Osmanisches Reich

Die Geschichte des Islam

Moderator: Barbarossa

Dietrich
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WDPG hat geschrieben: Die Frage warum das so war stellt sich für mich schon. Sicherlich lebt ein Sultan des 17. Jahrhunderts luxeriöser, als Reichsgründer Osman etwa-aber ich denke nicht das es alleine an Luxus und verweichlichung lag..
Der Niedergang des Osmanischen Reichs hatte verschiedene Gründe. Zunächst einmal hatte es an mehreren Fronten zu kämpfen, nämlich im Norden gegen Russland, auf dem Balkan gegen Habsburg und im Osten gegen den Iran.

Ferner verschliefen die Osmanen in den letzten zwei Jahrhunderten ihrer Existenz wichtige waffentechnische Neuerungen, die Armee bedurfte einer dringenden Reorganisation, ganz zu schweigen von der verkommenen Flotte, die einst ein Glanzlicht gewesen war.

Besonders fällt aber ein anderer Grund ins Gewicht: Im Gegensatz zu den westlichen Staaten Europas war die Wirtschaft des Osmanischen Reiches rückläufig und im Niedergang begriffen, es gab keine schlagkräftigen Produktionsstätten und die Infrastruktur war veraltet. Während die Industrie- und Gewerbezentren in England, Frankreich und in den habsburgischen Ländern aufblühte, fehlten der Wirtschaft des Osmanischen Reichs solche Impulse. Eine wirtschaftlich derart veraltete Macht verliert Zug um Zug ihre Stellung als Großmacht. Von der gewaltigen Industrialisierung in Westeuropa im 18./19. Jh. war im Osmanischen Reoch nichts zu bemerken. Noch heute leiden die Balkanstaaten unter diesem Dornröschenschlaf.
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Peppone
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Dietrich hat geschrieben:Besonders fällt aber ein anderer Grund ins Gewicht: Im Gegensatz zu den westlichen Staaten Europas war die Wirtschaft des Osmanischen Reiches rückläufig und im Niedergang begriffen,
Der Grund dafür war die Rentenwirtschaft. Adlige besaßen große Ländereien. Diese ließen sie von Bauern bestellen, die sich sogar das Arbeitsgerät von ihren Herren für Geld leihen mussten und einen bestimmten Betrag - bar oder in Naturalien - abliefern mussten.
Da Besitzer waren nur daran interessiert, dass regelmäßig bezahlt wurde, und verbrauchten das Geld mit ihrem Leben in den Städten, daher investierten sie nichts oder nur wenig in ihre Ländereien, und das jahrhundertelang.

Beppe
Dietrich
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Peppone hat geschrieben:
Dietrich hat geschrieben:Besonders fällt aber ein anderer Grund ins Gewicht: Im Gegensatz zu den westlichen Staaten Europas war die Wirtschaft des Osmanischen Reiches rückläufig und im Niedergang begriffen,
Der Grund dafür war die Rentenwirtschaft. Adlige besaßen große Ländereien. Diese ließen sie von Bauern bestellen, die sich sogar das Arbeitsgerät von ihren Herren für Geld leihen mussten und einen bestimmten Betrag - bar oder in Naturalien - abliefern mussten.
Da Besitzer waren nur daran interessiert, dass regelmäßig bezahlt wurde, und verbrauchten das Geld mit ihrem Leben in den Städten, daher investierten sie nichts oder nur wenig in ihre Ländereien, und das jahrhundertelang.
Die Frage ist jedoch, warum die osmanischen Eliten und Wirtschaftsführer nicht schafften, was ihre Kollegen im westlichen Abendland entweder einleiteten oder zumindest offensiv begleiteten. Nämlich eine Industrialisierung, verbunden mit dem Wachsen eines parlamentarischen Systems und dem Zurückdrängen kirchlicher Macht.

Die Epoche der Aufklärung mit der Konstituierung eines elbstbewussten Bürgertums ging spurlos am Osmanischen Reich vorbei, ebenfalls die Errichtung einer schlagkräftigen, international orientierten Industrie und Wirtschaft. Wer so eklatant versagt, hat die Großmacht verspielt.
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Peppone
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Dietrich hat geschrieben:Die Epoche der Aufklärung mit der Konstituierung eines elbstbewussten Bürgertums ging spurlos am Osmanischen Reich vorbei, ebenfalls die Errichtung einer schlagkräftigen, international orientierten Industrie und Wirtschaft. Wer so eklatant versagt, hat die Großmacht verspielt.
Naja, Versagen ist was anderes. Die Entwicklung lief eben anders. Hätte das Kalifenreich der Abbasiden weiter existiert oder das Reich der Seldschuken oder hätte sonst ein Reich diese islamischen Reiche ersetzt oder hätte auch das Byzantinische Reich weiter existiert, wäre die Enticklung höchstwahrscheinlich ähnlich verlaufen.
All diese Reiche kannten nämlich kein Städtewesen wie das mitteleuropäische, wo Städte gewisse Freiheitsrechte erlangten, die dann zur Entwicklung eines Bürgertums führten, was wiederum ein selbstbewusstes Bürgertum zur Folge hatte, das wiederum die Industrialisierung in Gang setzen konnte.
Schon die Fugger oder Welser wären im Nahen Osten so nicht denkbar gewesen. Das fing schon damit an, dass im Byzantinischen Reich wie auch im alten Griechenland die Handwerker verachtet wurden (als "banausen").

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Dietrich
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Peppone hat geschrieben: Naja, Versagen ist was anderes. Die Entwicklung lief eben anders.
Das kann doch keine Entschuldigung sein. Die Führer eines Staates haben die Aufgabe, ihn militärisch und wirtschaftlich schlagkräftig zu erhalen und für einen sozialen Ausgleich und gesellschaftlichen Frieden zu sorgen. Das meiste davon hat die osmanische Staatsführung im 18. und 19. Jh. versäumt und daher war der Staat der berüchtigte "kranke Mann am Bosporus". Das kann man nicht anders als "versagen" nennen.
Peppone hat geschrieben:Hätte das Kalifenreich der Abbasiden weiter existiert oder das Reich der Seldschuken oder hätte sonst ein Reich diese islamischen Reiche ersetzt oder hätte auch das Byzantinische Reich weiter existiert, wäre die Enticklung höchstwahrscheinlich ähnlich verlaufen.
All diese Reiche kannten nämlich kein Städtewesen wie das mitteleuropäische, wo Städte gewisse Freiheitsrechte erlangten, die dann zur Entwicklung eines Bürgertums führten, was wiederum ein selbstbewusstes Bürgertum zur Folge hatte, das wiederum die Industrialisierung in Gang setzen konnte.
Schon die Fugger oder Welser wären im Nahen Osten so nicht denkbar gewesen. Das fing schon damit an, dass im Byzantinischen Reich wie auch im alten Griechenland die Handwerker verachtet wurden (als "banausen").
Im Gegensatz zu seinen Leistungen im Mittelalter hat der Islam der Neuzeit eklatant versagt. Er verfehlte eine Modernisierung der Gesellschaft und Wirtschaft, eine dem Abendland vergleichbare"Aufklärung" fand nicht statt. Und aus diesem Grund sind die meisten islamischen Staaten bis heute rückständig geblieben und leiden unter Diktatoren, mangelhafter Bildung und einer verrotteten Wirtschaft.

Gut nachlesen lässt sich das in: Hamed Abdel-Samad, Der Untergang der islamischen Welt. Eine Prognose, München 2010, Droemer Verlag
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Peppone
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Dietrich hat geschrieben:Im Gegensatz zu seinen Leistungen im Mittelalter hat der Islam der Neuzeit eklatant versagt. Er verfehlte eine Modernisierung der Gesellschaft und Wirtschaft, eine dem Abendland vergleichbare"Aufklärung" fand nicht statt.
Sag mal, du bist doch sonst nicht so drastisch.
War denn die Entwicklung der Städte, die Aufklärung in Europa vom Staat gelenkt? Nein!
Wieso also sollte das im Nahen Osten möglich sein?

Es fehlte dort einfach das ganze Konglomerat an Voraussetzungen. Feudalismus gab es, ja, aber anders als in Europa. Hier führte der Feudalismus zur Entwicklung relativ unabhängiger Adelsherrschaften, bei denen der Adlige aber immer auch vor Ort sein musste. Dieses System sah im Nahen Osten von jeher ganz anders aus. Dort gab es schon immer den Rentenkapitalismus, der Adel saß schon immer in den Herrschaftszentren bzw. wurde dorthin konzentriert, vom Herrscher aus.
Auch Städte gab es, aber der Stadtherr konnte im Osten niemand anders als der Landesherr sein, weswegen es keine Freiheit der Städte und kein Bürgertum geben konnte. Das war eine europäische Besonderheit, die sich allerdings erst nach Jahrhunderten der Existenz in der Hinsicht positiv auswirken konnte, als es einer der Faktoren war, die zur europäischen weltweiten Vorherrschaft im 19. und v.a. im 20.Jh. führten.

War doch z.B. in Indien auch nicht anders als im Nahen Osten, und in China auch nicht. Nicht einmal in Russland konnte sich ein unabhängiges Bürgertum ausbilden. Würdest du diesen Kulturen auch eklatantes Versagen vorwerfen?!?

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Peppone hat geschrieben: Sag mal, du bist doch sonst nicht so drastisch.
War denn die Entwicklung der Städte, die Aufklärung in Europa vom Staat gelenkt? Nein!
Wieso also sollte das im Nahen Osten möglich sein?
Der entscheidende Punkt liegt in einer Entmachtung der Kirche, ohne die wir vermutlich ähnliche Verhältnisse wie in den meisten islamischen Staaten hä#tten. Die Modernisierung der Gesellschaft wurde in Europa ganz wesentlich durch fähige Staatsmänner unterstützt, man denke nur an von Hardenberg, den Freiherr vom Stein und andere Reformer nur in Preußen. Die Entwicklung eines zollfreien Binnenmarktes wurde ganz wesentlich von den deutschen Ländern getragen, sodass es zum Deutschen Zollverein kam. Und auch die Industrialisierung wurde z.B. in England vom Parlament gestützt und mit entsprechenden Gesetzen unterfüttert.

Eine solche Modernisierung wurde von der islamischen Gesellschaft und den staatlichen Eliten versäumt, sodass wir gegenwärtig dieses Trauerspiel von Potentaten und einer Hoffnungslosigkei der Jugend haben, die keine Perspektiven hat und daher leicht dem Islamismus zum Opfer fällt.

Der von mir oben zitierte arabische Autor ist der Meinung, dass die negative Situation in den islamischen Ländern auf den unreformierten Islam zurückzuführen ist. Was im Mittelalter zur Expansion führte, ist heute hinderlich.
Peppone hat geschrieben:Es fehlte dort einfach das ganze Konglomerat an Voraussetzungen. Feudalismus gab es, ja, aber anders als in Europa. Hier führte der Feudalismus zur Entwicklung relativ unabhängiger Adelsherrschaften, bei denen der Adlige aber immer auch vor Ort sein musste. Dieses System sah im Nahen Osten von jeher ganz anders aus. Dort gab es schon immer den Rentenkapitalismus, der Adel saß schon immer in den Herrschaftszentren bzw. wurde dorthin konzentriert, vom Herrscher aus.
Auch Städte gab es, aber der Stadtherr konnte im Osten niemand anders als der Landesherr sein, weswegen es keine Freiheit der Städte und kein Bürgertum geben konnte. Das war eine europäische Besonderheit, die sich allerdings erst nach Jahrhunderten der Existenz in der Hinsicht positiv auswirken konnte, als es einer der Faktoren war, die zur europäischen weltweiten Vorherrschaft im 19. und v.a. im 20.Jh. führten.
Zu all dem kann man nur sagen: Die Lage der Menschen ist nicht gottgewollt, sondern veränderbar. Die abendländischen Staaten und Gesellschaften haben verändert, die islamischen nicht. Das Resulatet lässt sich überll im Morgenland betrachten. Welche Erfolge sich erzielen lassen, wenn ein säkularer Islamismus installiert wird, zeigt die moderne Türkei.
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Peppone
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Dietrich hat geschrieben:Der entscheidende Punkt liegt in einer Entmachtung der Kirche, ohne die wir vermutlich ähnliche Verhältnisse wie in den meisten islamischen Staaten hä#tten. Die Modernisierung der Gesellschaft wurde in Europa ganz wesentlich durch fähige Staatsmänner unterstützt, man denke nur an von Hardenberg, den Freiherr vom Stein und andere Reformer nur in Preußen. Die Entwicklung eines zollfreien Binnenmarktes wurde ganz wesentlich von den deutschen Ländern getragen, sodass es zum Deutschen Zollverein kam. Und auch die Industrialisierung wurde z.B. in England vom Parlament gestützt und mit entsprechenden Gesetzen unterfüttert.
Die Frage ist nur: Von wem ging das alles aus? Als Hardenberg etc. wirkten, war die Kirche - protestantisch oder katholisch - noch lange nicht entmachtet, das schaffte erst Bismarck mit seiner Bildungsreform und Kanzelparagraph etc.
Der Binnenmarkt wurde auf Veranlassung der Industriellen geschaffen. Ausnahme: Der Merkantilismus, da war tatsächlich zuerst der Herrscher der Zollschrankenbeseitiger, und dann erst profitierten die Fabrikanten.
Auch die englische Industrialisierung ging zuerst von Bürgerlichen aus, die dann die Unterstützung des Parlaments bekamen.
Dietrich hat geschrieben:Eine solche Modernisierung wurde von der islamischen Gesellschaft und den staatlichen Eliten versäumt, sodass wir gegenwärtig dieses Trauerspiel von Potentaten und einer Hoffnungslosigkei der Jugend haben, die keine Perspektiven hat und daher leicht dem Islamismus zum Opfer fällt.
Bei den Folgen sind wir d´accord, aber nicht bei den Voraussetzungen. Es gab Versuche im Osmanischen Reich, Modernisierungen herbeizuführen: Mahmut II. vernichtete die Janitscharen, bekam allerdings auch dadurch keine grundlegende Armeeerneuerung hin. In der Tanzimat-Epoche wurden wirtschaftliche und gesellschaftliche Reformen durchgeführt, die aber scheiterten, weil eben die "bürgerliche Basis" und das Handwerk die Einnahmeverluste des Staates nicht wett machen konnten - sie waren quasi nicht vorhanden, zumindest nicht als wirtschaftliche "Macht".
Abdülhamid II. versuchte erneut Reformen, musste aber nach der Niederlage gegen die Russen und dem Frieden von San Stefano seine Reformen wieder zurück nehmen und war innenpolitisch quasi entmachtet. All diese Reformversuche liefen im 19.Jh. ab. Sie konnten aber nicht erfolgreich sein, weil eben das Bürgertum fehlte.
Die Entwicklung dieses Bürgertums konnte aber nicht von oben geschehen, sondern musste von unten geschehen, so wie in Europa. Hätte der Sultan dies irgendwann mal versucht, hätte er eine jahrtausendealtes System umstürzen müssen - von vorneherein zum Scheitern verurteilt, die Gegenkräfte wären allezeit viel zu stark gewesen. Ein Jahrtausend europäische Entwicklung konnte man nicht auf die Schnelle nachholen. Und als die Europäer ihr "Bürgerexperiment" begannen, war ihnen erstens nicht klar, was da in Gang gekommen war (sowas lässt sich immer erst im Nachhinein feststellen) und zweitens war es keine gezielte Entwicklung, schon gar nicht von Seiten des Staates, der hier nur widerwillig seine Privilegien aufgab.
Dietrich hat geschrieben:Der von mir oben zitierte arabische Autor ist der Meinung, dass die negative Situation in den islamischen Ländern auf den unreformierten Islam zurückzuführen ist. Was im Mittelalter zur Expansion führte, ist heute hinderlich.
Da sind wir wieder beinander.
Dietrich hat geschrieben:Zu all dem kann man nur sagen: Die Lage der Menschen ist nicht gottgewollt, sondern veränderbar. Die abendländischen Staaten und Gesellschaften haben verändert, die islamischen nicht. Das Resulatet lässt sich überll im Morgenland betrachten. Welche Erfolge sich erzielen lassen, wenn ein säkularer Islamismus installiert wird, zeigt die moderne Türkei.
Achja? Bis vor kurzem glich die Türkei noch einer Militärdiktatur - kein Wunder, bei einer vom Militär diktierten Verfassung.
Zwar säkular, aber das Bürgertum ist dort bis heute unterentwickelt.
Und nochmal: Wenn die LAge der Menschen veränderbar ist, dann heißt das implizit, dass die europäische Entwicklung von vorneherein gesteuert gewesen wäre.
War sie aber nicht!!

Beppe
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Drago
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Dietrich hat geschrieben: Die Modernisierung der Gesellschaft wurde in Europa ganz wesentlich durch fähige Staatsmänner unterstützt, man denke nur an von Hardenberg, den Freiherr vom Stein und andere Reformer nur in Preußen. Die Entwicklung eines zollfreien Binnenmarktes wurde ganz wesentlich von den deutschen Ländern getragen, sodass es zum Deutschen Zollverein kam. Und auch die Industrialisierung wurde z.B. in England vom Parlament gestützt und mit entsprechenden Gesetzen unterfüttert.
Bevor die Staatsmänner sich in Europa bewegten brauchte es aber Impulse von anderen Staaten oder vom Volk des Staates. Diese fehlten in der islamischen Welt größtenteil, was eben zur Stagnation geführt hat.
Der Kolonialismus und die damit einhergehende Verhinderung von Reformen war auch nicht gerade förderlich für die islamische Welt.
Dietrich hat geschrieben: Zu all dem kann man nur sagen: Die Lage der Menschen ist nicht gottgewollt, sondern veränderbar. Die abendländischen Staaten und Gesellschaften haben verändert, die islamischen nicht. Das Resulatet lässt sich überll im Morgenland betrachten.
Aber auch das hat gedauert und die abendländischen Gesellschaften hatten eben eine andere Ausgangslage als die Gesellschaften in der islamischen Welt (wiePeppone schon ausführlich beschrieben hat).
Aneri

Peppone hat geschrieben:All diese Reiche kannten nämlich kein Städtewesen wie das mitteleuropäische, wo Städte gewisse Freiheitsrechte erlangten, die dann zur Entwicklung eines Bürgertums führten, was wiederum ein selbstbewusstes Bürgertum zur Folge hatte, das wiederum die Industrialisierung in Gang setzen konnte.
Hallo Beppe,
wenn es auch nicht völlig zu Thema passt, würdest du mich erinnern, auf welche Grundlage die Freiheit der europäischen Städte entstand? Hatte irgendwann gelesen, dennoch vergessen.
Voraus danke
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Peppone
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Aneri hat geschrieben:wenn es auch nicht völlig zu Thema passt, würdest du mich erinnern, auf welche Grundlage die Freiheit der europäischen Städte entstand?
Meistens stand das Marktrecht am Beginn der Entwicklung einer Stadt. Entweder wurde sie als Plastadt gegründet (selten auf der "grünen Wiese", meist auf Basis einer Vorgängersiedlung), oder ein Dorf wurde damit privilegiert.
Meistens vom Landes- oder Stadtherrn.

Zu diesen Privilegien gehörte meist auch eine Art von Freiheit, mit besonderen Rechten, die die Stadt vom Landesherren verliehen bekam. Damit so ein Markt nämlich florieren konnte, musste man ihm Rechte zugestehen, die der Landesherr nicht mehr wahrnehmen konnte, weil er sich nicht mehr um alle Streitigkeiten selber kümmern konnte und auch keine Beamten abstellen konnte, die bspw. jeden einzelnen Markt überwachten. Die sogenannte "Brügerfreiheit" innerhalb der Stadtmauern gewährleistete auch, dass die Bevölkerung der Städte stieg, zu Lasten der Landbevölkerung (die oft im Gegensatz zu den Städten NICHT dem Landesherrn der Städte direkt unterstanden; in vielen Dörfern gab es verschiedene Grundbesitzer, die dann auch die Hörigen/Leibeigenen "besaßen"). Das war für den Stadtherren von Vorteil, weil dadurch die Städte besser florierten (= mehr Einnahmen brachten) und die Konkurrenz (= die Herren der Landbevölkerung) geschädigt wurde.
Da insbesondere die Kaiser, und hier wiederum besonders die Staufer, sich zunehmend in landesherrliche Streitigkeiten verstrickten, gleichzeitig immer mehr Städte gründeten oder erhoben (das brachte massig Einnahmen, die sich die Städte aber auch wieder in Form weiterer Rechte entgelten ließen), wurden die Städte immer selbstständiger.
Die späteren Freien Reichsstädte z.B. waren in der Mehrzahl Städte, die ursprünglich den Staufern quasi persönlich gehört hatten. Als die STaufer als Dynastie aufgehört hatten zu existieren, und bevor sich andere Dynasten diese Städte "krallen" konnten, beriefen sie sich darauf, dem Kaiser direkt zu unterstehen (was im Fall der Staufer ja auch zugetroffen hatte) und lösten sich nach Möglichkeit aus der Obhut des dem Kaiser formell untergebenen Landesherrn.

Auch die anderen Städte, die weiterhin einem Landesherrn unterstanden, wurden immer freier, da die Bürger auch hier zu immer mehr Reichtum kamen und dementsprechend selbstbewusst auftraten.

Beppe
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Drago hat geschrieben: Bevor die Staatsmänner sich in Europa bewegten brauchte es aber Impulse von anderen Staaten oder vom Volk des Staates. Diese fehlten in der islamischen Welt größtenteil, was eben zur Stagnation geführt hat.
Die Ausgangslage der islamischen Staaten war blendend. Sie hatten seit dem 7. Jh. ein Reich erobert, das vom Atlantik bis zum Indus reichte und damit ein unglaubliches Potenzial an Menschen, Wissen und Wirtschaftskraft angehäuft. Damit überragte die islamische Kultur und Zivilisation das früh- und hochmittelalterliche Abendland bei weitem. Ab dem späten Mittelalter und dem Beginn der Neuzeit wendete sich jedoch das Blatt. Die islamische Staatenwelt stagnierte und erstarrte, während die abendländischen Staaten etwa gleichzeitig mit den Entdeckungsfahrten einen unglaublichen Aufschwung nahmen.

Das alles ist nicht gottgewollt, sondern hinter solchen Entwicklungen - oder Fehlentwicklungen - stecken Menschen, die dafür verantwortlich sind, weil sie falsche Entscheidungen treffen, wichtige Entwicklungen nicht erkennen, notwendige gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Reformen versäumen, verzögern oder gar nicht erst wahrnehmen. Wohin das führt, zeigen die islamischen Länder der Gegenwart mit ihren Potentaten und Diktatoren, einer maroden Wirtschaft und einer Jugend ohne Perspektive, die leicht ein Opfer des Islamismus wird.
Drago hat geschrieben:Der Kolonialismus und die damit einhergehende Verhinderung von Reformen war auch nicht gerade förderlich für die islamische Welt.
Die zentrale Kolonialmacht war das islamische Osmanische Reich, das über Vorderasien, Arabien und Nordafrika jahrhundertelang eine Fremdherrschaft ausübte. Dort ist die Wurzel von Fehlentwicklungen zu suchen, nicht aber im Westen.
Drago hat geschrieben: Aber auch das hat gedauert und die abendländischen Gesellschaften hatten eben eine andere Ausgangslage als die Gesellschaften in der islamischen Welt (wiePeppone schon ausführlich beschrieben hat).
Die islamischen Staaten hatten erstens eine blendende Ausgangslage, denn sie waren bis ins hohe Mittelalter dem Abendland kulturell und zivilisatorisch bei weitem überlegen. Sie haben allerdings zweitens diesen gewaltigen Vorteil verspielt, da wichtige gesellschaftliche, soziale, wirtschaftliche und religiöse Reformen versäumt und verschlafen wurden.

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Dietrich hat geschrieben: Die Ausgangslage der islamischen Staaten war blendend. Sie hatten seit dem 7. Jh. ein Reich erobert, das vom Atlantik bis zum Indus reichte und damit ein unglaubliches Potenzial an Menschen, Wissen und Wirtschaftskraft angehäuft. Damit überragte die islamische Kultur und Zivilisation das früh- und hochmittelalterliche Abendland bei weitem. Ab dem späten Mittelalter und dem Beginn der Neuzeit wendete sich jedoch das Blatt. Die islamische Staatenwelt stagnierte und erstarrte, während die abendländischen Staaten etwa gleichzeitig mit den Entdeckungsfahrten einen unglaublichen Aufschwung nahmen.

Das alles ist nicht gottgewollt, sondern hinter solchen Entwicklungen - oder Fehlentwicklungen - stecken Menschen, die dafür verantwortlich sind, weil sie falsche Entscheidungen treffen, wichtige Entwicklungen nicht erkennen, notwendige gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Reformen versäumen, verzögern oder gar nicht erst wahrnehmen.
Ich hab nie etwas anderes behauptet. In der islamischen Welt fehlten die Impulse, welche in Europa zu Reformen führten, und warum den so war hat Peppone sehr ahschaulich beschrieben.
Dietrich hat geschrieben: Die zentrale Kolonialmacht war das islamische Osmanische Reich, das über Vorderasien, Arabien und Nordafrika jahrhundertelang eine Fremdherrschaft ausübte. Dort ist die Wurzel von Fehlentwicklungen zu suchen, nicht aber im Westen.
Das Osmanische Reich hat nie einen solchen Kolonialismus betrieben wie die europäischen Staaten. Außerdem kann wohl keine rbestreiten, dass viele ehmaligen Kolonien in ihrer Entwicklung, durch die Kolonoalmächte, behindert wurden, was noch bis heute nachwirkt.
Dietrich hat geschrieben: Die islamischen Staaten hatten erstens eine blendende Ausgangslage, denn sie waren bis ins hohe Mittelalter dem Abendland kulturell und zivilisatorisch bei weitem überlegen. Sie haben allerdings zweitens diesen gewaltigen Vorteil verspielt, da wichtige gesellschaftliche, soziale, wirtschaftliche und religiöse Reformen versäumt und verschlafen wurden.
Hatten.
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Drago hat geschrieben: Das Osmanische Reich hat nie einen solchen Kolonialismus betrieben wie die europäischen Staaten. Außerdem kann wohl keine rbestreiten, dass viele ehmaligen Kolonien in ihrer Entwicklung, durch die Kolonoalmächte, behindert wurden, was noch bis heute nachwirkt.
Wenn ein Staat andere Länder mit ethnisch unterschiedlicher Bevölkerung und Sprache erobert, so ist das ein ganz klassischer Kolonialismus. Die Araber hatten die osmanische Fremdherrschaft gründlich satt und lösten sich aus ihr, sobald es ging. Die osmanische Herrschaft in den arabischen Ländern war korrupt und ineffizient. Die Administration war nahezu ausschließlich von Türken und nicht von Arabern besetzt. Somit war das Kolonialismus in Reinkultur und bis heute sind die Araber schlecht auf die osmanischer Fremdherrschaft zu sprechen.
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Drago
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Dietrich hat geschrieben:
Drago hat geschrieben: Das Osmanische Reich hat nie einen solchen Kolonialismus betrieben wie die europäischen Staaten. Außerdem kann wohl keine rbestreiten, dass viele ehmaligen Kolonien in ihrer Entwicklung, durch die Kolonoalmächte, behindert wurden, was noch bis heute nachwirkt.
Wenn ein Staat andere Länder mit ethnisch unterschiedlicher Bevölkerung und Sprache erobert, so ist das ein ganz klassischer Kolonialismus. Die Araber hatten die osmanische Fremdherrschaft gründlich satt und lösten sich aus ihr, sobald es ging. Die osmanische Herrschaft in den arabischen Ländern war korrupt und ineffizient. Die Administration war nahezu ausschließlich von Türken und nicht von Arabern besetzt. Somit war das Kolonialismus in Reinkultur und bis heute sind die Araber schlecht auf die osmanischer Fremdherrschaft zu sprechen.
Das ist dann eher imperialismus oder einfacher Expansionswille aber kein Kolonialismus.
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