Deutschland-Saga/ Woher wir kommen

Moderator: Barbarossa

Paul
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Die Franken haben ihre alten Sitze nicht verlassen, sondern haben zusätzliche Gebiete erobert. Dies galt auch oft für die anderen Stämme. Die Römer berichteten nur über die, mit denen sie es zu tun bekamen und schrieben selten etwas über die Zuhause Gebliebenen. Es wird immer über die mobilen Sueben geschrieben, aber die Sueben sind als Semnonen auch zuhause geblieben. Wenn die Ernährungsbedingungen günstig sind können sich Menschen ja schnell vermehren.
Die Rugier sind zum Teil ausgewandert. Die Verbliebenen wurden irgendwie zu einem slawischen Stamm, welcher sogar den Namen behalten hat. Dies gilt wahrscheinlich auch für die Semnonischen Sippen.
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Dietrich
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Agrippa hat geschrieben: Da hast Du mich falsch verstanden.
Selbstverständlich war das Land zwischen Rhein und Oder besiedelt. Allerdings sind die baulichen archäologischen Reste äußerst spärlich. Städtische Anlagen oder größere Festungen wie bei den Kelten hat die germanische Welt der frühen Kaiserzeit nicht hinterlassen.
Zum Beispiel beruhte die gallische Mauer auf einer für die damalige Zeit sehr komplexen Bautechnik. Etwas Vergleichbares haben die Germanen nicht geschaffen.
Dass die Germanen keine Städte bauten ist dermaßen geläufig, dass wir das nicht weiter diskutieren müssen.

Germanische Siedlungsplätze sind zuhauf ausgegraben worden, daneben auch Begräbnisstätten, vorwiegend mit Brandgräbern. Da allerdings Germanien dünn besiedelt war, findet sich ein solcher Siedlungsplatz - Einzelgehöft oder kleine Häusergruppe - nicht an jeder Ecke. Zudem haben die Holzhäuser geringere Spuren hinterlassen, als das Archäologen wünschen. Da im Gegensatz zu Steinhäusern das Holz mit der Zeit verrottet, geben lediglich die archäologisch nachweisbaren Pfostenlöcher einen Aufschluss über den genauen Aufbau der Häuser. Und auch die sind vielfach den Zeitläufen zum Opfer gefallen. Mit keltischen Bauten und Festungswerken können sich germanische Konstruktionen natürlich keinesfalls messen.
Agrippa hat geschrieben: Ich habe auch nicht geschrieben, dass man die „Germanen“ erfunden hat, sondern die Germanen als ein "Volk von Bauern".
Die Germanen gelten der heutigen Fachwissenschaft nicht einmal als Volk, sondern als "Sprach- und Kulturgemeinschaft", ähnlich den Kelten. Abgeleitet wird das von der Tatsache, dass es kein "germanisches" Zusammengehörigkeitsgefühl gab, höchstens hier und da Zweckbündnisse einzelner Stämme. Die Wirtschaftsform beschränkte sich auf Ackerbau und Viehzucht.
Agrippa hat geschrieben:Natürlich kannten die Germanen die Landwirtschaft, sie war jedoch extensiv und stand hinter der Viehwirtschaft zurück. Bei den ständigen größeren und kleineren Auseinandersetzungen konnte man das Vieh in die Wälder treiben, Äcker wurden dagegen verwüstet. Da die Getreidewirtschaft jedoch keine große Rolle spielte, konnte man die Germanen nicht besiegen, indem man ihre Ernte vernichtete.
Außerdem war es aus diesem Grund einem größeren römischen Heer unmöglich, sich auf einem Feldzug im Inneren Germaniens „aus dem Land“ zu ernähren. Die Germanen mussten nicht einmal die Taktik der „Verbrannten Erde“ anwenden, weil es nicht viel zu verbrennen gab.
Die Germanen waren sesshafte Bauern und Viehzüchter, der Ackerbau wurde aks einfache Feld-Gras-Wirtschaft betrieben. Die Viehzucht mag vereinzelt in den Vordergrund getreten sein, doch sind die Aussagen von Caesar und Tacitus zur Zeitenwende und die Situation etwa um 500 n. Chr. nicht vergleichbar. Man muss auf allen Gebieten der Wirtschaft mit einem Wandel rechnen, was auch das Handwerk betrifft, das es natürlich gleichfallls bei den Germanen gab. Unter römischem Einfluss erfuhr die Wirtschaft Impulse, in deren Folge der Obstbau und die Gemüsezucht vielseitiger entwickelt wurden. Es ist somit notwendig, die Zeit des Tacitus nicht auf die Situation 200 oder 300 Jahre später zu übertragen.
Agrippa hat geschrieben:Dazu ein Zitat:

"Im Süden dehnte sich beiderseits des Stroms (Rhein) die Latène-Kultur aus, die von Spanien über Frankreich und den Süden Deutschlands bis nach Böhmen reichte. Ihre Charakteristika sind befestigte Siedlungen - oppida -, eine bereits eingeführte Geldwirtschaft und in Ansätzen schon Schriftgebrauch. (...) Im Norden hingegen, vor allem im niederländisch-norddeutschen Flachland, gab es dann eine weniger von Ackerbau als von Viehwirtschaft geprägte, halbnomadisch erscheinende Gesellschaft mit gering entwickelter materieller Kultur."
Was die Germanen betrifft, so gibt es Gemeinplätze, die sich über Jahrhunderte erhalten haben. Es stimmt weder das Bild vom "edlen Wilden", noch das vom "unvermischten Volk", noch dass sie "schrecklich riechen", Felle tragen oder alle langbärtig gewesen seien. Ein gleicher Mythos ist der von einer angeblich "nomadischen" oder auch nur "halbnomadischen" Lebensweise. Der Spezialist für germanische Geschichte, Herwig Wolfram, zählt das zu den überlieferten Legenden und schreibt.

"Ein ethnographischer Gemeinplatz ist die Darstellung des Barbaren und damit der Germanen als Nomaden oder Halbnomaden, der hauptsächlich von Viehzucht und Jagd lebt, was bloß in den seltensten Fällen mit der Wirklichkeit übereinstimmt." (Herwig Wolfram, Die Germanen, München 1997, S. 18 f.)
Cherusker
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Dietrich hat geschrieben:
Die Germanen gelten der heutigen Fachwissenschaft nicht einmal als Volk, sondern als "Sprach- und Kulturgemeinschaft", ähnlich den Kelten. Abgeleitet wird das von der Tatsache, dass es kein "germanisches" Zusammengehörigkeitsgefühl gab, höchstens hier und da Zweckbündnisse einzelner Stämme. Die Wirtschaftsform beschränkte sich auf Ackerbau und Viehzucht.
Das stimmt so definitiv nicht. Zwar kannten die Germanen keine eigene Nation, aber der gemeinsame Glaube stellte eine Verbindung dar. Wie ich bereits in meinem Bericht über die Kunst geschrieben habe. :mrgreen: Allerdings hinderte es die Germanen nicht untereinander oder mit Hilfe anderer Verbündeter (z.B. Krieg) zu führen. Aber die einheitliche Darstellung der Tiermotive, die sich bis ins 7.Jh. darstellte und auch "länderübergreifend" war, zeigt eine Gemeinsamkeit. Somit ist Deine Aussage schon widerlegt.
Ebenso mit dem Ackerbau. Um die Zeitenwende war der germanische Ackerbau vernachlässigt und überhaupt nicht bedeutsam. Er diente nur zur Grundversorgung und es wurden die Flächen nur mit wenigen Sorten bepflanzt. Somit überhaupt kein Vergleich zu einer bäuerlichen Gesellschaft. Neuere Forschungen kommen somit zum Schluß, daß die Germanen die Viehzucht (auch als Statussymbol) favorisiert haben. Da ist die Meinung von Wolfram aus dem Jahre 1997 schon wieder veraltet. Wolfram sieht den germanischen Ackerbau auch nur einseitig, d.h. bevorzugt Gerste (Aussage aus dem Jahr 2005). Die alten Aussagen von Delbrück, die sich aufgrund des Tacitus Bericht ergeben, sind somit immer noch aktuell. Der Germane war in erster Linie Krieger, der das Kriegshandwerk bevorzugte und in zweiter Linie erst Handwerker, Viehzüchter, Jäger, Bauer, usw.. Bei den Germanen galt es als verwerflich, wenn man etwas mit eigenen Händen erschaffen hat, was man auch durch Raub und Kampf erreichen konnte. Der Kampf der Germanen geht (nach Dr. A.Rau) in erster Linie nicht nach Landgewinn, sondern hauptsächlich nach "Ruhm und Ehre". Erst wenn sich ein Stamm, z.B. aufgrund Überbevölkerung oder Klimawechsel, entschloß in neue Gebiete zu ziehen, dann war auch der Krieg um Landgewinn gegeben. Die Kämpfe der Stämme untereinander wurden meist bis zur Handlungsunfähigkeit geführt, d.h. nach Verlust 1/3 des Heeres, war der Kampf beendet. Für solche Auseinandersetzungen war eine bäuerliche Gesellschaft völlig ungeeignet. Sowas konnte man nur mit regelmäßigen Training von Berufskriegern erreichen. :wink:


P.S.
Wolfram sieht z.B. die Sueben als keinen Stamm, sondern als eine Völkergemeinschaft, an die sich andere Stämme anschließen können. Suebe ist für ihn die Bezeichnung eines "Freien" (2005).
Dietrich
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Cherusker hat geschrieben: Das stimmt so definitiv nicht. Zwar kannten die Germanen keine eigene Nation, aber der gemeinsame Glaube stellte eine Verbindung dar. Wie ich bereits in meinem Bericht über die Kunst geschrieben habe. :mrgreen: Allerdings hinderte es die Germanen nicht untereinander oder mit Hilfe anderer Verbündeter (z.B. Krieg) zu führen. Aber die einheitliche Darstellung der Tiermotive, die sich bis ins 7.Jh. darstellte und auch "länderübergreifend" war, zeigt eine Gemeinsamkeit. Somit ist Deine Aussage schon widerlegt.
Von einem "germanischen Volk spricht heute niemand mehr. Der moderne Germanenbegriff sieht germanische Stämme und eine germanische germanische Sprachgemeinschaft. Mehr nicht. Ähnlich gilt das für die Kelten, wo der Begriff "keltisches Volk" ebenfalls nicht mehr verwendet wird.
Cherusker hat geschrieben:Ebenso mit dem Ackerbau.
Dass die Germanen von Ackerbau und Viehzucht lebten, ist durch die Archäologie hinreichend bewiesen. In Welchem Verhältnis das jeweils zueinander stand ist heute nicht mehr exakt feststellbar und somit eine hypothetische Angelegenheit.
Cherusker hat geschrieben:Neuere Forschungen kommen somit zum Schluß, daß die Germanen die Viehzucht (auch als Statussymbol) favorisiert haben.
Welche Forschungen sind das und wo kann man das nachlesen - Ackerbau der Germanen lediglich als Statussymbol?
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Agrippa
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Paul hat geschrieben:Die Franken haben ihre alten Sitze nicht verlassen, sondern haben zusätzliche Gebiete erobert. Dies galt auch oft für die anderen Stämme. Die Römer berichteten nur über die, mit denen sie es zu tun bekamen und schrieben selten etwas über die Zuhause Gebliebenen. Es wird immer über die mobilen Sueben geschrieben, aber die Sueben sind als Semnonen auch zuhause geblieben. Wenn die Ernährungsbedingungen günstig sind können sich Menschen ja schnell vermehren.
Die Rugier sind zum Teil ausgewandert. Die Verbliebenen wurden irgendwie zu einem slawischen Stamm, welcher sogar den Namen behalten hat. Dies gilt wahrscheinlich auch für die Semnonischen Sippen.
Es haben um 500 n.Chr. auch nicht alle Sachsen das Gebiet des heutigen Niedersachsen in Richtung Britannien verlassen. Waren die Böden in Britannien besser als in der norddeutschen Tiefebene? Sicher nicht. Die Sachsen zogen nach Britannien, um zum einen dort die britanno-römische Bevölkerung vor den Einfällen der Pikten zu schützen, zum anderen um sich dort des militärisch ungeschützten aber kultivierten Landes zu bemächtigen.

Im heutigen Niedersachsen blieben nur wenige zurück, so dass die Thüringer (wahrscheinlich ehemals Hermunduren) sich des Landes bemächtigten. Erst nach einem Bündnis mit den Franken konnten die Sachsen die Thüringer in der Schlacht von Ronnenberg 531 n.Chr. besiegen.

Wo sich ein Machtvakuum in Germanien ergab, rückte sofort der nächste Stamm ein.
Dietrich
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Paul hat geschrieben:Die Franken haben ihre alten Sitze nicht verlassen, sondern haben zusätzliche Gebiete erobert.
Da sich die Franken von ihren rechtsrheinischen Sitzen über ganz Nordfrankreci ausgebreitet haben, müssen auch Teile von ihnen gewandert sein. So gibt es z.B. zahlreiche Belege, dass Köln etwa um 450 von Franken erobert wurde, die dort ein Kleinkönigreich gründeten, während andere fränkische Gruppen weiter nach Nordfrankreich vordrangen. Richtig ist allerdings, dass die Franken ihre rechtsrheinischen Sitze nicht zugunsten ihrer neuen gallo-romanischen Erwerbungen aufgaben.
Paul hat geschrieben:Dies galt auch oft für die anderen Stämme.
Das Bild ist sehr unterschiedlich. Ein Teil der germanischen Stämme wie Burgunder, Goten, Langobarden und Vandalen verließ seine Stammsitze und wanderte komplett ab. Denkbar ist höchstens, dass eine kleine Restbevölkerung zurückblieb, die aber in anderen Völkern aufging und ihre Identität verlor.

Andere hingegen wie die Chatten oder Hermunduren scheinen ihre Sitze nur unwesentlich veschoben zu haben, wobei die dürftige archäologische Sachlage nur bedingt exakte Rückschlüsse erlaubt. Viele Stammesschwärme schlossen sich auch zu neuen Großstämmen zusammen wie z.B. den Sachsen. Ähnlich entstanden auch die Franken.
Cherusker
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Dietrich hat geschrieben:
Cherusker hat geschrieben: Das stimmt so definitiv nicht. Zwar kannten die Germanen keine eigene Nation, aber der gemeinsame Glaube stellte eine Verbindung dar. Wie ich bereits in meinem Bericht über die Kunst geschrieben habe. :mrgreen: Allerdings hinderte es die Germanen nicht untereinander oder mit Hilfe anderer Verbündeter (z.B. Krieg) zu führen. Aber die einheitliche Darstellung der Tiermotive, die sich bis ins 7.Jh. darstellte und auch "länderübergreifend" war, zeigt eine Gemeinsamkeit. Somit ist Deine Aussage schon widerlegt.
Von einem "germanischen Volk spricht heute niemand mehr. Der moderne Germanenbegriff sieht germanische Stämme und eine germanische germanische Sprachgemeinschaft. Mehr nicht. Ähnlich gilt das für die Kelten, wo der Begriff "keltisches Volk" ebenfalls nicht mehr verwendet wird.
b

Das habe ich ja auch nicht behauptet. Natürlich gab es nur germanische Stämme und kein Volk. Aber trotzdem hatten diese teils sehr unterschiedlichen Stämme eine Gemeinsamkeit in ihrem Glauben. KEHNE weißt auch daraufhin, daß sie sich untereinander verständigen konnten und somit eine Abgrenzung zur keltischen Sprache hatten. Ein Germane konnte schon ein anderen Germanen von einem Kelten unterscheiden. :mrgreen:
Dietrich
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Cherusker hat geschrieben: Natürlich gab es nur germanische Stämme und kein Volk. Aber trotzdem hatten diese teils sehr unterschiedlichen Stämme eine Gemeinsamkeit in ihrem Glauben. KEHNE weißt auch daraufhin, daß sie sich untereinander verständigen konnten und somit eine Abgrenzung zur keltischen Sprache hatten. Ein Germane konnte schon ein anderen Germanen von einem Kelten unterscheiden. :mrgreen:
Ja, der Begriff "Kultur- und Sprachgemeinschaft", der heute gern verwendet wird, drückt das gut aus. Der Götterhimmel zeigte vielfach Übereinstimmungen und die westgermanischen Dialekte wichen sicher nicht sehr stark voneinander ab - jedenfalls nicht so stark, dass eine Verständigung unmöglich war. Bei den Kelten zeigt sich ein ganz ähnliches Bild. Beide Völkergruppen konnten zu keiner Einheit finden und wenn die germanischen Stämme sich nicht zu Großstämmen zusammengeschlossen hätten, aus denen später das deutsche Volk hervorging, hätten sie ein ähnliches Schicksal wie die Kelten erlitten.
Lia

Gälte noch, konkret zu sagen, auf welche Periode sich Aussagen und auf welche Region.
Definitv gab es zwischen Elbe und Königsau frühen Ackerbau und feste Ansiedlungen, die Funde u.a. im Zuge des Autobahnbaus sprechen eine deutliche Sprache, gab im letzten Jahrzehnt immer mehr Übrerraschungsfunde zu Siedlungen der Germanenzeit.
Auch zu meiner Verwirrung, denn diese Behauptung ist natürlich Unsinn. Es gibt zahllose archäologische Überreste germanischer Siedlungen und Körpergräber. Es ist ein literarischer Gemeinplatz, die Barbaren und damit die Gemanen als Nomaden oder Halbnomaden darzustellen, die nur von Viehzucht und der Jagsd lebten. Das sind Vorstellungen aus dem 18. Jh.
Ganz guter Überblick über das heutige S-H und oft vergleichend zum späteren Dänemark:
Thomas Riis
Wirtschafts- und Sozialgeschichte Schleswig-Holsteins: Leben und Arbeiten in Schleswig-Holstein vor 1800
http://www.verlag-ludwig.de, 2009
S.41ff.
Auf die Ergebnisse dieses Projekts, so es finanziert wird, bin ich gespannt:
https://www.sciencestarter.de/datierung ... /pinnwand/
Und mal ganz nebenbei hat man in Neustadt/OH nicht nur im Hafenschlick noch mehr Steinzeit ausgegraben, sondern stieß bei der Anlage eines Neubau-Gebietes auf Reste einer Siedlung aus römischen Kaiserzeit.
"Ein vierköpfiges Grabungsteam unter der Leitung des Archäologen Benjamin Irkens ist seit zwei Wochen damit beschäftigt, diese Siedlungsreste zu erforschen und zu kartieren. Die Grabungen, die die Firma Gollan aus Beusloe ermöglichte, werden federführend vom Archäologischen Landesamt mit seiner Außenstelle Neumünster geleitet.
Die Siedlungsfunde datiert Benjamin Irkens in die Zeit zwischen Christi Geburt bis 400 Jahre danach. Diese Zeit, die einen Teil der Eisenzeit beschreibt, nennt man „Römische Kaiserzeit“. Das bedeutet jedoch nicht, dass seinerzeit Römer in unserer Gegend gelebt haben. Nordgermanen sollen bis 600 unserer Zeitrechnung in Ostholstein gewohnt haben, schreibt Heimatforscher Johannes-Hugo Koch in seinen Neustadtbüchern. Aufgrund der farblichen Veränderungen des Bodens konnte das Grabungsteam bisher ein Wohnhaus, mehrere Speichergebäude, Zäune und Siedlungsgruben identifizieren. Durch die Vergrößerung des bisherigen Grabungsgebietes möchte man weitere Erkenntnisse erhalten. Nach Irkens kann man bislang noch nicht feststellen, ob hier eine oder mehrere Familien gemeinsam gewohnt haben. Auch die Anzahl der Wohngebäude ist noch nicht erkennbar. Sicher ist jedoch, dass die Menschen an diesem Ort über verschiedene Generationen hinweg lebten. Keramikfunde ergänzen die Liste der Untersuchungsergebnisse....."
Zitiert nach: Der Reporter, Ausgabe Neustadt, 24.Mai 2013.
http://www.der-reporter.de/new/?q=neust ... t-gefunden
Der Reporter ist ein regionales, kostenloses Werbeblatt, nicht zitierfähig, aber grob es es schon richtig.
Cherusker
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Dietrich hat geschrieben:
Dass die Germanen von Ackerbau und Viehzucht lebten, ist durch die Archäologie hinreichend bewiesen. In Welchem Verhältnis das jeweils zueinander stand ist heute nicht mehr exakt feststellbar und somit eine hypothetische Angelegenheit.
Cherusker hat geschrieben:Neuere Forschungen kommen somit zum Schluß, daß die Germanen die Viehzucht (auch als Statussymbol) favorisiert haben.
Welche Forschungen sind das und wo kann man das nachlesen - Ackerbau der Germanen lediglich als Statussymbol?
Das Ackerbau als Statussymbol betrieben wurde, habe ich nicht geschrieben. Sondern die Viehherden (Rinder) wurden als Statussymbol betrachtet. Wenn, dann bitte richtig lesen. :wink:
Nun einmal zu Tacitus - Germania:
"5. ...Getreide gedeiht, Obst hingegen nicht; Vieh gibt es reichlich, doch zumeist ist es unansehnlich. Selbst den Rindern fehlt die gewöhnliche Stattlichkeit und der Schmuck der Stirne; die Menge macht den Leuten Freude, und die Herden sind ihr einziger und liebster Besitz."
"26. ...Ackerland nehmen sie in einem Ausmaß, das der Anzahl der Bebauer entspricht, mit gesamter Hand füreinander in Besitz; dann teilen sie es nach ihrem Range unter sich auf. Die Weiträumigkeit der Feldmark erleichtert das Teilungsgeschäft. Sie bestellen Jahr für Jahr andere Felder, und doch bleibt Ackerland übrig. Denn ihr Arbeitsaufwand wetteifert nicht mit der Fruchtbarkeit und Ausdehnung des Bodens: sie legen keine Obstpflanzungen an noch umzäunen sie Wiesen oder bewässern sie Gärten; einzig Getreide soll der Boden hervorbringen. ..."
"25. ...Der Herr trägt ihm wie einem Pächter auf, eine bestimmte Menge Korn oder Vieh oder Tuch abzugeben, und nur so weit reicht die Gehorsamspflicht des Sklaven....."
"21. ...denn selbst ein Totschlag kann mit einer bestimmten Anzahl Groß- und Kleinvieh gesühnt werden, ...."
"18. ...und zwar Gaben, die nicht für die weibliche Eitelkeit und nicht zum Schmuck der Neuvermählten bestimmt sind, sondern Rinder und ein gezäumtes Roß und einen Schild mit Frame und Schwert. Für diese Gaben erhält der Mann die Gattin, die nun auch ihrerseits dem Manne eine Waffe schenkt."
"15. ....Gerade die Tapfersten und Kriegslustigsten rühren sich nicht. Die Sorge für Haus, Hof und Feld bleibt den Frauen, den alten Leuten und allen Schwachen im Hauswesen überlassen; sie selber faulenzen. ...."

Anhand von vielen Funden am Wiehengebirge kommt man zu der Erkenntnis, daß eine mangelhafte Ernährung, nachweisbar anhand der Knochenuntersuchungen, gegeben hat. (Dr. Beate Herring und B.Ahrens (Uni Bonn)).
Prof. Dr. Ebel-Zepezauer (Uni Bochum) sagt, daß die Ernährung größtenteils vegetarisch (bis 40% Unkrautsamen) war, aber es etliche Phasen der Mangelernährung insbesondere bei Jugendlichen gab. Selten hat es Fleisch (Schafe, Rinder, Pferde) gegeben und meist gab es einen Brei aus Gerste und Hafer mit Unkrautsamen. Ferner noch Beeren, Kräuter, Linsen, Eicheln (aber keine Buchekern). Hafer-Brot spielte eine untergeordnete Rolle und war eher was für Festtage.
Die Jagd erfolgte selten, weil dafür eine Vorratshaltung nötig war und es gab im Frühjahr regelmäßig Hungersnöte, somit gewohnter Nahrungsmangel. Die Viehwirtschaft diente nicht als Fleischlieferant, daher war die Größe der Tiere auch nicht entscheidend. Die Viehzucht war eine Trophäe. EBEL-ZEPEZAUER spricht von harten Zeiten mit viel Gewalt.

Das hat alles nichts mit Ackerbauern zu tun. :mrgreen: Eher war die ganze Landwirtschaft ein notwendiges Übel. :wink:
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Agrippa
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Der Grund für diese Wanderbewegungen war zumeist, dass die Bevölkerung eines Stammes wuchs und nicht mehr von den knappen Erträgen ernährt werden konnte.

Eine landwirtschaftlich geprägte Gesellschaft hätte in dieser Situation die Waldgebiete gerodet, um somit neue Ackerflächen zu gewinnen und die Erträge zu steigern.
So ist es ab dem Frühmittelalter tatsächlich geschehen.

In der frühen Kaiserzeit jedoch hielten die germanischen Stämme nichts von dieser Kultivierung des Landes. Reichten die Erträge nicht aus, so verließ ein Teil der Männer, oder auch der gesamte Stamm, mitsamt der Familien das angestammte Gebiet in der Hoffnung, irgendwo anders bessere Bedingungen vorzufinden.

Bevor man also beginnt, die Wälder zu roden und zu entwurzeln, zieht man lieber los, um andere Gegenden auszuplündern. Das war weniger mühsam und nach dem Verständnis der Germanen ehrenvoller.
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In einem Vortrag über "Die Römer und Germanien" (2007) wurde gesagt, daß der größte Teil Germaniens bewaldet war und aus herumwandernden Germanenstämme bestand.
In Germanien waren damals fast alle Niederungen sumpfig und morastig und die Anhöhen größtenteils bewaldet. Ferner bestanden in der norddeutschen Tiefebene einige Moore. Seit 5000 v.Chr. sind menschliche Einflüsse im Moor zu erkennen. Ab 2850 v.Chr. wurde das Klima wieder nasser und Bohlenwege wurden angelegt. Es wurden auch ab 3500 v.Chr. "bäuerliche Siedlungen" in der Moorgegend gefunden, aber es bestand kein Getreideanbau. Daher vermutet man in dieser Gegend eher Jäger und Sammler. Weil es keinen Getreidenachweis gibt. Die meisten Moorleichen wurden im Zeitraum der Zeitenwende bis ins 1.Jh. n.Chr. nachgewiesen. Dehnten sich aber bis ins 3.Jh. aus.
Die fruchtbaren Flächen, die für die Germanen zur Verfügung standen, wurden mit Getreide angebaut. Die ausgedehnten Wälder dienten dem Vieh als Nahrung, sodaß zunehmend Hudewälder entstanden.
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Agrippa hat geschrieben:Der Grund für diese Wanderbewegungen war zumeist, dass die Bevölkerung eines Stammes wuchs und nicht mehr von den knappen Erträgen ernährt werden konnte.

Eine landwirtschaftlich geprägte Gesellschaft hätte in dieser Situation die Waldgebiete gerodet, um somit neue Ackerflächen zu gewinnen und die Erträge zu steigern.
So ist es ab dem Frühmittelalter tatsächlich geschehen.

In der frühen Kaiserzeit jedoch hielten die germanischen Stämme nichts von dieser Kultivierung des Landes. Reichten die Erträge nicht aus, so verließ ein Teil der Männer, oder auch der gesamte Stamm, mitsamt der Familien das angestammte Gebiet in der Hoffnung, irgendwo anders bessere Bedingungen vorzufinden.

Bevor man also beginnt, die Wälder zu roden und zu entwurzeln, zieht man lieber los, um andere Gegenden auszuplündern. Das war weniger mühsam und nach dem Verständnis der Germanen ehrenvoller.
Als einige Chattische Sippen in die Region südlich der Adrana wanderten, stellten sie fest. das die Landwirtschaft ihrer ubischen Nachbarn erfolgreicher gegen Hunger half und diese trotz der Ackerarbeit stolze Krieger bleiben konnten, die sich auch eine bessere Kriegsausrüstung leisten konnten. Sie übernahmen die intensive Landwirtschaft mit Fruchtwechselwirtschaft. Es blieb in Hessen bei einer dichten Besiedlung, so das die "Chatten" den Römern in den Chattenkriegen große gut bewaffnete Heere entgegenstellen konnten. Die Chatten eroberten dann auch Osthessen von den Sueben, welches die Tenkterer aufgeben mußten. Die Ubier hatten schon Ostmittelhessen zurückgewonnen.
Im heutigen Franken lebten Latene-Hermunduren neben "normalen" Sueben, bis diese die intensive Landwirtschaft ebenfalls übernahmen. Im Thüringer Reich breitete sich die intensive Landwirtschaft wie im Frankenreich aus.
Dadurch konnte sich die Bevölkerung vermehren, die Städte wuchsen und das Handwerk nahm zu.
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Paul hat geschrieben:
Agrippa hat geschrieben:Der Grund für diese Wanderbewegungen war zumeist, dass die Bevölkerung eines Stammes wuchs und nicht mehr von den knappen Erträgen ernährt werden konnte.

Eine landwirtschaftlich geprägte Gesellschaft hätte in dieser Situation die Waldgebiete gerodet, um somit neue Ackerflächen zu gewinnen und die Erträge zu steigern.
So ist es ab dem Frühmittelalter tatsächlich geschehen.

In der frühen Kaiserzeit jedoch hielten die germanischen Stämme nichts von dieser Kultivierung des Landes. Reichten die Erträge nicht aus, so verließ ein Teil der Männer, oder auch der gesamte Stamm, mitsamt der Familien das angestammte Gebiet in der Hoffnung, irgendwo anders bessere Bedingungen vorzufinden.

Bevor man also beginnt, die Wälder zu roden und zu entwurzeln, zieht man lieber los, um andere Gegenden auszuplündern. Das war weniger mühsam und nach dem Verständnis der Germanen ehrenvoller.
Als einige Chattische Sippen in die Region südlich der Adrana wanderten, stellten sie fest. das die Landwirtschaft ihrer ubischen Nachbarn erfolgreicher gegen Hunger half und diese trotz der Ackerarbeit stolze Krieger bleiben konnten, die sich auch eine bessere Kriegsausrüstung leisten konnten. Sie übernahmen die intensive Landwirtschaft mit Fruchtwechselwirtschaft. Es blieb in Hessen bei einer dichten Besiedlung, so das die "Chatten" den Römern in den Chattenkriegen große gut bewaffnete Heere entgegenstellen konnten. Die Chatten eroberten dann auch Osthessen von den Sueben, welches die Tenkterer aufgeben mußten. Die Ubier hatten schon Ostmittelhessen zurückgewonnen.
Im heutigen Franken lebten Latene-Hermunduren neben "normalen" Sueben, bis diese die intensive Landwirtschaft ebenfalls übernahmen. Im Thüringer Reich breitete sich die intensive Landwirtschaft wie im Frankenreich aus.
Dadurch konnte sich die Bevölkerung vermehren, die Städte wuchsen und das Handwerk nahm zu.
Auf welche Quellen stützt Du dich? Die Ubier sind schnell in den Machtbereich Roms übergegangen und haben die römische Lebensweise angenommen. Der hessische Raum unterschied sich nicht vom niedersächsischen Raum der nördlichen Mittelgebirge. Weshalb es dort in Hessen solche merkwürdigen "Latene-Germanen" gegeben haben soll, ist für mich schleierhaft. Hier ist wenn, eine eindeutige Vermischung mit keltischen Stämmen zu sehen, die von Germanen und Römer assimiliert wurden. Auch begann die Städtegründung in Germanien erst durch die Eroberung Karl des Großen mit seinen Franken.

Da die Cherusker sich schon erfolgreich gegen die Römer zur Wehr setzten, brauchten später die Chatten nicht erst eine bessere Ernährung um gegen Rom Widerstand zu leisten. :wink: Die germanische Bewaffnung und Ausrüstung war nicht den römischen Gegenüber gleichzusetzen. Vorteile waren nur in der Körpergröße und den langen Framen zu sehen, die eine Bekämpfung auf Distanz erlaubten.
Die Sueben sind nach WOLFRAM nur freie Germanen, die sich nicht einem Stamm zugehörig fühlen. D.h. dort konnten sich auch von anderen Stämme ausgestoßene Menschen zusammenfinden. Somit findet man Sueben auch in Gebieten, die häufiger wenig besiedelt waren.
Paul
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Wir haben schon den Diasskussionsstrang germanische Städte in vorrömischer Zeit.

http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... =50&t=3123

Die Vorfahren der Latenenegermanen errichteten schon vor der Gründung Roms in der Bronzezeit Städte z.B. an Rhein, Lahn, Sieg und Main. In der Eisenzeit nahm die Bevölkerung kontinuierlich zu.
Peter Paul Schweitzer forschte zur Sprache der Ubier und ihren Vorfahren und zu ihrer Religion. Auch als viele Ubier in das ehemalige Eburonengebiet zogen, gaben sie ihre bisherigen Wohnsitze und Städte östlich des Rheins nicht auf.
viele Grüße

Paul

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