem Selbstverständnis. Die damaligen "nationes" waren eher eine Kombination aus kulturellen und geographischen Aspekten.
Auch dass das HRR mit dem Zusatz "Deutscher Nation" versehen wurde, hat eher was damit zu tun, dass sich das Reich zu diesem Zeitpunkt auf deutschsprachige Räume, die Niederlande und Böhmen zu beschränken begann (gezwungenermaßen, Italien war zu diesem Zeitpunkt im Prinzip schon ausgeschert)/ als damit, dass sich damals etwa schon die "deutsche Nation" zu bilden geonnen hätte. Solange sich Niederländer und Tschechen zur "deutschen" Nation zählten - und das war bis weit nach Luther so - haben wir´s eben mit Frühnationalismus zu tun.
Du hast aber insofern recht, als der Nationalismus im heutigen Sinn tatsächlich erst mit der Französischen Revolution entstand, dann aber innerhalb kürzester Zeit - wobei die "Vorarbeiten" speziell im Falle Frankreichs besondere waren, nämlich die Auseinandersetzung der Bevölkerung mit einem zentralistischen, als "fremd" empfundenen Hof.

Deutschland war - auch dank Luther, auch hierin hast du schon auch recht - bis mindestens 1870/71 noch am ehesten eine sog. "Kulturnation" als eine "tatsächliche" Nation, schon allein mangels einheitlichem Staatsgebiet.
Da waren Engländer (nicht Briten!) und Franzosen tatsächlich lange Zeit die einzigen "echten" Nationen nach heutigem Verständnis, auch schon lange, bevor es den modernen Nationalismus gab.

Beppe
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dieter
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Lieber Beppe,
schön dass Du mir teilweise Recht gibst. Natürlich begann der Begriff schon viel früher nämlich in der Zeit wo sich die Deutschen Könige die röm. Kaiserkrone holten. :wink:
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Peppone
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dieter hat geschrieben:Lieber Beppe,
schön dass Du mir teilweise Recht gibst.
Kommt so selten nu auch wieder nicht vor, ich schreibs halt nicht jedes Mal... ;)
dieter hat geschrieben:Natürlich begann der Begriff schon viel früher nämlich in der Zeit wo sich die Deutschen Könige die röm. Kaiserkrone holten. :wink:
Sie bezeichneten sich aber nicht als "deutsche" Könige, das ist das Entscheidende bei unserem Thema. Rudolf von Habsburg bspw. nannte sich "König der Römer" (im Original "dei gratia Romanorum Rex semper augustus"). Zwar mag das deswegen geschehen sein, weil er es - als erster Herrscher des HRR, wenn man von den Interregnums-"Königen" absieht - nicht geschafft hatte, sich zum Kaiser krönen zu lassen.
Aber schon Während der Ottonenzeit nannten sich die Herrscher des HRR "König der Franken" (Rex Francorum; zu dieser Zeit war das Reich im Wesentlichen auch noch ein Ostfränkisches Reich, außerdem konnte es nicht schaden, sich als Nachfolger Karls des Großen zu stilisieren), seit der späten Salierzeit "Römischer König" oder "König der Römer" (Rex Romanorum), am Ende des Heiligen Römischen Reiches - seit Maximilian I. - "König in Germanien" (Germaniae Rex; also erstmals ein rein geographischer Bezug, nachdem zuvor immer auf die Herrschaft über ein Volk - Franken oder Römer - Bezug genommen wurde!).
Einzig die Päpste bezeichneten die Herrscher des HRR teilweise - und dann immer in herabsetzender Absicht - als "Könige der Deutschen" (Rex Teutonicorum)... Die Tendenz ist klar.

Beppe
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dieter
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Peppone hat geschrieben:[
dieter hat geschrieben:Natürlich begann der Begriff schon viel früher nämlich in der Zeit wo sich die Deutschen Könige die röm. Kaiserkrone holten. :wink:
Sie bezeichneten sich aber nicht als "deutsche" Könige, das ist das Entscheidende bei unserem Thema. Rudolf von Habsburg bspw. nannte sich "König der Römer" (im Original "dei gratia Romanorum Rex semper augustus"). Zwar mag das deswegen geschehen sein, weil er es - als erster Herrscher des HRR, wenn man von den Interregnums-"Königen" absieht - nicht geschafft hatte, sich zum Kaiser krönen zu lassen.
Aber schon Während der Ottonenzeit nannten sich die Herrscher des HRR "König der Franken" (Rex Francorum; zu dieser Zeit war das Reich im Wesentlichen auch noch ein Ostfränkisches Reich, außerdem konnte es nicht schaden, sich als Nachfolger Karls des Großen zu stilisieren), seit der späten Salierzeit "Römischer König" oder "König der Römer" (Rex Romanorum), am Ende des Heiligen Römischen Reiches - seit Maximilian I. - "König in Germanien" (Germaniae Rex; also erstmals ein rein geographischer Bezug, nachdem zuvor immer auf die Herrschaft über ein Volk - Franken oder Römer - Bezug genommen wurde!).
Einzig die Päpste bezeichneten die Herrscher des HRR teilweise - und dann immer in herabsetzender Absicht - als "Könige der Deutschen" (Rex Teutonicorum)... Die Tendenz ist klar.
Lieber Beppe,
ich habe in Terra X im Fernsehen dazu etwas gesehen. Ja die Ostfranken bezeichneten sich selbst nicht als Deutsche. Aber die Italiener, die es damals natürlich noch nicht gab, bezeichneten die Sprache, welche die Ostfranken sprachen als theodisk und betrachteten die Ostfranken als ein Volk, das setzte sich anscheinend bei unseren Ahnen erst viel später durch. :wink:
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Peppone
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dieter hat geschrieben:die Italiener, die es damals natürlich noch nicht gab, bezeichneten die Sprache, welche die Ostfranken sprachen als theodisk und betrachteten die Ostfranken als ein Volk, das setzte sich anscheinend bei unseren Ahnen erst viel später durch. :wink:
Stopp. Mit "teodisce" bezeichneten die (Ober-)Italiener zuerst die (Umgangs-)Sprache derjenigen von nördlich der Alpen, mit denen sie Kontakt hatten. Und das waren zuallererst Schwaben/Alemannen sowie Bajuwaren/Bayern.
Und nachdem Schwaben und Bayern im Frühmittelalter im Wesentlichen noch den gleichen Dialekt sprachen, war die einheitliche Bezeichnung für diese Sprache und damit auch für die dazugehörige Bevölkerung auch logisch. Als sich im Norden der Alpen ein relativ einheitliches Reichsgebiet etablierte, das dann auch auf Oberitalien ausgriff, bürgerte sich die Bezeichnung bei den Oberitalienern für alle, die nördlich der Alpen lebten und eine ähnliche (!) Sprache sprachen, ein.

Für die ITALIENER also hörten sich alle Ostfranken ähnlich an, lediglich die Bayern und Schwaben waren aus ihrer Sicht EIN Volk. Und ursprünglich war es ja auch so. Hier hätten wir also einen von AUßEN aufgeprägten (Frühest-)Nationalismus vor uns. Die Bayern und Schwaben und noch viel mehr die Franken/Hessen, Sachsen und Friesen sahen das GANZ anders...

Ähnliches passierte von Seiten der Westfranken, für die östlich des Rheins irgendwann einmal nur noch Alemannen lebten, und auch von Seiten der Böhmen/Tschechen, deren Begriff für "Deutscher (m)" bzw. "Deutsch (f)" - Nemec bzw. Nemka - ebenfalls ursprünglich lediglich die Bezeichnung für Bayern war und dann zur Bezeichnung für alle Deutschen wurde.

Beppe
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