Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und das Flugblatt

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Re: Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und das Flugblatt

von andreassolar » 09.10.2023, 11:00

Die FW haben bei den Landtagswahlen erwartbar nun ein neues Bestergebnis erzielt, Aiwanger im Wahlkreis Landshut mit 37,2 % erwartbar das Direktmandat via Erststimmen geholt.

Aiwanger hatte bei der Landtagswahl 2018 noch 25,2 % der Erstimmen geholt, dies hatte nicht für ein Direktmandat gereicht.

Re: Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und das Flugblatt

von andreassolar » 22.09.2023, 23:24

...ich kann mich jedenfalls an kein anderes (Neonazi-) Pamphlet aus dem 80ern erinnern, welches so eine Sprache gewählt hatte...

Das Flugblatt wurde sorgfältig konzipiert & fehlerfrei getippt und zwecks Verteilung multipliziert

Re: Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und das Flugblatt

von Skeptik » 22.09.2023, 22:00

Der Unterschied zwischen einem Vernichtungslager und einem Internierungslager wird am Beispiel Auschwitz-Birkennau deutlich.
Walter Kempowski dokumentierte in seinem vierbändigen Werk „Echolot“ - für die Zeit vom 1.1.1943 bis zum 28.2.1943 - unter anderen auch die von Danuta Czech gesammelten Dokumentationen der Vernichtung.
Es sind für diesen Zeitraum insgesamt 58 Berichte und in ihrer nüchternen Brutalität nicht zu fassen. Also täglich ein Bericht:

Samstag16.1.1943: Um Mitternacht wird die ganze SS-Bereitschaft auf die Ausladerampe kommandiert. Mit einem Transport des RSHA (Reichssicherheitshauptamt) aus Zambrów sind etwa 2000 polnische Juden - Männer, Frauen und Kinder - eingetroffen. Nach der Selektion werden 211 Männer, die Nummern 87168 bis 87378 erhalten, als Häftlinge in das Lager eingewiesen. Die übrigen etwa 1789 Deportierten werden in den Gaskammern getötet.

Sonntag 17.1.1943: Die Lagerleitung führt eine Selektion unter den Häftlingen in den Quarantäneblöcken 2 und 8 des Stammlagers durch, wobei etwa 500 Häftzlinge ausgesucht werden. Sie werden am selben Tag nach Birkenau gebracht und dort in den Gaskammern getötet.

Sonntag 24.1.1943: Mit einem Transport des RSHA aus Holland sind 921 jüdische Patienten unter ihnen auch Kinder, und medizinisches Personal aus dem Psychiatrischen Krankenhaus Apeldoornse Bosch eingetroffen. Nach der Selektion werden (…) 868 Menschen in den Gaskammern getötet.

Sonntag 31.1.1943: Mit dem Sonderzug Pj 101, der Oranczyce am 30. Januar 1943 um 2.10 Uhr verlassen hat, ist ein Transport mit 2450 polnischen Juden eingetroffen. In dem Transport befinden sich 145 Kinder unter vier Jahren sowie 312 Kinder im Alter von vier bis zehn Jahren. Nach der Selektion werden (…) 2169 Menschen unter ihnen 457 Kinder, in den Gaskammern getötet.

Donnerstag 4.1.1943: Mit einem Transport des RSHA aus Holland sind 890 Juden aus dem Lager Westerbork eingetroffen. Mit dem Transport sind 321 Männer und Jungen sowie 569 Frauen und Mädchen angekommen. Nach der Selektion (…) werden 713 Menschen, unter ihnen Invaliden und Kinder in den Gaskammern getötet.


Die Firma Degesch Frankfurt am Main, eine Tochter der Degussa, lieferte das dazu notwendige Giftgas Zyklon B. In einer Rechnung vom 31. Mai 1944 an Herrn Obersturmführer Kurt Gerstein, Berlin heißt es: Wir sandten am 31. Mai ab Dessau mit einem Wehrmachtfrachtbrief der Heeres-Standortverwaltung Dessau an das Konzentrationslager Auschwitz, Abteilung Entwesung und Seuchenabwehr … als Frachtgut folgende Sendung: ZYKLON B Blausäure ohne Reizstoff. 15Kisten, enthaltend je 30x390 Büchsen á 500g = 195 kg = 975,- Reichsmark.
https://www.google.de/search?sca_esv=56 ... 03Nfo3kKxM

Re: Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und das Flugblatt

von andreassolar » 22.09.2023, 16:32

So grausam die Geschichte der KZs auch war, aber es wurden weder in Dachau noch in Auschwitz ausschließlich Juden interniert.
In beiden wurden die Menschen nicht 'interniert', meine ich.

Und das KZ-System Ausschwitz steht als Synonym für den Holocaust, bekanntlich war Ausschwitz (-Birkenau) das zentrale Vernichtungslager für die europäischen Juden.
Der Anteil von etwa 90% jüdischer Opfer der Massentötungen im Lagersystem Ausschwitz belegt dies.

Das Flugblatt, welche bei Aiwanger gefunden wurde, nennt Ausschwitz als erstes mit dem 'F... durch den Sch....'
Meiner Einschätzung nach gilt wohl, dass Ausschwitz auch schon in den späten 1980er Jahren, zu Abfassungszeit des Flugblattes, fast durchweg mit dem Holocaust, mit dem Massenmord primär an den Juden in Verbindung gebracht wurde. Von einigen wenigen Fachleuten mal abgesehen.

Dachau war kein Vernichtungslager.

Re: Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und das Flugblatt

von andreassolar » 18.09.2023, 10:37

Ja, an Schönhuber kann ich mich noch gut erinnern, auch an seine Günstlingszeit und an den damals vielfach stramm 'nationalbayerischen', CSU nahen BR. Den konnte man Anfang der 1980er gelegentlich nur mit Bauchschmerzen anschauen, wenn es politische Sendungen waren, die vom BR produziert worden waren.

Nur: Schönhuber hatte also Journalisten mal als 'Volksverhetzer' tituliert, das war ja keine Drohung, sondern eine polemische Abkanzelung. Der Titel unterstellt eine Verhetzung, Manipulation des 'Volkes'.

Der Begriff 'Volksverräter' im Flugblatt ist tradiert mit Gewalt kontaminiert und dahinter stecken - wie das Flugblatt zeigt - Vorstellungen von massiven körperlichen Gewaltandrohungen /Gewaltphantasien /Vernichtungsphantasien gegen ...einen Lehrer der Schule, der Klasse? Der Volksverräter verrät also das 'Volk', tut also etwas ganz Schändliches am arglosen 'Volk', will dem 'Volk' massiv schaden in den Vorstellungen bestimmter Kreise und Anschauungen.

Re: Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und das Flugblatt

von Skeptik » 16.09.2023, 10:55

andreassolar hat geschrieben: 16.09.2023, 00:40 Der Hintergrund zum Thema Volksverräter des Flugblattes wäre schon wissenswert gewesen.
„Volksverräter“ könnte auch von Franz Schönhuber stammen. Schönhuber reiste als Günstling im Pressetross von Franz Josef Strauß und moderierte im Bayerischen Fernsehen als Vizechefredakteur die Wirtshaus-Sendung "Jetzt red i“. - Vom Applaus der Massen ließ sich Schönhuber zu extremen Aussagen treiben. Er beschimpfte Journalisten als "Hilfsschüler" und "Volksverhetzer", drohte den "rotgrünen Deppen" mit einem "Tag der Abrechnung".
Auch sonst paßte Schönhuber in die Zeit: Schönhuber war Träger des Bayerischen Verdienstordens. 1975 wurde Schönhuber Hauptabteilungsleiter beim Bayerischen Rundfunk im Bereich „Bayern Information“.
1982 endete Schönhubers Karriere beim Bayerischen Rundfunk mit der fristlosen Entlassung.
Doch damals fanden sich noch nachsichtige Richter: Im Rahmen eines arbeitsrechtlichen Prozesses wurde festgestellt, dass er zu Unrecht entlassen worden war. Der Bayerische Rundfunk wurde letztinstanzlich verurteilt, Schönhuber entweder wieder einzustellen oder ihm per sofort alle Ruhestandsbezüge bis zu seinem Lebensende zu zahlen.

So enden Märchen oft: „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie heute noch“.

Re: Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und das Flugblatt

von andreassolar » 16.09.2023, 00:40

Der Hintergrund zum Thema Volksverräter des Flugblattes wäre schon wissenswert gewesen.

Re: Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und das Flugblatt

von andreassolar » 15.09.2023, 22:24

Ton und Inhalt des Flugblatts, das bei A. gefunden worden war, lag dann doch noch deutlich rechts der REPs oder DVU. Wem oder was auch immer dieser verbale Hass des Flugblatts gegolten hat.

Re: Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und das Flugblatt

von andreassolar » 14.09.2023, 21:59

Wollten und k o n n t e n die Westalliierten nicht, da fehlte ja schon die Einheitlichkeit, im Gegensatz zum Gebiet der DDR

Retour zu rechtsgerichteten und rechtsextremen Strömungen der 1980er in der BRD.
Da gab es deutlichen Anstieg unter Jugendlichen, teils in Zusammenhang mit Jugendarbeitslosigkeit, gewissen Krisenempfindungen, einer antikommunistischen neokonservativen politischen Rhetorik aus UK und den USA, steigenden Asylzahlen, teils massivem industriellem Strukturwandel, einer entstehenden rechten Subkultur (Skinheads).

Stärker nationalorientierte oder nationalistische, rechtsgerichtete Strömungen gewannen in vielen Staaten Europas an Boden in jener Zeit.
Die REP's unter Schönhuber in der BRD, Frey mit seiner DVU usw.

In diese Zeit gehörte das Flugblatt, das bei Aiwanger gefunden wurde.

Re: Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und das Flugblatt

von Skeptik » 13.09.2023, 16:28

andreassolar hat geschrieben: 13.09.2023, 10:59 Eine Umerziehungsdiktatur wie in den sozialistischen Staaten setzt eine ganzheitliche und dogmatische, langwährende und umfassende Exekutivgewalt voraus, mit unanfechtbar verankerten Machtpositionen.
Eine solche „Diktatur“ wollten die Sieger des Krieges eben nicht errichten. (Sicher war ihnen bewußt, daß für ihren Weg eine gehörige Portion Geduld erforderlich sein würde.) Wie zitiert:
Nach dem Sieg über das NS-Regime wollten die Alliierten die Deutschen zu Demokraten erziehen – durch Filme, Bildungsarbeit und freie Medien. Dieses Re-Education-Programm zeigte nur langsam Wirkung, denn die alten Einstellungen saßen tief.

13.9.2023: Zum heutigen 75. Jahrestag der Wiederbegründung der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, schreibt die F.A.Z.: ...Dennoch saßen viele auf gepackten Koffern. Rabbiner Neuhaus wanderte schon 1946 nach Amerika aus, sein Nachfolger Wilhelm Weinberg verließ 1951 die Frankfurter Gemeinde. In seiner Abschiedspredigt sagte er, daß „selbst jene unter uns, die an eine Denkwende des deutschen Volkes geglaubt haben oder glauben wollen, allmählich diesen Glauben verlieren. Denn auch die politisch Blinden merken es allmählich, daß durch die deutschen Lande wieder jene Gestalten geistern, die für die reibungslose Durchsetzung der braunen Ordnung … gearbeitet haben.“
Daß Politiker, Richter, Polizisten und Wissenschaftler, die für oder mit den Nationalsozialisten gearbeitet hatten und oft nie für ihre Taten belangt wurden, noch in Amt und Würden waren, muß für die Überlebenden schwer zu ertragen gewesen sein.


(Von den vor der Nazizeit in Frankfurt lebenden 30.000 Juden fanden die Amerikaner 1945 gerade einmal 160 Juden vor. Unter dem Rabbiner Leopold Neuhaus kehrten etwa 400 überlebende Frankfurter Juden aus Theresienstadt zurück in ihre Heimat.)

Re: Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und das Flugblatt

von andreassolar » 13.09.2023, 10:59

Das 'deutsche Volk' als Einheit gab und gibt es wohl nicht. Die generationellen Einstellungswechsel sind bedeutsam, ansonsten sind persönliche, auch familial tradierte und regional und sozial geprägte Positionen in einer repräsentativen, parlamentarisch-demokratischen und föderalen Staatsstruktur vielschichtig und in einem liberal konzipierten politischen Gesellschaftsaufbau möglich und zu erwarten.

Eine Umerziehungsdiktatur wie in den sozialistischen Staaten setzt eine ganzheitliche und dogmatische, langwährende und umfassende Exekutivgewalt voraus, mit unanfechtbar verankerten Machtpositionen.

Die gab es im Gebiet der BRD nicht. Unabhängig davon gab es im Gebiet der DDR vor allem in den späten 1980er Jahren erneut bzw. nach wie vor 'rechtsgerichtete' Gruppierungen und Einstellungen.

Re: Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und das Flugblatt

von Skeptik » 12.09.2023, 09:45

Es ist wohl etwas grundlegend Anderes, einen Staat durch eine Revolution des Volkes zu ändern, als - wie geschehen - durch „Erziehung“.
Nach dem Sieg über das NS-Regime wollten die Alliierten die Deutschen zu Demokraten erziehen – durch Filme, Bildungsarbeit und freie Medien. Dieses Re-Education-Programm zeigte nur langsam Wirkung, denn die alten Einstellungen saßen tief.
Da bringt es nichts, in das intensive Studium der unterschiedlichen Biografien einzusteigen. - Die Frage bringt doch weiter: Wo stand der Wandel in den Köpfen des deutschen Volkes als die Aiwanger Buben von ihrem Flugblatt überzeugt waren.
https://www.deutschlandfunk.de/deutschl ... g-100.html

Re: Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und das Flugblatt

von andreassolar » 10.09.2023, 21:34

Die blosse Mitgliedschaft reicht nicht aus. Globke war, wenn ich es recht lese, nie 'in der Partei' gewesen.
Dafür Erhard Eppler oder Horst Ehmke..achja, die waren ja keine 'Nazis'....

Daher läuft die Dis hier in bisschen ins Blaue, mal ist die Mitgliedschaft wichtig, mal die (frühere) Gesinnung, ehemalige Karrieristen, Mitläufer, Alt- und Neo-Nazis und die verschiedenen Zeitphasen/Generationen werden nicht hinreichend unterschieden.

Re: Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und das Flugblatt

von Skeptik » 09.09.2023, 09:32

andreassolar hat geschrieben: 08.09.2023, 21:52 1988 in der BRD?....welche?
Ja, diese Frage ist berechtigt. Viele konnten das nicht mehr gewesen sein. Richard Stücklen CSU war noch einer von ihnen. Treuer Parteigenosse von 1939 bis 1945 und dann auch treu als Mitglied im Deutschen Bundestag von 1949 bis 1990. Zwischendurch noch langjähriger Bundestagspräsident von 1979 bis 1983. Ein Dutzend Orden und Ehrungen runden sein Leben ab. Darunter so originelle wie "Krawattenmann des Jahres 1985".

Re: Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und das Flugblatt

von andreassolar » 08.09.2023, 21:52

Hans Karl Filbinger (1913-2007) war ein deutscher Politiker (CDU). Von 1966 bis 1978 war er Ministerpräsident Baden-Württembergs. Filbinger war nach den erhaltenen Strafverfahrenslisten an mindestens 234 Marinestrafverfahren beteiligt, 169-mal als Vorsitzender Richter, 63-mal als Ankläger. In vier Fällen ging es um Todesstrafen, die Filbinger je zweimal beantragt bzw. gefällt hatte. Diese Fälle wurden 1978 aufgedeckt und im Zuge der Filbinger-Affäre öffentlich diskutiert.
Dieser trat, falls nicht bekannt, im August 1978 zurück
Und vor 35 Jahren waren auch noch eine ganze Menge Nazis in der BRD in Amt und Würden. Ein solches Flugblatt hätte in diesen Jahren sicher kein großes Aufsehen erregt.
1988 in der BRD?....welche?
Vor 35 Jahren hat das Flugblatt in Aiwangers Schule für ein bisschen Aufsehen gesorgt.

Und dass Aiwanger politisch nun von seiner 'Resilenz' profitiert, zeichnet sich - erwartungsgemäß - ab. Er bedient gerne ein bisschen den Populismus, schätze ich, nicht zuletzt einen leicht kapitalistisch-libertären bis rechten, damit kann man oft ziemlich gut in Deutschland leben, die entsprechenden Milieus dafür sind stabil, breit und zahlungskräftig genug.

Hätte er sich für das Flugblatt rückhaltlos entschuldigt oder davon distanziert, ohne die inzwischen üblichen Gegenvorwürfe oder (unterschwelligen) populistischen Statements, die allerdings bei seinem politischen Profil fast zu erwarten waren, wäre der Aufreger rasch wieder eingegangen.

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