von Ruaidhri » 02.07.2017, 13:47
Barbarossa hat geschrieben:Immer wieder werden die Verdienste Kohls für Europa erwähnt, die Verdienste für die Einheit Deutschlands dagegen eher am Rande, so scheint es.
Stimmt so nicht, mal abgesehen davon, dass bis 1989 nicht so fürchterlich viel passierte, und so hoch seine Leistung da zu schätzen ist- es gab und gibt anderes, was relevant ist und nicht so gut war fürs Land.
Barbarossa hat geschrieben:Für mich war und ist heute noch die Einheit Deutschlands das wichtigste an Kohls Verdiensten.
Vielleicht werden da wieder die unterschiedlichen Prioritäten sichtbar. Mal abgesehen davon, dass ohne die mutigen DDR-Bürger*Innen nichts gewesen wäre mit Vereinigung. Abgesehen davon, dass er als Kanzler zusehen musste, wie er die schwierige Situation bewältigt. Da hatte er nach eigenen Aussagen Kohls, eben auch Glück. Ohne zu ahnen, was kommen sollte, waren es (auch) sein schon vorher bewiesenes Geschick im Umgang mit den europäischen Nachbarn, die den Weg ebneten. Wobei man, auch das wurde gestern erwähnt, weder Brandt noch Schmidt vergessen sollte, die ihren Teil getan hatten.
Bei allem Patriotismus, den Kohl hatte, und der so manchem im Westen schon zuviel wurde: Kohl hatte, wie Adenauer, Brandt und Schmidt immer Europa genauso im Blick wie Deutschland. Ohne eine ganz klare Einbindung Deutschlands in Europa und in europäische Institutionen, ohne die enge Bindung an Frankreich und die deutlichen Erklärungen an die ehemaligen Ostblock-Staaten, sie sollten gleichberechtigte Partner sein, hätte er weder außenpolitisch noch innenpolitisch im Westen die Vereinigung durchsetzen können. Westdeutschland war längst auf dem Weg. Eine Umkehr/ Abkehr hätte Kohl nicht gewollt- und im Westen kaum durchsetzen können. Europa war vielen näher als die sogenannte Wiedervereinigung.
Wurde gestern ja nun auch, und das war unendlich wichtig, oft genug wiederholt: Kohl wollte immer ein europäisches Deutschland, aber kein deutsches Europa. Ziemlich klug und gerade aus seinen Lebenserfahrungen gewachsen, bedingt auch durch die geografische Nähe seiner Heimat zu Frankreich.
Vielen in meiner Generation, aber auch in der meiner Eltern, war Europa als Idee unendlich wichtig und auh gelebte Idee.
Barbarossa hat geschrieben:Genau das las ich aber in der ,,Wendezeit'' - wie wir heute noch sagen - im Parteiprogramm der SPD: Sie wollte die deutsche Einheit ,,im Rahmen der europäischen Einigung''. Damit konnte die SPD hier im Osten nur verlieren. Wie soll man etwas wählen können (oder sogar Mitglied werden), was man sich gar nicht vorstellen kann und deswegen nicht versteht?
Gut, dass im Westen in der Zeit verstanden wurde, was Kohl nicht anders meinte als Willy Brandt, Helmut Schmidt und andere gestandene SPD-Politiker. Auch denen war Gesamt-Deutschlands Einbindung in Europa wichtig und absolut unverzichtbar. Lafontaine war nicht so euphorisiert, mir da mal ausnahmsweise sympathisch, weil er die krasse Wahrheit sagte: " Es wird ein langer Weg, auf dem viele verlieren werden."
Barbarossa hat geschrieben:Die Einführung des Euro erweist sich in letzter Zeit in den jetzigen Konditionen zunehmend als Fehlkonstruktion.
Das ist richtig- aber man sollte schon wissen, dass Deutschland der größte Netto-Zahler wie auch derzeit der größte Profiteur des Euro ist. Was über der gesamten Rechnerei vergessen wird, ist die Idee hinter der gemeinsamen Währung.
" Die machen mir mein Europa kapuut!" Eine Äußerung von Kohl, die die Wichtigkeit, die Europa für ihn bis zum Schluß hatte, dort durch das Possessivpronomen "mein" ein bisschen nach Selbstüberschätzung klingen mag.
Verstehen kann ich ihn, denn unter dem ganzen Bimbes-Gerede und Gleichmacherei ist die eigentliche Idee des Europa der Menschen, der Freiheit und Gleichheit abhanden gekommen. Nicht zuletzt durch Schäuble und auch Juncker, aber auch durch Orban und die polnische Regierung.
Gut, dass gestern daran erinnert wurde, in einem durchaus würdigen Akt. Besser hätte ein deutscher Staatsakt nicht werden können.
*
Barbarossa hat geschrieben:Schlussredner waren zudem Macron und Merkel, die dies anscheinend nicht auf Wunsch der Witwe Maike Kohl-Richter taten.
Irgendwo enden die Ansprüche einer Witwe eines so bedetenden Politikers, und die Kanzlerin der Bundesrepublik nicht sprechen zu lassen, wäre nicht gegangen. Kohl war nachtragend, aber er muss als Staatsmann gewusst haben, wo bei einer solchen Trauerfeier Grenzen liegen.
Und nochmal nicht wäre es möglich gewesen, ausgerechnet den französischen Staatspräsidenten und auch Gastgeber als Redner auszuschließen. Völlig gegen alles, was der Verblichene im Leben demonstriert hat.
[quote="Barbarossa"]Immer wieder werden die Verdienste Kohls für Europa erwähnt, die Verdienste für die Einheit Deutschlands dagegen eher am Rande, so scheint es.[/quote]
Stimmt so nicht, mal abgesehen davon, dass bis 1989 nicht so fürchterlich viel passierte, und so hoch seine Leistung da zu schätzen ist- es gab und gibt anderes, was relevant ist und nicht so gut war fürs Land.
[quote="Barbarossa"]Für mich war und ist heute noch die Einheit Deutschlands das wichtigste an Kohls Verdiensten. [/quote]
Vielleicht werden da wieder die unterschiedlichen Prioritäten sichtbar. Mal abgesehen davon, dass ohne die mutigen DDR-Bürger*Innen nichts gewesen wäre mit Vereinigung. Abgesehen davon, dass er als Kanzler zusehen musste, wie er die schwierige Situation bewältigt. Da hatte er nach eigenen Aussagen Kohls, eben auch Glück. Ohne zu ahnen, was kommen sollte, waren es (auch) sein schon vorher bewiesenes Geschick im Umgang mit den europäischen Nachbarn, die den Weg ebneten. Wobei man, auch das wurde gestern erwähnt, weder Brandt noch Schmidt vergessen sollte, die ihren Teil getan hatten.
Bei allem Patriotismus, den Kohl hatte, und der so manchem im Westen schon zuviel wurde: Kohl hatte, wie Adenauer, Brandt und Schmidt immer Europa genauso im Blick wie Deutschland. Ohne eine ganz klare Einbindung Deutschlands in Europa und in europäische Institutionen, ohne die enge Bindung an Frankreich und die deutlichen Erklärungen an die ehemaligen Ostblock-Staaten, sie sollten gleichberechtigte Partner sein, hätte er weder außenpolitisch noch innenpolitisch im Westen die Vereinigung durchsetzen können. Westdeutschland war längst auf dem Weg. Eine Umkehr/ Abkehr hätte Kohl nicht gewollt- und im Westen kaum durchsetzen können. Europa war vielen näher als die sogenannte Wiedervereinigung.
Wurde gestern ja nun auch, und das war unendlich wichtig, oft genug wiederholt: Kohl wollte immer ein europäisches Deutschland, aber kein deutsches Europa. Ziemlich klug und gerade aus seinen Lebenserfahrungen gewachsen, bedingt auch durch die geografische Nähe seiner Heimat zu Frankreich.
Vielen in meiner Generation, aber auch in der meiner Eltern, war Europa als Idee unendlich wichtig und auh gelebte Idee.
[quote="Barbarossa"]Genau das las ich aber in der ,,Wendezeit'' - wie wir heute noch sagen - im Parteiprogramm der SPD: Sie wollte die deutsche Einheit ,,im Rahmen der europäischen Einigung''. Damit konnte die SPD hier im Osten nur verlieren. Wie soll man etwas wählen können (oder sogar Mitglied werden), was man sich gar nicht vorstellen kann und deswegen nicht versteht? [/quote]
Gut, dass im Westen in der Zeit verstanden wurde, was Kohl nicht anders meinte als Willy Brandt, Helmut Schmidt und andere gestandene SPD-Politiker. Auch denen war Gesamt-Deutschlands Einbindung in Europa wichtig und absolut unverzichtbar. Lafontaine war nicht so euphorisiert, mir da mal ausnahmsweise sympathisch, weil er die krasse Wahrheit sagte: " Es wird ein langer Weg, auf dem viele verlieren werden."
[quote="Barbarossa"]Die Einführung des Euro erweist sich in letzter Zeit in den jetzigen Konditionen zunehmend als Fehlkonstruktion. [/quote]
Das ist richtig- aber man sollte schon wissen, dass Deutschland der größte Netto-Zahler wie auch derzeit der größte Profiteur des Euro ist. Was über der gesamten Rechnerei vergessen wird, ist die Idee hinter der gemeinsamen Währung.
" Die machen mir mein Europa kapuut!" Eine Äußerung von Kohl, die die Wichtigkeit, die Europa für ihn bis zum Schluß hatte, dort durch das Possessivpronomen "mein" ein bisschen nach Selbstüberschätzung klingen mag.
Verstehen kann ich ihn, denn unter dem ganzen Bimbes-Gerede und Gleichmacherei ist die eigentliche Idee des Europa der Menschen, der Freiheit und Gleichheit abhanden gekommen. Nicht zuletzt durch Schäuble und auch Juncker, aber auch durch Orban und die polnische Regierung.
Gut, dass gestern daran erinnert wurde, in einem durchaus würdigen Akt. Besser hätte ein deutscher Staatsakt nicht werden können.
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[quote="Barbarossa"]Schlussredner waren zudem Macron und Merkel, die dies anscheinend nicht auf Wunsch der Witwe Maike Kohl-Richter taten. [/quote]
Irgendwo enden die Ansprüche einer Witwe eines so bedetenden Politikers, und die Kanzlerin der Bundesrepublik nicht sprechen zu lassen, wäre nicht gegangen. Kohl war nachtragend, aber er muss als Staatsmann gewusst haben, wo bei einer solchen Trauerfeier Grenzen liegen.
Und nochmal nicht wäre es möglich gewesen, ausgerechnet den französischen Staatspräsidenten und auch Gastgeber als Redner auszuschließen. Völlig gegen alles, was der Verblichene im Leben demonstriert hat.