Wer glaubte o. identifizierte sich 1989 noch mit d. DDR?

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Re: Wer glaubte o. identifizierte sich 1989 noch mit d. DDR?

von Barbarossa » 04.10.2015, 18:20

Ja, tue das ruhig, Renegat. Das könnte ein paar interessante Infos in Form von Austausch eigener Erfahrungen bringen. Den bestehenden Pfad könnten wir dazu zur Themeneröffnung nehmen (eventuell könnte ich Vorschläge gebrauchen).

Re: Wer glaubte o. identifizierte sich 1989 noch mit d. DDR?

von Ruaidhri » 04.10.2015, 14:10

Das wäre mal interessant, die schon gehabten Ansätze unter einen neuen Hut zu bringen. :clap:

Re: Wer glaubte o. identifizierte sich 1989 noch mit d. DDR?

von Renegat » 04.10.2015, 12:20

Inzwischen hat sich der Faden ziemlich vom Ursprungsthema entfernt, wie so oft. Finde ich nicht so schlimm, wenn die gestreiften Themen interessant sind und mich weiterbringen. In den letzten Beiträgen habe ich für mich 2 Themen erkannt, wo es sich lohnen würde, die mit den verschiedenen Erfahrungshorizonten von Ost- und Westbürgern zu diskutieren. Allerdings weiß ich nicht, ob das auf allgemeines Interesse stößt, deshalb bitte ich um Rückmeldung, bevor ich 2 neue Themen eröffne.

1. Besitz, Volkseigentum, Allmende, Last, Rechte, Verantwortung, Teilen,
2. Arbeitswelt, Kollektiv, Team, weiche Faktoren der Arbeitszufriedenheit.

Re: Wer glaubte o. identifizierte sich 1989 noch mit d. DDR?

von Ruaidhri » 04.10.2015, 00:17

Das hat mir auch noch niemand verboten. Wälder sind in D doch nicht eingezäunt, also betritt die jeder zum spazierengehen, joggen oder was auch immer. Zum Holzsammeln braucht man einen Sammelschein. Feuermachen und Abfallentsorgen ist aus Sicherheitsgründen verboten. Aber Pilzesammeln? Das habe ich noch nicht gehört, wie wollte der Besitzer das auch kontrollieren. Kann da jemand aus dem ländlichen Westen was dazu sagen.
Man kann im Bundeswaldgesetz und den jeweiligen Landeswaldgesetzen nachlesen. Gilt für Staatsforste und Wald in Privatbesitz.
http://www.wald-prinz.de/das-bundeswaldgesetz/174
Die jeweiligen LWG könnt Ihr dort ebenfalls finden.
Es gibt Gründe, warum ein Betretungsrecht auf Wegen oder jenseits von Wegen verhängt werden kann. Das kann kein privater Waldbesitzer nach Belieben, das Eigentumsrecht hat da seine engen Grenzen.
Da muss er erstmal beweisen, dass er a) Besitzer oder b) weisungsbefugt ist. und c) Gründe nennen.
Dabei fallen mir passend zur Apfelzeit die Obstbaumalleen ein. Meist alte Obstbäume an öffentlichen Straßen, sieht man überall im Westen wie im Osten. Wie geht und ging man damit um?
Ich weiß, dass man da früher auch Pflückerlaubnisse ausgab, heute sieht man alle nicht eingezäunt stehenden Bäume als öffentliches Eigentum an und bedient sich
An Straßen und direkt an den Wirtschaftswegen bediene ich mich auch in Maßen, was bei uns in den Knicks wächst, darf geerntet werden.
Anders sieht es auf Obstbaumwiesen aus, auch auf frei zugänglichen. Das ist auf dem Lande Privateigentum, wie jeder Acker und jede Weidefläche. Oft als Nahrungsquelle und Biotop für alle möglichen Tierarten angelegt, genauso wie Wildäcker.
Barbarossa hat geschrieben:Es wurde die Rechnung aufgemacht, dass mit der D-Mark Investoren ins Land kämen, die die Wirtschaft wieder flott machen würden und wenn die D-Mark da ist, ist es auch ein logischer Schritt zur Einheit Deutschlands. So argumentierten übrigens auch die vielen Wahlkämpfer aus dem Westen, die hier im Osten weit geöffnete Türen einrannten.
Eben, die Rechnung- ohne jeden kritischen Unterton, denn logisch und auch unabwendbar war die Einheit.
Aber es gab auch eine hohe Zahl von Patrioten, die die Einheit 1990 wirklich euphorisch feierten.
Klar, die gab es hier auch, aber genauso viele, denen die "Einheit der Nation" nicht wirklich etwas bedeutete.
Und ich meine, viele sind auf die Straße gegangen, nicht weil das Ziel der Wiedervereinigung hatten, die schien ja weltpolitisch so ziemlich unwahrscheinlich in den Anfängen, sondern um die DDR zu verändern.
Nun ist es halt passiert- und der Bundespräsident hat heute manch trefflichen Satz dazu gesagt.
Dazu und zu anderen Dingen, die uns gerade vor neue Fragen stellen.

Re: Wer glaubte o. identifizierte sich 1989 noch mit d. DDR?

von Renegat » 03.10.2015, 23:44

Spartaner hat geschrieben:Jedenfalls werden die Sport- und Bolzplätze in ganz Deutschland immer weniger. Plätze die der Stadt gehören, werden einfach in private Vereinshände überantwortet , weil kein Geld mehr für die Erhaltung verfügbar ist.
Geld ist natürlich bei vielen Kommunen ein Problem, gleichzeitig sind sie nah am Bürger und der sieht ihnen gerade dort im eigenen Umfeld auf die Finger.
Sportplätze wurden nach meinem Kenntnisstand in meiner Kommune noch nicht privatisiert, höchstens mal ein nicht mehr benutzter als Bauland verkauft. Bei Schwimmbädern sieht das dagegen anders aus. Die sind teuer in der Unterhaltung und der Trend geht zum Spaß- und Wellnessbad, da wurde schon viel versucht, um die Sportbäder privat oder als Verein weiterzubetreiben.
Zum Sport allgemein muß man bedenken, dass viele Freizeitsportler nicht mehr unbedingt in einen klassischen Verein eintreten wollen, sondern lieber in einem privaten Fitnesscenter trainieren. Die sind meist besser ausgestattet aber auch teurer im Monatsbeitrag.



Renegat hat geschrieben: Das hat mir auch noch niemand verboten. Wälder sind in D doch nicht eingezäunt, also betritt die jeder zum spazierengehen, joggen oder was auch immer. Zum Holzsammeln braucht man einen Sammelschein. Feuermachen und Abfallentsorgen ist aus Sicherheitsgründen verboten. Aber Pilzesammeln? Das habe ich noch nicht gehört, wie wollte der Besitzer das auch kontrollieren. Kann da jemand aus dem ländlichen Westen was dazu sagen.
Dabei fallen mir passend zur Apfelzeit die Obstbaumalleen ein. Meist alte Obstbäume an öffentlichen Straßen, sieht man überall im Westen wie im Osten. Wie geht und ging man damit um?
Ich weiß, dass man da früher auch Pflückerlaubnisse ausgab, heute sieht man alle nicht eingezäunt stehenden Bäume als öffentliches Eigentum an und bedient sich. Inzwischen pflanzen manche Großstädte schon wieder neue Obstbäume auf öffentlichen Flächen.
Spartaner hat geschrieben:Ist mir schon in der Nähe einer Waldgststätte passiert, dass mir der Besitzer der Gaststätte der auch der Besitzer des anliegenden Waldstückes war, verboten hat, Pilze zu sammeln. Rechtlich gesehen hatte er Recht. In der DDR aber undenkbar, da es sich um Volkseigentum handelte.
Papierrecht und Gewohnheitsrecht sind nicht immer dasselbe. Wäre interessant, was ein Jurist dazu sagt, hat schon mal ein Waldbesitzer einen Pilzsammler auf Herausgabe verklagt?
Jagdrecht kann der Waldbesitzer vergeben, Holzsammeln auch, auch das kommt wieder in Mode und seine Bäume darf er fällen und verkaufen aber sonst?

Spartaner hat geschrieben:Um wurmversäuchte uneingezäunte Kirschbäume, die keinen Bauern gehören, wollen wir da nicht mal reden.
Nana, die Obstalleen kommen wieder in Mode, ganz ganz früher war sowas die Allmende. Da kann man doch wieder lernen, sich bescheiden und an den Nächsten denkend am Allgemeingut zu bedienen.

Re: Wer glaubte o. identifizierte sich 1989 noch mit d. DDR?

von Spartaner » 03.10.2015, 23:05

Renegat hat geschrieben:
Spartaner hat geschrieben: Die Arbeitskollektive möchte ich hier nicht aufführen, die gibt es im Westen auch und auch mit klaren Zielvorgaben. Auch Kamerdschaft und kollektivmässige Zusammenarbeit in einzelnen Konzernbereichen gibt es.
Die Zielvorgaben kamen von oben, oder?
Ich kann es dir nicht genau beantworten, dazu kenne ich mich dazu zu wenig aus. ich weiß nur das meine Mutter gern in ihrem Arbeitskollektiv war, weil sie zu Hause bei meinen Vater nicht viel zu lachen hatte.

"Brigaden oder Kollektive sollten auch Orte der Herausbildung sozialistischer Persönlichkeiten sein. Anstelle von Konkurrenz wurde Solidarität angestrebt. Das Arbeitskollektiv war für viele DDR-Bürger eine Art soziale Heimat, die Geborgenheit und gegenseitige Hilfe bot."
Zu Zielvorgaben habe ich folgendes gefunden:
"Wer gut arbeitet, den Plan erfüllt oder gar übererfüllt und beste Qualität hervorbringt, stärkt den Sozialismus, stärkt den Arbeiter- und Bauernstaat DDR. "
https://www.planet-schule.de/wissenspoo ... swelt.html
Renegat hat geschrieben:
Volkssportgarten habe ich noch nie gehört. Ist das was anderes als ein Stadtpark, Stadtplatz oder Spielplatz?

Sportplätze sind ja auch im Westen nicht in Privathand sondern gehören der Kommune = Stadt oder Gemeinde und das ist die Gesamtheit der Bürger, also nur ein anderes Wort für Volkseigentum. Die Vereine pachten die Flächen und bieten Fußball als Mannschaftssport an, mit Trainer, Duschen, Wettbewerben usw. Dafür zahlt man einen sozialverträglichen Beitrag.
Will man ohne feste Mannschaft spontan mit ein paar Freunden Fußball spielen, geht man auf eine kommunale Wiese oder einen Bolzplatz, die sind meist mit hohen Ballfangzäunen ausgestattet und liegen neben ebenfalls kommunalen Spielplätzen. An der Stelle sehe ich keinen so großen Unterschied, denn gerade in Städten hält die Kommune doch noch einiges an "Volkseigentum", dass jeder jederzeit betreten und benutzen kann.
In Volkssportgärten konnte man Leichtathletik betreiben, also Laufen, Weitsprung , Fussball für jedermann. Davon gab bestimmt in jeder Stadt eine Sportstätte. Vielleicht wurde dieses Wort aus der Nazizeit einfach übernommen. Das entzieht sich meiner Kenntnis. Jedenfalls werden die Sport- und Bolzplätze in ganz Deutschland immer weniger. Plätze die der Stadt gehören, werden einfach in private Vereinshände überantwortet , weil kein Geld mehr für die Erhaltung verfügbar ist.
Renegat hat geschrieben: Das hat mir auch noch niemand verboten. Wälder sind in D doch nicht eingezäunt, also betritt die jeder zum spazierengehen, joggen oder was auch immer. Zum Holzsammeln braucht man einen Sammelschein. Feuermachen und Abfallentsorgen ist aus Sicherheitsgründen verboten. Aber Pilzesammeln? Das habe ich noch nicht gehört, wie wollte der Besitzer das auch kontrollieren. Kann da jemand aus dem ländlichen Westen was dazu sagen.
Dabei fallen mir passend zur Apfelzeit die Obstbaumalleen ein. Meist alte Obstbäume an öffentlichen Straßen, sieht man überall im Westen wie im Osten. Wie geht und ging man damit um?
Ich weiß, dass man da früher auch Pflückerlaubnisse ausgab, heute sieht man alle nicht eingezäunt stehenden Bäume als öffentliches Eigentum an und bedient sich. Inzwischen pflanzen manche Großstädte schon wieder neue Obstbäume auf öffentlichen Flächen.
Ist mir schon in der Nähe einer Waldgststätte passiert, dass mir der Besitzer der Gaststätte der auch der Besitzer des anliegenden Waldstückes war, verboten hat, Pilze zu sammeln. Rechtlich gesehen hatte er Recht. In der DDR aber undenkbar, da es sich um Volkseigentum handelte. Um wurmversäuchte uneingezäunte Kirschbäume, die keinen Bauern gehören, wollen wir da nicht mal reden.

Re: Wer glaubte o. identifizierte sich 1989 noch mit d. DDR?

von Renegat » 03.10.2015, 22:51

Spartaner hat geschrieben: Die Arbeitskollektive möchte ich hier nicht aufführen, die gibt es im Westen auch und auch mit klaren Zielvorgaben. Auch Kamerdschaft und kollektivmässige Zusammenarbeit in einzelnen Konzernbereichen gibt es.
Die Zielvorgaben kamen von oben, oder?
Spartaner hat geschrieben:Ich sehe vielleicht als Erungenschaft der Arbeiterklasse, dass vieles nicht in Privathand war. Wenn ich auf den Sportplatz ging, um zu tranieren, brauchte ich mich nicht vertreiben lassen, wenn ich kein Mitgliedsbeitrag bezahlt habe. Dafür gab es sogennante Volkssportgarten. Hier konnte man noch wahrlichst von sogenannten Strassenfussballern im wortwahrlichsten Sinne sprechen
Einmal wollte mich ein Beaufsichtigter, der in der Partei war, mich als Kind und andere Kinder damals vom Sportplatz vertreiben, weil ich dort mit anderen Kindern Fussball spielte und ihm das nicht passte. Daraufhn habe ich ihm entgegnet, dass es Volkseigentum ist und er darüber nicht zu entscheiden hätte.
Volkssportgarten habe ich noch nie gehört. Ist das was anderes als ein Stadtpark, Stadtplatz oder Spielplatz?

Sportplätze sind ja auch im Westen nicht in Privathand sondern gehören der Kommune = Stadt oder Gemeinde und das ist die Gesamtheit der Bürger, also nur ein anderes Wort für Volkseigentum. Die Vereine pachten die Flächen und bieten Fußball als Mannschaftssport an, mit Trainer, Duschen, Wettbewerben usw. Dafür zahlt man einen sozialverträglichen Beitrag.
Will man ohne feste Mannschaft spontan mit ein paar Freunden Fußball spielen, geht man auf eine kommunale Wiese oder einen Bolzplatz, die sind meist mit hohen Ballfangzäunen ausgestattet und liegen neben ebenfalls kommunalen Spielplätzen. An der Stelle sehe ich keinen so großen Unterschied, denn gerade in Städten hält die Kommune doch noch einiges an "Volkseigentum", dass jeder jederzeit betreten und benutzen kann.


Spartaner hat geschrieben: Es wäre auch nicht vorstellbar gewesen, dass mir Jemand das Pilze sammeln im Wald verbietet, weil er der Waldbesitzer sei.
Das hat mir auch noch niemand verboten. Wälder sind in D doch nicht eingezäunt, also betritt die jeder zum spazierengehen, joggen oder was auch immer. Zum Holzsammeln braucht man einen Sammelschein. Feuermachen und Abfallentsorgen ist aus Sicherheitsgründen verboten. Aber Pilzesammeln? Das habe ich noch nicht gehört, wie wollte der Besitzer das auch kontrollieren. Kann da jemand aus dem ländlichen Westen was dazu sagen.
Dabei fallen mir passend zur Apfelzeit die Obstbaumalleen ein. Meist alte Obstbäume an öffentlichen Straßen, sieht man überall im Westen wie im Osten. Wie geht und ging man damit um?
Ich weiß, dass man da früher auch Pflückerlaubnisse ausgab, heute sieht man alle nicht eingezäunt stehenden Bäume als öffentliches Eigentum an und bedient sich. Inzwischen pflanzen manche Großstädte schon wieder neue Obstbäume auf öffentlichen Flächen.

Was mancherorts strittig ist wegen Privat- oder Vereinsbesitz sind die Gewässer. Ein eingezäuntes Grundstück mit eigenem Zugang zum Wasser, wo Spaziergänger nicht ans Ufer können z.B. Oder Teiche von Angelvereinen, die wegen Wildangeln eingezäunt sind.

Spartaner hat geschrieben:Dann gab es in der DDR eine ausgeprägte Theaterszene. Die mit der Wiedervereinigung regelrecht zusammenbrach und sich später auch nicht mehr erholte. Aber das ist wahrscheinlich auch schon der Zahn der Zeit, der an der Theaterszene nagte.
Da kenne ich mich nicht so aus, kleine, alternative Theater gibt und gab es im Westen auch, die Staatstheater entsprechen dem öffentlichen Kulturauftrag. Die kleinen erhalten auch Fördermittel, je nach Haushalt der Kommunen.

Re: Wer glaubte o. identifizierte sich 1989 noch mit d. DDR?

von Barbarossa » 03.10.2015, 21:57

Renegat hat geschrieben:...
Wobei man bedenken muß, dass die Arbeitswelt der 80er und frühen 90er auch im Westen noch eine ganz andere war. Damals waren fast alle Arbeitsverhältnisse unbefristet, auch nicht besonders leistungsstarke Arbeitnehmer behielten ihren Arbeitsplatz. Man zog sie irgendwie mit durch.
Echt? Hmmm.

In der DDR war zwar der Arbeitsplatz relativ sicher, aber Leistung im Rahmen der Planvorgaben musste auch da gebracht werden.
In der Lehre als Zerspanungsfacharbeiter (später hieß der Beruf "Facharbeiter für Werkzeugmaschinen") habe ich selbst erlebt, dass der Lehrmeister nacheinander einige in andere Abteilungen versetzte, als er einschätzte, dass sie die geforderte Leistung nicht bringen werden. Baute jemand als Facharbeiter Mist, konnte ihm ein bestimmter Satz vom Stundenlohn abgezogen werden - bei kleineren Sachen 20 Pfennige pro Stunde im Monat, bei größeren Sachen konnten es auch schon mal 50 Pfennige pro Stunde im Monat sein. Bei den geringen Stundenlöhnen war das ein herber Verlust.
Nach bundesdeutschen Gesetzen sind solche Lohnabzüge rechtswidrig.

Edit:
Aber über solche Sanktionen hinaus gab es auch noch die normalen Abstufungen beim Lohn inform von Lohngruppen. Nachdem ich ausgelernt hatte bekam ich Lohngruppe 5 und hatte als Schichtarbeiter zw. 850 - 900 M Netto im Monat, mit Lohngruppe 6 waren das dann schon um die 1000 M Netto und mit der höchsten Lohngruppe 7 hatte man so zw. 1100 - 1200 M Netto. Also auch über die Lohngruppen gab es den Ansporn, seine Leistung zu steigern.
Es war nicht so, dass wir alle bezahlte Urlauber waren.

Re: Wer glaubte o. identifizierte sich 1989 noch mit d. DDR?

von Spartaner » 03.10.2015, 21:15

Renegat hat geschrieben: Diese Frage finde ich auch interessant. Irgendwo in diesem Forum hatte ich vor kurzem das Schul- und Kinderbetreuungssystem angesprochen.
In den 90ern hatte ich bei Azubi-Vorstellungsgesprächen die Gelegenheit, ein paar Jugendliche im direkten Vergleich zu beobachten. Wir fanden damals, die Bewerber aus dem Osten bodenständiger, bescheidener und irgendwie passender für die Arbeitswelt. Manche jungen Männer aus dem Westen fuhren mit Papas Auto zum Vorstellungsgespräch, sie traten diffus als verwöhnte Erben auf, teilweise wurden sie eingestellt, weil Papa oder Mama jemanden kannte.

Andere Errungenschaften der Arbeiterklasse würden mich interessieren.
Wobei man bedenken muß, dass die Arbeitswelt der 80er und frühen 90er auch im Westen noch eine ganz andere war. Damals waren fast alle Arbeitsverhältnisse unbefristet, auch nicht besonders leistungsstarke Arbeitnehmer behielten ihren Arbeitsplatz. Man zog sie irgendwie mit durch.
Das sehe ich genauso und gebe dir dazu volle Zustimmung. Ich möchte aber klarstellen, dass ich die Errungenschaften der Arbeiterklasse nicht die Erungenschaften der Partei sehe. Diese Leute haben ihre Menschen eingesperrt, bevormundet und waren auch voreingenommen und beratungsressistent. Deshalb sehe ich immer ein Diskrepanz, wenn ich von Erungenschaften der Arbeiterklasse spreche.
Die Arbeitskollektive möchte ich hier nicht aufführen, die gibt es im Westen auch und auch mit klaren Zielvorgaben. Auch Kamerdschaft und kollektivmässige Zusammenarbeit in einzelnen Konzernbereichen gibt es.
Ich sehe vielleicht als Erungenschaft der Arbeiterklasse, dass vieles nicht in Privathand war. Wenn ich auf den Sportplatz ging, um zu tranieren, brauchte ich mich nicht vertreiben lassen, wenn ich kein Mitgliedsbeitrag bezahlt habe. Dafür gab es sogennante Volkssportgarten. Hier konnte man noch wahrlichst von sogenannten Strassenfussballern im wortwahrlichsten Sinne sprechen
Einmal wollte mich ein Beaufsichtigter, der in der Partei war, mich als Kind und andere Kinder damals vom Sportplatz vertreiben, weil ich dort mit anderen Kindern Fussball spielte und ihm das nicht passte. Daraufhn habe ich ihm entgegnet, dass es Volkseigentum ist und er darüber nicht zu entscheiden hätte. Es wäre auch nicht vorstellbar gewesen, dass mir Jemand das Pilze sammeln im Wald verbietet, weil er der Waldbesitzer sei.
Dann gab es in der DDR eine ausgeprägte Theaterszene. Die mit der Wiedervereinigung regelrecht zusammenbrach und sich später auch nicht mehr erholte. Aber das ist wahrscheinlich auch schon der Zahn der Zeit, der an der Theaterszene nagte.

Re: Wer glaubte o. identifizierte sich 1989 noch mit d. DDR?

von Barbarossa » 03.10.2015, 20:31

Ruaidhri hat geschrieben:So überraschend ist das nicht, wenn ich den markierten Teil auf beide Staaten beziehe: Es waren zwei Gesellschaften, nicht eine, die völlig verschiedene Wege gingen, mit sehr vershiedenem Alltag.
Ja, es waren zwei Staaten usw., aber Deutschland blieb in den 40 Jahren doch EINE Nation. Es gab keine extra DDR-Nation. Und wer in der DDR Westverwandte hatte, die regelmäßig zu Besuch kamen (so wie es bei uns war), da spürte man das ja auch Hautnah. Der Umstand ist dabei zu berücksichtigen.
Ruaidhri hat geschrieben:Beziehe ich ich ihn jeweils auf die DDR oder die BRD-Gesellschaft:
Im Osten war es die jüngere Generation, die vielleicht eher einen anderen Staat als die Wiedervereinigung wollte?
Wann tauchte "Wir sind ein Volk!" auf? Und wo? Im Osten skandiert, nicht in wesdeutschen Städten.
Die älteren Jahrgänge, die nicht an der DDR hingen, waren bei dem Thema Wiedervereinigung vielleicht emotionaler, so ähnlich wie Brandt und Co, die ich nicht verstand in ihrer Wiedervereinigungseuphorie.
Euphorie, Freude, dass die Diktatur drüben für Euch beendet war: Aber ja doch, aber "Ihr wart eben Ihr in Eurem nun befreiten Staat" so ein " wir" blieb vielen fremd.
Da habe ich eine andere Sicht der Dinge. Auch die große Mehrheit meiner Generation (1990 - so Anfang 20) wollte die Einheit. Vielleicht nicht unbedingt immer aus patriotischen Gründen - über die individuellen Gründe will ich jetzt nicht spekulieren, aber mindestens aus wirtschaftlichen Gründen. Es wurde die Rechnung aufgemacht, dass mit der D-Mark Investoren ins Land kämen, die die Wirtschaft wieder flott machen würden und wenn die D-Mark da ist, ist es auch ein logischer Schritt zur Einheit Deutschlands. So argumentierten übrigens auch die vielen Wahlkämpfer aus dem Westen, die hier im Osten weit geöffnete Türen einrannten.
Aber es gab auch eine hohe Zahl von Patrioten, die die Einheit 1990 wirklich euphorisch feierten.
Ruaidhri hat geschrieben:... So wie die friedliche Revolution im Wesentlichen das Werk einer engagierten Minderheit war, das von der passiven Mehrheit quasi aus der Balkon-Perspektive verfolgt wurde, so haben sich die politischen Eliten womöglich auch etwas vorgemacht über den Grad der Akzeptanz der Wiedervereinigung in allen ihren Konsequenzen im Westen sowie über den Grad der Akzeptanz der freiheitlich demokratischen Grundordnung im Osten."
Und das halte ich für eine beinahe schon bösartige Unterstellung. Es haben sehr viele Leute bei den Montagsdemos und anderen demonstriert. Das war meines Erachtens keine Minderheit.
Dass eine riesengroße Mehrheit im Osten auch die deutsche Einheit wollte, sah man doch in der einzigen freien Volkskammerwahl - sie war im Grunde zugleich quasi eine Volksabstimmung darüber.
Ruaidhri hat geschrieben:Ganz subjektiv kann man sich manchmal in der Zeit zwischen dem 3.Oktober und 9. November als gebürtiger Westdeutscher als nicht real existierend fühlen, als restlos unbedeutend für diese Republik, denn Nazis gab es nur bei uns, und das bekommen wir auch gern im TV mitgeteilt,-und Helden nur in der DDR in jenen Wochen des Herbstes 1989.
Wo sind die 40 Jahre West?
Jaaa - im Westen war die Einheit der Nation von der Gründung an ein verfassungsmäßiges Staatsziel. Hätte die Mehrheit dort die Einheit irgendwann nicht mehr gewollt, hätte die Bevölkerung eben rechtzeitig auf eine Änderung der Präambel des Grundgesetzes drängen müssen. Ist nicht passiert, also bedurfte es im Westen keiner Willensbekundung der Bevölkerung. In einem anderen Pfad schriebst du ja selbst:
Ruaidhri hat geschrieben:3. Wenn "das Volk" den Arsch nicht hochbekommt und sich nicht dort und mit den zahlreichen Möglichkeiten, die es gibt, einbringt, selbst Schuld. Einbringen heißt für mich, dass nicht nur für die jeweils eigenen Interessen zu tun- und so, wie ich die Masse einschätze, ist sie zu bequem, zu egoistisch, und, mit Verlaub, auch oft zu dumm und frei von irgendeiner politischen Bildung, geschweige denn von dem Bemühen, sich Sachkenntnis zu verschaffen.
Demokratie erfordert eigenverantwortliches Engagement, nicht Bequemlichkeit und Scheu vor Aufwand.
...
Da stimme ich dir absolut zu, also muss man das in realpolitischer Lesart so sehen. :wink:

Re: Wer glaubte o. identifizierte sich 1989 noch mit d. DDR?

von Ruaidhri » 03.10.2015, 19:12

Allerdings bei Menschen im Alter von Genscher oder Helmut Schmidt würde das wahrscheinlich ganz anders ausfallen, da sie noch ein einheitliches Deutschland bewusst erlebt haben - wenn auch im Krieg.
Sichrlich ist das so. Und just an dem Punkt kamen viele jüngere in Kollision mit dem einstigen Idol Willy Brandt. Irgendwie hatten wir das nicht mehr auf dem Schirm, auch nicht, während wir mit Respekt und Bewunderung sahen, was passierte. (Mein Bruder live in Berlin.)
Meine Mutter, Jahrgang 1917, war sicherlich erfreut, dass ihr da drüben nun befreit war, aber eine Wiedervereinigung? Ne, auch nicht so das erste, was sie spontan sah und wollte.
So hat jeder seine ganz eigene Sicht auf die Dinge.
Sicherlich, und ausweichlich, statisch gesehen, als Momentaufnahmen zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Aneinander gereiht, bis heute, ergibt sich daraus bei den meisten doch eine Dynamik, eine Art Film.
Aber - ich sage mal als Hobbyhistoriker - finde ich es schon erstaunlich, dass eine 40-jährige Teilung (eigentlich ja nur ein halbes Menschenleben) einen doch relativ großen Teil der Gesellschaft eines Landes derart nachhaltig spalten kann.
So überraschend ist das nicht, wenn ich den markierten Teil auf beide Staaten beziehe: Es waren zwei Gesellschaften, nicht eine, die völlig verschiedene Wege gingen, mit sehr vershiedenem Alltag.
Beziehe ich ich ihn jeweils auf die DDR oder die BRD-Gesellschaft:
Im Osten war es die jüngere Generation, die vielleicht eher einen anderen Staat als die Wiedervereinigung wollte?
Wann tauchte "Wir sind ein Volk!" auf? Und wo? Im Osten skandiert, nicht in wesdeutschen Städten.
Die älteren Jahrgänge, die nicht an der DDR hingen, waren bei dem Thema Wiedervereinigung vielleicht emotionaler, so ähnlich wie Brandt und Co, die ich nicht verstand in ihrer Wiedervereinigungseuphorie.
Euphorie, Freude, dass die Diktatur drüben für Euch beendet war: Aber ja doch, aber "Ihr wart eben Ihr in Eurem nun befreiten Staat" so ein " wir" blieb vielen fremd.
Ich hatte den Artkel an anderem Ort verlinkt, hier aber auch nochmal:
http://www.shz.de/nachrichten/deutschla ... 64311.html
Zitat:
"Einzige ernsthafte Alternative wäre der 9. Oktober gewesen – jener Tag, an dem in Leipzig 70 000 Menschen gegen das SED-Regime demonstrierten. Dieser Tag gilt als Wendepunkt der friedlichen Revolution. Aber, so konstatiert Calabretta, dieser Tag fand nicht genug Zustimmung, um sich gegen den 3. Oktober durchzusetzen. „Dies lag vor allem daran, dass man den Eindruck hatte, die Bürger Westdeutschlands seien durch dieses Datum nicht ausreichend repräsentiert.“ So gilt der Historikerin nun der 3. Oktober als „ein Tag, an dem sich Staatsmänner und politische Elite selbst feiern, ohne dabei das Volk allzu sehr mit einzubeziehen“.

Genau dieser Vorwurf – das Volk werde in wesentliche Entscheidungen nicht allzu sehr einbezogen – schlägt Politik wie Medien seit Monaten mit außergewöhnlicher Vehemenz entgegen. Daran ist nicht der willkürliche Nationalfeiertag schuld, doch dieser Diskurs steht symbolisch für ein generelles Missverständnis: So wie die friedliche Revolution im Wesentlichen das Werk einer engagierten Minderheit war, das von der passiven Mehrheit quasi aus der Balkon-Perspektive verfolgt wurde, so haben sich die politischen Eliten womöglich auch etwas vorgemacht über den Grad der Akzeptanz der Wiedervereinigung in allen ihren Konsequenzen im Westen sowie über den Grad der Akzeptanz der freiheitlich demokratischen Grundordnung im Osten."

Ganz subjektiv kann man sich manchmal in der Zeit zwischen dem 3.Oktober und 9. November als gebürtiger Westdeutscher als nicht real existierend fühlen, als restlos unbedeutend für diese Republik, denn Nazis gab es nur bei uns, und das bekommen wir auch gern im TV mitgeteilt,-und Helden nur in der DDR in jenen Wochen des Herbstes 1989.
Wo sind die 40 Jahre West?

Re: Wer glaubte o. identifizierte sich 1989 noch mit d. DDR?

von Barbarossa » 03.10.2015, 17:51

Ein großes Statement, Ruaidhri.
Allerdings bei Menschen im Alter von Genscher oder Helmut Schmidt würde das wahrscheinlich ganz anders ausfallen, da sie noch ein einheitliches Deutschland bewusst erlebt haben - wenn auch im Krieg. So hat jeder seine ganz eigene Sicht auf die Dinge. Aber - ich sage mal als Hobbyhistoriker - finde ich es schon erstaunlich, dass eine 40-jährige Teilung (eigentlich ja nur ein halbes Menschenleben) einen doch relativ großen Teil der Gesellschaft eines Landes derart nachhaltig spalten kann.

Re: Wer glaubte o. identifizierte sich 1989 noch mit d. DDR?

von Ruaidhri » 03.10.2015, 16:24

Das eine bedingt nicht das andere. Aber es ist richtig das es auch eine Kehrseite der Medallie gab.
So wie es eine Kehrseite der Medaille Freiheit und Marktwirtschaft in der BRD gab.

Re: Wer glaubte o. identifizierte sich 1989 noch mit d. DDR?

von Spartaner » 03.10.2015, 13:51

Cherusker hat geschrieben:
Ruaidhri hat geschrieben: Manches war ganz sicher kuscheliger und "sozialer" als bei uns, aber um welchen Preis?
Das ist ein subjektives Empfinden. Wenn man immer die Stasi im Rücken hat und jede unbedarfte Äußerung berufliche und private Nachteile mit sich ziehen konnte, dann kann es nicht so kuschelig gewesen sein. :wink:
Das eine bedingt nicht das andere. Aber es ist richtig das es auch eine Kehrseite der Medallie gab.

Re: Wer glaubte o. identifizierte sich 1989 noch mit d. DDR?

von Ruaidhri » 03.10.2015, 13:11

Ich hoffe, die meisten ehemaligen BürgerInnen der ex-DDR, auch stille Mitleser, haben verstanden, dass, jenseits anfänglichen Fremdelns und auch Nicht-Verstehens, mein Post von gestern Abend nicht meine tatsächliche Meinung ausdrückt.
Verstehen kann man nur lernen, indem man sich austauscht, und dazu gab es reichlich Gelegenheit- und viel gegenseitiges Erstaunen.
Vieles war noch so ganz gewesen, als man es bei Besuchen oder Ost-West-Kontakten schon durchaus real wahrgenommen hatte.
Fiel mir schon lange vor der Wende auf, wie unterschiedlich die "Denke" in kleinen Dingen geprägt war.
DDR war mehr Ausland, blieb fremder als es je die westlichen Nachbarländer gewesen waren, auch noch zu Zeiten, als private Reisen und Kontakte noch nicht so gang und gäbe waren.
Ja, es stießen unterschiedliche Mentalitäten, Prägungen aufeinander. Beiden wurde ein Stück der eigenen Identität genommen, nicht nur den Ossis. Alle mussten lernen- vielen ist es gelungen, sogar mir. :mrgreen:
Ich habe es wirklich nicht mit Deutschland, Vaterland, einig Vaterland, mal gar nicht Stolz auf Deutschland, Deutsch zu sein, Preußen, Protestantismus und was nicht noch alles.
Ja, ich habe mich gefreut, als die Schabowski-Nachricht in die Tat umgesetzt sah- für die Menschen in der DDR, die nun endlich nicht nur die Reisefreiheit hatten, sondern- damit verbunden, sicherlich die Chance, ihr Land umzubauen.
Es kam anders.
Dass da ein ganz gewaltiges Stück Schwerstarbeit geleistet wurde, aus den Gebilden BRD und DDR ein halbwegs einig Gesamt-Deutschland zu formen, steht außer Zweifel. Fertig ist man noch nicht.
Dennoch, nach 25 Jahren sind viele in Ost und West so einigermaßen im gemeinsamen Staat angekommen.
Wäre jetzt, 2015, die Frage: Wirklich? Was zählt heute mehr? Das vereinte Deutschland oder doch noch die jeweilige Herkunft?
Und wenn ja, verkraftet das gesamte Deutschland tatsächlich den neuen Umbruch gemeinsam?

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