von CARLOS » 13.09.2015, 18:56
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"Hitlers Rhetorik mag in einem Land gewirkt haben, das nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs unter enormer Arbeitslosigkeit und einer instabilen Regierung litt und nach dem Zusammenbruch der Monarchie eine Identitätskrise durchlebte. - Wer heute Hitlers Reden in zeitgenössischen Filmen sieht, findet das eher lächerlich und vorgestrig." Dietrich
Ich bin nicht so richtig überzeugt von dem, was du schreibst, lieber Dietrich. Sicher hast du recht, wenn du dich auf die Rhetorik und die einstudierte Gestik und Mimik Hitlers während seiner Reden beziehst. Solche Auftritte fänden heute wenig Resonanz.
Eine
Identitätskrise hat Dtld nach dem ersten Weltkrieg jedoch nicht durchlebt, vielmehr haben die Deutschen nach 1919 die Tatsache nicht anerkennen wollen, dass sie den Krieg verloren hatten (Dolchstoßlüge) und hielten an der Meinung fest, dass sie "im Felde unbesiegt waren." Versailles war eine Kränkung der deutschen Seele. Realitätsverlust war keine Identitätskrise, da man doch unbeirrt der Meinung war, die Revision von Versailles mit allen Mitteln müsse oberstes Ziel der Politik sein.
Hitlers Buch "Mein Kampf" wurde zwar von vielen Deutschen nicht gelesen, aber die Feststellungen darin zur Außenpolitik und speziell zur Ostpolitik zielten eindeutig auf Krieg, Eroberung neuen Lebensraumes im Osten. Ausdrücklich bezeichnet er als Zukunftsvision ein deutsches 250 Mio-Volk als Ziel. Das würde ich auch für die damaligen Verhältnisse nicht als "wirres Werk für Kabarettisten abtun." Die Warnungen vor diesem Menchen waren berechtigt. Damit einher ging die Glorifizierung des Opfers fürs Vaterland und die Verherrlichung des Todes: "Andere Nationen verstehen zu leben, wir Deutschen aber verstehen, was es heißt zu sterben." (Zitat aus einem Film vor der Nazizeit
Es hat sich viel geändert seit der Zeit, als Hitler sein Buch verfasste. wie du sagst. Kein Zweifel. 1914 waren die Deutschen eine sehr junge Nation, Die Alterspyramide war intakt und die deutsche Oberste Heeresleitung konnte hohe Blutopfer an der Front bedenkenlos einplanen, zum Wohle Deutschlands. Heute sind die Deutschen eine zunehmend alternde Nation und kriegerischen Abenteuern abgeneigt. Die Mehrzahl der Wahlberechtigten sind bereits im Rentenalter. Junge Nationen neigen zu Abenteuern, alternde weniger oder gar nicht. Auch deshalb sind die barbarischen Lösuingsvorschläge Hitlers obsolet.
"Die allermeisten Problemstellungen dieses Buchs sind so nicht mehr vorhanden oder haben sich entscheidend gewandelt." Dietrich
Die geopolitische Lage Dtlds in der Mitte Europas hat sich nicht verändert. Die Grundausrichtung unserer Außenpolitik in der Mittellage muss nach wie vor darauf aus sein ein gutes Auskommen mit allen Nachbarn (insgesamt sind es neun in direkter Nachbarschaft, von denen fast alle Opfer des Angriffskrieges Hitlers waren). Außenpolitisch ist Europa nach dem Hitlerkrieg einen anderen Weg gegangen und arbeitet in supranationalen Organisationen zusammen, in denen Dtld eine wichtige Rolle spielt. Aber die Mittellage ist geblieben.
Du erinnerst zurecht an Auschwitz und die Gräueltaten des 2. Weltkrieges und missdeutest den Begriff von "Größe" bzw. siehst ihn m. E. eher zu eng und auf die Vergangenheit bezogen. Auschwitz ist für immer mit dem Namen Nazidtlds verbunden. Dtld ist heute aber auch ein wichtiger und großer Staat in der EU, mit 80 Mio Einwohnern sogar der volkreichste und mit 3,9 MRD € Bruttoinlandsprodukt die stärkste Wirtschaft. Im EU-Raum (nicht im globalen Maßstab) ist das Größe, die sich u. a. in der spendablen Gebersituation seit vielen Jahrzehnten in Brüssel niederschlägt, was uns aber auch Misstrauen und sogar Hass einträgt. Großzügigkeit wird nicht gewürdigt, vielmehr wird bereits ein Hauch von Strenge (Einhaltung von vereinbarten Regeln) als Großmannsucht ausgelegt und vom Vierten Reich gesprochen und deutscher Besatzungsmacht gesprochen. Merkel wird als SS-Dompteuse Europas gezeigt mit Hitlerbärtchen. Dtld ist ein idealer Bösewicht: Wirtschaftlich stark, politisch eher ein Zwerg, könnte man sagen. Leicht erpressbar durch seine Vergangenheit.
Was sich geändert hat gegenüber der Weimarer Zeit? Dtld will heute nicht mehr die Welt erobern, es will dafür aber moralischer Weltmeister sein und streitet momentan mit Schweden um den Rang als erste humanitäre Großmacht in der Flüchtlingsfrage. Wer hier noch sparen will, um Schulden zu tilgen (wurde hier vorgeschlagen, wäre sinnvoll, oder für Kitas etc) wie früher Herr Schäuble, der bekam von der Heiligen Sahra der Linken zu hören er sei ein Kürzungs-Taliban, wird also mit einem Terroristen verglichen. Der Grüne Bütigkofer nannte Schäuble einen "hässlichen" Deutschen. Das ist nicht weit entfernt von einem "dunklen" Deutschen, den Herr Gauck als Wortschöpfung aus der Taufe hob.
Als Deutsche sollten wir zur Selbstkritik bereit sein. Sie ist eine Tugend. aber in Selbsthass darf sie nicht umschlagen. Die Schuld der Vergangenheit belastet uns schwer und wir wollen heute alles besser machen. Sehr gut. Dabei sollten wir aufpassen, dass wir unsere Nachbarn nicht mit unseren Moralinspritzern verärgern. Wir werden von vielen gelobt, aber im Grunde nicht verstanden und gehen ihnen mit unseren überheblichen moralischen Hinweisen und versteckten Drohungen (wegen Geldkürzungen) gehörig auf den Wecker. Ich sehe das als Ungleichgewicht von Anspruch und Wirklichkeit. Es ist die Kehrseite der überbordenden Moral. Andere Beispiele: Wir entlassen nur 2% des weltweiten CO2-Ausstoßes in die Atmosphäre, wollen aber das Weltklima mit einer immens teuren Energiewende retten (von 1000 Mrd € ist die Rede, wird wohl nicht reichen, dafür scheint aber die Sonne "umsonst", leider nicht in der Nacht und bei Wolken am Himmel). Australien ist ein klassisches Einwanderungsland, verrammelt seine Türen aber vor dem Flüchtlingsstrom. Wir bauen dagegen Zeltstädte. In meiner Stadt z. B. sind alle Turnhallen mit Flüchtlingen jetzt belegt, eine fällt wegen Bauschäden aus. Sportunterricht fällt für SchülerInnen deshalb weitgehend flach. Den riesigen alten gut erhaltenen Krankenhauskomplex, wo man viele Flüchtlinge hätte unterbringen können, riss man in den letzten Monaten ab. Wir haben auch nicht den Mut von Einwanderung zu sprechen, obwohl die allermeisten Flüchtlinge hier bleiben werden. Willkommenskultur kann ins Gegenteil umschlagen, wenn wir nicht aufpassen und alle Wünsche erfüllen. Wer daran erinnert, landet schnell beim "Pack" oder bei den Dunkel-Deutschen. Wir leben nicht auf einer Insel, wo alles leichter wäre. Trotzdem sollten wir mehr Gelassenheit an den Tag legen.
Winston Churchill hat die Deutschen charakterisiert als Leute, die vor einem mal auf den Knien liegen und einem die Füße küssen, dann wiederum einem an die Gurgel gehen. Dazwischen muss es aber in Dtld doch auch noch etwas geben: Der Staat sollte nüchtern seine Interessen abwägen.
[quote][code]"Hitlers Rhetorik mag in einem Land gewirkt haben, das nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs unter enormer Arbeitslosigkeit und einer instabilen Regierung litt und nach dem Zusammenbruch der Monarchie eine Identitätskrise durchlebte. - Wer heute Hitlers Reden in zeitgenössischen Filmen sieht, findet das eher lächerlich und vorgestrig." Dietrich[/code]
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Ich bin nicht so richtig überzeugt von dem, was du schreibst, lieber Dietrich. Sicher hast du recht, wenn du dich auf die Rhetorik und die einstudierte Gestik und Mimik Hitlers während seiner Reden beziehst. Solche Auftritte fänden heute wenig Resonanz.
Eine [i]Identitätskrise [/i]hat Dtld nach dem ersten Weltkrieg jedoch nicht durchlebt, vielmehr haben die Deutschen nach 1919 die Tatsache nicht anerkennen wollen, dass sie den Krieg verloren hatten (Dolchstoßlüge) und hielten an der Meinung fest, dass sie "im Felde unbesiegt waren." Versailles war eine Kränkung der deutschen Seele. Realitätsverlust war keine Identitätskrise, da man doch unbeirrt der Meinung war, die Revision von Versailles mit allen Mitteln müsse oberstes Ziel der Politik sein.
Hitlers Buch "Mein Kampf" wurde zwar von vielen Deutschen nicht gelesen, aber die Feststellungen darin zur Außenpolitik und speziell zur Ostpolitik zielten eindeutig auf Krieg, Eroberung neuen Lebensraumes im Osten. Ausdrücklich bezeichnet er als Zukunftsvision ein deutsches 250 Mio-Volk als Ziel. Das würde ich auch für die damaligen Verhältnisse nicht als "wirres Werk für Kabarettisten abtun." Die Warnungen vor diesem Menchen waren berechtigt. Damit einher ging die Glorifizierung des Opfers fürs Vaterland und die Verherrlichung des Todes: "Andere Nationen verstehen zu leben, wir Deutschen aber verstehen, was es heißt zu sterben." (Zitat aus einem Film vor der Nazizeit
Es hat sich viel geändert seit der Zeit, als Hitler sein Buch verfasste. wie du sagst. Kein Zweifel. 1914 waren die Deutschen eine sehr junge Nation, Die Alterspyramide war intakt und die deutsche Oberste Heeresleitung konnte hohe Blutopfer an der Front bedenkenlos einplanen, zum Wohle Deutschlands. Heute sind die Deutschen eine zunehmend alternde Nation und kriegerischen Abenteuern abgeneigt. Die Mehrzahl der Wahlberechtigten sind bereits im Rentenalter. Junge Nationen neigen zu Abenteuern, alternde weniger oder gar nicht. Auch deshalb sind die barbarischen Lösuingsvorschläge Hitlers obsolet.
[quote]"Die allermeisten Problemstellungen dieses Buchs sind so nicht mehr vorhanden oder haben sich entscheidend gewandelt." Dietrich[/quote]
Die geopolitische Lage Dtlds in der Mitte Europas hat sich nicht verändert. Die Grundausrichtung unserer Außenpolitik in der Mittellage muss nach wie vor darauf aus sein ein gutes Auskommen mit allen Nachbarn (insgesamt sind es neun in direkter Nachbarschaft, von denen fast alle Opfer des Angriffskrieges Hitlers waren). Außenpolitisch ist Europa nach dem Hitlerkrieg einen anderen Weg gegangen und arbeitet in supranationalen Organisationen zusammen, in denen Dtld eine wichtige Rolle spielt. Aber die Mittellage ist geblieben.
Du erinnerst zurecht an Auschwitz und die Gräueltaten des 2. Weltkrieges und missdeutest den Begriff von "Größe" bzw. siehst ihn m. E. eher zu eng und auf die Vergangenheit bezogen. Auschwitz ist für immer mit dem Namen Nazidtlds verbunden. Dtld ist heute aber auch ein wichtiger und großer Staat in der EU, mit 80 Mio Einwohnern sogar der volkreichste und mit 3,9 MRD € Bruttoinlandsprodukt die stärkste Wirtschaft. Im EU-Raum (nicht im globalen Maßstab) ist das Größe, die sich u. a. in der spendablen Gebersituation seit vielen Jahrzehnten in Brüssel niederschlägt, was uns aber auch Misstrauen und sogar Hass einträgt. Großzügigkeit wird nicht gewürdigt, vielmehr wird bereits ein Hauch von Strenge (Einhaltung von vereinbarten Regeln) als Großmannsucht ausgelegt und vom Vierten Reich gesprochen und deutscher Besatzungsmacht gesprochen. Merkel wird als SS-Dompteuse Europas gezeigt mit Hitlerbärtchen. Dtld ist ein idealer Bösewicht: Wirtschaftlich stark, politisch eher ein Zwerg, könnte man sagen. Leicht erpressbar durch seine Vergangenheit.
Was sich geändert hat gegenüber der Weimarer Zeit? Dtld will heute nicht mehr die Welt erobern, es will dafür aber moralischer Weltmeister sein und streitet momentan mit Schweden um den Rang als erste humanitäre Großmacht in der Flüchtlingsfrage. Wer hier noch sparen will, um Schulden zu tilgen (wurde hier vorgeschlagen, wäre sinnvoll, oder für Kitas etc) wie früher Herr Schäuble, der bekam von der Heiligen Sahra der Linken zu hören er sei ein Kürzungs-Taliban, wird also mit einem Terroristen verglichen. Der Grüne Bütigkofer nannte Schäuble einen "hässlichen" Deutschen. Das ist nicht weit entfernt von einem "dunklen" Deutschen, den Herr Gauck als Wortschöpfung aus der Taufe hob.
Als Deutsche sollten wir zur Selbstkritik bereit sein. Sie ist eine Tugend. aber in Selbsthass darf sie nicht umschlagen. Die Schuld der Vergangenheit belastet uns schwer und wir wollen heute alles besser machen. Sehr gut. Dabei sollten wir aufpassen, dass wir unsere Nachbarn nicht mit unseren Moralinspritzern verärgern. Wir werden von vielen gelobt, aber im Grunde nicht verstanden und gehen ihnen mit unseren überheblichen moralischen Hinweisen und versteckten Drohungen (wegen Geldkürzungen) gehörig auf den Wecker. Ich sehe das als Ungleichgewicht von Anspruch und Wirklichkeit. Es ist die Kehrseite der überbordenden Moral. Andere Beispiele: Wir entlassen nur 2% des weltweiten CO2-Ausstoßes in die Atmosphäre, wollen aber das Weltklima mit einer immens teuren Energiewende retten (von 1000 Mrd € ist die Rede, wird wohl nicht reichen, dafür scheint aber die Sonne "umsonst", leider nicht in der Nacht und bei Wolken am Himmel). Australien ist ein klassisches Einwanderungsland, verrammelt seine Türen aber vor dem Flüchtlingsstrom. Wir bauen dagegen Zeltstädte. In meiner Stadt z. B. sind alle Turnhallen mit Flüchtlingen jetzt belegt, eine fällt wegen Bauschäden aus. Sportunterricht fällt für SchülerInnen deshalb weitgehend flach. Den riesigen alten gut erhaltenen Krankenhauskomplex, wo man viele Flüchtlinge hätte unterbringen können, riss man in den letzten Monaten ab. Wir haben auch nicht den Mut von Einwanderung zu sprechen, obwohl die allermeisten Flüchtlinge hier bleiben werden. Willkommenskultur kann ins Gegenteil umschlagen, wenn wir nicht aufpassen und alle Wünsche erfüllen. Wer daran erinnert, landet schnell beim "Pack" oder bei den Dunkel-Deutschen. Wir leben nicht auf einer Insel, wo alles leichter wäre. Trotzdem sollten wir mehr Gelassenheit an den Tag legen.
Winston Churchill hat die Deutschen charakterisiert als Leute, die vor einem mal auf den Knien liegen und einem die Füße küssen, dann wiederum einem an die Gurgel gehen. Dazwischen muss es aber in Dtld doch auch noch etwas geben: Der Staat sollte nüchtern seine Interessen abwägen.