Gibt es in der Geschichte Gesetzmäßigkeiten?

Informationen und Diskussionen über Wissenschaft und Forschung

Moderator: Barbarossa

Benutzeravatar
Barbarossa
Mitglied
Beiträge: 15507
Registriert: 09.07.2008, 16:46
Wohnort: Mark Brandenburg

Karlheinz: Was du beschreibst, ist ja im Grunde eine Auflistung von Hierarchien, die sich über Jahrtausende entwickelt hatten, und die es im Zuge der Aufklärung aufzubrechen galt.
Da gab es die Stände - innerhalb dieser Stände gab es auch wieder Hierarchien. Selbst der Adel war nicht frei davon.
Und dann gab es die Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Bis ins 20 Jh. hinein konnten Frauen ihren Ehemann nicht frei wählen - vor allem im ländlichen Raum. In den alten Heimatfilmen aus den 50er Jahren wird das sehr deutlich.
Dann gab es zusätzlich eine Reihe von Verboten, durch die weitere Bevölkerungsgruppen benachteiligt, ja sogar kriminalisiert wurden - hier sind insbesondere die Homosexuellen zu nennen.
Jede Gruppe muß ihre Bügerrechte für sich selbst durchsetzen, wobei es auch zu Interessenskonflikten kommen kann. Denn fordert eine Gruppe für sich mehr Rechte, müssen andere Gruppen ihnen diese Rechte einräumen oder sogar abtreten. Das war in der Geschichte der Bunderepublik gut zu beobachten. Obwohl das Grungesetz von Anfang an allen Bürger(inne)n genau die gleichen Rechte eingeräumt hat, war das in der Praxis aber lange Zeit eben nicht so. Das zeigt, wie schwer es ist, gleiches Recht für alle durchzusetzen und zwar selbst dann, wenn man die Verfassung auf seiner Seite hat.
Die Diskussion ist eröffnet!

Jedes Forum lebt erst, wenn Viele mitdiskutieren.
Schreib auch du deine Meinung! Nur kurz registrieren und los gehts! ;-)
Benutzeravatar
dieter
Mitglied
Beiträge: 10152
Registriert: 29.04.2012, 09:48
Wohnort: Frankfurt/M.

Lieber Barbarossa,
es lohnt sich aber immer wieder die Rechte auch für Minderheiten durchzusetzen. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
ehemaliger Autor K.

Spartaner hat geschrieben:Als eine der Gesetzmäßigkeiten in der Geschichte sehe ich zyklische Wetterphänomene an ,wie z. B. die immer wiederkehrende Heuschreckenplage in Ägypten . Danach starben zahlreiche Menschen durch Hunger. Wer in der Lage war die Naturphänomene und Wetterperioden für sich zu nutzen, konnte sich einen Vorteil in den weiteren Verlauf der Geschichte sichern.
Beispiele: Auswanderung der Israeliten aus Ägypten(Exodus) .-Durchquerung der Wüste während einer günstigen Jahreszeit.
-Durch die Hungerperiode in Irland während der Jahrhundertwende bei der 2 Millionen Iren am Hunger starben, bewog 1 Million Iren die Heimat in Richtung Amerika zu verlassen. Dort konnten die Iren in einer neuen Zivilisation aufgehen. Ohne die Iren gäb es den Staat USA wahrscheinlich in der jetzigen Form nicht.
Wettersituationen wurden auch schlauerweise in Schlachten ausgenutzt z. B. bei die Varusschlacht, die wahrscheinlich von den Germanen nur gewonnen werden konnte, weil die Schlacht bei regnerischen Wetter und in sumpfigen matschigen Gelände geführt wurde, was es den Römern nicht ermöglichte ihre gefürchtete Schlachtordnung einzunehmen.
weiter Beispiele : die verlorene Schlacht Napoleons in Russland, Hitlers Schlacht bei Stalingrad, wobei die Temperaturen und Versorgungslage im Winter unterschätzt wurden.

Das ist ein sehr interessanter Gesichtspunkt: Das Zusammenspiel von exogenen und endogenen Faktoren in der Geschichte. Meistens versucht man zunächst die Entwicklung von Gesellschaften als endogenen Vorgang zu erklären, in dem man sich mit ihren Strukturen beschäftigt. Tatsächlich aber wirken exogene Vorgänge immer auf die inneren Strukturen ein, wobei oft nicht klar ist, wie dieses Zusammenspiel genau funktioniert.

Der Anthropologe Diamond hat in seinem Buch „Kollaps“ versucht zu ergründen, warum manche Kulturen bei sich verändernden Umweltbedingungen zusammenbrechen, andere aber nicht und sich möglicherweise sogar anschließend weiterentwickeln. Kollabierende Kulturen sind für ihn die Maya, das Reich der Khmer, die Bewohner der Osterinsel. Die Umweltkatastrophen, an denen sie zugrunde gingen, wurden von ihnen teilweise selbst verursacht, beispielsweise durch Abholzung der Wälder, Zerstörung des Bodens durch extreme Ausbeutung, Vernichtung von natürlichen Wildbeständen, die dann nicht mehr als Nahrungsquelle dienen konnten usw. Andere Gesellschaften, wie z.B. in Japan, hatten ähnliche Probleme, konnten sie aber bewältigen. Warum werden einige Kulturen mit den Herausforderungen nicht fertig, andere aber ja? Dies können wir dann nur wieder durch endogene Faktoren erklären. Haben die Maya die Folgen ihres Tuns nicht erkannt oder gab es interne Blockaden, die Lösungen verhinderten?
Er zieht Rückschlüsse auf die Gegenwart. Auch heute hat das Treiben der Menschen oft verheerende Umweltfolgen, dies ist bekannt, doch dagegen getan wird wenig oder gar nichts, weil interne Strukturen Lösungen verhindern. Insofern kann man aus der Geschichte vielleicht lernen. Das Zusammenspiel exogener und endogener Faktoren wird oft nicht ausreichend gewürdigt.

(Das Buch "Kollaps" war das Lieblingsbuch von Bill Clinton und auch seine Nachfolger sollen es gelesen haben. Ob das aber etwas genützt hat?)
ehemaliger Autor K.

Barbarossa:
Karlheinz: Was du beschreibst, ist ja im Grunde eine Auflistung von Hierarchien, die sich über Jahrtausende entwickelt hatten, und die es im Zuge der Aufklärung aufzubrechen galt.
Was du schreibst, ist in etwa das, was Hegel oder die Anhänger der Naturrechtslehre ja auch meinen, das die Entwicklung hin führt zu mehr Freiheit und zur Durchsetzung von Menschenrechten. Du beschreibst dies als einen kumulativen Prozess, nämlich durch das Aufeinanderwirken gesellschaftlicher Gruppen und unterscheidest dich damit eigentlich nicht wesentlich von Hegel. Er geht auch davon aus, das es in der Entwicklung der Menschheit Regelmäßigkeiten gibt und beschreibt diese, wenn auch sehr kompliziert und nicht so einfach nachvollziehbar.

Der Historismus behauptet hingegen, jeder geschichtliche Vorgang ist einzigartig und man kann ihn nicht verallgemeinern oder daraus Entwicklungen ableiten.

Es ist die alte Frage von Zufall und Notwendigkeit. Beim wöchentlichen Lottospiel gibt es jedes Mal eine andere Zahlenfolge. Sie ist zufällig und nicht vorhersehbar. Würde aber immer die gleiche Zahlenfolge auftauchen, vermutet jeder dahinter eine Gesetzmäßigkeit.

Übertragen wir dies auf die Geschichte: wenn die Idee der Freiheit und Menschenrechte einmal im 18.Jahrhundert in Frankreich auftaucht und dann wieder spurlos verschwindet, wäre dies zufällig. Taucht sie aber danach immer wieder auf, an allen möglichen Orten und setzt sie sich dann weiter durch, kann dies kein zufälliges Ereignis mehr sein. Dahinter steckt eine Regelmäßigkeit und wir müssen die Ursachen hierfür ausfindig machen. Ich werde in späteren Threads aufzeigen, wie die Nationalökonomie und die Soziologie die menschliche Entwicklung erklären wollen.
ehemaliger Autor K.

Barbarossa:
395 wurde das Römische Reich geteilt - das Westreich ging 80 Jahre später unter, das Ostreich existierte noch 1000 Jahre weiter. Warum? Das hat mehrere Ursachen.
Zum einen wurde das Westreich sehr viel stärker von Germanen und Hunnen bedrängt. Vor allem im Westreich wurden Germanen als Föderaten angesiedelt, die dann immer souveräner agierten.
Zum anderen ging das Westreich aber auch an inneren Zerwürfnissen zugrunde - ein militärisches und politisches Genie wie Aetius wurde einfach ermordet, nachdem er seine Schuldigkeit gegen die Hunnen getan hatte. Es war bei Leibe nicht der erste Mord an einem so mächtigen und zugleich erfolgreichen Heerführer und Politiker (siehe Caesar). Aber was bei Caesar noch zu verschmerzen war, weil das Reich noch in der Expansion begriffen war, bedeutete für das Westreich gut 500 Jahre später wahrscheinlich den endgültigen Todesstoß.
Das Ostreich erholte sich hingegen wieder und konnte zu einem damals modernen Feudalstaat reformiert werden.
Über die Ursachen für den Untergang des Römischen Imperiums gibt es viele Theorien. Einige davon habe ich in einem Aufsatz zusammengefasst und vorgestellt.

http://geschichte-wissen.de/antike/35-d ... riums.html
RedScorpion

Erstmal danke an KH, der auf eine Frage antwortet, die hier im Forum vor ein paar Wochen aufkam. Auch wenn ich - wie könnte es anders sein - nicht alles teile, so kann man doch bei Gelegenheit zum einen oder anderen Punkt Stellung nehmen bzw. daran anknüpfen.

Bez. der Theorien des Untergang des Röm. Reichs werden allerdings, wenn ich das richtig sehe, die Entwicklungen der letzten 40 Jahre ausgespart.


LG
Spartaner
Mitglied
Beiträge: 1649
Registriert: 25.12.2013, 23:36

Die Wanderungen der Menschen in der Eiszeit in Europa und Asien dürften sich auch aus dem Zusammenspiel von endogenen und exogenen Ereignissen abgespielt haben. Eiszeitjäger waren auf fleischliche Nahrung angewiesen, weil sich Ackerbau auf den Frostböden nicht gewährleisten lies. Das Wild wanderte jahreszeitlich bedingt zum Weideland in den Süden, um der Frostgrenze auszuweichen und Nahrung ganzjährig zu finden. Diese Wildwanderungen entlang der Frost/Weidegrenze mussten die Eiszeitjäger in Nord -Südrichtung ebenfalls mitmachen, um nicht verhungern zu müssen.
Dadurch kamen die Eiszeitjäger wiederum mit anderen Menschensiedlungen in Kontakt, bzw. es kam zur Vermischung von Menschengruppen, was die genetische Widerstandsfähigkeit der Menschen in der Eiszeit gegen mögliche Krankheiten ,die wanderungsbedingt auftreten konnten, erhöhte. Nachteilig wirkte sich das natürlich auf die Tierwelt aus. Bekanntlich wurden die Mammuts durch die Eiszeitjäger ausgerottet, weil diese auf ständigen Fleischverzehr angewiesen waren, während das gleiche Schicksal dem Elefanten in Afrika (afrikanische Elefant) erspart blieb, weil die frühen Naturvölker auf andere Nahrungsmittel ausweichen konnten.
Benutzeravatar
Barbarossa
Mitglied
Beiträge: 15507
Registriert: 09.07.2008, 16:46
Wohnort: Mark Brandenburg

Karlheinz hat geschrieben:Was du schreibst, ist in etwa das, was Hegel oder die Anhänger der Naturrechtslehre ja auch meinen, das die Entwicklung hin führt zu mehr Freiheit und zur Durchsetzung von Menschenrechten. Du beschreibst dies als einen kumulativen Prozess, nämlich durch das Aufeinanderwirken gesellschaftlicher Gruppen und unterscheidest dich damit eigentlich nicht wesentlich von Hegel. Er geht auch davon aus, das es in der Entwicklung der Menschheit Regelmäßigkeiten gibt und beschreibt diese, wenn auch sehr kompliziert und nicht so einfach nachvollziehbar...
Da bin ich mir gar nicht so sicher, weil ich eben nicht von einer "Gesetzmäßigkeit" ausgehe.
Karlheinz hat geschrieben:Der Historismus behauptet hingegen, jeder geschichtliche Vorgang ist einzigartig und man kann ihn nicht verallgemeinern oder daraus Entwicklungen ableiten.

Es ist die alte Frage von Zufall und Notwendigkeit. Beim wöchentlichen Lottospiel gibt es jedes Mal eine andere Zahlenfolge. Sie ist zufällig und nicht vorhersehbar. Würde aber immer die gleiche Zahlenfolge auftauchen, vermutet jeder dahinter eine Gesetzmäßigkeit.

Übertragen wir dies auf die Geschichte: wenn die Idee der Freiheit und Menschenrechte einmal im 18.Jahrhundert in Frankreich auftaucht und dann wieder spurlos verschwindet, wäre dies zufällig. Taucht sie aber danach immer wieder auf, an allen möglichen Orten und setzt sie sich dann weiter durch, kann dies kein zufälliges Ereignis mehr sein. Dahinter steckt eine Regelmäßigkeit und wir müssen die Ursachen hierfür ausfindig machen...
Ich glaube gar nicht, dass es sich bei der Idee der Freiheit und Menschenrechte um eine Regelmäßigkeit handelt. Vielmehr handelt es sich m. E. um eine Idee, die im 18. Jh. in Form der Aufklärung auftauchte und sich dann grenzüberschreitend ausbreitete. Insbesondere Voltaire (als Franzose) und Friedrich der Große (als preußischer König und damit Deutscher) haben hier große Vorarbeit geleistet. Und damit war die Aufkärung von Beginn an grenzüberschreitend. Allerdings scheint diese Bewegung nur das Christentum erfasst zu haben. An den Außengrenzen der christlichen Staaten hatte auch die Aufklärung ihre geographische Grenze.
Auch zeitlich lief die begonnene Entwicklung nicht geradlinig ab. So gab es (das ist jetzt meine Theorie) starke direkte Gegenbewegungen zur Aufklärung, womit vor allem die kommunistische und die faschistische/nationalsozialistische Bewegung zu nennen wären. Sie lehnten den Satz Fr. d. Gr. ("Jeder soll nach seiner Façon selig werden".) grundsätzlich ab und wollten statt dessen einen "neuen Menschen" gemäß ihrer Ideologie formen. Es hätte auch passieren können, dass sich eine dieser Bewegungen durchgesetzt hätte, dann wären Aufklärung und Humanismus als Bewegungen gescheitert und die Menscheit hätte sich gesellschaftlich und ideologisch in eine andere Richtung entwickelt. Nur weil sich die Idee der Freiheit und Menschenrechte weit genug ausgebreitet hat, konnte sie über die Gegenbewegungen triumpfieren. Das ist jedenfalls meine Meinung. Eine Regelmäßigkeit sehe ich jedenfalls auch hier nicht, denn ich sehe auch heute noch Gefahren für die freie Welt. Es ist gar nicht nur der Terror von Islamisten sondern auch Sekten wie z. B. Scientology oder auch die Kreationisten stellen eine Gefahr dar. Es hängt einzig vom Engagement der Gesellschaft ab, wie erfolgreich die Ideen der Aufklärung auch in Zukunft sein werden. Sicher oder gar gesetzmäßig ist in meinen Augen gar nichts, was gesellschaftliche Prozesse angeht.
Die Diskussion ist eröffnet!

Jedes Forum lebt erst, wenn Viele mitdiskutieren.
Schreib auch du deine Meinung! Nur kurz registrieren und los gehts! ;-)
ehemaliger Autor K.

Barbarossa:
Ich sehe das etwas anders (Meine Theorie). In der biologischen Evolution werden innerhalb einer Art unzählige Variationen produziert. Erfolgreich durchsetzen werden sich aber die, welche ihrer Umwelt am besten angepasst sind. Das Auswahlprinzip ist nicht zufällig. Das hat Charles Darwin gezeigt und hier können wir deshalb auch Entwicklungen beobachten.
Was die kulturelle Evolution zeigt: Auch hier hat es viele Entwicklungen gegeben und durchgesetzt hat sich bisher über viele Zwischenstufen das westliche Modell, welches sich totalitären Regimen wie Faschismus und Kommunismus oder auch früheren Formen wie dem Absolutismus oder was auch immer, als überlegen erwiesen hat. Meines Erachtens ist dies auch kein Zufall.
Allerdings, und hier weiche ich von Hegel ab: In der Zukunft kann es durchaus sein, das ganz andere Herrschaftsformen, welche das auch sein mögen, sich der Demokratie überlegen zeigen und sich dann durchsetzen. Aber das beweist auch nur, dass im Konkurrenzkampf der Systeme sich die Überlegenen durchsetzen, wir also hier auch Entwicklungen sehen können. Genauso wenig wie es in der Natur ein völliges Chaos gibt, es gibt die Naturgesetze in der Physik, der Chemie, der Biologie usw. so wenig gibt es ein völliges Chaos in der Gesellschaft. Das wir heute nicht mehr in der Steinzeit leben, ist nicht das Ergebnis einer Anhäufung von Zufällen. So etwas wäre ja nun auch wirklich erstaunlich und ich kenne auch keine wissenschaftliche Theorie, die so etwas postulieren würde, nicht einmal der Historismus behauptet dies so apodiktisch. Ich werde in den nächsten Wochen eine Reihe weiterer Theorien vorstellen.

Das sich die Ideen der Aufklärung durchsetzen konnten, ist das Ergebnis der Englischen Revolution, der Französischen Revolution, dem amerikanischen Unabhängigkeitskampf. Wir verdanken die Ideen Menschen wie Hobbes, Locke, Kant, Jefferson, Madison,Paine, Leibnitz, Fichte, Montesquieu, Diderot, den Begründern des Naturrechts und vielen anderen. Außerdem der Proklamation der Menschenrechte 1789, später sorgte der Code Napoleon dafür, das die Spielregeln der bürgerlichen Gesellschaft etabliert wurden.
Friedrich dem Großen verdanken wir dies alles sicherlich nicht. Hegel glaubte dies, er dachte in der preußischen Monarchie hätte sich der Weltgeist, die Vernunft realisiert. Aber es bedurfte erst der französischen Besetzung, den Reformern von Stein und Hardenberg, dass sich das archaische Staatswesen modernisieren konnte und Anschluss an die Entwicklung in der Welt fand.
Unter Friedrich gab es noch die Leibeigenschaft und die Zünfte, Institutionen, die in England und Holland längst der Vergangenheit angehörten. In diesen beiden Ländern existierten bereits Parlamente und die Herrschaft der Monarchen wurde durch sie eingeschränkt. Preußen war noch immer absolutistisch, auch wenn der sich „aufgeklärter Absolutismus“ nannte und in der Tischrunde gelehrte Gespräche geführt wurden. Nein, die Wurzel der Demokratie war Preußen bestimmt nicht.
Spartaner
Mitglied
Beiträge: 1649
Registriert: 25.12.2013, 23:36

Karlheinz hat geschrieben:
Barbarossa:
Ich sehe das etwas anders (Meine Theorie). In der biologischen Evolution werden innerhalb einer Art unzählige Variationen produziert. Erfolgreich durchsetzen werden sich aber die, welche ihrer Umwelt am besten angepasst sind. Das Auswahlprinzip ist nicht zufällig. Das hat Charles Darwin gezeigt und hier können wir deshalb auch Entwicklungen beobachten.
Was die kulturelle Evolution zeigt: Auch hier hat es viele Entwicklungen gegeben und durchgesetzt hat sich bisher über viele Zwischenstufen das westliche Modell, welches sich totalitären Regimen wie Faschismus und Kommunismus oder auch früheren Formen wie dem Absolutismus oder was auch immer, als überlegen erwiesen hat. Meines Erachtens ist dies auch kein Zufall.

Wenn wir Darwins Gesetze in der menschlichen Gesellschaftsentwicklung berücksichtigen, müssen wir auch die Volterra-Gesetze der Populationsdynamik, in Räuber-Beute-Beziehungen berücksichtigen. Das erste Volterra - Gesetz beschäftigt sich mit der periodische Schwankung der Populationen . Kurze Erklärung: Die Individuenzahlen von Räuber und Beute schwanken bei ansonsten konstanten Bedingungen periodisch. Dabei folgen die Maxima der Räuberpopulation phasenverzögert denen der Beutepopulation. Beispiel: Wir haben ein Feld mit Gras, das von Marienkäfern und Blattläusen besetzt ist. Auf Grund des Gras- Bewuchses und der wenigen Marienkäfer ( Räuber) vermehren sich periodisch die Blattläuse (Beute). Vermehren sich die Blattläuse, können sich die Marienkäfer vermehren und die Blattläuse werden weniger . Werden die Blattläuse weniger, dann werden die Marienkäfer auch weniger. Anschließend können sich die Blattläuse wieder vermehren. So ist das in der Natur ein ständiges Wechselspiel.
Bezieht man den Menschen in die Volterra - Gesetze mit ein, so kommt das dritte Volterra - Gesetz zur Anwendung:
(schnelleres Wachstum der Beutepopulation) - Wird eine Räuber-Beute-Beziehung zeitlich begrenzt gestört so erholt sich die Beutepopulation schneller als die Räuberpopulation. Der Mensch als früheres Beute- Lebewesen hat in der heutigen Zeit keine natürlichen Feinde mehr . Er kann seine Vermehrung nur selbst begrenzen ,oder die Population der Menschen wird eines Tages durch Naturkatastrophen begrenzt , oder der Mensch findet als Räuber selbst keine Beute (Nahrung) mehr . Infolgedessen das einige Menschen verhungern, kann sich die Beute (Tier und Pflanzen) wieder erholen.
ehemaliger Autor K.

Spartaner:
Ich hatte Darwin nur als Beispiel herangezogen, um zu zeigen, dass es in der Biologie Regelmäßigkeiten gibt, nicht aber, das wir diese auf die kulturelle Evolution einfach übertragen könnten. Die funktioniert sicherlich ganz anders. Um das herauszubekommen, bemühen sich Philosophen, Soziologen, Historiker, Ökonomen usw.
Benutzeravatar
dieter
Mitglied
Beiträge: 10152
Registriert: 29.04.2012, 09:48
Wohnort: Frankfurt/M.

Karlheinz hat geschrieben:[Unter Friedrich gab es noch die Leibeigenschaft und die Zünfte, Institutionen, die in England und Holland längst der Vergangenheit angehörten. In diesen beiden Ländern existierten bereits Parlamente und die Herrschaft der Monarchen wurde durch sie eingeschränkt. Preußen war noch immer absolutistisch, auch wenn der sich „aufgeklärter Absolutismus“ nannte und in der Tischrunde gelehrte Gespräche geführt wurden. Nein, die Wurzel der Demokratie war Preußen bestimmt nicht.
Lieber Karlheinz,
Du hast leider Recht. In Preußen gab es auch bis 1918 das Dreiklassenwahlrecht. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
ehemaliger Autor K.

dieter hat geschrieben:
Karlheinz hat geschrieben:[Unter Friedrich gab es noch die Leibeigenschaft und die Zünfte, Institutionen, die in England und Holland längst der Vergangenheit angehörten. In diesen beiden Ländern existierten bereits Parlamente und die Herrschaft der Monarchen wurde durch sie eingeschränkt. Preußen war noch immer absolutistisch, auch wenn der sich „aufgeklärter Absolutismus“ nannte und in der Tischrunde gelehrte Gespräche geführt wurden. Nein, die Wurzel der Demokratie war Preußen bestimmt nicht.
Lieber Karlheinz,
Du hast leider Recht. In Preußen gab es auch bis 1918 das Dreiklassenwahlrecht. :wink:

Da hast du völlig Recht. Und das Wahlrecht wurde auch erst nach der Revolution von 1848 eingeführt.
Die Ideen der Aufklärung sahen vor, dass es eine Gewaltenteilung gibt zwischen Legislative, Exekutive und Judikative. Ein Parlament gab es aber nicht in Preußen zur Zeit von Friedrich II, sondern nur Berater. Friedrich war Gesetzgeber und Herrscher in einer Person. Auch von einer unabhängigen Justiz kann keine Rede sein, denn der weitaus größte Teil der Bevölkerung unterstand der Gutsherrschaft. In diesem System war der Bauer seinem Grundherrn völlig ausgeliefert, denn dieser war Grundherr, Leibherr, Gerichtsherr, Polizeiherr und Kirchenherr in einer Person. Ohne Genehmigung durfte ein Bauer das Land nicht verlassen oder heiraten. Er hatte zahlreiche Frondienste zu leisten. Der Junker war nicht nur Polizeichef, sondern gleichzeitig auch Richter für die meisten Justizfälle. Es ist reiner Hohn, wenn Friedrich sagt, das sich der König nicht in die Urteilssprechung einmischen sollte, denn auf dem Land wagte ohnehin keiner, dem Grundherrn, der auch gleichzeitig Richter war, zu widersprechen. Das System funktionierte von allein. Der Junker konnte alle möglichen Strafen verhängen, Prügelstrafen, Freiheitsstrafen usw.
Mit Menschenrechten hat dies alles nichts zu tun.

Friedrich war in religiösen Angelegenheiten tolerant, weil ihn Religion nicht interessierte und das Land durch die drei von ihm provozierten Kriege einen fürchterlichen Aderlass an Menschen und Material erleiden musste. Deshalb war ihm jeder Recht, der kam, aber niemand wird Preuße denn aus Not, sagten die Leute schon damals.

Friedrich wollte mit seinem System die alte Ständeordnung bewahren und die Privilegien der Junkerkaste erhalten. Preußen gehörte im 18. Jahrhundert im internationalen Vergleich zu den politisch und wirtschaftlich rückständigen Staaten, wenn man sich England, Holland oder die entstehende USA ansieht.

Betrachtet man Friedrich als Politiker, hat er viel gemeinsam mit Machiavellis Fürsten, den er in einem Briefwechsel mit Voltaire in frühen Jahren kritisierte. Dieser Briefwechsel wurde später als Anti-Machiavelli bekannt, durfte aber in Preußen nicht verkauft werden, weil es sich hier um eine Jugendtorheit des Königs handelte und erschien deshalb im Ausland. Tatsächlich verhielt sich Friedrich später so, wie es Machiavelli von einem Fürsten erwartete. Kalt, berechnend, auf Machterhalt bedacht, Gleichgültigkeit gegenüber Religionen, die für den Italiener nur Mittel zur Machtbehauptung waren. Insofern hat er viel von der kalten politischen Algebra dieses Theoretikers der Renaissance gelernt.
Benutzeravatar
dieter
Mitglied
Beiträge: 10152
Registriert: 29.04.2012, 09:48
Wohnort: Frankfurt/M.

Lieber Karlheinz,
was Du über Friedrich sagst ist für Preußen nicht sehr angenehm, aber sicher leider wahr. :roll: Wäre das demokratische System 1848/49 für Deutschland gekommen, dann wäre es sicherlich nach dem Ende des WKI nicht so schlimm mit der Auseinandersetzung mit den Kommunisten gekommen. (Liebknecht, Luxemburg) :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Spartaner
Mitglied
Beiträge: 1649
Registriert: 25.12.2013, 23:36

Lieber Dieter ,
da stimme ich dir vollständig zu. So ist es!
Aber irgendwo brauchte der Kommunismus sein Experimentierkasten. Das der Kommunismus als Staatsform von vorherein ein "totgeborenes Kind " war, das konnte vorher keiner wissen. Eigentlich war es strenggenommen nie Kommunismus gewesen ,sondern der Kommunismus driftete sofort (gesetzmäßig) in die Staatsform des Stalinismus ab.
Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag

Zurück zu „Wissenschaft und Forschung“