von ehemaliger Autor K. » 06.08.2013, 11:09
Heute, am 6. August, erinnert man sich in Japan an den Abwurf der Atombombe auf Hiroshima 1945, der später, am 9. August eine zweite Bombe auf Nagasaki folgte. Damit wurde der Zweite Weltkrieg in Ostasien beendet.
Über den Sinn oder Unsinn dieser militärischen Maßnahme will ich hier nicht diskutieren, mir geht es vor allem darum zu zeigen, welche Bedeutung diese Bomben später im Bewusstsein der Japaner spielten.
Mitte der achtziger Jahre habe ich aus beruflichen Gründen längere Zeit in Japan gewohnt und gearbeitet. Damals konnte ich immer wieder feststellen, wie wenig bzw. häufig gar nichts die Menschen dort über ihre jüngere Vergangenheit wussten. Es hatte ein kollektiver Verdrängungsprozeß stattgefunden, weit stärker als in Westdeutschland in den fünfziger Jahren. Wenn sie, äußerst widerwillig, dann doch einmal über den Krieg sprachen, stellte sich heraus, dass sich die Japaner fast immer als Opfer, aber nicht als Täter begriffen. Dieses mangelnde Schuldbewusstsein, auch die Regierung zeigte ja keinerlei Reue, verärgerte stets die asiatischen Nachbarn.
1985 hatte der damalige Bundespräsident Weizsäcker in seiner berühmten Rede zum Kriegsende darauf hingewiesen, dass man all das Leid, das Deutschen nach 1945 widerfuhr, nicht trennen darf von dem 30. Januar 1933. Die Japaner sahen aber immer nur ihr Leid, begriffen aber anscheinend die Ursachen dafür nicht. Dafür gibt es meines Erachtens hauptsächlich zwei Gründe:
1.) Einer der Hauptverursacher des Krieges, Kaiser Hirohito, blieb auch nach 1945 japanisches Staatsoberhaupt. In der japanischen Religion, dem Shintoismus, spielt das Kaiserhaus eine zentrale Rolle, da es angeblich göttlichen Ursprungs ist. Natürlich glauben das viele Japaner nicht mehr wirklich und 1945 hatte der Tenno auf Druck der Amerikaner öffentlich erklärt, er wäre kein Gott, doch Reste dieser Vorstellung sind noch bei vielen Japanern existent. Man kann den Kaiser nicht wirklich kritisieren, weil man sonst Gott kritisiert. Aus diesem Grunde ist eine Diskussion über die Rolle der Dynastie in diesem Krieg praktisch nicht möglich.
2.) Die USA, der einstige Gegner, sind jetzt der große Freund und Beschützer. Freunde kritisiert man nicht, das wäre äußerst unhöflich und gehört sich nicht. Jede Form des Antiamerikanismus wurde von den Regierungen immer rigoros unterbunden. Die Japaner wollten auch nie darüber mit mir diskutieren, die USA waren genauso ein Tabuthema wie das Kaiserhaus.
Wenn man nun aber weder über den Kaiser noch über die USA wirklich reden kann, wird die Geschichte zu einem rätselhaften Mysterium und letztendlich nicht erklärbar. Deshalb schien es mir so, als würden die Japaner die Atombomben eher als eine Art Naturkatastrophe begreifen, vergleichbar mit den vielen Erdbeben, von denen das Land ständig heimgesucht wird. Für Naturkatastrophen gibt es aber keine menschlichen Verantwortlichen.
In dem vergangenen Jahrzehnt begann man endlich, die Vergangenheit etwas aufzuarbeiten. Was bisher hauptsächlich nur in universitären Zirkeln diskutiert wurde, drang nun auch allmählich in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Die japanische Expansion, die zahlreichen Kriegsgräuel, die brutale Besatzungspolitik, all dies kam zur Sprache. Die Reaktion war interessant, viele Japaner waren völlig schockiert. Es war so ähnlich, als würden die Deutschen heute zum ersten Mal etwas von Ausschwitz erfahren. Es bleibt abzuwarten, ob die jetzige konservative Regierung die Aufklärung fortsetzt, oder lieber zu den alten Mythen zurückkehrt.
[i]Heute, am 6. August, erinnert man sich in Japan an den Abwurf der Atombombe auf Hiroshima 1945, der später, am 9. August eine zweite Bombe auf Nagasaki folgte. Damit wurde der Zweite Weltkrieg in Ostasien beendet.
Über den Sinn oder Unsinn dieser militärischen Maßnahme will ich hier nicht diskutieren, mir geht es vor allem darum zu zeigen, welche Bedeutung diese Bomben später im Bewusstsein der Japaner spielten.
Mitte der achtziger Jahre habe ich aus beruflichen Gründen längere Zeit in Japan gewohnt und gearbeitet. Damals konnte ich immer wieder feststellen, wie wenig bzw. häufig gar nichts die Menschen dort über ihre jüngere Vergangenheit wussten. Es hatte ein kollektiver Verdrängungsprozeß stattgefunden, weit stärker als in Westdeutschland in den fünfziger Jahren. Wenn sie, äußerst widerwillig, dann doch einmal über den Krieg sprachen, stellte sich heraus, dass sich die Japaner fast immer als Opfer, aber nicht als Täter begriffen. Dieses mangelnde Schuldbewusstsein, auch die Regierung zeigte ja keinerlei Reue, verärgerte stets die asiatischen Nachbarn.
1985 hatte der damalige Bundespräsident Weizsäcker in seiner berühmten Rede zum Kriegsende darauf hingewiesen, dass man all das Leid, das Deutschen nach 1945 widerfuhr, nicht trennen darf von dem 30. Januar 1933. Die Japaner sahen aber immer nur ihr Leid, begriffen aber anscheinend die Ursachen dafür nicht. Dafür gibt es meines Erachtens hauptsächlich zwei Gründe:
1.) Einer der Hauptverursacher des Krieges, Kaiser Hirohito, blieb auch nach 1945 japanisches Staatsoberhaupt. In der japanischen Religion, dem Shintoismus, spielt das Kaiserhaus eine zentrale Rolle, da es angeblich göttlichen Ursprungs ist. Natürlich glauben das viele Japaner nicht mehr wirklich und 1945 hatte der Tenno auf Druck der Amerikaner öffentlich erklärt, er wäre kein Gott, doch Reste dieser Vorstellung sind noch bei vielen Japanern existent. Man kann den Kaiser nicht wirklich kritisieren, weil man sonst Gott kritisiert. Aus diesem Grunde ist eine Diskussion über die Rolle der Dynastie in diesem Krieg praktisch nicht möglich.
2.) Die USA, der einstige Gegner, sind jetzt der große Freund und Beschützer. Freunde kritisiert man nicht, das wäre äußerst unhöflich und gehört sich nicht. Jede Form des Antiamerikanismus wurde von den Regierungen immer rigoros unterbunden. Die Japaner wollten auch nie darüber mit mir diskutieren, die USA waren genauso ein Tabuthema wie das Kaiserhaus.
Wenn man nun aber weder über den Kaiser noch über die USA wirklich reden kann, wird die Geschichte zu einem rätselhaften Mysterium und letztendlich nicht erklärbar. Deshalb schien es mir so, als würden die Japaner die Atombomben eher als eine Art Naturkatastrophe begreifen, vergleichbar mit den vielen Erdbeben, von denen das Land ständig heimgesucht wird. Für Naturkatastrophen gibt es aber keine menschlichen Verantwortlichen.
In dem vergangenen Jahrzehnt begann man endlich, die Vergangenheit etwas aufzuarbeiten. Was bisher hauptsächlich nur in universitären Zirkeln diskutiert wurde, drang nun auch allmählich in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Die japanische Expansion, die zahlreichen Kriegsgräuel, die brutale Besatzungspolitik, all dies kam zur Sprache. Die Reaktion war interessant, viele Japaner waren völlig schockiert. Es war so ähnlich, als würden die Deutschen heute zum ersten Mal etwas von Ausschwitz erfahren. Es bleibt abzuwarten, ob die jetzige konservative Regierung die Aufklärung fortsetzt, oder lieber zu den alten Mythen zurückkehrt.
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