Die Philosophie in ihrer Zeit

Allgemeine politikwissenschaftliche Diskussionen

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Marianne E.
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Die Philosophie in ihrer Zeit

In dieser Schrift wird die Philosophie vorgestellt, mit der beispielhaften Erwähnung von Philosophen, deren Denkkonzepte Eingang in die unterschiedlichen Theorien gefunden haben, die für die Kultur und das politische Selbstverständnis Europas ausschlaggebend sind. Der Anfang der philosophischen Überlieferungen ist im Altertum auszumachen.

Das klassische Altertum und die Antike (3500 v. Chr. - 600 n. Chr.)
Mit der Vorstellung der Philosophen der Antike werden zugleich diejenigen erwähnt, die dem klassischen Altertum zuzuordnen sind.
Die Antike umfasst den Zeitraum von 800 v. Chr. bis 600 n. Chr. und das klassische Altertum beginnt gemäß Geschichtsfestlegung um 3500 v. Chr. und hört mit dem Ende der Antike auf. Mit der Bezeichnung Altertum ist ganz allgemein die Epoche zwischen Urgeschichte und Mittelalter gemeint.
Die Zeit vor dem Altertum wird mit dem Begriff Urgeschichte oder auch Steinzeit nicht ganz zutreffend auf die Jahre 400 000 v. Chr. bis etwa 3 500 v. Chr. festgelegt. Die Begründung dafür liegt in dem Sachverhalt, dass ein wissenschaftlich fundiertes Geschichtswissen erst seit der Erfindung der Schrift zur Verfügung steht; d. h. seit etwa vor 6000 bis vor 5000 Jahren.

Von den uns bekannten Philosophen aus dem Altertum werden in diesem Kapitel Gilgamesch und Urukagina erwähnt. Ebenfalls in diese Epoche gehört Hammurabi aus Babylon, der als der erste Gesetzgeber bis heute präsent ist. Die danach in diesem Kapitel ebenfalls beispielhaft erwähnten Philosophen sind der Antike zuzuschreiben.

Gilgamesch (2675 v. Chr.) war der Herrscher der sumerischen Stadt Uruk. Das Gilgamesch-Epos gilt als die älteste literarische Erzählung der Weltgeschichte und existiert in mehreren Sprachen.
Das uns überlieferte Gilgamesch-Epos ist umstritten, und zwar dahingehend, dass zum einen ganz grundsätzlich die Existenz des Gilgamesch infrage gestellt wird und zum anderen, falls es ihn gegeben haben sollte, das Epos nicht von ihm allein geschrieben sein kann. Wissenschaftler haben festgestellt, dass das Epos über eintausend Jahre hinweg geschrieben worden sein muss.

Andere Lehrmeinungen haben der Fragestellung nach dem Menschen Gilgamesch nicht diesen hohen Stellenwert eingeräumt, sondern waren der Auffassung, der textliche Inhalt hat die Priorität. Denn, wenn vor etwa fünftausend Jahren eine derart revolutionäre gesellschaftlich relevante Theorie in der Überlieferung vorhanden ist, gehört ausschließlich dieser jedwede Diskussion.
Dennoch ist nicht völlig auszuschließen, dass es sich bei Gilgamesch tatsächlich nur um eine literarische Person handelt. Das könnte mit der Aussage korrespondieren, in der Sumer als ein Geburtsland der Literaturwissenschaften genannt wird.

Urukagina von Lagasch (2355 v. Chr.) war ein sumerischer Herrscher, der als der "gerechte König" in der Geschichte präsent ist. Er galt als Sozialreformer, dem eine bemerkenswerte Einsicht zugeschrieben wurde. Urukagina entwarf Reformgesetze, um damit alte Bräuche gegen eine neue Ordnung auszutauschen. Er setzte z. B. die Abschaffung einer Ehe durch, die bis dahin vorsah, dass eine Frau mit zwei Männern verheiratet sein konnte.
Grundsätzlich wäre noch über Urukagina zu sagen, dass es keine gesicherten Auskünfte über seine tatsächliche Herkunft gibt. Die historischen Untersuchungen dauern an und liefern seit mehr als einhundert Jahren den Stoff für kontroverse Diskussionen.

Hammurabi (Hammurapi) (1792 - 1750 v. Chr.) war König von Babylon, Sumer und Akkad. Er gilt als der erste große Gesetzgeber der Geschichte. Hammurabis Verdienst ist die vollständige Sammlung örtlicher Rechte, Verordnungen und Bestimmungen zu einem übergeordneten Gesetz, dessen 282 Paragraphen fortbestehen. Der Codex Hammurabi ist im Sinne der Neuzeit erstaunlich modern. Er befand sich ursprünglich auf einer Gesetzesstele in Susa und war lange Zeit verschollen. Bei Ausgrabungen im Jahre 1902 wurde diese Stele gefunden und gelangte dann auf Umwegen in den Louvre von Paris.

Solon (640 - 560 v. Chr.) war ein athenischer Dichter und ein Staatsmann. Er analysierte die athenische Gesellschaftsordnung und wollte eine vorbildlich angeordnete Regelung des Gemeinwesens erreichen. Trotz hin und wieder auftretender Differenzen mit der herrschenden Klasse besaß Solon eine hohe Anerkennung und zählte zu den "Sieben Weisen Griechenlands". Solon gilt als Begründer des demokratischen Gedankens und dieser in der antiken Welt hoch angesehene Mann legitimierte die Demokratie.

Pythagoras (570 - 510 v. Chr.) war ein griechischer Philosoph und Mathematiker. Für viele Historiker ist Pythagoras ein Protagonist der griechischen Philosophie, der Mathematik und der Naturwissenschaften. Andere Lehrmeinungen sind der Auffassung, dass Pythagoras sich fast ausschließlich mit religiösen Unterweisungen befasst hat. Pythagoras hat keine Schriften hinterlassen, was die Legendenbildung begünstigte. Rekonstruktionen seiner Arbeiten sind erst etwa fünfhundert Jahre nach seinem Tod entstanden. Ob der berühmte "Satz des Pythagoras" also wirklich von Pythagoras entwickelt wurde, oder ihm zugeschrieben wird, lässt sich nicht mehr aufklären.

Sokrates (470 - 399 v. Chr.) war ein griechischer Philosoph. Er vertrat die Meinung, dass man Philosophie zwar nicht lernen kann, aber vielleicht lernen könnte, philosophisch zu denken. Cicero, der einige Jahrhunderte nach Sokrates lebte, hat dessen Philosophie so erklärt: "Sokrates hat die Philosophie vom Himmel auf die Erde geholt und die Menschen gezwungen, über Gut und Böse nachzudenken."

Platon (427 - 347 v. Chr.) war ein griechischer Philosoph und Schüler des Sokrates. Er war auf der Suche nach dem idealen Staat und einer gerechten Ordnung. Wichtig war ihm die Gerechtigkeit im Staate, gutes Regieren und bezeichnete Tugend als Voraussetzung für Glück. Platon wollte die Herrschaft der Vielen, wobei jeder Stand sich auf die Aufgaben beschränken soll, die ihm zugewiesen sind.
Platons Theorie besagt, dass Gesetze Produkte menschlichen Willens sind und nicht Sache der Natur und, dass politische Gewalt und Philosophie zusammenpassen müssen.

Aristoteles (384 - 322 v. Chr.) war ein griechischer Philosoph, der in Stageira an der Ostküste Chalkidikes geboren wurde. Aristoteles wurde Schüler Platons, verließ aber nach dessen Tod im Jahre 347 v. Chr. Athen, wurde 335 v. Chr. wieder in Athen sesshaft, um eine eigene Lehranstalt zu gründen. Er begründete mit Sokrates und Platon die Grundlagen der europäischen Philosophie. Aristoteles war der Systematiker, der die verschiedenen Wissenschaften prüfte und ordnete.
Philosophie war für Aristoteles keine abstrakte Disziplin, sondern die Grundlage für die Suche nach Wissen. Er war der Meinung, dass die Logik eine Wissenschaft ist, aus der die Weisheit abzuleiten ist, dass man mit den Sinnen wahrnehmen oder empfinden, aber mit der Vernunft denken soll.
Der Politikbegriff ist für Aristoteles ein philosophischer Begriff, aber Politik eine praktische Wissenschaft.

Marcus Tullius Cicero (106 - 43 v. Chr.) war ein römischer Staatsmann, ein brillanter Redner und Anwalt. Er vermittelte den Römern die griechische Rhetorik und Philosophie. Allerdings war Cicero weniger theorielastig als es die griechischen Philosophen waren. Bei Cicero sollte der politisch Denkende zugleich der politisch Handelnde sein. Diese Einstellung weist eine Übereinstimmung mit Sokrates auf, der mit seiner Forderung nach "politischen Fachleuten" zugleich politisch Denkende verlangte und politisch Handelnde nicht ausschloss.
Marianne E.
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Das Mittelalter (6. - 15. Jahrhundert)

Das Mittelalter ist von einer vielschichtigen Prägung mit Philosophen unterschiedlicher und bisweilen entgegengesetzter Überzeugung. Zu bedenken ist allerdings dabei, dass aus der Zeit vom 1. - 7. Jahrhundert nur wenige neue Denkrichtungen bekannt geworden sind.

Die politische Theorie im Mittelalter war der Versuch, Erfahrungen bezüglich der politischen Organisation in der Gesellschaft bewusst zu machen.

Das Mittelalter wird allgemein als die Zeit vom 6. bis zum 15. Jahrhundert bezeichnet. Eine gelegentlich vorgetragene konkrete Festlegung auf die Jahre 500 - 1500 erscheint in der Beweisführung problematisch, da die Übergänge der Zeitenwenden fließend stattfinden.
Das Frühmittelalter (frühes Mittelalter) wird auf die Zeit der Germanischen Völkerwanderung um das Jahr 375 und des Hunneneinbruchs zwischen 300 - 400 festgelegt. Eine genauere Datierung ist umstritten.

Gelegentlich wird für Europa die Zeit seit Mitte des 6. Jahrhunderts bis Ende des 10. Jahrhunderts als frühes Mittelalter genannt. In dieser Deutung wird der Zeitraum vom 5. bis zum 9. Jahrhundert dann nur Mittelalter genannt.
In diese Zeitspanne fällt die Teilung Europas in einen christlichen und in einen islamischen Teil. Im späten Frühmittelalter entstehen die grundherrliche Agrarverfassung und der Feudalismus.

Vom 10./11. bis Mitte des 13. Jahrhunderts wird vom Hochmittelalter gesprochen. In diese Epoche fällt die Entstehung des Deutschen Reichs. Eine neue kulturelle und wissenschaftliche Zeit beginnt mit zunehmenden Bildungsmöglichkeiten auch für die Menschen, die nicht zum Klerus gehören. Infolge der Christianisierung bilden sich in Europa neue Königreiche, wie Dänemark, England, Norwegen, Polen und Ungarn. Zu Beginn des 11. Jahrhunderts begannen die Kreuzzüge.

Der Zeitraum vom 13./14. bis zum 15. Jahrhundert wird Spätmittelalter genannt. Es gibt Forschungsansätze, die von einer krisenhaften Entwicklung in Europa sprechen und diesen Sachverhalt zum einen mit Klimaveränderungen erklären und zum anderen mit dem Beginn der Reformation. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts bekam Deutschland eine Reichsreform, die unter anderem das Ende des Feudalismus bewirkte.

Eine Auswahl:

Augustinus von Hippo oder Aurelius Augustinus oder Augustinus von Thagaste (geboren 354 n. Chr. in Thagaste, Algerien - gestorben 430 n. Chr. in Hippo, Algerien).
Augustinus ist als Person in dieser Zeit nicht unbedingt dem Mittelalter zuzuordnen, wohl aber mit seinen Theorien. Seine kritischen Ansichten und die ausführlichen Schriften dazu richteten sich vor allem gegen christliche Sekten, sogenannte Gotteskriege, Ablehnung des Judentums und die Vielgötterei. Augustinus gilt als einer der einflussreichsten Theologen und Philosophen der Antike. Sein Einfluss auf die christliche Theologie reicht bis in die Gegenwart. Zur Erinnerung an Leben und Wirken des Augustinus wird an jedem 28. August in den evangelischen, anglikanischen und römisch-katholischen Kirchen seiner gedacht.

Albert Magnus (1200 - 1280) hieß mit vollständigem Namen Albert von Lauingen, war ein deutscher Philosoph, Jurist, Kirchenlehrer und Bischof von Regensburg. Er lehrte an der Universität Köln als einer der Ersten die überlieferten Schriften des Aristoteles aus christlicher Sicht. Albert Magnus war ein umfassend gelehrter Mann. Ihm war die Literatur der Antike ebenso bekannt wie die aus seiner Zeit. Seine Zielvorstellung war, dieses Wissen vollständig zu erfassen und in Lehrbüchern zu archivieren, um die Kenntnis darüber der Nachwelt zu erhalten. Das Wissen von Albert Magnus umfasst geschätzte siebzig Schriften. Das Albert-Magnus-Institut in Bonn hat errechnet, dass dieses Werk etwa 41 Buchbände mit 22.000 Druckseiten umfasst.

Thomas von Aquin (1225 - 1274) war ein italienischer Theologe und Philosoph. Thomas besuchte das Kloster Monte Cassino und studierte an der Universität Neapel. Er wurde Schüler von Albert Magnus und begleitete ihn nach Köln. Seit 1252 lehrte Thomas zunächst in Paris, danach in Rom und Neapel.
Thomas von Aquin systematisierte die Schriften des Aristoteles und verband sie mit den Ansichten der Kirchenlehre. Diese Auslegung, die das Natur- und Weltbild der Menschen betraf, wurde zu einer gültigen Doktrin des Katholizismus und hat Gültigkeit bis in die Gegenwart. Für die römisch-katholische Kirche gilt Thomas von Aquin als Heiliger.
Thomas von Aquin unterschied zwischen Naturrecht aufgrund der Sache und dem positivem Recht aufgrund einer Vereinbarung, eines Vertrages oder eines Gesetzes. Das positive Recht ist das vom Menschen geschaffene Recht, während das Naturrecht vom Menschen entdeckt wird.
Thomas von Aquin gehörte zu denen, die die Philosophie des Aristoteles mit dem Christentum vereinbaren wollte; er schuf die Synthese zwischen Glaube und Wissenschaft.

Niccolò Machiavelli (1469 - 1527) war ein italienischer Philosoph und Dichter. Er lernte frühzeitig die klassischen Werke der Antike kennen, unter anderem die von Aristoteles und Cicero. Während eines Aufenthaltes in Florenz lernte er Leonardo da Vinci (1452 - 1519) kennen, mit dem er lange Zeit zusammen arbeitete. Von da Vinci lernte Machiavelli das empirische Denken und die Auffassung, dass die Erfahrung (die Empirie) ein zuverlässigeres Wissen vermittelt, als die bisher unreflektiert übernommene Gelehrsamkeit der Humanisten.
Obwohl Machiavelli zunehmend in seiner philosophischen Entwicklung moderne Herrschaftsformen beschrieb, wollte er dabei aber keine politischen Lehrsätze aufstellen. Er schilderte vielmehr die tatsächlich geübten politischen Praktiken. Für ihn ist die Erhaltung des Staates oberstes Ziel, da dieser ausschließlich Selbstzweck ist. Bei Machiavelli weicht die politische Ethik der Zweckrationalität und ein Politiker ist für ihn grundsätzlich zum Wortbruch legitimiert. Und das bedeutet bei Machiavelli, Politik und Ethik gehen getrennte Wege.

Martin Luther (1483 - 1546) war ein deutscher Theologieprofessor und Augustinermönch. Er wollte die Römisch-katholische Kirche nicht spalten. Er wollte sie reformieren, er wollte die Fehlentwicklungen beseitigen. Aber das hat auch im 15. / 16. Jahrhundert schon nicht funktioniert.
Luther selbst sprach nicht unmittelbar von Reformieren, da er sich mehr als Lehrer der Heiligen Schrift verstand. Luther knüpft an die Tradition Platons an, wobei er den Begriff "Natur" zur Beschreibung des Christentums einsetzt. Insofern ist der Bezug zu Platon nicht ganz vollständig. Für Luther hat eine weltliche Herrschaft ein Problem, da das Politische eine technisch-praktische Angelegenheit ist und keine ethische Aufgabe der Bürger. Außerdem stellt Luther fest, dass eine christliche Politik überhaupt nicht möglich ist, da Herrschaft immer Unterdrückung bedeutet.
Zum ersten Mal wurde durch Luther die Frage aufgeworfen, ob und wie das Evangelium und die staatlichen Gesetze getrennt werden können.
Marianne E.
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Rationalismus und Aufklärung (16. - 18. Jahrhundert)

Die Zeit vom 16. bis zum 18. Jahrhundert wird als Zeit des Rationalismus und der Aufklärung bezeichnet.

Mit Rationalismus werden philosophische Strömungen benannt, die das rationale Denken als vorrangig werten, wenn es darum geht, Wissen zu erwerben und zu begründen.

Mit Aufklärung ist gemeint, dass der mündige Bürger sich gegen Aberglauben und Vorurteile des Mittelalters wendet, sich gegen Willkürherrschaft auflehnt, mit dem Ziel der Selbstbestimmung.

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts nimmt die Naturrechtslehre an Bedeutung zu. Unter Naturrecht ist das System rechtlicher Normen zu verstehen, welches für alle Menschen überall und jederzeit verbindlich ist. Das auf diese Weise definierte Naturrecht hat seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. bis in die Gegenwart seine Bedeutung erhalten.
Dem Naturrecht verpflichtet sahen sich neben Platon, Sokrates und Aristoteles die Philosophen Cicero, Thomas von Aquin, Bodin bis hin zu Emanuel Kant; um an dieser Stelle nur einige zu nennen.

Eine Auswahl:

Johannes Calvin (1509 - 1564) floh während der Hugenottenverfolgung mit seiner Familie nach Genf, wo zu dieser Zeit um das Jahr 1536 die Reformation eingeführt worden war.
Calvin galt im 16. Jahrhundert als der bedeutendste Theologe unter den Reformatoren. Er war Jurist und bekannte sich zum Humanismus. Seine Dogmatik beruhte auf der christlichen Glaubenslehre, die sowohl in den katholischen als auch in den evangelischen theologischen Fakultäten ein eigenständiges Lehrfach war.

Jean Bodin (1530 - 1596) gilt als der erste französische Staatstheoretiker von Rang. Er begründete eine moderne Souveränitätstheorie, befürwortete den Absolutismus und war damit der erste Theoretiker der absoluten Monarchie. Dabei lässt er der Interpretation die Auswahl, ob in diesem Absolutismus das Volk der Souverän ist, oder aus dem Adel stammt oder einem Monarchen zukommt. Eine umstrittene Aussage von Bodin galt dem Verhältnis von Staat und Kirche. Seine Theorie besagt, dass der politische Friede und das Staatsinteresse über die Belange der Religion zu stellen ist.

Thomas Hobbes (1588 - 1679) war ein englischer Philosoph und Staatstheoretiker. Er entwickelte eine Theorie von der uneingeschränkten Staatsgewalt und begab sich damit in eine Frontstellung zur aristotelischen Lehre. Der Kontrast zu Aristoteles war ausnahmslos und absolut. Für Hobbes war der starke Staat ein Schlüsselbegriff, dem die Inhalte zu entsprechen hatten. Er befürwortete eine autoritär und hierarchisch strukturierte Königsherrschaft, die kraftvoll regiert. Es gab für Hobbes keine Gewaltenteilung und keine parlamentarische Kontrolle. Die einzige Legitimation dafür war die Sicherung des inneren Friedens und der Sicherheit nach außen.
Obwohl der Staat bei Hobbes als Konstruktion bezeichnet wird, soll dieser der Inhaber der höchsten Gewalt sein. Das bedeutet zugleich die Ausklammerung der Willensfreiheit der Staatsangehörigen, billigt ihnen aber das Recht auf Selbstverteidigung einschließlich Todschlag zu.
Mit diesen Theorien trennt sich Hobbes von der christlich-theologischen und der antik-politischen Tradition. Er war der Auffassung, dass die Menschen mit ihrem Staat einen Herrschaftsvertrag abschließen, der die Ausübung der Staatsgewalt ermöglicht.
Die Wissenschaft findet zu der Fragestellung "Was passiert, wenn ein Untertan den Herrschaftsvertrag aufkündigt?" bei Hobbes keine Antwort, auch keinen Hinweis und kommt zu dem Ergebnis, dass Hobbes sich eine solche Frage vermutlich und überhaupt gar nicht gestellt hat.

Baruch de Spinoza (1632 - 1677) war ein niederländischer Philosoph. Er war der Begründer einer fortschrittlichen Bibel- und Religionskritik, verteidigte die Meinungsfreiheit und die religiöse Toleranz.
Spinoza war der Überzeugung, dass es sich bei Gott nicht um jemanden handelt, der die Welt zwar einmal erschaffen hat, aber seitdem neben seiner Schöpfung steht. So wäre es nicht, denn "Gott ist die Welt".
Spinoza hat ein Werk über die Ethik geschrieben und befindet sich darin in Übereinstimmung mit Aristoteles, dessen Unterweisung lautete "Ethik ist die Lehre darüber, wie wir leben sollen, um ein gutes Leben zu führen".
Obwohl Spinoza meinte, dass die menschlichen Leidenschaften hinderlich sind, um das wahre Glück und ein harmonisches Leben zu erlangen, war er sich nicht darüber im Klaren, woher die menschlichen Leidenschaften kommen. Er greift zu der Theorie seiner Eingangsbehauptung, dass "Gott die Welt ist" und schlussfolgert, dass Gott sich bei der Erschaffung der Welt bei den Leidenschaften aber vergriffen hat.

Samuel Pufendorf (1632 - 1697) war ein deutscher Philosoph. Er gilt als der Begründer der Vernunftrechtslehre, womit er der Naturrechtslehre ein Detail hinzufügte. Das Naturrecht ist bei Pufendorf ähnlich wie bei John Locke nur annähernd säkularer Art, da dieses elementare Recht mit den christlichen Grundüberzeugungen übereinstimmt. Pufendorf entwickelte ein System, dass die Trennung von Glauben und Vernunft vorsah und damit eine Unabhängigkeit von kirchlichen Dogmen einleitete. Pufendorf befürwortete ein einheitliches Völkerrecht und beeinflusste mit dieser Überzeugung die deutsche und die europäische Rechts- und Staatsphilosophie im 18. und 19. Jahrhundert.
Die Schriften von Pufendorf und auch die von Locke wurden in Nordamerika zum Wegbereiter der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten.

John Locke (1632 - 1704) Grundlegung des freiheitlichen Rechts- und Verfassungsstaates, Entwicklung der Gewaltenteilungslehre. Naturrecht. Humanismus. Die Menschen sind nicht nur frei, sondern auch gleich. Recht auf Eigentum - Ergebnis der Arbeit ist Eigentum des Arbeitenden. Zustimmung anderer ist nicht erforderlich.

Montesquieu (1689 - 1755) Entwicklung der Freiheits- und Gewaltenteilungslehre. Humanismus. Volk als Körperschaft besitzt die souveräne Macht. M. sieht sich in der aristotelischen Lehre. Prinzipielle Gleichheit der Bürger; Abbau von Macht und Herrschaftsunterschieden. Gewaltenteilung verteilt auf drei Machtträger; Legislative, Exekutive, Judikative

Jean-Jaques Rousseau (1712 - 1778) Radikale Demokratie, Entwicklung der Lehre von der Volkssouveränität (nur für die erwachsene männliche Bevölkerung). Humanismus. R. anerkennt Bürgerrechte, keine Grundrechte. Vergesellschaftung der Politik - keine Trennung von Staat und Gesellschaft - keine Trennung von Regierung und Volk. Volk beschließt Gesetze, formuliert sie aber nicht. Keine Gewaltenteilung.
Marianne E.
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Quellen

• Barnes, Jonathan (1992): Aristoteles. Eine Einführung, Stuttgart.
• Beyme, Klaus von (2009): Samuel (Freiherr von Pufendorf, in: Klaus von Beyme (Hrsg.): Geschichte der politischen Theorien in Deutschland 1300-2000, Wiesbaden.
• Bleicken, Jochen (1995): Die athenische Demokratie, 4. Aufl., Paderborn, München, Wien, Zürich.
• Finley, Moses I. (1980): Antike und moderne Demokratie, Stuttgart.
• Fuchs, Konrad / Raab, Heribert (1996): Wörterbuch zur Geschichte, München.
• Hobbes, Thomas (1970): Leviathan. Erster und Zweiter Teil, Stuttgart.
• Leggewie, Claus (Hrsg.) (1994): Wozu Politikwissenschaft? Über das Neue in der Politik, Darmstadt.
• Lieber, Hans-Joachim (Hrsg.) (2000): Politische Theorien von der Antike bis zur Gegenwart, 4. Aufl., Bonn.
• Massing, Peter / Breit, Gotthardt (Hrsg.) (2006): Demokratie-Theorien. Von der Antike bis zur Gegenwart. Texte und Interpretationen, 2. Aufl., Schwalbach/Ts.
• Matz, Ulrich (1994): Thomas von Aquin. Über die Herrschaft der Fürsten, Stuttgart.
• Mill, John Stuart (1976): Der Utilitarismus, Stuttgart.
• Müller, Helmut M. (1994): Schlaglichter der Weltgeschichte, Bonn.
• Rippel, Philipp (Hrsg.) (1986): Niccolò Machiavelli. Il Principe. Der Fürst, Stuttgart.
• Rohe, Karl (1994): Politik. Begriffe und Wirklichkeiten. Eine Einführung in das politische Denken, 2. Aufl., Stuttgart-Berlin-Köln.
• Schmidt, Manfred G. (1997): Demokratietheorien. Eine Einführung, 2. Aufl., Opladen.
• Schwarz, Franz F. (Hrsg.) (1989): Aristoteles. Politik. Schriften zur Staatstheorie, Stuttgart.
• Uhlig, Helmut (1976): Die Sumerer. Volk am Anfang der Geschichte, München.
• Vretska, Karl (Hrsg.) (1982): Platon. Der Staat (Politeia), Stuttgart.
• Weber, Max (1999): Politik als Beruf, Frankfurt am Main.
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Balduin
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Sehr schöne Zusammenstellung Marianne. Dieses Thema wird sicherlich viele Leser finden.
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Ergänzung zu Johannes Calvin

Johannes Calvin (1509 - 1564) mit dem richtigen Namen Jean Cauvin entstammte einer angesehenen Familie aus der Bischofsstadt Noyon in der Picardie, etwa 100 Kilometer nördlich von Paris. Während der Hugenottenverfolgung floh die Familie nach Genf, wo zu dieser Zeit um das Jahr 1536 die Reformation eingeführt worden war.
Calvin galt im 16. Jahrhundert als der bedeutendste Theologe unter den Reformatoren. Er war Jurist und bekannte sich zum Humanismus. Seine Dogmatik beruhte auf der christlichen Glaubenslehre, die sowohl in den katholischen als auch in den evangelischen theologischen Fakultäten ein eigenständiges Lehrfach war.
Calvins Hauptwerk ist in seinen Bibelkommentaren zu finden, in denen er sich auch mit den altkirchlichen Dogmen auseinandersetzte. Er war der Auffassung, dass die Kirche ihrem Auftrag besonders hinsichtlich der Kirchenzucht zu entsprechen hätte.
Seine Meinung zu Staatssystemen wurde kontrovers diskutiert. Denn für Calvin war unabdingbar, dass die Fürsten sich unter die Herrschaft der Gesetze zu stellen hatten. Denn das Volk ist der Souverän und setzt einen Herrscher "vertraglich" ein und kann ihn folglich auch wieder absetzen. Für Calvin war das die Definition von legaler Herrschaft.

Quellen:
Beyme, Klaus von (2009): Samuel (Freiherr von Pufendorf, in: Klaus von Beyme (Hrsg.): Geschichte der politischen Theorien in Deutschland 1300-2000, Wiesbaden.
Finley, Moses I. (1980): Antike und moderne Demokratie, Stuttgart.
Lieber, Hans-Joachim (Hrsg.) (2000): Politische Theorien von der Antike bis zur Gegenwart, 4. Aufl., Bonn.
Massing, Peter / Breit, Gotthardt (Hrsg.) (2006): Demokratie-Theorien. Von der Antike bis zur Gegenwart. Texte und Interpretationen, 2. Aufl., Schwalbach/Ts.
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Barbarossa
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Eine sehr fortschrittliche Auffassung von Calvin.
Ich verbinde den Calvinismus (bisher) eigentlich eher mit einer sehr strengen Glaubenslehre.
Die Diskussion ist eröffnet!

Jedes Forum lebt erst, wenn Viele mitdiskutieren.
Schreib auch du deine Meinung! Nur kurz registrieren und los gehts! ;-)
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Balduin hat geschrieben: 30.04.2023, 18:44 Sehr schöne Zusammenstellung Marianne.
Dem stimme ich gerne zu.
Balduin hat geschrieben: 30.04.2023, 18:44 Dieses Thema wird sicherlich viele Leser finden.
Glaube ich auch.
Marianne E.
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Die geplante Arbeit über die Philosophie von der Antike bis in die Gegenwart ist wesentlich umfangreicher und die jeweiligen Philosophen und Philosophinnen werden mit einer Biographie und ihrer Lehrmeinung vorgestellt. Und zu Beginn jeder Epoche gibt es einen Überblick über die Entwicklung und Geschehnisse dieser Zeit.
Das dauert. Ich habe noch etwa 200 bis 300 Philosophen und Philosophinnen zu erforschen.
Will mir jemand helfen?
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