Die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts

Steuern, Finanzrecht, Banken, Finanzkrise

Moderator: Barbarossa

Helmut 1963
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Sehr geehrte Forenteilnehmer
und Forenfachleute,

... die schwarze Null als Haushaltssicherungsmittel kommt immer dann ins Gerede wenn eine Konjunkturflaute oder sogar eine Rezession bevorsteht. Das ist nun leider der Fall. Es stellt sich für mich in diesem Zusammenhang die Frage, ob die sog. "Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" in diesem Zusammenhang nur als volkswirtschaftlich-unverbindlicher Maßstab im Ernstfall herangezogen wird.

Mir sind persönlich keine objektiven Kriterien bekannt nach welcher man diesen Rechtfertigkeit für entsprechende finanzielle Konjunkturspritzen faktisch auch zweifelsfrei rechtfertigen kann.

b) ist die schwarze Null überhaupt ein Haushaltssicherungsinstrument ?!
Davon bin ich ehrlich gesagt nicht überzeugt.
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Barbarossa
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Erst einmal - hallo und willkommen hier im Forum!

Die sog. ,,schwarze Null'' bei der Planung des Bundeshaushalts beinhaltet ja auch die Tilgung von Schulden, die in früheren Jahren aufgenommen wurden.
Aus meiner Sicht ist diese Strategie durchaus vorausschauend, getreu des Sprichwortes: ,,Spare in der Zeit, dann hast du in der Not.''
Diese Not haben wir nun das 3. Jahr in Folge, wo die Wirtschaft vor dem Zusammenbruch geschützt werden muss - erst wegen Corona mit den vielen Betriebsschließungen und in diesem Jahr der Ukraine-Krieg mit extrem steigenden Energiepreisen.
Würde sich der Staat kontinuierlich immer weiter verschulden, würde sicher irgendwann die Staats-Insolvenz drohen, zumal bei steigenden Zinsen, so wie jetzt. So wird man also zur schwarzen Null zurückkehren, sowie die Krisensituation überwunden ist.
Da stehe ich eigentlich dahinter.
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Marianne E.
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Die "Schwarze Null" kann auch als Synonym gewertet werden, so ähnlich wie vor vielen Jahren der "Julius-Turm".
Die bisherige Handhabung der Haushaltsführung kann vielleicht nicht unbedingt die Note der sparsamsten Geldverwendung erhalten, ist jedoch im wahrsten Sinne alternativlos.

Denn, ohne die Zuwendungen aus den sog. Paketen würde es unglaubliche soziale Verwerfungen geben, zahllose Firmenpleiten im mittelständischen Bereich und wesentlich umfangreichere bei Konzernen.
Wobei die Letzteren mit Lichtgeschwindigkeit in die Pleite rutschen können, da Gewinne sofort verteilt werden. Im Gegensatz zu Familien- und den meisten mittelständischen Betrieben, bei denen Gewinne als Rücklage für spätere Investitionen gebildet werden.

Trotzdem ist das Festhalten an der "Schwarzen Null" ein Verfassungsgebot, das nur im Notfall ausgesetzt werden darf.
Eine drohende Massenarbeitslosigkeit ist so ein Notfall.
Hier könnte eine Alternative eine Rückfuhr der seinerzeit privatisierten Grundversorgung sein. Die Grundversorgung (Wasser, Energie usw.) der Menschen gehört nicht in die freie Wirtschaft. Das Wort Verstaatlichung wird in diesem Zusammenhang gerne und völlig unzutreffend verwendet.
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Balduin
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Marianne E. hat geschrieben: 15.09.2022, 18:22 Hier könnte eine Alternative eine Rückfuhr der seinerzeit privatisierten Grundversorgung sein. Die Grundversorgung (Wasser, Energie usw.) der Menschen gehört nicht in die freie Wirtschaft. Das Wort Verstaatlichung wird in diesem Zusammenhang gerne und völlig unzutreffend verwendet.
Absolute Zustimmung.

Dass die Privatisierungswelle, die Ende des letzten Jahrtausends begann, kein voller Erfolg war, sieht man doch überall.
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Skeptik
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Marianne E. hat geschrieben: 15.09.2022, 18:22 Hier könnte eine Alternative eine Rückfuhr der seinerzeit privatisierten Grundversorgung sein. Die Grundversorgung (Wasser, Energie usw.) der Menschen gehört nicht in die freie Wirtschaft. Das Wort Verstaatlichung wird in diesem Zusammenhang gerne und völlig unzutreffend verwendet.
Staatsbeteiligung funktioniert manchmal. Auch mit Gewinn. Hat sich gelohnt bei der Lufthansa-Rettung: Mit 1,07 Milliarden Euro überstiegen die insgesamt erzielten Erlöse den zum Erwerb der Beteiligung eingesetzten Betrag von 306 Millionen Euro deutlich. Unter dem Strich sei ein Gewinn von 760 Millionen Euro übriggeblieben.

Ob Verstaatlichung hier viel geholfen hätte kann bezweifelt werden:
Ein englisches Beispiel:
Die Privatisierung der Bahnen in England war ein Desaster: Die privaten Investoren ließen Gleise und Signalanlagen verfallen, Unfälle kosteten viele Tote, der Staat muss Geld zuschießen.

RWE versuchte sich durch den Kauf von Thames Water bei der Wasserversorgung in London. Das kann ein Unternehmen, das Aktieninhabern verpflichtet ist, schwer leisten.
Das riesige Londoner Leitungssystem mit 32.000 Kilometern Trinkwasserleitungen und 64.000 Kilometern Abwasserkanälen wurde auf dem technisch niedrigst möglichen Niveau gefahren. London war im 19.Jahrhundert die erste Großstadt, unter der ein modernes, flächen- deckendes Netz von Wasserleitungen, Abwasserkanälen und Pumpstationen gebaut wurde. Heute gehören diese Leitungen zu den ältesten der Welt. Zwischen Wasserwerk und Wasserhahn versickern etwa 30 Prozent des Trinkwassers im Untergrund, mehr als in jeder anderen Stadt in den Industrieländern.

Die anhaltenden Proteste in der Bevölkerung fanden auch beim Londoner Bürgermeister Ken Livingstone Gehör. Er riet seinen Mitbürgern in einer Mischung aus Ernst und Scherz:
»Benutzen Sie nach dem Pinkeln die Klospülung nicht mehr! Sparen Sie das Wasser für Ihren Tee auf.«

RWE hat sich von diesem Vorhaben wieder trennen müssen.
http://www.wasser-in-buergerhand.de/nac ... _water.htm
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Barbarossa
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Nach meiner Philosophie sollte die Infrastruktur immer in staatlicher Hand sein. Diese kann dann von Privatunternehmen gegen eine für alle gleiche Gebühr genutzt werden.
Das wäre die aus meiner Sicht für alle Bereiche günstigste Variante. Egal, ob bei der Bahn, beim Strom, oder Telekommunikation, Wasser/Abwasser und Straßennetz sowieso usw.
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Marianne E.
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Lieber Barbarossa,
Deine Philosophie ist mir unter dem Namen "Soziale Marktwirtschaft" bekannt und geliebt.

Das hatten wir auch einmal, bis die meisten Kommunen anfingen, ihr Tafelsilber zu verscherbeln, um teure Schwimmbäder und Verwaltungsschlösser usw. zu bauen.
Die meisten Schwimmbäder sind wegen Geldmangel geschlossen und die Verwaltungsgebäude teilweise vermietet. Auch die anderen privatisierten Dinge funktionieren nicht richtig. Man denke an das Gesundheitswesen, die Müllentsorgung und anderes mehr.

Tschüs, schönes Wochenende!
Skeptik
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Marianne E. hat geschrieben: 18.09.2022, 10:47 Das hatten wir auch einmal, bis die meisten Kommunen anfingen, ihr Tafelsilber zu verscherbeln, um teure Schwimmbäder und Verwaltungsschlösser usw. zu bauen.
Die meisten Schwimmbäder sind wegen Geldmangel geschlossen und die Verwaltungsgebäude teilweise vermietet. Auch die anderen privatisierten Dinge funktionieren nicht richtig. Man denke an das Gesundheitswesen, die Müllentsorgung und anderes mehr.
Der vergangene Sozialismus in der DDR hatte für die Bevölkerung oft auch sein Gutes.

Die Schwimmbäder waren kommunale Einrichtungen, als Sport- und Freizeitstätte und auch Kultureinrichtung für die Bevölkerung. Es gab keine großen finanziellen Probleme und es wurde staatlich gefördert.

In den Sommermonaten war es der Hauptaufenthaltsort der Familien, da die Urlaubsmöglichkeiten im Sozialismus recht beschränkt waren. Im ländlichen Bereich war es fast die einzige Möglichkeit zur Freizeitgestaltung. 1000 Badegäste an Sonnentagen waren keine Seltenheit. Man konnte ja sonst nirgends hin.

Nach der Wende - ab 1991, änderte sich die Situation dramatisch. Bäder wurden als freiwillige kommunale Aufgaben definiert und damit nicht mehr staatlich gefördert. Für alle Kommunen eine besondere Belastung, da allein mit Eintrittsgeldern die Unkosten nicht gedeckt wurden und werden. Mit den neuen Freiheiten änderte sich ab der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 auch die Urlaubsgestaltung deutlich. Plötzlich konnte man überall hinfahren worauf man Lust hatte. Der Besuch des einheimischen Bades ging deutlich zurück, die Besucherzahlen und damit die Einnahmen sanken. Um die Bäder weiter aufrecht zu erhalten wurde an allen Enden gespart, was sich besonders auf notwendige Sanierungsarbeiten und Investitionen auswirkte.

Heute sind deutschlandweit über 2.000 Bäder dringend reparaturbedürftig.
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