Die 'langen' 1960er Jahre in der BRD

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Moderator: Barbarossa

andreassolar
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Der Überhang, wenn nicht Idealisierung von '1968' korrespondiert mit einem lange Zeit ausgeprägteren Fehlen der Ergebnisse bzw. Entwicklungen neuerer wissenschaftlicher Forschung der grob letzten 20 Jahre zu den so genannten 'langen 1960er Jahre' (Detlef Siegfried) in der BRD, soweit ich sehe.

Was ist damit gemeint? Ende der 1990er Jahre, Anfang der 2000er Jahre wandten sich verschiedene Wissenschaftler vermehrt der Frage zu, ob tatsächlich erst mit dem damals leicht dominanten Narrativ '1968' und in Folge danach eine deutliche Veränderung der politischen Kultur usw. in der BRD statt gefunden hatte, ob '1968' die entscheidende Zäsur darstellte.

Kurz gefasst, konnte man zeigen, dass progressive bis liberalisierende AkteurInnen, Bewegungen und Subkulturen, Medien und Anschauungen eben seit Ende der 1950er Jahre zunehmend auftraten und eine merkliche Vorarbeit zur vermeintlichen 1968-Zäsur leisteten.

Der Begriff der langen 1960er Jahre entstand in der wissenschaftlichen Lit. Anfang der 2000er Jahre und meint meist einen Zeitraum von ca. 1958 bis 1973, welcher '1968' als (ein) Höhepunkt mit enthält. Inzwischen ist der Begriff ein wissenschaftlich weitgehend akzeptierter, gut fundierter Topos, meine ich.

Eckart Spoo, einer jener profilierten '1958er' (Anti-Atomtod-Bewegung) hatte in der Zeitschrift Ossietzky, Ausgabe 8/2008 unter dem Titel Ich habe es anders erlebt kurz und bündig zum 40. Jahrestag von 1968 geäußert, der Artikel ist unter dem Autorennamen und Titel seines Artikel online kostenfrei zugänglich.

Detlef Siegfried, Zeithistoriker und ein Vertreter der neueren wissenschaftlichen Forschung hat 2003 (in: Aus Politik und Zeitgeschichte der Bundeszentrale für politische Bildung bpb, Heft 45/2003) einen sehr gut lesbaren längeren Artikel unter dem Titel ''Trau keinem über 30'' zu den langen 1960er Jahren publiziert; der Artikel ist unter Artikelnamen & Autorennamen kostenfrei online zugänglich, einfach googlen oder auf der Website der bpb suchen.

Typische Merkmale jener Phase u.a.:
  • Ausbildung von Subkulturen, rasant wachsende Verbreitung und Bedeutung ('internationaler') Rock- und Popkultur
  • Protestbewegungen
  • Konsumgesellschaft
  • Beginnende NS-Prozesse
  • Kritik an und Veränderung rigider Sexualmoral, sexuelle Emanzipation
  • Kritische Massenmedien ab ca. 1960/1961 (u.a. Print: SPIEGEL, TV: Panorama, Report)
  • Bildungsreformen, BildungsreformerInnen
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Balduin
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Das ist für mich schlüssig. Derartige gesellschaftliche Veränderungen fallen nicht vom Himmel, sondern brauchen einen Nährboden.
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He has called on the best that was in us. There was no such thing as half-trying. Whether it was running a race or catching a football, competing in school—we were to try. And we were to try harder than anyone else. We might not be the best, and none of us were, but we were to make the effort to be the best. "After you have done the best you can", he used to say, "the hell with it". Robert F. Kennedy - Tribute to his father
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