von JetLeechan » 16.01.2013, 16:42
Karlheinz hat geschrieben:Terra-X (nach Dieter)
Doch zu Beginn des 17. Jahrhunderts kam es zu einer dramatischen Wende: Japan isolierte sich 250 Jahre lang fast komplett von der Außenwelt. Was trieb die Herrscher des Landes zu solch drastischen Maßnahmen? Die Antwort liegt im Aufstieg einer Kriegerkultur, deren Schwertkunst und Ehrbegriff bis heute legendär sind: Der Geist der Samurai lenkte jahrhundertelang die Geschicke Japans.
Das es ist eine sehr merkwürdige Erklärung, die ich bisher nur bei Terra-X gelesen habe. Die wahren Gründe für die Abschottung des Landes liegen ganz woanders und sind auch allen Historikern geläufig. Japan war ein mittelalterlicher Feudalstaat, in dem sich die Adelsparteien mit Hilfe ihrer Samurai ständig bekriegten. Das Auftauchen der Europäer verschärfte die Konflikte, da diese einige, ihnen genehme Feudalherren, mit modernen Waffen ausrüsteten. Christliche Missionare destabilisierten außerdem die gesellschaftliche Ordnung. Durch seinen Sieg in der Schlacht von Sekigahara im Jahre 1600 beendete der Fürst Tokugawa die Periode bewaffneter Auseinandersetzungen zwischen den Baronen. Damit die Ausländer nicht potentielle Rivalen ausrüsten und damit den Bürgerkrieg neu entfachen, schloss er konsequenterweise das Land nach außen ab.
Die Samurai hatten davon keine Vorteile, denn aufgrund des erzwungenen Friedens war dieser Kriegerstand objektiv überflüssig geworden und führte zunehmend eine parasitäre Existenz. Während der Meiji-Restauration wurde er ja auch politisch ausgeschaltet.
Nachträglich gesehen war diese Abschottung vielleicht gar nicht so schlecht, denn das Land hatte nun 250 Jahre Frieden vor sich und das ist schon etwas. Zwar waren die Herrscher aus dem Tokugawa-Clan skrupellos, aber wo war dies damals nicht so. Den entstandenen Wissensrückstand konnte das Land später leicht aufholen.
Erst nach dem Ende der Abschottung und dem Beginn der Meiji-Restauration begann wieder eine blutige Phase fürchterlicher Kriege, die erst mit dem Abwurf der Atombomben endete. Damit verglichen war die Tokugawa-Zeit eine Idylle.
Was die wahren Gründe für den "Abschluss" Japans sind sicherlich weitaus zahlreiche als das. Ob die Abschottungs-Politik Ursache für "250" Jahre Frieden war, kann man allerdings nicht sagen. Zum Einen war das Land kommerziell bis in die 90er Jahre des 17. Jahrhunderts herzlich wenig abgeschlossen. Neben regen offiziellen Handelbeziehungen mit China, Taiwan und Korea legen die Quellen ebenfalls illegale Transaktionen in erheblichem Ausmaß nahe. In einer Hausarbeit habe ich berechnet, dass die Zolleinnahmen des bakufu aus Besteuerung der Handelsgildenumsätze in gute Jahren um die 10% ausmachten. Sekundäre Effekte (Technologie- und Wissenstransfer, Ausweitung der eigenen Produktion, Besteuerung weiterer Transaktionen) und illegaler Handel nicht mit eingeschlossen. Natürlich sind solche Zahlen mit äußerster Vorsicht zu genießen, zumal ich aufgrund des schwierigen Zugangs und meiner schlechten Kenntnisse des klassischen Japanisch keine originalen Primärquellen zurate ziehen konnte. Die nördlichen Provinzen befanden sich außerdem im ständigen Kontakt mir russischen Seidlern und Händlern, später über Ainu-Intermediäre. Aber auch die Sekundärliteratur erzeugt kaum das Bild einer "abgeschlossenen Gesellschaft". Zumal neokonfuzianistischen und anderes Gedankengut weiterhin nach Japan einfloss.
Übrigens war es nicht Ieayasu, der das and abschottete, sondern dessen Enkel Iemitsu, dem übrigens auch das Sankin-Kotai zugerechnet wird. Das ist insofern bedeutend, als das die sakoku-Politik nicht von Anfang an angelegt war. Im Gegenteil, Ieyasu fasilitierte geradezu Kontakte mit ausländischen Mächten, insbesondere durch das shuinsen-System, das offizielle Handelsschiffe aus und nach Japan "lizenzierte".
In der Tat war die Kontrolle über die daimyo mit Sicherheit ein Beweggrund Iemitsus, Auslandskontakte - "private" - zu beschränken. Das war aber auch in anderen seiner politischen Maßnahmen angelegt, etwa im oben genannten Sankin Kotai. Ein anderer Grund war aber auch die effektivere Abschöpfung der Handelsumsätze und zur gezielteren Einfuhrkontrolle.
Die kommerziellen Kontakte wurden erst im Laufe des 18. Jahrhunderts reduziert, was mit der Erschöpfung der Silberminen (Japans Hauptexportgut und gleichzeitig "Knochen der Erde" in der neokonfuzianischen Doktrin) und der voranschreitenden Importsubstitution zu tun hatte, genauso wie andererseits mit der sich verschlechternden sozioökonomischen Situation.
Auf der anderen Seite war die Edo-Zeit keineswegs so friedlich, wie es gerne dargestellt wird. Sicherlich, Landesweite Konflikte zwischen Machthabern oder gar mit ausländischen Mächten gab es nicht, jedoch verschoben sich die Konfliktlinien hin zu Bauernaufständen. Und jetzt kommt das Ironische: Aufstände nahmen ab der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu, bis deren Zahl sich in der in der zweiten Hälfte desselben Jahrhunderts massiv erhöhte und bis zum Ende der Edo-Zeit gleich blieb, wobei man von einer Zunahme der Heftigkeit ausgehen kann.
Die "Friedenswirkung" der Abschliessungspolitik ist demnach sehr diffenrenziert zu betrachten und zu beurteilen.
Falls Widersprüche aufkommen möchte ich an dieser Stelle diesen begegnen indem ich erwähne, dass nicht-kommerzielle Kontakte Japans mit der Außenwelt vor der Edo-Zeit nicht gerade zahlreich waren. Das Ausreiseverbot hatte daher keine allzu große Wirkung auf das alltägliche Leben der Japaner. Das Kontaktverbot mit Einreisenden wurde in vielen Fällen einfach umgangen, ob man sich in der Illegalität bewegte oder Intermediäre (Ryukyu, Ainu etc.) einschaltete.
[quote="Karlheinz"][quote]Terra-X (nach Dieter)
Doch zu Beginn des 17. Jahrhunderts kam es zu einer dramatischen Wende: Japan isolierte sich 250 Jahre lang fast komplett von der Außenwelt. Was trieb die Herrscher des Landes zu solch drastischen Maßnahmen? Die Antwort liegt im Aufstieg einer Kriegerkultur, deren Schwertkunst und Ehrbegriff bis heute legendär sind: Der Geist der Samurai lenkte jahrhundertelang die Geschicke Japans.[/quote]
Das es ist eine sehr merkwürdige Erklärung, die ich bisher nur bei Terra-X gelesen habe. Die wahren Gründe für die Abschottung des Landes liegen ganz woanders und sind auch allen Historikern geläufig. Japan war ein mittelalterlicher Feudalstaat, in dem sich die Adelsparteien mit Hilfe ihrer Samurai ständig bekriegten. Das Auftauchen der Europäer verschärfte die Konflikte, da diese einige, ihnen genehme Feudalherren, mit modernen Waffen ausrüsteten. Christliche Missionare destabilisierten außerdem die gesellschaftliche Ordnung. Durch seinen Sieg in der Schlacht von Sekigahara im Jahre 1600 beendete der Fürst Tokugawa die Periode bewaffneter Auseinandersetzungen zwischen den Baronen. Damit die Ausländer nicht potentielle Rivalen ausrüsten und damit den Bürgerkrieg neu entfachen, schloss er konsequenterweise das Land nach außen ab.
Die Samurai hatten davon keine Vorteile, denn aufgrund des erzwungenen Friedens war dieser Kriegerstand objektiv überflüssig geworden und führte zunehmend eine parasitäre Existenz. Während der Meiji-Restauration wurde er ja auch politisch ausgeschaltet.
Nachträglich gesehen war diese Abschottung vielleicht gar nicht so schlecht, denn das Land hatte nun 250 Jahre Frieden vor sich und das ist schon etwas. Zwar waren die Herrscher aus dem Tokugawa-Clan skrupellos, aber wo war dies damals nicht so. Den entstandenen Wissensrückstand konnte das Land später leicht aufholen.
Erst nach dem Ende der Abschottung und dem Beginn der Meiji-Restauration begann wieder eine blutige Phase fürchterlicher Kriege, die erst mit dem Abwurf der Atombomben endete. Damit verglichen war die Tokugawa-Zeit eine Idylle.[/quote]
Was die wahren Gründe für den "Abschluss" Japans sind sicherlich weitaus zahlreiche als das. Ob die Abschottungs-Politik Ursache für "250" Jahre Frieden war, kann man allerdings nicht sagen. Zum Einen war das Land kommerziell bis in die 90er Jahre des 17. Jahrhunderts herzlich wenig abgeschlossen. Neben regen offiziellen Handelbeziehungen mit China, Taiwan und Korea legen die Quellen ebenfalls illegale Transaktionen in erheblichem Ausmaß nahe. In einer Hausarbeit habe ich berechnet, dass die Zolleinnahmen des bakufu aus Besteuerung der Handelsgildenumsätze in gute Jahren um die 10% ausmachten. Sekundäre Effekte (Technologie- und Wissenstransfer, Ausweitung der eigenen Produktion, Besteuerung weiterer Transaktionen) und illegaler Handel nicht mit eingeschlossen. Natürlich sind solche Zahlen mit äußerster Vorsicht zu genießen, zumal ich aufgrund des schwierigen Zugangs und meiner schlechten Kenntnisse des klassischen Japanisch keine originalen Primärquellen zurate ziehen konnte. Die nördlichen Provinzen befanden sich außerdem im ständigen Kontakt mir russischen Seidlern und Händlern, später über Ainu-Intermediäre. Aber auch die Sekundärliteratur erzeugt kaum das Bild einer "abgeschlossenen Gesellschaft". Zumal neokonfuzianistischen und anderes Gedankengut weiterhin nach Japan einfloss.
Übrigens war es nicht Ieayasu, der das and abschottete, sondern dessen Enkel Iemitsu, dem übrigens auch das Sankin-Kotai zugerechnet wird. Das ist insofern bedeutend, als das die sakoku-Politik nicht von Anfang an angelegt war. Im Gegenteil, Ieyasu fasilitierte geradezu Kontakte mit ausländischen Mächten, insbesondere durch das shuinsen-System, das offizielle Handelsschiffe aus und nach Japan "lizenzierte".
In der Tat war die Kontrolle über die daimyo mit Sicherheit ein Beweggrund Iemitsus, Auslandskontakte - "private" - zu beschränken. Das war aber auch in anderen seiner politischen Maßnahmen angelegt, etwa im oben genannten Sankin Kotai. Ein anderer Grund war aber auch die effektivere Abschöpfung der Handelsumsätze und zur gezielteren Einfuhrkontrolle.
Die kommerziellen Kontakte wurden erst im Laufe des 18. Jahrhunderts reduziert, was mit der Erschöpfung der Silberminen (Japans Hauptexportgut und gleichzeitig "Knochen der Erde" in der neokonfuzianischen Doktrin) und der voranschreitenden Importsubstitution zu tun hatte, genauso wie andererseits mit der sich verschlechternden sozioökonomischen Situation.
Auf der anderen Seite war die Edo-Zeit keineswegs so friedlich, wie es gerne dargestellt wird. Sicherlich, Landesweite Konflikte zwischen Machthabern oder gar mit ausländischen Mächten gab es nicht, jedoch verschoben sich die Konfliktlinien hin zu Bauernaufständen. Und jetzt kommt das Ironische: Aufstände nahmen ab der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu, bis deren Zahl sich in der in der zweiten Hälfte desselben Jahrhunderts massiv erhöhte und bis zum Ende der Edo-Zeit gleich blieb, wobei man von einer Zunahme der Heftigkeit ausgehen kann.
Die "Friedenswirkung" der Abschliessungspolitik ist demnach sehr diffenrenziert zu betrachten und zu beurteilen.
Falls Widersprüche aufkommen möchte ich an dieser Stelle diesen begegnen indem ich erwähne, dass nicht-kommerzielle Kontakte Japans mit der Außenwelt vor der Edo-Zeit nicht gerade zahlreich waren. Das Ausreiseverbot hatte daher keine allzu große Wirkung auf das alltägliche Leben der Japaner. Das Kontaktverbot mit Einreisenden wurde in vielen Fällen einfach umgangen, ob man sich in der Illegalität bewegte oder Intermediäre (Ryukyu, Ainu etc.) einschaltete.