Waldgirmes Römerstadt u. Germanische Siedlung

Moderator: Barbarossa

Paul
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Kurz vor Chr. wurde im hessischen Waldgirmes eine römische Stadt gegründet. Sie sollte ein zentraler Verwaltungsort für Teile Germaniens werden. In Waldgirmes wurden aus dieser römischen Zeit auch die Spuren zivilen germanischen Lebens gefunden. Römer u. Germanen(Chatten) lebten hier zusammen. Wenige Km entfernt lag ein ehemaliges Römisches Militärlager, welches nur kurz z.B. für den Krieg mit den Kelten vom Dünsberg genutz wurde.
Die Römer siegten in einer Schlacht am Dünsberg gegen Germanen.
Zwischen Dahlheim u. der zerstörten Ubierstadt auf dem Dünsberg wurde dann Waldgirmes als Römische Stadt gegründet. Waldgirmes bestand als Römische Stadt nur wenige Jahre bis zur Niederlage des Varus. Die Römer zogen sich staatlich zurück. Die archäologischen Grabungen erbrachten aber schon, das die germanische Besiedlung von Waldgirmes fortbestand - wahrscheinlich dann kontinuierlich bis heute. Heute ist es ein Stadtteil von Lahnau.
Was die Presse sagt...
Da die Chatten zwar als Neusiedler aber nicht als Eroberer in das westliche Lahntal kamen, würde es mich interessieren, ob sie zurückgebliebene Ubier o. sogar Römer gleichberechtigt in ihren Stamm aufnahmen, welcher ja regional u. lokal neue Strukturen bekam. Es bildete sich sicherlich ein neuer Lahntalgau mit eignem Thing. Vielleicht hatte mancher "Römer" kein Interesse wegzuziehen. Während größere Römische Städte in Süddeutschland nach der Eroberung durch Germanen Eigenheiten bewahrten, wurde ja Waldgirmes ein normales germanisches Dorf, welches vielleicht nicht ganz normal war.
Während der römischen Vergeltungskriegszüge mußten dann alle Wehrpflichtigen incl. "Neuchatten"/Ubier gegen die Römer kämpfen. Das war sicherlich für Ubierstämmige Neuchatten kein Problem.
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
Paul
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Die Ubier lebten von der Sieg im Norden als Grenze zu den Sugambrern, bis zum Rhein als Westgrenze zu den keltischen Treverern, bis zum Main im Süden als Grenze zu den keltischen Helvetiern. Über die Grenze des Stammesgebiets im Osten gibt es keine Angaben. Der Dünsberg als große Ubierstadt muß aber noch über ein größeres Umfeld verfügt haben.
Die Ubier zogen zum Teil in das westrheinische Gebiet um. Manche werden sich auch im Süden auf römisch beherrschtes Gebiet begeben haben. Wiesbaden blühte auf. Das Land war nach dem Abzug der Helvetier dünn besiedelt. Der Teilstamm der Cubi blieb ausgerechnet im Raum Waldgirmes. Möglicherweise war Waldgirmes schon eine Siedlung der Cubi/Ubier) und blieb es dann auch nach dem Abzug der Römer. Nach dem Abzug der Römer schlossen sich die Cubi den Chatten an.
Es gab also in diesem Teil des Lahntals eine Bevölkerungskontinuität.
Ubier ? Celtoipedia
Der Dünsberg ging den Ubiern aber wahrscheinlich verloren, so das sich dort die Sueben o. Chatten ansiedelten o. zumindest mit einer Besatzung herrschten. Zumindest beim Feldzug des Drusus gab es Kämpfe zwischen Römern und Sueben. Es hatte wohl auch früher am Dünsberg Kämpfe zwischen Sueben und Ubiern gegeben. Die Waffenreste am Dünsberg, welche früher als keltisch angesehen wurden, waren wohl Waffen der Ubier.
Dasselbe gilt auch für die zivilen Ausgrabungen in Waldgirmes und Dahlheim.
So ist es einleuchtend, das die Ubischen Schmide in Dahlheim auch beim Abzug der Römer blieben.
Die Frage ist, ob Waldgirmes abgebrannt wurde und wer dies im Kampf mit wem veranlasste?
Einige Legenden über Schlachten zwischen Römern u. Germanen wurden in der Region überliefert. Das geschieht bei einer Bevölkerungskontinuität. Nun sollen aber die Sueben, welche sich auf jedenfall Kämpfe mit den Römern lieferten nach Süden abgezogen sein. Vielleicht stimmt dies so nicht ganz und die Dorfbevölkerungen um den Dünsberg blieben im Grunde erhalten?
viele Grüße

Paul

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Der zentrale Platz in der römischen Stadtgründung im heutigen Waldgirmes wurde durch ein Reiterstandbild geprägt. Nach der Aufgabe dieser Stadt durch die Römer wurde die römischen Hinterlassenschaften in Waldgirmes möglicherweise geplündert.
Waldgirmes wurde aber als germanische Siedlung fortgeführt.
Jedenfalls fanden sich Reste dieses Reiterstandbildes wenige km weiter in der Ubiersiedlung Dahlheim, welches heute ein Stadtteil von Wetzlar ist.
Dahlheim war eines der vielen Schmiedezentren im Ubierland.

http://www.welt.de/wissenschaft/article ... sfund.html
viele Grüße

Paul

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Die Situation des Lahntals nach Chr. ist interessant, weil unklar. Inwieweit wurde es in die Chattenkriege einbezogen?
Waldgirmes wurde als römische Stadtgründung aufgegeben. Ob freiwillig o. ob da starker militärischer Druck vorhanden war, ist unklar. Die Lahntalstädte wurden in den Chattenkriegen wohl nicht zerstört, zumindest wurden sie weiter besiedelt.
Behandelten die Römer die Region weiterhin als Provinz? Handelten sie mit der Region?
Auf dem Dünsberg gab es wohl zeitweise antirömische Stützpunkte. In der Region gibt es Sagen über germanisch-römische Schlachten z.B. auf dem Todmal.
Ein regionales germanisches Heer führte eine Schlacht und war nah an einer Niederlage gegen die Römer. Sie sollen ihre Götter(Göttinen) um Unterstützung angefleht haben. Da kam aus dem Helfholz Verstärkung, welche den Sieg über die Römer ermöglichte.

http://gutenberg.spiegel.de/buch/43/63
viele Grüße

Paul

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Waldgirmes (ca. 8ha) liegt nördlich der Wetterau und des Taunus und die Umgebung war gut geeignet für Landwirtschaft. 35 v.Chr. kommt es zur Umsiedlung der Ubier, die Cäsar beim Taunus sah und auch das Ende der Besiedlung des Dünsbergs (der nicht von Waldgirmes sichtbar ist) ist in der Zeit anzusiedeln.
Erste Baumaßnahmen fanden schon vor 4v.Chr. statt und es sollte eine zivile Siedlung werden, die aber nicht fertiggestellt wurde. Waldgirmes war doch 2 Spitzgräben und eine Holz-Erde-Mauer gesichert. In der Besiedlung befanden sich Gebäude für Handel, Handwerk, Wohnen, Speicher bzw. Lagerhallen, Bauschuppen und ein Forum (mit dem ersten Steinfundament!). Die Wohnhäuser (Attriumhäuser) sind einzeln gebaut und weisen einen Hofareal aus. Es wurde sogar Überlagerungen bei den Gebäuden festgestellt.
Ferner befanden sich in Waldgirmes auch militärische Anlagen. So gab es eine Kaserne, deren Gebäude für Mannschaften und Offiziere durch eine Straße getrennt waren.
Das hat man u.a. alles in Waldgirmes gefunden: römische Schildfibeln, germanischer Schildbeschlag (Prager Becken), Gefäße für Wein aus Rhodos und Öl aus Spanien, silberne germanische Schildfibeln, eine Pilumspitze, Terra Sigilata-Gefäße und "belgische Ware" (Töpfe), Schmuckscheibe mit Götterköpfen, keltische geschweifte Fibeln, Münzen, 2 Perlen, Scherbe einse Glasmosaiks mit äyptschen Stiergott, Glasgemme mit Darstellung Mutter mit totem Sohn, Staturn.....es lassen sich ca.15% einheimische Waren feststellen, die wiederum verschiedene Einflüsse aufweisen (Elbgermanien, Eisenzeit, Mittelrhein).
Und dann gab es noch den wichtigsten Fund:kleine Teile einer bronzene Reiterstatur, höchstwahrscheinlich eine Darstellung des Augustus. Diese Statur wurde völlig zerstört und man fand einen großen Teil des Pferdekopfes (das Blattgold hat 22Karat und ist dreimal so stark wie heute). Die Zerstörung der Statur war 9n. Chr..

Waldgirmes wurde höchstwahrscheinlich 9n.Chr. in Verbindung mit der Varusschlacht zerstört und ein bestehender Brunnen mit Holz unbrauchbar gemacht. Danach muß jemand (höchstwahrscheinlich Römer) wieder aufgeräumt haben und den Schutt an das West- und Osttor gebracht haben. Aber warum? :shock: 16 n.Chr. (vielleicht auch 20n.Chr.) wurde Waldgirmes endgültig abgebrannt und zerstört.

Es wird vermutet, daß Kelten aus der Region in Waldgirmes sich als Händler niederließen, da sie mit der Geldwirtschaft vertraut waren. Auch Römer benutzten die Münze mit dem "tanzenden Männlein" (= 1/2 Denar) als Zahlungsmittel.
Paul
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Seit 2 Jahren suchen Taucher nach der Schiffs-Anlegestelle für die römischen Lastkähne(WNZ) und den damaligen genauen Verlauf der Lahn. Bei Atzbach wurde ein Knüppelweg ausgegraben.

Dort kann es natürlich auch schon vorher eine Anlegestelle gegeben haben, die auch danach dann noch in Gebrauch gewesen sein kann. Sie könnte auch für die Dünsbergstadt mitbenutzt worden sein. Vielleicht gab es aber auch eine weitere Anlegestelle weiter flusaufwärts. In der Region lebte der Teilstamm der Ubier, welcher sich Cubi nannte. Die Cubi wanderten nur zum Teil auf die linke Rheinseite. Nach ihrem gemeinsamen Sieg mit den Römern über die Sueben expandierten sie (wieder?) nach Ostmittelhessen und auch am Rhein in vorher sugambrische Gebiete. Dort gründeten sie um 50 vor Chr. auf der rechten Rheinseite erst Mühlheim und Deutz, später gründeten sie auf der linken Rheinseite Bonn und Köln.
Die Römer wollten das nützliche Bündnis mit den Ubiern nicht beenden und legalisierten die zuvor auf eigne Faust durchgeführte Besiedlung des Eburonenlandes. Sie förderten sie dann auch. Später erklärten sie die ubischen Stadtgründungen zu römischen Städten.
Die Ubier spalteten sich politisch in viele Kleinverbände. Die linksrheinischen Ubier wurden weiter als solche bezeichnet. Die rechtsrheinischen Unterstämme bekamen verschiedene teilweise wechselnde Namen z.B. Longhani und Matthiaker und wurden dann oft als Chatten bezeichnet. Es gab auch einen Verschmelzungsprozeß mit den südwärts wandernden Chatten.
viele Grüße

Paul

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Vor der Stadtgründung von Waldgirmes hatten Römer und Ubier schon 50 Jahre militärische und wirtschaftliche Kontakte. Vermutlich hatten die Römer also schon vorher kleinere Stützpunkte in Ubien. Vermutlich lagen sie an der Lahn und gingen bis zur größeren Stadt auf dem Dünsberg o. darüber hinaus bis Bad Nauheim.
Daneben hatten sie wahrscheinlich noch Stützpunkte am Rhein z.B. in Wiesbaden.
viele Grüße

Paul

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