Tocharisch und Tocharer

Mesopotamien, Babylon, China, Mongolen, Sumerer

Moderator: Barbarossa

Benutzeravatar
dieter
Mitglied
Beiträge: 10152
Registriert: 29.04.2012, 09:48
Wohnort: Frankfurt/M.

Der als Seidenstraße bekannte Verbindungsweg zwischen China und Europa ermöglichte nicht nur den Handel von Gütern und Waren, sondern diente auch dem Austausch von ideen und Sprachen. Wie so viele andere Kulturen Zentralasiens entlang dieses Weges, erlangten so auch die zwei Sprachen Tocharisch A und Tocharisch B im Zuge der Ausbreitung des Buddhismus nach Osten um die Mitte des 1: Jahrtausend n. Chr. den Rang von Literatursprachen.
Obwohl Tocharisch im Königreich Kucha und in der Turfanoase, d.h. im Norden des Tarimbeckens und somit in der heutigen Provinz Xinjiang im Nordwesten Chinas gesprochen wurde, ist es nicht mit dem Chinesischen verwandt, sondern stellt einen eigenen Sprachzweig der indogermanischen Sprachfamilie dar, ist also urverwandt mit alten Sprachen wie Latein, Altgiechisch und Sanskrit und mit modernen Sprachen wie Englisch, Deutsch und Spanisch.
Quelle: http://www.univie.ac.at/tocharian
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Benutzeravatar
dieter
Mitglied
Beiträge: 10152
Registriert: 29.04.2012, 09:48
Wohnort: Frankfurt/M.

Irgendwann am Ende des 1. Jahrtausends sind beide tocharische Sprachen ausgestorben. Kenntnis von Tocharisch A und B haben wir nur aus schriftlichen Originalzeugnissen, die dank des trockenen Klimas der Taklamakan mehr als 1000 Jahre im Wüstenboden oder in alten Klosterhöhlen überdauerten. Wieder ans Licht zu treten begannen diese Textdokumente im Zuge derTurfanexpeditionen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. In der Folge dieser archäologischen Unternehmungen kamen tocharische Texte in musseale Sammlungen und Archive nach China, Japan und Europa.
Quelle: www.univie.ac.at/tocharian
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Paul
Mitglied
Beiträge: 2739
Registriert: 29.04.2012, 18:44
Wohnort: Mittelhessen an der Loganaha

Hallo Dieter,
Tocharisch B war schon eine Mischsprache mit Iranischem Anteil, weil die Skythen sich mit den Tocharern vermischt haben.
Dieses Tocharisch-iranische Volk mußte vor den Uiguren in den Süden zurückweichen und beteiligte sich dort an neuen Staatsgründungen und an der Weiterentwicklung iranischer Sprachformen. Ihre Nachkommen leben wohl am meisten im heutigen Tadschikistan und Afghanistan und sprechen den Tadschikischen Dialekt des Persischen.
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
Benutzeravatar
dieter
Mitglied
Beiträge: 10152
Registriert: 29.04.2012, 09:48
Wohnort: Frankfurt/M.

Paul hat geschrieben:Hallo Dieter,
Tocharisch B war schon eine Mischsprache mit Iranischem Anteil, weil die Skythen sich mit den Tocharern vermischt haben.
Dieses Tocharisch-iranische Volk mußte vor den Uiguren in den Süden zurückweichen und beteiligte sich dort an neuen Staatsgründungen und an der Weiterentwicklung iranischer Sprachformen. Ihre Nachkommen leben wohl am meisten im heutigen Tadschikistan und Afghanistan und sprechen den Tadschikischen Dialekt des Persischen.
Lieber Paul,
vielen Dank für diese Information. :)
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Harald
Mitglied
Beiträge: 595
Registriert: 30.04.2012, 12:44
Wohnort: Frankfurt a.M.

Hallo Paul,
also sind, kurz gesagt, die Tocharer Vorfahren der Tadschiken.
Man muß sich das mal vorstellen, daß früher einmal indogermanische Sprachen bis weit hinein nach Sinkiang, also das heutige China, gesprochen wurden.
Das ging bis zur Zeit von Dschingis Khan.
Das Gebiet der Skyten reichte weiter nördlich in den Nordwesten der Mongolischen Republik, wo russische Archäologen, finanziert durch das Deutsche Archäologische Institut, skytische Fürstengräber mit blonden Leichen ausgruben.

[ Post made via iPad ] Bild
Benutzeravatar
dieter
Mitglied
Beiträge: 10152
Registriert: 29.04.2012, 09:48
Wohnort: Frankfurt/M.

Durch die Lesung und Erschließung dieser vielen Tausenden von Manuskripten können wertvolle Einblicke in die Lebenswelt ihrer verfasser gewonnen werden. Einerseits haben wir Alltagsdokumente, die uns Aufschluß über das tägliche Leben der Menschen geben können. Andererseits haben wir kanonische und wissenschaftliche Literatur der buddhistischen Klöster, die von einem hohen wissenschaftlichen und literrarischen Niveau Zeugnis geben.
Quelle: http://www.univie.ac.at/tocharian
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Dietrich
Mitglied
Beiträge: 1755
Registriert: 04.05.2012, 18:42
Wohnort: Ostfalen

Paul hat geschrieben: Tocharisch B war schon eine Mischsprache mit Iranischem Anteil, weil die Skythen sich mit den Tocharern vermischt haben.
Dieses Tocharisch-iranische Volk mußte vor den Uiguren in den Süden zurückweichen und beteiligte sich dort an neuen Staatsgründungen und an der Weiterentwicklung iranischer Sprachformen. .
Vielleicht habe ich dich missverstanden. Aber Tocharisch war eben keine iranische Sprache, sondern eine Kentum-Sprache, verwandt am ehesten mit dem Keltischen oder Germanischen. Leider gibt es stets Verwirrungen, denn es existieren einmal die Yüeh-chi im indischen Siebenstromland, die bereits seit der Antike Tocharer (Tocharoi) genannt wurden, und vermutlich eine iranische Sprache sprachen.

Davon unterscheiden muss man das Volk, das noch im 8. Jh. im Tarim-Becken saß und dessen Sprachreste erst um 1900 im Rahmen einer Ostasienexpedition entdeckt wurden. Diese Sprache nannte man dummerweise "Tocharisch", obwohl sie mit den antiken Tocharern nichts zu tun hat. Und so haben wir heute einmal die Pseudo-Tocharer aus dem Tarimbecken, die eine Kentum-Sprache (West-Indoeuropäisch) sprechen, und die antiken Tocharer im Siebenstromland, die eine iranische Satemsprache (Ostindoeuropäisch) sprechen.

Alles klar? :mrgreen:

Das Tocharisch sprechende Volk im Tarim-Becken hat natürlich viele Hypothesen auf sich gezogen. Wo waren sie angesichts einer West-Indoeuropäischen Sprache ursprünglich beheimatet? Und vor allem: Sind die berühmten blond- und rothaarigen Mumien, die man im TarimBecken (Takla-Makan-Wüste) fand, und die aus dem 2. Jahrtausend v. Chr. stammen, Vorfahren der tocharischen Sprachträger? Sie haben europide Züge, sind also nicht mit Mongoliden verwandt.
Paul
Mitglied
Beiträge: 2739
Registriert: 29.04.2012, 18:44
Wohnort: Mittelhessen an der Loganaha

Tocharisch war ursprünglich keine iranische Sprache. Ihre Nachkommen wurden im heutigen Sinkiang durch "türkische" (Uiguren/Kirkisen)Einwanderer assimiliert o. wanderten nach Westen und Süden und wurden durch Iraner iranisiert. Vermutlich gab es da Zwischenstufen der Entwicklung.
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
Dietrich
Mitglied
Beiträge: 1755
Registriert: 04.05.2012, 18:42
Wohnort: Ostfalen

Paul hat geschrieben:Tocharisch war ursprünglich keine iranische Sprache. Ihre Nachkommen wurden im heutigen Sinkiang durch "türkische" (Uiguren/Kirkisen)Einwanderer assimiliert o. wanderten nach Westen und Süden und wurden durch Iraner iranisiert. Vermutlich gab es da Zwischenstufen der Entwicklung.
Die im Tarim-Becken gefundenen buddhistischen Schriften in westindoeuropäischer tocharischer Sprache stammen aus der Zeit zwischen dem 6. und 8. Jh. n. Chr. Zu dieser Zeit war das Volk, das Tocharisch sprach, also noch nicht iranisiert oder turkisiert. Das erfolgte erst in den Jahrhunderten danach, wobei wir nicht wissen, wann die Pseudo-Tocharer ihre Sprache und ethnische Identität aufgaben.
Paul
Mitglied
Beiträge: 2739
Registriert: 29.04.2012, 18:44
Wohnort: Mittelhessen an der Loganaha

Ich habe jetzt nochmal bei Wikipedia nachgelesen, wie vorher auch schon oft. Ich verstehe jetzt glaube ich dein Problem mit den Tocharern aus Gansu. Da gab es keinen Nachweis über das typische nichtiranische Tocharisch in Gansu.

http://de.wikipedia.org/wiki/Tocharische_Sprache

Ich hätte das nie als Problem gesehen und würde das eigentlich auch jetzt nicht tun. Das ist doch eine ähnliche Bevölkerung wie im Nachbargebiet. Es ist höchstwahrscheinlich, das es sich ursprünglich um fast die gleiche Bevölkerung, wie in Sinkiang handelte, die ebenfalls später iranisiert und dann teilweise türkisiert wurden o. zumindest dann (auch?) iranisch schrieben.
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
Benutzeravatar
dieter
Mitglied
Beiträge: 10152
Registriert: 29.04.2012, 09:48
Wohnort: Frankfurt/M.

Dietrich hat geschrieben:Das Tocharisch sprechende Volk im Tarim-Becken hat natürlich viele Hypothesen auf sich gezogen. Wo waren sie angesichts einer West-Indoeuropäischen Sprache ursprünglich beheimatet? Und vor allem: Sind die berühmten blond- und rothaarigen Mumien, die man im TarimBecken (Takla-Makan-Wüste) fand, und die aus dem 2. Jahrtausend v. Chr. stammen, Vorfahren der tocharischen Sprachträger? Sie haben europide Züge, sind also nicht mit Mongoliden verwandt.
LIeber Dietrich,
wenn sie keine Chinesen, Mongolen oder Türken sind, dann können es nur Indogermanen sein, vielleicht auch Skythen, die sind aber auch indogermanen. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Paul
Mitglied
Beiträge: 2739
Registriert: 29.04.2012, 18:44
Wohnort: Mittelhessen an der Loganaha

Viele Kirgisen und Uiguren sehen wegen ihren tocharischen und iranischen Vorfahren sehr europid aus.
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
Benutzeravatar
dieter
Mitglied
Beiträge: 10152
Registriert: 29.04.2012, 09:48
Wohnort: Frankfurt/M.

Lieber Paul,
dann haben sie auch indogermanisches Blut in den Adern. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Dietrich
Mitglied
Beiträge: 1755
Registriert: 04.05.2012, 18:42
Wohnort: Ostfalen

dieter hat geschrieben: LIeber Dietrich,
wenn sie keine Chinesen, Mongolen oder Türken sind, dann können es nur Indogermanen sein, vielleicht auch Skythen, die sind aber auch indogermanen. :wink:
Natürlich waren das Indoeuropäer, daran besteht kein Zweifel. Schließlich sprach dieses Volk mit dem Tocharischen eine indoeuropäische Sprache.

Dennoch stellen sich hier einige Fragen. Da dieses ominöse Volk nicht im Tarimbecken entstanden sein kann, fragt sich die Forschung, aus welcher Region es zugewandert ist. Da es sich beim Tocharischen um eine west-indoeuropäische Sprache - also eine Kentum-Sprache - handelt, vermuten viele Mittel- oder eher noch Osteuropa als ursprünglichen Sitz.

Ferner ist unklar, ob die europiden Mumien, die man im Tarimbecken bzw. der Takla-Makan-Wüste fand, Urahnen der Tocharer gewesen sein können. Sie stammen aus dem 2. Jahrtausend v. Chr., während die buddhistischen Schriften in tocharischer Sprache aus dem 6.-8. Jh. n. Chr. kommen, Dazwischen liegen also rund 2000 Jahre, sodass diese Frage ungeklärt ist.
Dietrich
Mitglied
Beiträge: 1755
Registriert: 04.05.2012, 18:42
Wohnort: Ostfalen

Paul hat geschrieben: Ich hätte das nie als Problem gesehen und würde das eigentlich auch jetzt nicht tun. Das ist doch eine ähnliche Bevölkerung wie im Nachbargebiet. Es ist höchstwahrscheinlich, das es sich ursprünglich um fast die gleiche Bevölkerung, wie in Sinkiang handelte, die ebenfalls später iranisiert und dann teilweise türkisiert wurden o. zumindest dann (auch?) iranisch schrieben.
Die Bevölkerung im Gansu-Korridor war türkisch und auch im Tarimbecken errichteten die türkischen Uiguren im Jahr 840 einen eigenen Staat. Ihre Vorbewohner im Tarimbecken - d.h. vornehmlich in den Oasen Kutcha und Turfan - waren jedoch die Pseudo-Tocharer, deren westindoeuropäische Sprache uns durch buddhistische Schriften des 6.-8. Jh. bekannt ist.
Da aus späterer Zeit keine tocharischsprachigen Quellen mehr bekannt sind, ist anzunehmen, dass diese Tocharer im Lauf der Zeit von den Turkstämmen assimiliert wurden.
Antworten

Zurück zu „Asien und Arabien“