von Barbarossa » 23.04.2015, 20:19
Aneri hat geschrieben:Übrigens so große Unterschied war bei uns nicht. Gerade wenn er beschreibt die damalige Kommunisten, trifft es zu 100%. Man könnte keine echte Karriere machen, wenn nicht Mitglied Partei war. Auch mein Onkel, Medizin-Professor, Dekan in Uni war in Partei und ich erinnere, dass wir als Kinder waren gelernt, niemanden zu erzählen über Heiligabend bei meine gläubige Großmutter. Weihnachten hatten wir nie gefeiert...
Und da ist schon ein Unterschied da. Wir feierten Weihnachten und Ostern (auch wenn der Ostermontag als Feiertag gestichen wurde) und sogar den "Herrentag" konnte die SED trotz offizieller Abschaffung nicht totkriegen. Er wurde von der Bevölkerung trotzdem gefeiert - allerdings weniger als kirchlicher Feiertag, sondern eher als tatsächlicher "Männertag" mit Sauftouren und allem, was dazugehört...
Aneri hat geschrieben:Vielleicht gerade, weil du sehr emotional an Thema angehst, wird schwierig mit der Diskussion auf sachliche rein rationale Ebene führen.
Ich versuche es dennoch, schließlich habe ich ja auch ein Buch darüber geschrieben.
Aneri hat geschrieben:Ich hab zu Lektüre Hobsbaws Geschichte des 20 Jhd. und die Geschichte des 19.Jhd. von Osterhammel, wo er auch mit Begriff Revolution sich auseinandersetzt. Hobsbawms Gedankenweg kann ich nachvollziehen und ihm zustimme. In dem Sinne, dass Moskauer Macht hat sich zurückgezogen und ist entstanden ein politischer Vakuum. Ein Vakuum zu füllen - soll es eine Revolution sein?! Ich stimme 100% seinen Wortern, dass es gab keine Alternative. Neben der "friedlichen Revolution" kann man zugleich schreiben "friedliche Niedergang" ein Systems. Wenn es friedlich eingeschlaffen ist, wo ist dann Revolution?
...Die etwas jüngeren Parteimitglieder waren wahrscheinlich kaum noch Kommunisten im alten Sinn, sondern eher Männer und Frauen ..., die ihre Karrieren in Staaten gemacht hatten, die zufällig unter kommunistischen Herrschaft standen. Und sie waren vom einen Augenblick zum Anderem bereit, ihr Mäntelchen zu wenden, sobald der Wind sich drehen sollte und sofern sie überhaupt eine Möglichkeit dazu bekammen. Mit eine, Wort, die Personen, dir die sojetischen Satellitenregime zuletzt regierten, hatten den Glauben an ihr eigenes System verloren oder gar nicht erst gehabt. Solange Systeme betriebssicher gewesen waren, hatten sie sie getrieben. Aber als dann klargeworden war, daß sie sogar die Sowjetunion ihrem Schicksal überlassen würde, versuchten die Reformer (wie in Polen und Ungarn) eine friedliche Transition zu verhandeln, und die Hardliner (wie in Tschechoslowakei und der DDR) blieben so lange hartnäckig, bis auch ihnen nicht mehr entgehen könnte, daß die bürger ihnen die Gefolgschaft verweigerten, obwohl Armee und Polizei noch immer dazu bereit gewesen sein mögen. In beiden Fällen traten sie still zurück, als sie realisiert hatten, daß ihre Zeit abgelaufen war.
Da möchte ich tatsächlich widersprechen und die Situation in der SU wirklich von der Situation in der DDR trennen.
In der SU mag ein Machtvakuum entstanden sein, in das dann vor allem Oligarchen und so stießen.
In der DDR war das anders.
Hier wurde jedes einzelne Bürgerrecht durch den Druck der Straße und der Bürgerrechtsbewegungen erkämpft. Es gab nichts, was die SED von sich aus einführte - auch nach dem Sturz Honeckers, unter Krenz und Modrow nicht. Stets war die SED getrieben von den Forderungen der Bürgerechtler - ab Dezember 1989 dann durch Beschlüsse des Runden Tisches, der auch erst eingefordert werden musste. Und bis zum Schluss versuchte die SED/PDS auch den Prozess zu bremsen und durch Falschdarstellungen zu verfälschen - wie z. B beim Runden Tisch. Insbesondere die Auflösung der Stasi, die erst noch in AFNS ("Amt für Nationale Sicherheit") umbenannt wurde, ging das mit dem Bremsen soweit, dass die Stasi-Zentrale in Berlin von den Bürgerrechtlern gestürmt wurde, weil die Akten-Reißwölfe heiß liefen. Und auch bei der Erstürmung stellte sich später heraus, dass die Stasi-Leute ihre eigene Zentrale selbst verwüsteten, um die restlichen Akten zu vernichten und die Bürgerrechtler in ein schlechtes Licht zu rücken.
Das nur, um an konkreten Beispielen zu zeigen, dass die Veränderungen nicht freiwillig von der SED umgesetzt wurden. Hätten die Bürger und Bürgerrechtler nicht ständig weiter Druck gemacht (auch wenn es fast immer friedlich blieb), dann hätte es keine Veränderungen gegeben. Von "sillem zurücktreten" oder dass "sie realisiert hatten, daß ihre Zeit abgelaufen war", habe ich nicht viel gemerkt.
Im Gegenteil: Wenige Wochen vor der einzigen demokratischen Volkskammerwahl am 18. März 1990 habe ich erlebt, dass die Grenzkontrollen nach West-Berlin auf Beschluss der Modrow-Regierung noch eimal verschärft wurden!
Nach der Wahl entfielen die Grenzkontrollen ganz - die Kontrollpunkte waren dann gar nicht mehr besetzt.
Soviel zu "stillem und freiwilligem Zurücktreten" der SED/PDS.
Wer sowas äußert, hat sich nicht ausreichend kundig gemacht.
[quote="Aneri"]Übrigens so große Unterschied war bei uns nicht. Gerade wenn er beschreibt die damalige Kommunisten, trifft es zu 100%. Man könnte keine echte Karriere machen, wenn nicht Mitglied Partei war. Auch mein Onkel, Medizin-Professor, Dekan in Uni war in Partei und ich erinnere, dass wir als Kinder waren gelernt, niemanden zu erzählen über Heiligabend bei meine gläubige Großmutter. Weihnachten hatten wir nie gefeiert...[/quote]
Und da ist schon ein Unterschied da. Wir feierten Weihnachten und Ostern (auch wenn der Ostermontag als Feiertag gestichen wurde) und sogar den "Herrentag" konnte die SED trotz offizieller Abschaffung nicht totkriegen. Er wurde von der Bevölkerung trotzdem gefeiert - allerdings weniger als kirchlicher Feiertag, sondern eher als tatsächlicher "Männertag" mit Sauftouren und allem, was dazugehört...
[quote="Aneri"]Vielleicht gerade, weil du sehr emotional an Thema angehst, wird schwierig mit der Diskussion auf sachliche rein rationale Ebene führen. :wink: [/quote]
Ich versuche es dennoch, schließlich habe ich ja auch ein Buch darüber geschrieben. :wink:
[quote="Aneri"]Ich hab zu Lektüre Hobsbaws Geschichte des 20 Jhd. und die Geschichte des 19.Jhd. von Osterhammel, wo er auch mit Begriff Revolution sich auseinandersetzt. Hobsbawms Gedankenweg kann ich nachvollziehen und ihm zustimme. In dem Sinne, dass Moskauer Macht hat sich zurückgezogen und ist entstanden ein politischer Vakuum. Ein Vakuum zu füllen - soll es eine Revolution sein?! Ich stimme 100% seinen Wortern, dass es gab keine Alternative. Neben der "friedlichen Revolution" kann man zugleich schreiben "friedliche Niedergang" ein Systems. Wenn es friedlich eingeschlaffen ist, wo ist dann Revolution?
[quote]...Die etwas jüngeren Parteimitglieder waren wahrscheinlich kaum noch Kommunisten im alten Sinn, sondern eher Männer und Frauen ..., die ihre Karrieren in Staaten gemacht hatten, die zufällig unter kommunistischen Herrschaft standen. Und sie waren vom einen Augenblick zum Anderem bereit, ihr Mäntelchen zu wenden, sobald der Wind sich drehen sollte und sofern sie überhaupt eine Möglichkeit dazu bekammen. Mit eine, Wort, die Personen, dir die sojetischen Satellitenregime zuletzt regierten, hatten den Glauben an ihr eigenes System verloren oder gar nicht erst gehabt. Solange Systeme betriebssicher gewesen waren, hatten sie sie getrieben. Aber als dann klargeworden war, daß sie sogar die Sowjetunion ihrem Schicksal überlassen würde, versuchten die Reformer (wie in Polen und Ungarn) eine friedliche Transition zu verhandeln, und die Hardliner (wie in Tschechoslowakei und der DDR) blieben so lange hartnäckig, bis auch ihnen nicht mehr entgehen könnte, daß die bürger ihnen die Gefolgschaft verweigerten, obwohl Armee und Polizei noch immer dazu bereit gewesen sein mögen. In beiden Fällen traten sie still zurück, als sie realisiert hatten, daß ihre Zeit abgelaufen war.[/quote][/quote]
Da möchte ich tatsächlich widersprechen und die Situation in der SU wirklich von der Situation in der DDR trennen.
In der SU mag ein Machtvakuum entstanden sein, in das dann vor allem Oligarchen und so stießen.
In der DDR war das anders.
Hier wurde jedes einzelne Bürgerrecht durch den Druck der Straße und der Bürgerrechtsbewegungen erkämpft. Es gab nichts, was die SED von sich aus einführte - auch nach dem Sturz Honeckers, unter Krenz und Modrow nicht. Stets war die SED getrieben von den Forderungen der Bürgerechtler - ab Dezember 1989 dann durch Beschlüsse des Runden Tisches, der auch erst eingefordert werden musste. Und bis zum Schluss versuchte die SED/PDS auch den Prozess zu bremsen und durch Falschdarstellungen zu verfälschen - wie z. B beim Runden Tisch. Insbesondere die Auflösung der Stasi, die erst noch in AFNS ("Amt für Nationale Sicherheit") umbenannt wurde, ging das mit dem Bremsen soweit, dass die Stasi-Zentrale in Berlin von den Bürgerrechtlern gestürmt wurde, weil die Akten-Reißwölfe heiß liefen. Und auch bei der Erstürmung stellte sich später heraus, dass die Stasi-Leute ihre eigene Zentrale selbst verwüsteten, um die restlichen Akten zu vernichten und die Bürgerrechtler in ein schlechtes Licht zu rücken.
Das nur, um an konkreten Beispielen zu zeigen, dass die Veränderungen nicht freiwillig von der SED umgesetzt wurden. Hätten die Bürger und Bürgerrechtler nicht ständig weiter Druck gemacht (auch wenn es fast immer friedlich blieb), dann hätte es keine Veränderungen gegeben. Von "sillem zurücktreten" oder dass "sie realisiert hatten, daß ihre Zeit abgelaufen war", habe ich nicht viel gemerkt.
[b]Im Gegenteil: Wenige Wochen vor der einzigen demokratischen Volkskammerwahl am 18. März 1990 habe ich erlebt, dass die Grenzkontrollen nach West-Berlin auf Beschluss der Modrow-Regierung noch eimal verschärft wurden![/b]
Nach der Wahl entfielen die Grenzkontrollen ganz - die Kontrollpunkte waren dann gar nicht mehr besetzt.
Soviel zu "stillem und freiwilligem Zurücktreten" der SED/PDS.
Wer sowas äußert, hat sich nicht ausreichend kundig gemacht.