25. April Portugal erinnert die Nelkenrevolution

Diskussionen über die Mitgliedsstaaten der EU

Moderator: Barbarossa

ehemaliger Autor K.

Am 25.April 1974 kam es in Portugal zu einem Militärputsch und anschließenden Massendemonstrationen. Nach über 50 Jahren wurde die halbfaschistische Diktatur endlich gestürzt und das Land demokratisiert. Die siegreichen Militärs trugen Nelken bei sich und wurden von der Bevölkerung begeistert umjubelt. Die Nelke war das Symbol für den Umsturz und die neue Demokratie. Deutsche Revolutionstouristen, sogenannte radikale Touristen, strömten damals zu Haufen nach Lissabon, um sich an diesem Ereignis zu beteiligen, stellte sich doch im eigenen Land keine Revolution ein. Einige von ihnen unterstützten die sich damals bildenden agrarischen Genossenschaften im Alentejo, bis ihnen der revolutionäre Elan ausging.

Heute träumen viele Portugiesen wieder nostalgisch von einer neuen Revolution. Überall sieht man in Lissabon erneut die Nelken, das damalige Revolutionslied „Grandola“, welches zu Beginn des Aufstandes gespielt wurde, ist wieder groß in Mode gekommen. Nach Jahren der Rezession, hoher Arbeitslosigkeit und immer neuen Sparauflagen sind viele Portugiesen der Meinung, alle Erfolge der Nelkenrevolution seien in den vergangenen Jahren zunichte gemacht worden. Das Land stände wieder ganz am Anfang und bräuchte dringend eine neue Nelkenrevolution.


Nur, gegen wen sollte sich diese richten? Die derzeitige Regierung wird wahrscheinlich in den nächsten Wochen gestürzt werden, aber was würde dies schon ändern? Portugal bestimmt schon lange seine Politik nicht mehr selbst und jede neue Regierung unterliege ebenfalls dem Spardiktat. Also gegen wen revoltieren? Gegen den Rettungsschirm, die EZB, den IWF? Oder gegen „Die Banken“? Gegen „Den Weltmarkt?“ Der Gegner ist diesmal nicht greifbar, er ist nicht aus Fleisch und Blut, Strukturen lassen sich anders als die damaligen Diktatoren nicht durch Demonstrationen beseitigen. Werden Marschierer mit Nelken erreichen, dass portugiesische Staatspapiere auf den internationalen Kreditmärkten besser platziert werden können? Das sich der Primärsaldo und der Finanzierungssaldo im Haushalt zum Positiven verändert? Das sich die Leistungsbilanz ausgleicht? Die Revolution wird ins Leere laufen, die Demonstranten halten vergeblich nach ihren Gegnern Ausschau, sie sind nebulös, unsichtbar, nicht greifbar. Irgendwann werden die Revolutionäre nach Hause gehen, die Revolution findet angesichts fehlender Gegner nicht statt.

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Vergobret
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Registriert: 08.05.2012, 23:27

Es ist die aufgabe dieser Tage die Gegner sichtbar zu machen. Und eines wird mir immer klarer: Es sind tatsächlich Banken, Finanzer und Spekulanten.
„In all den Jahren habe ich so viele junge Männer gesehen,
die der Meinung waren, auf andere junge Männer zuzulaufen.
Aber das stimmt nicht.
Sie liefen alle zu mir.“
so sprach der Tod

Aus „Die Bücherdiebin“
RedScorpion

Nein, das kann man so nicht sagen.

Es liegt ausserhalb der Verantwortung von 99,9% aller Banken/Banker/Spekulanten/Anleger/Pensionsfonds oder wessen auch immer, dass seinerzeit die Lehman-Bros-Tragweite trotz einhelliger Warnungen gerade aus dieser Branche von der Politik erst verschlafen, Reformen dann hinausgezögert und Koordinierung und Kooperation seitdem verpennt wurden, und das eben zu einem Gutteil, weil gerade in Europa jeder nur auf den eigenen Teller schaut und törichterweise meint, die Suppe allein auslöffeln zu können. Merkel ist dabei eine der Schlimmsten, die der eigenen Hybris dahingehend erlegen sind (und sie war damals schon dabei, im Ggsatz zu so gut wie allen anderen).

Es ist schwierig, und da stimm' ich dem Erüffnungs-Post zu, abgesehen von einigen wenigen Politikern, da wirklich Personen mit Schuld oder Verantwortung zu überschütten, denn es ist das System, welches zumindest in der Peripherie Tücken hat, bis heute.

Und es ist eben schwierig, Korrekturen an vergangenen - im Nachhinein falsche (damit mein' ich nicht den Euro, sondern die Austerity-Totsparpolitik) Entscheide (die z.T. auf simplen Rechenfehlern beruhen, Stichwort Rogoff) schnurstracks zu revidieren und alle Folgen zu beseitigen.

Was aber nicht darüber hinwegtäuschen soll, dass der Laden in den meisten EU-Ländern weiterhin läuft (zwar in der ersten Ableitung auf Sparflamme, aber immerhin im positiven Bereich), und dass man vom Elend in vielen Entwicklungs- oder auch Bric-Staaten Lichtjahre entfernt ist.



LG
lucycandy
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Registriert: 30.04.2013, 08:53

Es ist schwierig, und da stimm' ich dem Erüffnungs-Post zu, abgesehen von einigen wenigen Politikern, da wirklich Personen mit Schuld oder Verantwortung zu überschütten, denn es ist das System, welches zumindest in der Peripherie Tücken hat, bis heute.
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dieter
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lucycandy hat geschrieben:Es ist schwierig, und da stimm' ich dem Erüffnungs-Post zu, abgesehen von einigen wenigen Politikern, da wirklich Personen mit Schuld oder Verantwortung zu überschütten, denn es ist das System, welches zumindest in der Peripherie Tücken hat, bis heute.
Liebe(r) lucycandy,
welches System meinst Du :?:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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